Zitat von SchwarzhutEtwas mehr Gelassenheit bei diesem Thema tut gut. Wir haben eine stabile Demokratie, die in Europa keinen Vergleich scheuen muss. Bei aller Leidenschaft in der Auseinandersetzung und im Ringen um den besten Weg haben wir es nicht nötig, den Gegner in eine extremistische Ecke zu stellen.
Dem stimme ich zu, was diejenigen angeht, die jeden, der im Adreßverzeichnis der "Jungen Freiheit" steht, als Neonazi diffamieren.
Ich stimme Ihnen, lieber Schwarzhut, aber nicht zu, falls Sie Ihre Aussage auf meine Beurteilung der Politkriminellen beziehen, die das getan haben. Denn diese braucht man ja nicht in eine extremistische Ecke zu stellen; sie stehen dort. Wer Straftaten als Mittel zur Durchsetzung seiner politischen Ziele einsetzt, der ist ein Extremist. Wer bedenkenlos die Privatsphäre von Bürgern verletzt, die er dem gegnerischen politischen Lager zurechnet, der ist ein Extremist. Kein Demokrat käme auf den Gedanken, sich solcher Mittel zu bedienen.
Zitat von SchwarzhutSicher haben Sie recht, wenn Sie sich über die Einbrüche in geschützte Datenbereiche empören. Das Knacken von Websites und Klauen von geschützten Daten, ist genauso ein Vergehen, wie der Einbruch in eine Wohnung. Doch auch hier leben wir damit, dass es täglich vielfach geschieht, und die Aufklärungsquote eher bescheiden ausfällt.
Wenn in die Wohnungen von politisch mißliebigen Bürgern eingebrochen würde, um dort persönliche Dokumente zu stehlen und sie zu veröffentlichen, würden wir das keineswegs so gelassen sehen. Es wäre im Gegenteil ein Skandal.
Zitat von SchwarzhutEs begeistert mich , wie Sie das hohe Lied der Liberalität in Deutschland singen, das leider in letzter Zeit fast verstummt ist. Was wir brauchen, ist eine undogmatische Sichtweise auf die Dinge und den offenen Disput aller gesellschaftlichen Kräfte.
Wir brauchen, lieber Schwarzhut, den Disput aller Demokraten. Und als diejenigen, denen an diesem demokratischen Rechtsstaat liegt, brauchen wir das gemeinsame Vorgehen aller Demokraten gegen diejenigen "gesellschaftlichen Kräfte" wie Anonymous und die Neonazis, die diesen Staat zerstören wollen.
Was die Neonazis angeht, gibt es diesen Konsens. Was ihre Brüder im Geiste auf der Linken angeht, gibt es ihn leider nicht.
Ich sehe die Sache aber auch noch unter einem anderen Aspekt: Es wurden ja eben nicht nur die Namen derer publiziert, die in dieser Adreßdatei waren, sondern auch Anschrift, Telefonnummer, Mailadresse usw.
Es handelt sich mindestens zum Teil um Menschen, die diese Daten nicht öffentlich machen wollen; schon um sich vor Belästigungen zu schützen. In deren Privatsphäre wurde eingebrochen, der Schutz ihrer Daten wurde skrupellos verletzt.
Vermutlich wird mancher jetzt zum Beispiel seine Telefonnummer ändern und die Sicherung seines Hauses oder seiner Wohnung verstärken müssen. Solche Listen werden ja bekanntlich von "Antifas" genutzt, um den Betreffenden "Hausbesuche" abzustatten, ihre Häuser zu beschmieren usw.
Und noch ein weiterer Grund, lieber Schwarzhut, warum mir bei einer solchen Sache Gelassenheit fehl am Platz zu sein scheint: Diese Politkriminellen haben ja ein breites Umfeld von Sympathisanten. Von Leuten, die nichts dabei finden oder es sogar begrüßen, wenn tüchtig "gegen die Nazis vorgegangen wird". Ich habe im öffentlich-rechtlichen Hörfunk Nachrichtensendungen gehört, in denen sogar die URL, unter der diese Adreßliste abrufbar ist, mehrfach vollständig genannt wurde. Ohne jede Distanzierung von den Tätern. Man stelle sich vor, was los wäre, wenn Sender in dieser Weise mangelnde Distanz zu Neonazis erkennen lassen würden.
Diese Leute - die Täter und ihre Sympathisanten - wollen nicht den offenen Disput, für den Sie und ich eintreten. Sie wollen einen von ihnen beherrschten Staat, in dem kein Bürger mehr abweichende Meinungen artikulieren kann, ohne befürchten zu müssen, Opfer von Angriffen zu werden.
Das sind totalitäre Ideen, und die Methoden sind diejenigen der SA. Da kann bei mir keine Gelassenheit aufkommen.
Sehr geehrter Zettel, damit kein Missverständnis aufkommt, Einbruch, Datendiebstahl und Verleumdung sind kriminelle Handlungen, die ich verurteile und keinesfalls beschönigen will. Sie haben auch recht damit, dass Sie klare Spielregeln fordern und extremistische Meinungen, ob von links, oder rechts vom offenen politischen Disput ausgrenzen wollen. Das Problem sehe ich aber in der Grenzziehung. Wer ist noch Demokrat, wer ist schon Extremist? Das Etikett wird schnell vergeben, aber es gibt wenig objektive Kriterien ( eindeutig kriminelles Verhalten einmal ausgenommen). Daher auch mein Appell zum offenen Disput aller gesellschaftlichen Kräfte. Ich halte auch nichts von einem Verbot von Parteien, solange diese nicht kriminelle Handlungen begehen oder offensichtlich beabsichtigen. Die Ausgrenzung fördert Verschwörungstheorien, bestätigt verbohrte Extremisten in ihrer Verbohrtheit und macht die Gruppierungen für labile Menschen erst interessant. Das größere Problem sehe ich darin, dass inzwischen viele sogenannte "politisch korrekt" denkende Journalisten glauben, Rechtsbruch ist beim Kampf gegen tatsächliche, oder auch vermeintliche "Nazis", durch eine Art übergesetzlichen Notstand gerechtfertigt. Ihr Hinweis auf entsprechende Veröffentlichungen in Rundfunk und Presse zeigt dies sehr deutlich. Dies geschieht in letzter Zeit in besonderem Maße, da die Aufdeckung der Umtriebe der NSU, wie Wasser auf die Mühlen der "Nazijäger" wirkt. Anonymus erhält den Ruf eines modernen "Robin Hood", dessen Rechtsbrüchen man augenzwinkernd und feixend zusieht, solang nur die "richtige" Seite betroffen ist. Hier liegt das eigentliche Problem und darauf bezieht sich meine Forderung nach mehr liberalem Denken. Denn wie Sie in früheren Artikeln bereits völlig zu recht erläutern, ist die dogmatische Linke gerne bereit, der politisch anders denkenden Seite, die Existenzberechtigung abzusprechen und im Streben die Menschen mit der "allein seeligmachenden Wahrheit" zu beglücken, deren Rechte kurzerhand außer Kraft zu setzen. Hier ist ein Umdenken in den Redaktionen und bei den Lesern nötig, denn wenn diese Haltung weiter als normal, sprich die "Norm", empfunden wird, könnte durch einfachen Vorzeichenwechsel der Wind auch mal wieder ganz scharf aus der anderen Richtung blasen. Und das wollen wir sicher alle nicht! Herzlichst Schwarzhut
so, wie Sie Ihre Position jetzt erläutert haben, stimme ich Ihnen weitgehend zu. Nur an einem Punkt sind wir möglicherweise verschiedener Meinung. Sie schreiben:
Zitat Das Problem sehe ich aber in der Grenzziehung. Wer ist noch Demokrat, wer ist schon Extremist? Das Etikett wird schnell vergeben, aber es gibt wenig objektive Kriterien ( eindeutig kriminelles Verhalten einmal ausgenommen). Daher auch mein Appell zum offenen Disput aller gesellschaftlichen Kräfte.
Es stimmt, daß jede Grenzziehung im politischen Bereich schwierig ist. Man hat es ja meist mit einem Kontinuum zu tun; mindestens mit Unterschieden auf zahlreichen Dimensionen, die man gewichten muß. Wir haben hier im Forum beispielsweise oft diskutiert, was eigentlich "liberal", "links" oder "konservativ" bedeutet.
Im Fall des Extremismus ist es aus meiner Sicht aber einfach. Ich habe dafür zwei Kriterien, von denen mindestens eines erfüllt sein muß, damit ich jemanden als Extremisten ansehe und so bezeichne:
1. Das Nichteinhalten der Gesetze. Das beginnt mit dem Einbrechen in Computer und bei Demonstrationen der Mißachtung des Vermummungsverbots und reicht über die "Blockade" von Demonstrationen politischer Gegner, das Werfen von Steinen, das Anzünden von Barrikaden usw. bis zur Körperverletzung an Polizeibeamten und politischen Gegnern; im äußersten Fall reicht es bis zu den Morden, die von der RAF und dem NSU begangen wurden.
2. Das dokumentierte Bestreben, die vom Grundgesetz festgelegte staatliche und gesellschaftliche Ordnung abzuschaffen. Dieses Bestreben findet man bei Vertretern der NPD, vor allem aber in ihrem Umfeld der "Freien Kameradschaften", von Altermedia usw. Man findet es ebenso auf der Linken. Wenn die Vorsitzende der Partei "Die Linke" über "Wege zum Kommunismus" nachdenkt und sich dabei ausdrücklich auf Rosa Luxemburg beruft, die eine erbitterte Feindin des demokratischen Rechtsstaats und des parlamentarischen Systems war, dann kann aus meiner Sicht kein Zweifel daran bestehen, daß sei eine Extremistin ist. Die stellvertretende Fraktionsvoritzende dieser Partei im Bundestag ist bekanntlich mit ihren Lobpreisungen Stalins bekanntgeworden und war bis vor kurzem Vorsitzende einer Gruppe, die sich "Kommunistische Plattform" nennt. Auch sie ist zweifelsfrei eine Extremistin.
Mit diesen Feinden des demokratischen Rechtsstaats erscheint mir, lieber Schwarzhut, ein "offener Disput" ganz sinnlos; ich debattiere ja auch nicht mit einem Taschendieb über das Recht auf Eigentum.
Ansonsten, wie gesagt, Zustimmung - auch, was Ihre Anmerkungen zum Parteienverbot angeht. Ein Verbot ist selten eine Lösung.
Notwendig sind vor allem Informationen über die Feinde des demokratischen Rechtsstaats. Bei den rechten besteht da kein Mangel, weswegen ich dazu auch selten etwas in ZR schreibe. Kaum jemand in Deutschland weiß aber zum Beispiel, daß die Partei "Die Linke" Mitglied der europäischen Partei ist, die nahezu alle Kommunisten vereint; oder daß Oskar Lafontaine aktiv an der Gründung der französischen Partei "La Gauche" beteiligt war, die mit der KPF nahezu deckungsgleich ist und gemeinsam mit ihr den Kandidaten Jean-Luc Mélenchon ins Rennen schickt. Klassische kommunistische "Bündnispolitik" zwecks Gewinnung von fellow travellers.
Zitat von ZettelIch habe dafür zwei Kriterien, von denen mindestens eines erfüllt sein muß, damit ich jemanden als Extremisten ansehe und so bezeichne:
1. Das Nichteinhalten der Gesetze.
Wenn ich da an eine Diskussion denke, die ich jüngst mit Michael Kastner bei uns auf dem Blog geführt habe, muss ich diese Frage einfach stellen: Gilt das für alle Gesetze? Zum Beispiel auch für eine Impressumspflicht bei politischen Blogs? Oder für notorisches Bei-Rot-über-die-Straße-Gehen?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zunächst einmal möchte ich - und das ist nicht nur als pflichtschuldige captatio benevolentiae des Neumitglieds gedacht - Ihnen sehr herzlich zu diesem Blog gratulieren. Ich lese hier schon seit einiger Zeit mit; die allermeisten Einträge waren eine enorme Bereicherung für meine persönliche Meinungsbildung.
Zum Thema: Dieser Datendiebstahl sollte zu einem Nachdenken über die Staatsablehnung führen. Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen den Organwaltern, aber nicht den Institutionen mit Argwohn begegnet wird oder in denen lediglich ein Rückzug des (an und für sich befürworteten) Staates auf Kernbereiche gefordert wird, gibt es in Deutschland eine lange, unheilvolle Tradition der komletten Staatsablehnung: So lehnten die alten Eliten des Kaiserreichs die demokratischen Institutionen der Weimarer Republik ab. Hitler ersetzte eine klare Kompetenzverteilung durch einen Radikalisierungswettbewerb zwischen der Partei/Bewegung und der Ministerialbürokratie; dh die Zuständigkeiten für viele Staatsaufgaben waren zwischen Parteifunktionären und Beamten umstritten - der Diktator gab schließlich demjenigen den Zuschlag, der die im Sinne der nazionalsozialistischen Ideologie beste (also in der Regel die abscheulichste) Lösung präsentierte. Diese Ad-hoc-Kompetenzzuweisung, diese autoritäre Anarchie, entsprang sicher auch zu einem großen Teil Hitlers Staatsablehnung, die ja nicht nur die Weimarer Republik, sondern auch das preußisch dominierte Kaiserreich betraf. (Man darf sich nicht davon täuschen lassen, dass sich Hitler unmittelbar vor und kurz nach der Machtergreifung zur Beschwichtigung und Köderung der alten Eliten scheinbar in die Tradition Bismarcks und Friedrichs des Großen stellte.) Auch in der DDR war der Staat in den Händen einer Partei bzw. der Staat wurde insoweit kritisch beäugt, als er sich erst auf dem Weg zum Sozialismus befand. In der BRD nun gab es (neue) Eliten - die alten, aus dem Kaiserreich überkommenen waren spätestens nach dem 20. Juli 1944 von Hitler auch physisch beseitigt worden -, die dem jungen Staat nicht mit Misstrauen begegneten. Ein solches gab es sehr wohl noch an den rechten und linken Rändern der Gesellschaft, anfangs wohl auch noch in weiteren Kreisen des Volkes. Mit der RAF wurde dieses Staatsmisstrauen jedenfalls unter die Augen einer Öffentlichkeit getragen, die diesen Staat großteils unterstützte oder wenigstens tolerierte: Feindbild dieser Terrogruppe war nicht ein bestimmter Politiker oder ein bestimmter Missstand, sondern der als faschistisch erachtete Staat an sich. Ihre Legitimität bezogen die Terroristen von ihrer Gesinnung, von einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit gegenüber dem Staat. Nicht anders verhält es sich mit den Nazi-Leakern: Der Staat, der im Kampf gegen die Zwickauer Mörderzelle beschämend versagt hat, wird für sie zum Nazi-Kollaborateur. Ihre Gesinnung gestattet es ihnen deshalb, die Gesetze des so delegitimierten Staates zu brechen. Freilich: Die RAF-Morde und die Anonymous-Enthüllungen sind in ihrem ethischen Unwertgehalt nicht vergleichbar. Sie folgen aber demselben Denkmuster.
Zitat von NoricusZunächst einmal möchte ich - und das ist nicht nur als pflichtschuldige captatio benevolentiae des Neumitglieds gedacht - Ihnen sehr herzlich zu diesem Blog gratulieren. Ich lese hier schon seit einiger Zeit mit; die allermeisten Einträge waren eine enorme Bereicherung für meine persönliche Meinungsbildung.
Das freut mich, lieber Noricus. Und willkommen als Aktiver im kleinen Zimmer!
Ihren Beitrag fand ich sehr klug und gedankenreich. Nur ein paar Anmerkungen:
Zitat von NoricusIm Gegensatz zu anderen Ländern, in denen den Organwaltern, aber nicht den Institutionen mit Argwohn begegnet wird oder in denen lediglich ein Rückzug des (an und für sich befürworteten) Staates auf Kernbereiche gefordert wird, gibt es in Deutschland eine lange, unheilvolle Tradition der komletten Staatsablehnung: So lehnten die alten Eliten des Kaiserreichs die demokratischen Institutionen der Weimarer Republik ab. Hitler ersetzte eine klare Kompetenzverteilung durch einen Radikalisierungswettbewerb zwischen der Partei/Bewegung und der Ministerialbürokratie; dh die Zuständigkeiten für viele Staatsaufgaben waren zwischen Parteifunktionären und Beamten umstritten - der Diktator gab schließlich demjenigen den Zuschlag, der die im Sinne der nazionalsozialistischen Ideologie beste (also in der Regel die abscheulichste) Lösung präsentierte.
Es war und ist ja auch ein Herrschaftsinstrument von Dikatoren, parallele Strukturen entstehen zu lassen, die einander bekämpfen und mehr oder weniger neutralisieren, und die damit das Herrschen erleichtern.
Das hat Hitler so gemacht; das haben auch Ulbricht und Honecker so gemacht. Man kann die Partei gegen die staatlichen Strukturen ausspielen und umgekehrt.
Zitat von NoricusDiese Ad-hoc-Kompetenzzuweisung, diese autoritäre Anarchie, entsprang sicher auch zu einem großen Teil Hitlers Staatsablehnung, die ja nicht nur die Weimarer Republik, sondern auch das preußisch dominierte Kaiserreich betraf. (Man darf sich nicht davon täuschen lassen, dass sich Hitler unmittelbar vor und kurz nach der Machtergreifung zur Beschwichtigung und Köderung der alten Eliten scheinbar in die Tradition Bismarcks und Friedrichs des Großen stellte.)
Ein wichtiger Punkt. Hitler war zeitlebens ein Bohemien; und zwar in jeder Hinsicht: Was seine Ablehnung gefestigter Strukturen anging, aber auch in seinem persönlichen Lebensstil, bis hin zu der Angewohnheit, nächtlich endlose Monologe zu führen und dann bis Mittag zu schlafen.
Übrigens ist auch das ein Merkmal vieler Dikatoren. Fidel Castro haßte die Schreibtischarbeit. Jedenfalls in seinen ersten Jahren - Enzensberger hat das einmal beschrieben - reiste er ständig durchs Land, ließ sich irgend etwas erklären und diktierte seiner Entourage dann die entsprechenden Gesetze und Verordnungen.
Zitat von NoricusMit der RAF wurde dieses Staatsmisstrauen jedenfalls unter die Augen einer Öffentlichkeit getragen, die diesen Staat großteils unterstützte oder wenigstens tolerierte: Feindbild dieser Terrogruppe war nicht ein bestimmter Politiker oder ein bestimmter Missstand, sondern der als faschistisch erachtete Staat an sich. Ihre Legitimität bezogen die Terroristen von ihrer Gesinnung, von einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit gegenüber dem Staat. Nicht anders verhält es sich mit den Nazi-Leakern: Der Staat, der im Kampf gegen die Zwickauer Mörderzelle beschämend versagt hat, wird für sie zum Nazi-Kollaborateur. Ihre Gesinnung gestattet es ihnen deshalb, die Gesetze des so delegitimierten Staates zu brechen.
Wären es nur diese Extremisten, lieber Noricus!
Diese Delegitimierung reicht ja viel weiter; sehen Sie sich selbst manche Beiträge in diesem Forum an. Es gibt genügend Menschen, die weit davon entfernt sind, kriminell zu werden, die aber diesen Staat, diese Verfassung, unsere gesellschaftliche Ordnung ablehnen.
Ich schreibe dagegen an. Ich versuche diejenigen zu überzeugen, bei denen ich die Hoffnung habe, daß sie noch zu überzeugen sind. Denn man muß intelligente und ehrliche Menschen doch für die Einsicht gewinnen können, daß dann, wenn dieser Staat Bundesrepublik Deutschland scheitert, nur drei Wege offenstehen: der in die kommunistische Diktatur, der in eine Dikatur von Neonazis oder - weitaus am wahrscheinlichsten - der Weg in einen Kampf aller gegen alle, wie in jedem failed state.
Zitat von RaysonWenn ich da an eine Diskussion denke, die ich jüngst mit Michael Kastner bei uns auf dem Blog geführt habe, muss ich diese Frage einfach stellen: Gilt das für alle Gesetze? Zum Beispiel auch für eine Impressumspflicht bei politischen Blogs? Oder für notorisches Bei-Rot-über-die-Straße-Gehen?
Die Frage habe ich mir auch schon einmal gestellt. Auch wenn ich die Diskussion bislang nur still verfolgt habe, erlaube ich mir daher mal, eine Antwort zu versuchen. Denn im Prinzip lässt sich eine Unterscheidung ganz einfach treffen. Es geht um das Verletzen der Gesetze:
- zu politischen Zwecken (ein Einbrecher ist zwar mit Sicherheit ein Straftäter, aber alleine dadurch mit Sicherheit kein politischer Extremist)
- bei denen meist kein konkreter eigener Vorteil im Vordergrund steht, sondern das Ziel eine Schädigung Dritter (des politischen Gegners), die Verbreitung einer bestimmten Meinung (Propaganda) oder die Demonstration der eigenen Macht (Einschüchterung) ist
- frei von jedem Unrechtsempfinden (Straftaten werden als notwendig und legitim erachtet, häufig werden diese auch ganz offen begangen - wogegen ein "einfacher Verbrecher" sich unbedingt um Unauffälligkeit bemühen wird)
Wenn ich mich mit Anonymous beschäftige, ertappe ich mich gelegentlich dabei, dass ich Schadenfreude empfinde, wenn es um Scientology oder Neo-Nazis geht. "Hey was macht das schon, das sind die Nazis, die haben es nicht besser verdient". Man ist - so lange man nicht selbst betroffen ist oder es den politischen Gegner betrifft - bereit, über das offensichtlich Falsche hinwegzusehen.
Natürlich ist es für Demokraten eine Zumutung und Belastung die Braunen bei ihren Aufmärschen zu sehen, ihre dummen Sprüche zu hören und erfahren zu müssen, dass in Deutschland rechter Terror unbemerkt gedeihen konnte und hierdurch Menschen starben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir in Deutschland rechtsstaatliche Mittel haben, mit denen eine Partei verboten werden kann. Es besteht auch die Möglichkeit der Grundrechtsverwirkung. Unsere Demokratie ist streitbar. Wir müssen uns mit den Neo-Nazis auseinandersetzen, Ihnen verdeutlichen, dass wir eine offene Gesellschaft wollen und das Gedankengut, das sie verbreiten, inakzeptabel ist. Man darf Menschen mit diesem Gedankengut nicht allein lassen. Der Leerraum, der hierdurch geschaffen wird, ist der Nährboden für Extremismus. Das mag uns schwer fallen, aber wir können es, wir müssen es können.
Falsch hingegen ist, einzelne Individuen, Unterstützer oder Interessenten einer bestimmten Gruppierung - mag sie einem auch noch so widerstrebend sein - an den öffentlichen Pranger zu stellen. Wir dürfen nicht das Verhalten von Anonymous, vertrauliche Daten von NPD-Mitgliedern und Unterstützern zu veröffentlichen, nicht damit entschuldigen, dass es zwar rechtlich falsch, aber moralisch richtig ist. Moral als persönlicher Kompass eigener Wertvorstellungen von "Gut und Böse" eines jeden einzelnen Menschen, ist höchst subjektiv. Heute mag sich der Zorn der Hacker auf Neo-Nazis und Scientologen richten, wir wollen dabei zustimmend nicken und denken: "Es trifft ja nicht die Falschen". Wir sollten aber nicht vergessen, dass es morgen jeder von uns -egal welcher politischen Couleur - sein könnte, weil irgendjemand mit den entsprechenden Fähigkeiten beschließt, dass ihm unsere Vorstellungen nicht passen. Das ist auch eine Gefahr für unsere freiheitliche-demokratische Grundordnung.
Ich habe einen Beitrag von Urlauber, der hier stand, gelöscht,weil in ihm behauptet wurde, daß in Deutschland "Polizei- und Justizführer (...) die systematisch die Bestrafung der roten Täter vereiteln".
Abgesehen davon, daß diese Aussage unhaltbar ist, bin ich auch nicht bereit, als Betreiber dieses Forums die juristische Verantwortung dafür zu tragen, daß solche Behauptungen aufgestellt werden.
Ich habe kürzlich bereits einmal einen Beitrag von Urlauber aus demselben Grund gelöscht.
Die ist jetzt eine letzte Verwarnung:
Bitte verzichten Sie, lieber Urlauber, künftig darauf, derartige Behauptungen in diesem Forum in die Welt zu setzen. Sollte das noch einmal geschehen, dann werde ich Ihre Mitgliedschaft ohne weitere Warnung beenden. Ich würde das ungern tun, weil Sie viele interessante Beiträge schreiben. Aber ich kann und will dann nicht anders entscheiden.
Zitat von UrlauberDie Hacker werden bestraft. Jedenfalls wenn es braune sind. Die Strafverfolgungsbehörden können also, wenn die nur wollen. Für die roten Täter besteht keine Gefahr.
Ich kann Ihre Besorgnis verstehen, sehe die Dinge aber etwas weniger düster. Die Staatsablehnung ist in der veröffentlichten Meinung zweifellos ausgeprägter als in den Köpfen der Bürger. Bestes Beispiel dafür ist Stuttgart 21. Da wurde der Wutbürger herbeigeschrieben, der seine (linke) Moral gegen ein Verwaltungsrecht setze, das seine Legitimation verloren habe. Als das Volk dann gefragt wurde, entschied es sich für das Verwaltungsrecht und gegen die Wut. Das Problem liegt eher darin, dass die Politik zu einem jedenfalls zu großen Teil und die sog. Leitmedien nahezu komplett in einem Elfenbeinturm leben, einem eigenen Kosmos, der mit der Realität in diesem Lande nichts mehr zu tun hat.
Zitat von R.A.[...] Aber es ist doch kein Zufall, daß der Dr. Brett im Film deutlich anders dargestellt wird als im Roman (während ansonsten die Verfilmung in allen übrigen Charakteren erstaunlich werkgetreu ist).
Leider habe ich den Roman eben nicht zur Hand, sonst würde ich vielleicht Zitate bringen können. Obwohl dieser Eindruck natürlich sowieso nicht wirklich scharf beweisbar ist.
Sie erlauben mir sicher, zu sekundieren, werter R.A. Das erste Auftreten Bretts vor der Klasse wird wie folgt beschrieben:
Zitat von Heinrich Spoerl: Die Feuerzangenbowle. ?. Auflage. Düsseldorf, Droste Verlag, 1966.Ein kleiner, forscher Herr kommt hereinmarschiert. Bleibt vor dem Schüler stehen. Strammt sich vor ihm auf. Schnarrt etwas. „Wie bitte?“ fragt Hans mit gut gespielter Schüchternheit. „Brett ist mein Name.“
[...]
Brett pflanzt sich vor der Klasse auf. Kommandiert: „Aufstehn! Aus den Bänken treten! Achtung! Arme – beugt! Arme – streckt! Knie – beugt! Knie – streckt!“ Er hat das Fenster geöffnet und macht mit dem Rücken zur Klasse die Übungen vor. Er macht das täglich mit seinen Schülern. Wenigstens bildet er sich das ein. Die Klasse dachte nämlich gar nicht daran, mitzumachen. Lässig lehnten die Jungen in den Bänken und betrachteten grinsend ihren Lehrer, wie er turnte, daß die Gelenke krachten.
Es folgt eine weitere Beschreibung der peinlichen Turnübungen, die nur der kleine Luck mitmacht. Direkt anschließend zeigt Brett allerdings Geistesschärfe beim Widerlegen einer Ausrede.
Sie haben also durchaus Recht: Die Romanvorlage stellt die oben diskutierten Eigenschaften Bretts („natürliche Autorität“, Schneid) wie die Eigenschaften aller anderer Lehrer als Karikatur der Lächerlichkeit preis. Rühmann hat diese Bewertung sicherlich nicht aus Zufall um 180° verkehrt.
Ob man daraus allerdings ableiten kann, daß damit dem Menschenbild der Nazis Genüge getan werden sollte … ich zweifle. Mir erscheint schlüssiger, daß Rühmann den Stoff einfach für die Leinwand klarer aufbereiten wollte und inmitten der sprichwörtlichen Unfähigkeit des Kollegiums die Rolle Bretts als positives Beispiel stärken. Auch der Bömmel scheint mir persönlich beispielsweise im Film besser wegzukommen als im Buch. Diese beiden verkörpern denn auch genau die beiden Typen Lehrer, an die sich jeder aus seiner eigenen Schulzeit gern erinnert – oben bspw. Llarian; entweder konsequent, streng, aber auch verständig und charakterstark oder eben verschmitzt, milde, nicht minder intelligent und menschlich gewinnend.
Inwieweit nun diese Sicht von unsrer militaristischen Vergangenheit, der autoritären Sozialisation und des Deutschen persönlichem Hang zum Starten von Weltkriegen abhängt – diese Überlegungen kann man sicherlich anstellen, ich überlasse diese aber gerne anderen.
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