Was lernen wir aus diesem Artikel in der FAZ: - dass der Autor Jünger gelesen hat und deshalb wohl ein kultivierter Mensch ist - dass der Autor musste wohl befürchten musste, dass wohl kaum einer seiner Leser die Assoziation von Stahlgewitter zu Ernst Jünger geschafft hätte, er suchte also nach einer weiteren Assoziation, da kam Bellevue gerade recht. In Google findet Bellevue etwa 127 Millionen Hits .... aber Jünger musste es sein.
Als ob zwei Begriffe ausreichten, um zwei völlig unterschiedliche Szenarien kontextuell zu assoziieren.
Zitat von ZettelWas ist das Empörendste an diesem Artikel? Daß einer die Fürchterlichkeiten des Kriegs dazu mißbraucht, einen politischen Witz loszuwerden? Daß er Bundespräsident Wulff in die Nähe Ernst Jüngers rückt? ("Die Ähnlichkeiten liegen auf der Hand" - welche bitte?).
Nun, in die Nähe Ernst Jüngers gerückt zu werden* ist eindeutig weder empörend noch ehrenrührig. Jünger stilisierte sich in seiner "Stahlgewitter"-Frühphase dem Zeitgeschmack (oder besser: einem Teil des in den 20er Jahren ja sehr polarisierten Zeitgeschmacks) entsprechend als heroischer Stoiker. Der Auftritt des Bundespräsidenten bei der 150-Euro-Inquisitorin Schausten war, wie hier vermeldet wurde (ich habe mir das Stück erspart) offenbar weder das eine noch das andere, sondern, Zitat Zettel, ein "Jammerschauspiel". Ich mutmaße daher, daß es sich bei der zitierten Formulierung um einen - recht platten - Versuch der Ironie handelt.
* Auch das, nebenbei, eine verbrannte Formulierung. "Gerückt werden" ist nurmehr etwas, wogegen sich von der Medienelite decouvrierte "Nazis" mit hilflosen Distanzierungen zu verwahren suchen. Doch wer sich rechtfertigt, klagt sich an, und der Nicht-gerückt-werden-wollende bleibt bloß umso mehr "in der Nähe".
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Ich empfand den Vorgang ebenfalls als unglaublich, interpretiere die Intention des Artikels in der F.A.Z. aber anders. Für mich liegt die Ungeheuerlichkeit nicht im Zeitungsartikel, sondern in der Wortwahl Wulffs. Christian Wulff wähnt sich in Stahlgewittern. Um ihm mit einem Ausdruck unserer Zeit zu antworten: Es geht allenfalls um einen lauwarmen »Shitstorm« der Windstärke 6. Oder um ein Papiergewitter.
Für alle, die an Politik und Geschichte interessiert sind, ist »Stahlgewitter« nicht einfach nur eine Redensart. Mit diesem Titel sind die Schrecken des Ersten Weltkriegs verbunden. Auf die Stahlgewitter folgte Versailles, auf Versailles folgte die Zerstörung der Weimarer Republik und den Rest der Geschichte kennen wir. Ich traue der F.A.Z. zu, dass sie dem Wulff-Zitat einfach nur drastisch gegenüberstellen wollte, was in dem Buch wirklich steht und was es mit dem Begriff auf sich hat.
Ich will der F.A.Z. nicht zutrauen, dass sie eine politische Einstellung Wulffs aus dem Zitat herauslesen wollte. Denn man kann wirklich nicht unterstellen, dass Christian Wulff das Buch gelesen hat. Er hat nicht nachgedacht. Für ihn waren die »Stahlgewitter« eine bloße Redensart. Hätte er das Buch gelesen und verstanden, dann hätte er bei wachem Verstand niemals zu seinen Mitarbeiter geäußert, dass er sich gerade im Stahlgewitter befände. Unter dieser Voraussetzung muss man keine politischen Schlüsse aus dem Wulff-Zitat ziehen, man muss ihm nur drastisch zeigen, warum er sich in seiner Ausdrucksweise völlig vergriffen hat.
Auch dem Autor der F.A.Z. ist ein Fehler unterlaufen. Man kann »In Stahlgewittern« nicht mit »In Trümmerhaufen« persiflieren. Das Stahlgewitter ist ein Bild für die Kräfte der Zerstörung. Der Trümmerhaufen ist ein Bild für die Folgen der Zerstörung. Ich habe das gestern auch gelesen und konnte gar nicht darüber lachen.
Bei näherem Bedenken ist der inkriminierte Artikel schon faszinierend mehrdeutig. Es existiert verbreitet die feixende Flegelei des "antifaschistischen" Dummkopfs, der meint, indem er sein Angriffsobjekt, Person oder Gedanke, in einem Satz mit etwas, das er zwar nicht verstanden hat, aber für "typisch doitsch" hält (und gerade Ernst Jünger ist ein Musterbeispiel für diese Kategorie), erwähnt, dieses bereits unfehlbar widerlegt und vernichtet zu haben. Geistig verschrumpftes Antideutschtum. Ich halte es einerseits für sehr gut möglich, daß diese Haltung inzwischen auch das Fäuleton der FAZ durchdrungen hat und hier zum Ausdruck kommt. Andererseits kann man das Jünger-Zitat von der "Zeit weichlichen Gewinsels, der moralischen Verkümmerung und des Renegatentums" aber auch als affirmativ gemeint verstehen. Dann sagt der namenlose Zitierer schlicht: "Haltung, Herr Wulff. Haltung!".
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von stefanolixChristian Wulff wähnt sich in Stahlgewittern. Um ihm mit einem Ausdruck unserer Zeit zu antworten: Es geht allenfalls um einen lauwarmen »Shitstorm« der Windstärke 6. Oder um ein Papiergewitter.
Ich traue der F.A.Z. zu, dass sie dem Wulff-Zitat einfach nur drastisch gegenüberstellen wollte, was in dem Buch wirklich steht und was es mit dem Begriff auf sich hat.
So sah ich es zuerst auch, aber nachdem ich Ihren Beitrag gelesen hatte, musste ich Ihnen Recht geben.
Auch Zynismus hat seine Grenzen – wo's nur noch geschmacklos wird.
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Zitat von ZettelWas ist das Empörendste an diesem Artikel? Daß einer die Fürchterlichkeiten des Kriegs dazu mißbraucht, einen politischen Witz loszuwerden? Daß er Bundespräsident Wulff in die Nähe Ernst Jüngers rückt? ("Die Ähnlichkeiten liegen auf der Hand" - welche bitte?).
Nun, in die Nähe Ernst Jüngers gerückt zu werden* ist eindeutig weder empörend noch ehrenrührig.
Es ist das nicht, lieber FAB., wenn man beispielsweise einen Autor mit Ernst Jünger vergleicht (den ich als Autor außerordentlich schätze).
Aber der anonyme Autor hatte ja nicht im Sinn, Wulff zu loben, indem er ihn mit Jünger in Zusammenhang brachte. Er wollte ihn eindeutig denunzieren. Er wollte - die Auswahl der Textstellen zeigt das - zugleich Ernst Jünger denunzieren.
Aber das ist aus meiner Sicht noch nicht einmal das Schlimmste. Was mich empört, das ist die Art, wie eine Beschreibung der Fürchterlichkeiten des Kriegs (durch einen großen Autor; wer einen Sinn für Sprache hat, der kann sich der Faszination schon der kurzen Textpassage, die ich zitiere, ja gar nicht entzieheh) - wie diese Beschreibung von dem anonymen Autor mißbraucht wird, um ein dünnes Witzchen zu machen.
Zitat von stefanolixDenn man kann wirklich nicht unterstellen, dass Christian Wulff das Buch gelesen hat. Er hat nicht nachgedacht. Für ihn waren die »Stahlgewitter« eine bloße Redensart.
So sehe ich das auch, lieber Stefanolix. Etwas, das er noch dazu im vertrauten Kreis gesagt hat, nicht bei einem öffentlichen Auftritt.
Wo kommen wir denn hin, wenn sofort die Zeigefinger nach oben schnellen, sobald so etwas an die Öffentlichkeit gebracht wird? Soll denn jeder, der ein öffentliches Amt innehat, nun auch schon bei Gesprächen mit seinen Mitarbeitern ständig die Zensurschere im Kopf haben, daß er nur ja kein Wort sagen darf, das ein böswilliger Journalist gegen ihn verwenden könnte?
Mir ist an diesem Artikel des Anonymen besser als an allem bisher deutlich geworden, wie sehr die Kampagne gegen Wulff Züge einer Hexenjagd trägt. Da wird einer aussortiert, denunziert, mit Häme übergossen.
Und da ja bekanntlich für die politisch Correcten "Ernst Jünger" (den vermutlich kaum einer von ihnen kennt) nachgerade der Musterfall des Ausgegrenzten ist, hat der Anonymus eben diese Verbindung hergestellt. Und dabei - ich habe es gerade in meiner Antwort an FAB. geschrieben - die Entsetzlichkeiten des Kriegs für sein dünnes Witzchen mißbraucht, daß auch bei Jünger ein "Bellevue" vorkommt.
Zitat von FAB.Bei näherem Bedenken ist der inkriminierte Artikel schon faszinierend mehrdeutig. Es existiert verbreitet die feixende Flegelei des "antifaschistischen" Dummkopfs, der meint, indem er sein Angriffsobjekt, Person oder Gedanke, in einem Satz mit etwas, das er zwar nicht verstanden hat, aber für "typisch doitsch" hält (und gerade Ernst Jünger ist ein Musterbeispiel für diese Kategorie), erwähnt, dieses bereits unfehlbar widerlegt und vernichtet zu haben. Geistig verschrumpftes Antideutschtum. Ich halte es einerseits für sehr gut möglich, daß diese Haltung inzwischen auch das Fäuleton der FAZ durchdrungen hat und hier zum Ausdruck kommt. Andererseits kann man das Jünger-Zitat von der "Zeit weichlichen Gewinsels, der moralischen Verkümmerung und des Renegatentums" aber auch als affirmativ gemeint verstehen. Dann sagt der namenlose Zitierer schlicht: "Haltung, Herr Wulff. Haltung!".
Man darf über dieses Zitat aus dem Vorwort gern einmal zehn Minuten nachdenken. Denn man kann das Gewinsel, die Verkümmerung und (zum Teil) das Renegatentum auch auf einen Teil der Journalisten anwenden. Eindeutig gesagt: nicht auf alle. Aber auf einige schon. Verkümmert scheinen mir bei so manchen: die sprachlichen Fähigkeiten, die Urteilsfähigkeit, das Verantwortungsbewusstsein, die persönliche Integrität. Tut mir leid, aber das musste spätestens nach dem Jahr 2011 mal gesagt werden.
Zitat von stefanolixDenn man kann wirklich nicht unterstellen, dass Christian Wulff das Buch gelesen hat. Er hat nicht nachgedacht. Für ihn waren die »Stahlgewitter« eine bloße Redensart.
So sehe ich das auch, lieber Stefanolix. Etwas, das er noch dazu im vertrauten Kreis gesagt hat, nicht bei einem öffentlichen Auftritt.
Wo kommen wir denn hin, wenn sofort die Zeigefinger nach oben schnellen, sobald so etwas an die Öffentlichkeit gebracht wird? Soll denn jeder, der ein öffentliches Amt innehat, nun auch schon bei Gesprächen mit seinen Mitarbeitern ständig die Zensurschere im Kopf haben, daß er nur ja kein Wort sagen darf, das ein böswilliger Journalist gegen ihn verwenden könnte?
Mir ist an diesem Artikel des Anonymen besser als an allem bisher deutlich geworden, wie sehr die Kampagne gegen Wulff Züge einer Hexenjagd trägt. Da wird einer aussortiert, denunziert, mit Häme übergossen.
Und da ja bekanntlich für die politisch Correcten "Ernst Jünger" (den vermutlich kaum einer von ihnen kennt) nachgerade der Musterfall des Ausgegrenzten ist, hat der Anonymus eben diese Verbindung hergestellt. Und dabei - ich habe es gerade in meiner Antwort an FAB. geschrieben - die Entsetzlichkeiten des Kriegs für sein dünnes Witzchen mißbraucht, daß auch bei Jünger ein "Bellevue" vorkommt.
Herzlich, Zettel
Der Bezug zwischen dem Aussichtspunkt im Krieg und dem Sitz des Bundespräsidenten war in der Tat dümmlich; hier ging der Autor zu weit. Eine ironische Anmerkung unter dem Titel »In Papiergewittern« oder »Im Printgewitter« hätte ich als solche akzeptiert. Denn in der Wortwahl vergriffen hatte sich zuerst der Bundespräsidentendarsteller Christian Wulff. [Ich habe Respekt vor dem Amt, aber nicht mehr vor dem derzeitigen Inhaber. Ich hoffe auf eine würdige Person als Nachfolgerin oder Nachfolger.]
Zitat von stefanolixDenn in der Wortwahl vergriffen hatte sich zuerst der Bundespräsidentendarsteller Christian Wulff.
Nehmen Sie mir meine Hartnäckigkeit nicht übel, lieber Stefanolix, aber das kann ich nicht finden.
Erstens fiel das Wort, wie gesagt, im vertraulichen Kreis. Soll man da wirklich die Schere im Kopf haben müssen und bei jedem Wort, welches das Gehege der Zähne verläßt, zuvor prüfem, ob es auch pc ist? Ich für meinen Teil fände das abscheulich und würde mich, falls so etwas Norm wird, wie in einem Überwachungsstaat fühlen.
Zweitens: Was ist denn an dem Wort auszusetzen? Ernst Jünger ist bekanntlich einer der großen deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Ein international gefeierter Intellektueller - der Sozialist Mitterand, einer seiner Verehrer, hat ihn zweimal (1985 und 1993) in seinem Haus in Wilfingen aufgesucht.
Das Buch "In Stahlgewittern" ist große Literatur - gewiß, der Erstling eines damals 25jährigen; aus Kriegstagebüchern hervorgegangen, die er überarbeitet hat. Also nicht komponiert, oft zu pathetisch (wie das Vorwort). Halt nicht von klassischer Geschlossenheit - was soll man von einem 25jährigen anderes erwarten?
Aber es gibt keinen, absolut keinen Grund, dieses Buch zu exorzieren. Es gibt jeden Grund, Jünger als einen der Großen anzuerkennen. Warum also in aller Welt sollte Wulff nicht "Stahlgewitter" als eine Metapher verwenden?
Viel unangemessener finde ich es, daß er in dem Mailbox-Text von "Krieg" spricht. Aber so ist Wulff nun einmal, ich habe es ja in dem Artikel geschrieben: Er schwelgt in Überhöhungen.
Es gibt keine Entschuldigung für die Entgleisungen, die sich dieser anonyme Autor geleistet hat.
Vor drei, vier Jahrehnten hätte ein solcher Text allenfalls in "Konkret" erscheinen können; später dann vielleicht in der taz oder in der "Jungen Welt".
Welch eine Verlotterung des bürgerlichen Journalismus, daß er jetzt in der FAZ erscheinen konnte.
Zitat von ZettelAber es gibt keinen, absolut keinen Grund, dieses Buch zu exorzieren. Es gibt jeden Grund, Jünger als einen der Großen anzuerkennen. Warum also in aller Welt sollte Wulff nicht "Stahlgewitter" als eine Metapher verwenden?
Viel unangemessener finde ich es, daß er in dem Mailbox-Text von "Krieg" spricht. Aber so ist Wulff nun einmal, ich habe es ja in dem Artikel geschrieben: Er schwelgt in Überhöhungen.
Es gibt keine Entschuldigung für die Entgleisungen, die sich dieser anonyme Autor geleistet hat.
Vor drei, vier Jahrehnten hätte ein solcher Text allenfalls in "Konkret" erscheinen können; später dann vielleicht in der taz oder in der "Jungen Welt".
Welch eine Verlotterung des bürgerlichen Journalismus, daß er jetzt in der FAZ erscheinen konnte.
Herzlich, Zettel
Christian Wulff schwelgt in Überhöhungen und badet in Selbstmitleid. Die Matapher vom Stahlgewitter passt auf unsere Soldaten in Afghanistan, die in ihrer Einsatzzeit brutalen und hinterhältigen Angriffen ausgesetzt sind. Sie passt auf die Soldaten, Polizeibeamten, Entwicklungshelfer und Journalisten, die für Freiheit und Demokratie in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Nicht selten waren sie unterbezahlt und ungenügend ausgerüstet.
Und dann wendet ein Christian Wulff diese Metapher an, der bei knapp 200.000 Euro im Jahr in einem staatlich betriebenen und gut geheizten kleinen Schloss wohnt, weil er unter einer Kampagne der Medien leidet? Nein, das passt wirklich nicht.
Fielen diese Worte wirklich in einem vertraulichen Kreis? Dann könnte man argumentieren, dass sie in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben. Aber nun sind sie einmal bekanntgeworden, dann darf man sich auch dazu äußern.
Was die Form betrifft, stimme ich Ihnen ja gern zu. Der Artikel geht in mehrfacher Hinsicht zu weit. Aber ich denke, dass die F.A.Z. das Recht hat, die Wortwahl des Bundespräsidenten sanft zu glossieren. Wenn ich Verlotterung des Journalismus in der F.A.Z. kenntlich machen sollte, fielen mir andere Artikel ein ;-)
Zitat von stefanolixUnd dann wendet ein Christian Wulff diese Metapher an, der bei knapp 200.000 Euro im Jahr in einem staatlich betriebenen und gut geheizten kleinen Schloss wohnt, weil er unter einer Kampagne der Medien leidet? Nein, das passt wirklich nicht.
Wir sind, lieber Stefanolix, sehr oft einer Meinung. Hier nun nicht - wie es sich ja auch einmal gehört.
Zitat von stefanolixUnd dann wendet ein Christian Wulff diese Metapher an, der bei knapp 200.000 Euro im Jahr in einem staatlich betriebenen und gut geheizten kleinen Schloss wohnt, weil er unter einer Kampagne der Medien leidet? Nein, das passt wirklich nicht.
Wir sind, lieber Stefanolix, sehr oft einer Meinung. Hier nun nicht - wie es sich ja auch einmal gehört.
Agree to disagree?
Mit dem größten Vergnügen ;-) Herzliche Grüße Stefanolix
@zettel: “...Ob Wulff dieses Wort irgendwann einmal irgendwo aufgeschnappt und nichtsahnend seinem aktiven Wortschatz einverleibt hat; ob er wußte, daß es im Titel eines berühmten Buchs von Ernst Jünger steht (..) das tut wenig zur Sache. ”
Denken Sie das tatsächlich? Brauchen wir wirklich einen Bundespräsidenten, der den Begriff “Stahlgewitter” benutzt, ohne auch nur den Titel des Buches “In Stahlgewittern” zu kennen? Kann man schon bald BP werden, wenn man von der Person Goebbels zumindest "auch schon mal gehört" hat?
Aber egal, ich habe Dostojewski ja schliesslich auch durch Donald Duck (lustige Taschenbücher) kennengelernt. Dort wurde damals der “Der Idiot” lobend erwähnt...
"Welch eine Verlotterung des bürgerlichen Journalismus, daß er jetzt in der FAZ erscheinen konnte."
Tja, auch bei den DDR-Medien gab es eine breite Differenzierung. Für die Insider nur ein paar Titel: Wochenpost, Neues Deutschland, Junge Welt, frösi, Forum, Freitag, was und wie, Horizont, Freidenker, sputnik (das chinesische Pendat ist mit entfallen) ... mfG
PS. Die FAZ habe ich nach ihrem Übergang zur neuen "Rechtschreibung" abbestellt.
Zitat von uniquolol@zettel: “...Ob Wulff dieses Wort irgendwann einmal irgendwo aufgeschnappt und nichtsahnend seinem aktiven Wortschatz einverleibt hat; ob er wußte, daß es im Titel eines berühmten Buchs von Ernst Jünger steht (..) das tut wenig zur Sache. ”
Denken Sie das tatsächlich?
Sonst hätte ich es ja nicht geschrieben.
Sehen Sie, lieber uniquolol: Das Schöne am Bloggen ist, daß ich genau das schreiben kann, was ich glaube. Ich verdiene keinen Cent daran. Es gibt niemanden, auf dessen Meinung ich Rücksicht nehmen muß. Niemand kann mich feuern. Aber es kann mich auch niemand befördern oder mir sonst eine Gunst erweisen, wenn ich das schreibe, was er lesen will.
So ist das. Und deshalb ist die Frage, ob ich das glaube, was ich schreibe, a bisserl überflüssig, verstehen Sie?
Zitat von uniquololBrauchen wir wirklich einen Bundespräsidenten, der den Begriff “Stahlgewitter” benutzt, ohne auch nur den Titel des Buches “In Stahlgewittern” zu kennen? Kann man schon bald BP werden, wenn man von der Person Goebbels zumindest "auch schon mal gehört" hat?
Das ist ein etwas eigenartiger Vergleich, um es freundlich zu sagen.
Ich weiß es nicht, lieber uniquolol. Hand aufs Herz: Haben Sie das Buch gelesen? Was wissen Sie über Ernst Jünger? Welche anderen Bücher haben Sie von ihm gelesen? Sind Sie sicher, daß Sie, was die Kenntnis von Ernst Jünger angeht, dem Bundesrpäsidenten wirklich überlegen sind?
Ich fürchte, das sind keine rhetorische Fragen. Denn kaum jemand unter den großen deutschen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts ist so unbekannt wie Jünger. Mit dem sich zu befassen wirklich lohnt.
Lesen Sie bitte noch einmal, was ich geschrieben habe:
Zitat Ob Wulff dieses Wort irgendwann einmal irgendwo aufgeschnappt und nichtsahnend seinem aktiven Wortschatz einverleibt hat; ob er wußte, daß es im Titel eines berühmten Buchs von Ernst Jünger steht ("In Stahlgewittern", Erstausgabe 1920); ob er dieses Buch vielleicht gar gelesen hat - das tut wenig zur Sache. Aus dem Kontext geht klar hervor, daß er nicht dieses Werk zitieren, sondern die Situation plastisch kennzeichnen wollte, in der er sich gegenwärtig befindet. Er verwendete eine Metapher; das ist alles.
Es tut wenig zur Sache. Ob er das Buch nun gelesen hat, ob er eine zutreffende Vorstellung von Jüngers literarischem Rang hat - was spielt das für eine Rolle, wenn er schlicht eine Metapher verwendet?
Ich finde diese Selbstgerechtigkeit, mit der die Hüter der pc Menschen vorschreiben wollen, was sie sagen dürfen, unerträglich.
Kürzlich mußte eine Sportmoderatorin sich gar dafür rechtfertigen, daß sie den Schnack vom "inneren Reichsparteitag" verwendet hat - eine Redensart, die in der Nazizeit bekanntlich regimekritisch verwendet wurde.
Da ist eine Sprachpolizei am Werk, und damit auch eine Gedankenpolizei.
Mein Hinweis trifft nicht ganz das Thema , dennoch sehr lesenswert: Die "10 Goldenen Regeln" wie man möglichst wirkungsvoll einen Skandal in den Medien inszeniert. Wenn man den Artikel des "Tagesspiegels" liest, meint man das Drehbuch für die Wulff-Affäre und andere Affären zu kennen.
Auszüge:
1. Falls Du keine Enthüllungs-Konkurrenz befürchten musst, warte mit der Veröffentlichung auf eine nachrichtenarme Zeit. Gut ist der Beginn der Sommerferien, perfekt die Weihnachtszeit. Mangels anderer Themen gibt es hier die größtmögliche Resonanz.
2. Verschieß’ Dein Pulver nicht gleich beim ersten Mal. Strecke und dosiere die Geschichte so, dass der Leser das Gefühl bekommt, er habe erst die Sitze des Eisbergs gesehen. Das erzeugt Neugier und garantiert eine längere Haltbarkeit.
5. Weil immer etwas hängen bleibt, gib nach der ersten großen Welle Umfragen in Auftrag, die belegen, dass der Angegriffene an Ansehen verliert. Das beschleunigt dessen Negativspirale. Anschließend musst Du Politiker finden (jeder Hinterbänkler ist willkommen), die seinen Rücktritt fordern. Dann kannst Du tagelang titeln „…immer stärker unter Druck“.
8. Starte nach etwa zwei bis drei Wochen die Nachfolge-Diskussion. Das erzeugt das Gefühl, der Rücktritt des Angegriffenen sei schon beschlossene Sache und nur noch eine Frage der Zeit.
Zitat von stefanolixChristian Wulff schwelgt in Überhöhungen und badet in Selbstmitleid. Die Matapher vom Stahlgewitter passt auf unsere Soldaten in Afghanistan, die in ihrer Einsatzzeit brutalen und hinterhältigen Angriffen ausgesetzt sind. Sie passt auf die Soldaten, Polizeibeamten, Entwicklungshelfer und Journalisten, die für Freiheit und Demokratie in Afghanistan ums Leben gekommen sind. Nicht selten waren sie unterbezahlt und ungenügend ausgerüstet.
Und dann wendet ein Christian Wulff diese Metapher an, der bei knapp 200.000 Euro im Jahr in einem staatlich betriebenen und gut geheizten kleinen Schloss wohnt, weil er unter einer Kampagne der Medien leidet? Nein, das passt wirklich nicht.
Na ja ... nur weil er ein gut bezahlter Schlossbewohner ist, darf er keine starken Metaphern wählen? Sondern nur politisch-korrekte und "angemessene"? Wer bestimmt da das Maß? Und, mit welchem Recht?
Da sie unseren Soldaten in Afghanistan diese Wortwahl ja anscheinend zugestehen (wobei ich bezweifle, dass das wirklich dem Vergleich mit Jüngers Stellungskrieg-Erlebnissen standhält), könnten sie ja mal für sich selbst überlegen, mit wem sie in den letzten 4 Wochen lieber getauscht hätten. Mit Staatsoberhaupt Christian Wulff in öffentlichem Kreuzfeuer und im Fadenkreuz medialer, sowie politischer Heckenschützen (wobei selbst seine Frau nicht außen vor bleibt!) ... oder doch lieber mit dem Hauptgefreiten Niemand im deutschen Feldlager Kunduz?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er persönlich derzeit ein Stahlgewitter auf sich niedergehen sieht. Und ob er das so oder anders bezeichnet ist ganz allein seine Sache. Eines ist Fakt: In einem lauen Sommerlüftchen befindlich dürfte ihn zur Zeit niemand sehen, und er selbst im Zentrum des Ganzen kriegt die volle Wucht jeden Tag, zu jeder wachen Stunde ab.
Da, als Außenstehender, an einer angeblich "unpassenden" Wortwahl seinerseits zu kritteln, finde ich nun wieder unangemessen.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
@zettel: “...So ist das. Und deshalb ist die Frage, ob ich das glaube, was ich schreibe, a bisserl überflüssig, verstehen Sie?...”
Es war eine ganz normale Nachfrage, keine Majestätsbeleidigung. ;-)
@zettel: “...Sind Sie sicher, daß Sie, was die Kenntnis von Ernst Jünger angeht, dem Bundesrpäsidenten wirklich überlegen sind?...”
Woher soll ich das wissen? Aber ich erwarte von einem BP, der auch in historisch heiklen Missionen unterwegs ist, gewisse Grundkenntnisse und sprachliches Gespür. Da hat mich Ihr “...das tut wenig zur Sache...” eben ziemlich verwundert.
@zettel: “...Er verwendete eine Metapher; das ist alles...”
Dann hoffen wir, dass er seine (Kriegs-)Metaphern v.a. im Ausland im Griff hat. Wie käme wohl in Polen die Formulierung: “...und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen...” an?
@zettel: “...Da ist eine Sprachpolizei am Werk, und damit auch eine Gedankenpolizei...”
Richtig! - Im ÖRR ist die Meinungsfreiheit so gut wie abgeschafft...
Zitat von uniquolol@zettel: “...So ist das. Und deshalb ist die Frage, ob ich das glaube, was ich schreibe, a bisserl überflüssig, verstehen Sie?...”
Es war eine ganz normale Nachfrage, keine Majestätsbeleidigung. ;-)
Nö, das war es nicht, lieber uniquolol. Überhaupt ist ja dieses Forum erfreulich beleidigungsarm.
Diese Frage, ob ich auch meine, was ich schreibe, war für mich nur die Gelegenheit, a bisserl zu erläutern, wie ich meine Arbeit an und in ZR verstehe.
Zitat von uniquolol@zettel: “...Er verwendete eine Metapher; das ist alles...”
Dann hoffen wir, dass er seine (Kriegs-)Metaphern v.a. im Ausland im Griff hat. Wie käme wohl in Polen die Formulierung: “...und dann können wir entscheiden, wie wir den Krieg führen...” an?
Ich vermute, daß man das dort viel entspannter sehen würde; oder in diesem Fall hören würde. Jedenfalls schließe ich das aus meinen Erfahrungen im Ausland; allerdings nicht in Polen, aber zB in Holland, das ja ebenfalls Opfer eines deutschen Überfalls und deutscher Besatzungsverbrechen gewesen war.
Wir Deutschen haben es ja richtig gemacht, als wir nach den Untaten der Nazis erst einmal sehr sensibel in solchen Dingen waren. Lieber zu vorsichtig, man wußte ja im Ausland oft gar nicht, was dem Gesprächspartner oder seinen Verwandten oder Bekannten von Deutschen angetan worden war.
Aber es ist jetzt 67 Jahr her, daß der Krieg zu Ende ging. Es gibt diese Empfindlichkeiten nicht mehr, oder sagen wir kaum noch; zum Glück. Wr jetzt 16 Jahre ist, also 1995 geboren, dessen Eltern sind vielleicht 1970 geboren, seine Großeltern 1945. Erst seine Urgroßeltern haben die Nazizeit noch miterlebt. Das sind die Größenordnungen.
Wir Deutschen müssen allmählich wieder dazu kommen, ein ganz normales Volk zu sein. Es bleibt historische Schuld - darüber haben wir oft in diesem Forum debattiert -, aber man muß auch über sie reden, ohne gleich bei jedem Wort zusammenzuzucken, ob es nicht falsch verstanden werden könnte. Es ist eben etwas Historisches.
Warum sollte man also nicht auch in Polen die "Kriegs"-Metapher gebrauchen (die ich im übrigen völlig deplaziert finde; aber Wulff hat nun einmal diese überhöhende Redeweise)?
Heute haben die Polen militärisch allenfalls vor den Russen Angst. Einer der letzten Artikel bei Stratfor (sie sind immer noch nicht wieder am Netz) befaßte sich mit den Überlegungen in Polen, wie man durch engere Anbindung an Deutschland sich davor schützen könnte, demnächst von Putin so behandelt zu werden wie jetzt schon die Ukraine.
Und nochmal: Warum sollte Wulff nicht die "Stahlgewitter"-Metapher gebrauchen? Es ist der Titel eines bemerkenswerten Buchs eines sehr bedeutenden Schriftstellers. Darf man denn nicht von einem "Mann ohne Eigenschaften" sprechen, weil auch das der Titel eines der großen Büche des 20. Jahrhunderts ist; auch von großer zeitgeschichtlicher Aussagekraft wie der Erstling Jüngers?
Ich erlaube mir mal, die Debatte für eine kleine Offtopic-Anmerkung zum Thema "Jünger" zu nutzen. Wer anlässlich der Diskussion die Gelegenheit ergreifen möchte, sich ein wenig mit dem Autor auseinanderzusetzen, dem möchte ich als Einstieg sehr die "Marmorklippen" ans Herz legen. Die Erzählung hat mich vor allem von der ästhetischen Seite deutlich mehr angesprochen als die vermutlich von den meisten Menschen mit Jünger assoziierten "Stahlgewitter" (und eignet sich nebenbei mit nur 130 Seiten sehr gut zum schnellen Einlesen).
Zitat von RobinIch erlaube mir mal, die Debatte für eine kleine Offtopic-Anmerkung zum Thema "Jünger" zu nutzen. Wer anlässlich der Diskussion die Gelegenheit ergreifen möchte, sich ein wenig mit dem Autor auseinanderzusetzen, dem möchte ich als Einstieg sehr die "Marmorklippen" ans Herz legen. Die Erzählung hat mich vor allem von der ästhetischen Seite deutlich mehr angesprochen als die vermutlich von den meisten Menschen mit Jünger assoziierten "Stahlgewitter" (und eignet sich nebenbei mit nur 130 Seiten sehr gut zum schnellen Einlesen).
So: Ende des Werbeblocks
Ich habe auch mit den "Marmorklippen" begonnen und das Buch in guter Erinnerung. Die stilistischen Schwächen, die dem Werk bisweilen unterstellt werden, habe ich als einfacher Leser so nicht wahrgenommen.
Was die "Stahlgewitter" angeht, unterscheiden die sich, wie ich einer Biographie Jüngers entnommen habe, wohl doch beträchtlich von Auflage zu Auflage. Fand aber auch das Werk gelungen und mitnichten den "kriegsverherrlichenden" Roman, als das es oft verfemt wird. Wenn ich noch eine Empfehlung abgeben darf, würde ich "Strahlungen I" erwähnen, die den ersten Teil seiner Kriegstagebücher des zweiten Weltkriegs enthalten.
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