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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 39 Antworten
und wurde 4.223 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.01.2012 18:47
Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Unser Denken ist, so haben es Theoretiker wie Edward Sapir und Benjamin Whorf postuliert, eng an die Sprache geknüpft, in der wir denken. Also muß man, will man die Menschen erziehen, ihre Sprache korrigieren? Das scheint die Logik hinter der seltsamen Unternehmung zu sein, alljährlich ein Unwort des Jahres zu bestimmen.

Mit dem "Wort des Jahres" ist es übrigens eine ganz andere Sache. Es wird von der Gesellschaft für deutsche Sprache ermittelt; und hier geht es nicht um politische Agitation, sondern um Linguistik - nämlich zu beobachten, wie sich die Sprache wandelt und wie neue Wörter in den Vordergrund treten.

Schwarzhut Offline



Beiträge: 61

18.01.2012 19:24
#2 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Sehr geehrter Zettel,
sehr gut beobachtet! Aber leider nicht nur in der Linkspresse ist die Betroffenheitslyrik zu diesem Thema Pflicht! Monika Reuter hat heute im Münchner Merkur einen zu Herrn Prantl fast identischen Kommentar verfasst.
Jetzt, wo wir alle die Lösung des Rätsels kennen, ist, wie Sie richtig schreiben, die Bezeichnung natürlich obsolet.
Es ging anfangs jedoch darum, eine griffige Formulierung für gemeinsame Merkmale dieser Mordserie zu finden. Es ist doch einfach absurd, den ermittelnden Beamten hier rassistische Motive zu unterstellen. Die Unterstellung, dass absichtlich Hinweise auf fremdenfeindliche Hintergründe der Taten verschleiert wurden und die Bezeichnung als Herabwürdigung der Opfer gedacht war, ist geradezu pervers.
Erklärbar ist diese Reaktion aus meiner Sicht nur durch einen kollektiven Schuldreflex, der einer völlig überzogenen politischen Korrektheit entspricht. Wir müssen uns alle für die Taten dieser verrückten Mörderbande schuldig fühlen und wahrscheinlich haben wir ja diese Taten in irgendeiner Form befördert. Da wir nicht wissen wie , üben wir präventiv öffentlich Reue und leisten Abbitte für Taten , die andere begangen haben. Noch irrer geht es kaum! Dass Herr Sarrazin als Mitschuldiger wieder ins Spiel kommt, ist dann das Tüpfelchen auf dem "i". Scheinbar hat kaum ein Kritiker das Buch gelesen, denn nur ein Bruchteil handelt von Migranten. Aber das ist eine ganz andere Baustelle.
Herzlich
Schwarzhut

Fellsen Offline



Beiträge: 28

18.01.2012 19:52
#3 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Schwarzhut
Dass Herr Sarrazin als Mitschuldiger wieder ins Spiel kommt, ist dann das Tüpfelchen auf dem "i".



Sarrazin wird eben immer als Beispiel und Kronzeuge des "alltäglichen, in der Mitte der Gesellschaft angekommenen Rassismus" eingebracht.

Die Ernennung des Worts "Döner-Morde" zum Unwort des Jahres hat nur im Sinn, all jene, die diese Wort verwendeten, und sich jetzt nicht artig selbst dafür geißeln, als verkappte Alltags-Rassisten dar- bzw. bloßzustellen. Sie ist ein Paradebeispiel für das postsarrazine Gutmenschentum.

Großartig wäre es, wenn die Unwort-Jury mal für jedes Unwort ein "Gutwort" vorschlägt, das den Sachverhalt genauso gut beschreibt, aber "politisch korrekt" ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.01.2012 20:02
#4 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Schwarzhut
Erklärbar ist diese Reaktion aus meiner Sicht nur durch einen kollektiven Schuldreflex, der einer völlig überzogenen politischen Korrektheit entspricht. Wir müssen uns alle für die Taten dieser verrückten Mörderbande schuldig fühlen und wahrscheinlich haben wir ja diese Taten in irgendeiner Form befördert. Da wir nicht wissen wie , üben wir präventiv öffentlich Reue und leisten Abbitte für Taten, die andere begangen haben.

Man muß ja, lieber Schwarzhut, erklären, wieso vor der Identifizierung der wahren Täter niemand - nicht der "Spiegel", nicht die SZ - auf den Gedanken verfallen ist, hinter der Bezeichnung "Döner-Morde" Rassismus zu vermuten und wieso jetzt auf einmal - wie Sie schreiben, offenbar sogar über das linke Milieu hinaus - viele das so wahrnehmen.

Das ist deshalb seltsam, weil die Antwort auf die Frage, ob die Polizei, die Medien usw. nun Rassisten waren, als sie dieses Wort verwendeten, ja logisch völlig unabhängig davon ist, wer die Täter waren.

War das Rassismus, dann war es das auch, wenn hinter den Morden die Mafia oder türkische Nationalisten gesteckt hätten. War es keiner, dann kann es sich ja nicht plötzlich dadurch in Rassismus verwandelt haben, daß nun die wahren Täter bekanntgeworden sind.



Es herrscht hier also eine bizarre Unlogik; eine Unlogik, der offenbar diese "Unwort-des-Jahres"-Germanisten ebenso zum Opfer gefallen sind wie Prantl. Die seltsame Denkfigur scheint ungefähr so zu gehen:

Diese Menschen wurden Opfer von Rassisten (stimmt)
Die Taten wurden mit dem Etikett "Döner-Morde" versehen (stimmt).
Also war dieses Etikett rassistisch (ein Fehlschluß).

Irgendwie scheint im nachgerade magischen Denken derer, die diesem Fehlschluß aufsitzen, der Rassismus der Täter sozusagen auf die Journalisten und Kripo-Beamten nachträglich "abgefärbt" zu haben, die den Begriff verwendeten.

Sehr seltsam.

Herzlich, Zettel

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

18.01.2012 20:11
#5 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Fellsen
Großartig wäre es, wenn die Unwort-Jury mal für jedes Unwort ein "Gutwort" vorschlägt, das den Sachverhalt genauso gut beschreibt, aber "politisch korrekt" ist.


Treffer! Versenkt!

----------------------------------------------------
"Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011

Schwarzhut Offline



Beiträge: 61

18.01.2012 20:14
#6 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Großartig wäre es, wenn die Unwort-Jury mal für jedes Unwort ein "Gutwort" vorschlägt, das den Sachverhalt genauso gut beschreibt, aber "politisch korrekt" ist.[/quote]

Lieber Fellsen,
ich hätte da schon einen Vorschlag: "Ehrenmorde". Dieser Begriff ist sicher "politisch korrekt", da sich unsere selbsternannten Tugendwächter bisher noch nicht daran gestoßen haben.
Hier handelt es sich ja auch ganz klar um eine Gewissensentscheidung um die Ehre und Moral wiederherzustellen und keinen Mord aus niederen Beweggründen, also fast einen übergesetzlichen "Notstand".
Oder?
Ganz aktuell: "Ehrenmord" Überschrift einer kleinen Randnotiz aus dem Münchner Merkur von heute: 18jährige Kurdin aus Detmold ermordet aufgefunden. Dringend tatverdächtig die Familie, Grund: "unmoralischer Lebenswandel des Mädchens, Beziehung zu einem deutschen Bäcker". Also wenn das kein Grund ist?
Gruß Schwarzhut

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

18.01.2012 20:16
#7 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

NSU, das ist das wahre Unwort!

Diese wunderbaren Fahrzeuge, sang und klanglos in die rechte Ecke baldowert. Das ist doch jetzt komplett entwertet, unbenutzbar,
unverkäuflich. Wer ersetzt mir den Schaden?

Ich gehe schon davon aus das alle bisher gefundenen Unworte demnächst per Gesetz und mit Strafandrohung aus dem aktiven Wortschatz
eines jeden Bundesbürgers gestrichen werden müssen. Echt krass, ej!

H_W Offline



Beiträge: 456

18.01.2012 20:26
#8 Gutwort Antworten

Zitat von Schwarzhut
ich hätte da schon einen Vorschlag: "Ehrenmorde". Dieser Begriff ist sicher "politisch korrekt", da sich unsere selbsternannten Tugendwächter bisher noch nicht daran gestoßen haben.


Ich fürchte, lieber Schwarzhut, da irren Sie sich. Das entscheidende Wort haben Sie ja selbst geschrieben: "bisher".
Sobald Ihr Gutwort öfter verwendet wird, wird es sicher Autobahn! Und das sogar wohlbegründet, schließlich handelt es sich immer nur um Einzelfälle, die nichts mit irgendwas zu tun haben!

Gruß, H_W

lois jane Offline



Beiträge: 662

18.01.2012 20:28
#9 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Alle Jahre wieder kommt das Unwort des Jahres und alle Jahre wieder führt Zettel seine Klage.

Das die Juroren eher links eingesetellt sind (wie nunmal auch die deutsche Gesellschaft) mag ja stimmen, aber das macht die Auswahl vielleicht einseitig aber nicht unsinnig. Denn das Konzept "Unwort" ist sehr wohl ein sinnvolles - schließlich gibt es ja auch Untiere, Unwetter etc.

Dieses Jahr hat man allerdings eher danebengegriffen, wie Sie sehr schön erklärt haben.

Aber "Humankapital" war durchaus angebracht (klar, gab es den Fachbegriff und inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, aber wenn jemand neu auf den Begriff stößt, klingt das schon ziemlich menschenverachtend. Und daß es von Adam Smith ist, ist das Argument.) und die "notleidenden Banken" angesichts von tatsächlich Not leidenden Menschen schon etwsa verdreht. Und was Herdprämie angeht, überrrascht es mich, daß ein meistens doch so linkslastiges Gremium gerade diesen, linksliberalen Kampfbegriff kritisiert.

Aber grad angesichts der Linkslastigkeit

Bundeserpressungskonferenz verbieten!

lois jane Offline



Beiträge: 662

18.01.2012 20:30
#10 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Tischler
Wer ersetzt mir den Schaden?



Sind Sie Tischler oder Autohändler?

Bundeserpressungskonferenz verbieten!

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

18.01.2012 20:32
#11 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Holzautos!!!!

herr celine Offline



Beiträge: 153

18.01.2012 20:46
#12 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Zettel
"Humankapital" (human capital) beispielsweise ist ein Fachbegriff aus der Ökonomie, der bedeutungsgleich mit "Produktionsfaktor Arbeit" ist



Ist soweit ich weiß nicht ganz korrekt. Humankapital ist ein Produktionsfaktor der u.a. zum Produktionsfaktor Arbeit innerhalb der Weiterentwicklung der Wachstumstheorie hinzugefügt wurde und beschreibt sowas wie den Wissensstand einer Gesellschaft. Das Bildungsniveau wäre zum Beispiel ein klassischer Indikator für Humankapital.

H_W Offline



Beiträge: 456

18.01.2012 20:48
#13 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Zettel
Offenbar wimmelt es in unserem Land von unerkannten Rassisten, und wir bedürfen der wackeren Germanisten-Jury, um uns darauf zu stoßen.


Ja sicher, lieber Zettel, genau so ist es!
Den Beweis hat Forumsmitglied Schäl am 15.1. hier: "Lieber deutscher Nazi!" verlinkt.



Gruß, H_W

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

18.01.2012 21:58
#14 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Bravo, Zettel, ein wunderbarer Artikel. Dank' an alle, die diesen Blog betreiben.
(Eine Lobhudelei muß auch ab und zu mal sein.)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.01.2012 22:08
#15 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von herr celine

Zitat von Zettel
"Humankapital" (human capital) beispielsweise ist ein Fachbegriff aus der Ökonomie, der bedeutungsgleich mit "Produktionsfaktor Arbeit" ist



Ist soweit ich weiß nicht ganz korrekt. Humankapital ist ein Produktionsfaktor der u.a. zum Produktionsfaktor Arbeit innerhalb der Weiterentwicklung der Wachstumstheorie hinzugefügt wurde und beschreibt sowas wie den Wissensstand einer Gesellschaft. Das Bildungsniveau wäre zum Beispiel ein klassischer Indikator für Humankapital.


Beginn des Wikipedia-Artikels Human capital (Hervorhebung von mir):

Zitat
Human capital is the stock of competencies, knowledge and personality attributes embodied in the ability to perform labor so as to produce economic value. It is the attributes gained by a worker through education and experience. Many early economic theories refer to it simply as workforce, one of three factors of production, and consider it to be a fungible resource -- homogeneous and easily interchangeable


Herzlich, Zettel

herr celine Offline



Beiträge: 153

18.01.2012 22:52
#16 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Zettel
Beginn des Wikipedia-Artikels Human capital (Hervorhebung von mir):

Zitat
Human capital is the stock of competencies, knowledge and personality attributes embodied in the ability to perform labor so as to produce economic value. It is the attributes gained by a worker through education and experience. Many early economic theories refer to it simply as workforce, one of three factors of production, and consider it to be a fungible resource -- homogeneous and easily interchangeable


Herzlich, Zettel




Joah, early theories. Das heißt eben nicht, dass Humankapital heute noch bedeutungsgleich mit dem Produktionsfaktor Arbeit ist, die endogene Wachstumstheorie ist da mitlerweile einfach ein bisschen präziser, was die Begrifflichkeiten angeht. Als Gegenpol zitiere ich einfach mal die ersten beiden Sätze des Artikels aus der Deutschen Wikipedia:

Zitat von Deutsche Wikipedia
Humankapital bezeichnet in der Wirtschaftswissenschaft die „personengebundenen Wissensbestandteile in den Köpfen der Mitarbeiter“. In der Humankapitaltheorie der Volkswirtschaftslehre wird Humankapital unter dem Gesichtspunkt von Bildungsinvestitionen betrachtet.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.01.2012 22:56
#17 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von herr celine
Joah, early theories. Das heißt eben nicht, dass Humankapital heute noch bedeutungsgleich mit dem Produktionsfaktor Arbeit ist, die endogene Wachstumstheorie ist da mitlerweile einfach ein bisschen präziser, was die Begrifflichkeiten angeht. Als Gegenpol zitiere ich einfach mal die ersten beiden Sätze des Artikels aus der Deutschen Wikipedia:

Zitat von Deutsche Wikipedia
Humankapital bezeichnet in der Wirtschaftswissenschaft die „personengebundenen Wissensbestandteile in den Köpfen der Mitarbeiter“. In der Humankapitaltheorie der Volkswirtschaftslehre wird Humankapital unter dem Gesichtspunkt von Bildungsinvestitionen betrachtet.


Danke. Es scheint demnach so zu sein, daß es verschiedene Definitionen gab und gibt; wie bei den meisten derartigen Begriffen. Ich werde ein "in der ursprünglichen Bedeutung" oder so ähnlich einfügen; mit Dank an Sie.

Herzlich, Zettel

herr celine Offline



Beiträge: 153

18.01.2012 23:01
#18 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Zettel
Danke. Es scheint demnach so zu sein, daß es verschiedene Definitionen gab und gibt; wie bei den meisten derartigen Begriffen. Ich werde ein "in der ursprünglichen Bedeutung" oder so ähnlich einfügen; mit Dank an Sie.



C. Offline




Beiträge: 2.639

19.01.2012 00:52
#19 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

[i]

Zitat von Zettel
Irgendwie scheint im nachgerade magischen Denken derer, die diesem Fehlschluß aufsitzen, der Rassismus der Täter sozusagen auf die Journalisten und Kripo-Beamten nachträglich "abgefärbt" zu haben, die den Begriff verwendeten. Sehr seltsam.



So seltsam ist das nicht, "Döner-Mord" wurde arglos und unschuldig von Journalisten verwendet, bis Kenan Kolat am 15.11.2011 wütend wurde.

Zitat von WELT
Der Begriff Dönermorde macht mich wütend“, sagte Kolat. Er könne nicht begreifen, wie man ihn gedankenlos benutzen und nicht einmal nach den Opfern fragen könne



Kenan Kolat wütend, das darf nicht sein, sofort wird Besserung gelobt und das böse D-Wort auf den Index ge- und eine fromme Miene aufgesetzt:

Zitat von KStA
Weil einige der Opfer in Schnellrestaurants arbeiteten, machte dafür recht bald das Schlagwort „Döner-Morde“ die Runde - als ob das Pressfleisch am Spieß die Mordwaffe gewesen wäre. Für eine Weile war der unselige Begriff auch im Kölner Stadt-Anzeiger und auf ksta.de in Gebrauch, ehe er völlig zurecht auf dem Index landete

.

Noch am 11.11.2011 hat Christian Rath im Kölner Stadtanzeiger die Frage nach den Opfern gestellt:

Zitat von KStA
Seit elf Jahren fahndet die Polizei nach den Opfern der rätselhaften Döner-Mordserie. Das Land Bayern, wo die meisten Taten stattfanden, hat 300?000 Euro Belohnung ausgesetzt. Doch die Ermittler hatten keine heiße Spur.



Wie sollten die Ermittler auch eine heiße Spur finden, wenn sie laut KStA nach den Opfern gefahndet haben. Munter schreibt der KStA auch noch am 16.11.2011 von einer Döner-Mord-Serie, bis sich endlich Kolats Wut herumgesprochen hat. Sechs Jahre Wortmissbrauch sind eine lange Zeit, dafür darf die Empörung über den "unseligen Begriff" umso größer sein.

Zitat von KStA
Was die Jury hätte ergänzen können: Dahinter steckt der Stammtisch-Ungeist eines Thilo Sarrazin, für den es nur zwei Arten von Türken gibt, Kopftuchmädchen und Gemüsehändler.
Dass die politische Dimension der Mordserie jahrelang verkannt oder sogar willentlich ignoriert wurde, ist der gesellschaftliche Skandal, der die deutschen Polizeibehörden und Geheimdienste blamiert und beschämt. Mit dem Unwort „Döner-Morde“ ist der Skandal in unsere Alltagssprache eingesickert. Es wäre schön, wenn es von dort wieder verschwinden könnte.


Süddeutsche Zeitung, Stern, Spiegel, ZEIT, Frankfurter Rundschau und der Kölner Stadtanzeiger (die Aufzählung ist bei weitem nicht vollständig) lassen das Unwort Döner-Mord in die Alltagssprache einsickern, glücklicherweise ist der Schuldige enttarnt: Thilo Sarrazins Ungeist ist in die Redaktionsstuben eingesickert, bevor er selbst davon wusste.

Es gibt sicherlich glücklichere Begriffe als "Dönermord" für diese Mordserie, zumal die Mehrzahl der Opfer nicht im Fast-Food-Bereich tätig waren, aber um ein Wort des verehrten Bundespräsidenten aufzugreifen: "Aber der Döner gehört inzwischen auch zu Deutschland." Er gehört so sehr zu Deutschland, dass es selbst Kenan Kolat sechs Jahre nicht aufgefallen ist, dass er wütend sein müsste.

http://iceagenow.info

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

19.01.2012 02:02
#20 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von lois jane
Aber "Humankapital" war durchaus angebracht (klar, gab es den Fachbegriff und inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, aber wenn jemand neu auf den Begriff stößt, klingt das schon ziemlich menschenverachtend. Und daß es von Adam Smith ist, ist das Argument.)



Aber wie ein Begriff "klingt", ist doch angeblich nicht Kriterium für die Wahl zum "Unwort". An diesem soll doch kritisiert werden, was damit zum Ausdruck gebracht wird, und das sind beim "Humankapital" nun mal in Wirklichkeit ganz edle Absichten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Humankapita...wort_des_Jahres

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

19.01.2012 02:13
#21 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Ich sehe gerade, lieber Zettel, dass der Hinweis auf die "Entlassungsproduktivität", dem "Unwort" des Jahres 2005, wieder verschwunden ist. Auch hier haben wir wieder mal ein schönes Beispiel dafür, wie sich die Kritik der "Sprachforscher" vor allem auf ihre Unkenntnis der Materie stützt. Lt. "Unwort"-Jury handelt es sich dabei um einen Begriff aus der Betriebswirtschaft, mit dem ein Management die Folgen der Arbeitslosigkeit beschönige und die Mehrbelastung verbliebener Arbeitskräfte verschleiere. Natürlich ist wieder einmal das Gegenteil richtig: Der Begriff stammt aus der Volkswirtschaft, und er wird in einem kritischen Zusammenhang verwendet. Allerdings entgegen den Interessen von Gewerkschaften, die nur ungern hören, dass für ihre "Lohnformel" wichtige Produktivitätskennziffern maßgeblich durch eben diese "Entlassungsproduktivität" mit entstanden sind, weil Arbeitsplätze geringer Produktivität abgebaut wurden und sich so der durchschnittliche Wert verbessern konnte. Aber vielleicht reicht es ja für die Qualifikation als "Unwort", dass es vorwiegend von der falschen Seite herangezogen wird.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

19.01.2012 10:41
#22 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Schwarzhut
ich hätte da schon einen Vorschlag: "Ehrenmorde". Dieser Begriff ist sicher "politisch korrekt", da sich unsere selbsternannten Tugendwächter bisher noch nicht daran gestoßen haben.


Da irrt der Schwarzhut. War 2005 Kandidat für das "Unwort des Jahres" mit der Begründung: "inakzeptable Berufung auf eine archaische „Familienehre“ zur Rechtfertigung der Ermordung eines meist weiblichen Familienmitglieds"
http://de.wikipedia.org/wiki/Unwort#Weitere_Kandidaten

Besten Gruß,
Bö.

lois jane Offline



Beiträge: 662

19.01.2012 14:58
#23 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Rayson

Zitat von lois jane
Aber "Humankapital" war durchaus angebracht (klar, gab es den Fachbegriff und inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, aber wenn jemand neu auf den Begriff stößt, klingt das schon ziemlich menschenverachtend. Und daß es von Adam Smith ist, ist das Argument.)



Aber wie ein Begriff "klingt", ist doch angeblich nicht Kriterium für die Wahl zum "Unwort". An diesem soll doch kritisiert werden, was damit zum Ausdruck gebracht wird, und das sind beim "Humankapital" nun mal in Wirklichkeit ganz edle Absichten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Humankapita...wort_des_Jahres




Ich glaube schon, daß der Klang des Wortes ein Kriterium, wohlgemerkt in Relation zu dem, was er bezeichnet, etwa wenn etwas schlechtes beschönigt wird (Peanuts) oder etwas an sich Gutes schlechtgemacht wird (siehe Herdprämie) oder wenn sich eben in einem Wort sehr krass eine entsprechende Haltung des Sprechers ausdrückt (sozialverträgliches Frühableben).

Es kann bei einem Unwort nie lediglich um das Bezeichnete geben. "Krieg" etwa oder "Mord" sind keine Kandidaten für das Unwort, weil keine Spannung zwischen Wort und Ding besteht. "Friendly Fire" z.B. wäre ein Kandidat.

Bundeserpressungskonferenz verbieten!

lois jane Offline



Beiträge: 662

19.01.2012 14:59
#24 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von Frank Böhmert

Zitat von Schwarzhut
ich hätte da schon einen Vorschlag: "Ehrenmorde". Dieser Begriff ist sicher "politisch korrekt", da sich unsere selbsternannten Tugendwächter bisher noch nicht daran gestoßen haben.


Da irrt der Schwarzhut. War 2005 Kandidat für das "Unwort des Jahres" mit der Begründung: "inakzeptable Berufung auf eine archaische „Familienehre“ zur Rechtfertigung der Ermordung eines meist weiblichen Familienmitglieds"
http://de.wikipedia.org/wiki/Unwort#Weitere_Kandidaten

Besten Gruß,
Bö.




Wie kommt Schwarzhut eigentlich auf die Idee, "Ehrenmorde" seien "politisch korrekt"?

Bundeserpressungskonferenz verbieten!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

19.01.2012 16:11
#25 RE: Zettels Meckerecke: Der Unwort-Unfug Antworten

Zitat von lois jane
Es kann bei einem Unwort nie lediglich um das Bezeichnete geben. "Krieg" etwa oder "Mord" sind keine Kandidaten für das Unwort, weil keine Spannung zwischen Wort und Ding besteht.

Das stimmt. Es geht ja eben um ein Wort, nicht eine Sache oder einen Sachverhalt.

Zitat von lois jane
"Friendly Fire" z.B. wäre ein Kandidat.

Das wäre aus meiner Sicht ein Kandidat, der wieder das Ärgerliche an diesen "Unwort"-Entscheidungen beleuchten würde. Denn es handelt sich - wie bei "Humankapital", wie auch bei "Kollateralschäden" und vielen anderen Begriffen, die gerügt werden - schlicht um einen Fachterminus, der genau das bezeichnet, was er aussagt: In diesem Fall einen Feuern nicht auf den Feind, sondern (versehentlich) auf den Freund, also die eigenen Leute. Genau das besagt das Wort; friendly bedeutet hier selbstredend nicht "freundlich".

Was um Himmels willen ist an diesem Wort zu beanstanden?

Zitat von lois jane
Ich glaube schon, daß der Klang des Wortes ein Kriterium, wohlgemerkt in Relation zu dem, was er bezeichnet, etwa wenn etwas schlechtes beschönigt wird (Peanuts) oder etwas an sich Gutes schlechtgemacht wird (siehe Herdprämie) oder wenn sich eben in einem Wort sehr krass eine entsprechende Haltung des Sprechers ausdrückt (sozialverträgliches Frühableben).

Auch mit diesen Beispielen habe ich Schwierigkeiten.

Was ist falsch daran, wenn jemand etwas als "Peanuts" bezeichnet, das dies in dem betreffenden Kontext ist? (Auch wenn derselbe Betrag in einem anderen Kontext natürlich nicht Peanuts wäre? Für einen Hungernden in Cuba mag ein Dollar alles andere als Peanuts sein).

Wieso macht "Herdprämie" etwas Gutes schlecht? Es ist eine schnodderige, griffige Bezeichnung aus dem sozialen Bereich; wie "Stempelgeld" oder "Abkindern"; ich habe das in dem Artikel erwähnt. Hier außerdem - darauf wurde schon aufmerksam gemacht - ja gerade verwendet, um eine angebliche Diskriminierung der Frau damit anzuprangern.

Was das "sozialverträgliche Frühableben" angeht, würde mich sehr interessieren, wer das dann erfunden hat, und in welchem Kontext. Vielleicht ein Gagschreiber von Harald Schmidt.



Überhaupt machen sich die grandiosen Germanisten dieser erlauchten Jury ja nicht einmal die Mühe, das Auftreten der betreffenden Wörter, ihre Herkunft, den erstmaligen Gebrauch, die Verwendungshäufigkeit usw. nachzuweisen. Sie schwadronieren darüber, als seien sie keine Wissenschaftler, sondern Stammtischquassler.

Herzlich, Zettel

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