Zitat von Fritz"Wie soll diese Veränderung aussehen?"
Werter Celine, schauen Sie sich einfach nur die Schweiz an, da gibt es einiges, was wir übernehmen könnten.
Wenn Sie sich schon über die Konsensfähigkeit der Parteien im Bundestag aufregen, wie würden Sie sich dann erst bei der Form der Einigkeit fühlen, die des öfteren im Schweizer Nationalrat zustande kommt?
Der Hinweis von Tischler, und Ihren interpretiere ich nun auch so, geht eigentlich mehr in die Richtung direkter Partizipation durch die Staatsbürger. Das hat dann mit der Ausrichtung des Parteienstaates nur sehr wenig zu tun. Verstehe ich die Forderung nun richtig, oder verstehe ich sie falsch? Ich bin sehr daran interessiert zu erfahren, wie Sie sich eine, ich nenne es mal, Neugestaltung des Deutschen Parteiensystems vorstellen.
Der von Ihnen geschilderte Konsens der schweizer Parteien ist doch nur der Ausdruck der starken Volkssouveränität. Die Parteien müssen auf Konsens achten, damit sie das Volk mitnehmen. Denn wenn versucht wird, eine Gruppierung auszugrenzen, wie in den letzten Jahren die SVP, dann kann diese den außerparlamentarischen Weg der Volksabstimmung gehen und die SVP hat ja neben Niederlagen auf diesem Wege auch Erfolge errungen.
In der Schweiz sind die Parteien schwach und das Volk stark. Wowi würde sagen: "Und das ist gut so."
Mit unserem Parteiensystem wäre die Schweiz längst Mitglied in der EU, mit dem Schweizer System in Europa gäbe es keine EU, höchstens eine EWG.
Gruß Fritz
P.S.: Sowas nennt man Demokratie. Wir sind da schon weiter, wir haben schon die Postdemokratie.
Wer in dem ausgezeichneten Artikel über Beate Klarsfeld nicht Grund genug sieht, heute die F.A.S. zu kaufen, der sollte es noch aus einem anderen Grund in Erwägung ziehen: Es gibt auch einen sehr unterhaltsamen Artikel über Wladimir Putin. Mehr verrate ich nicht ;-)
Hin und wieder, wenn Ich meine Eltern besuche, komme ich in den Genuss russischen TV sehen zu können. Es ist schon so, dass die Nachrichten noch stark alten sowjetischen Tradition folgen (Putin besichtigt Krankenhaus/Stahlwerk, etc; Putin trifft sich mit Minister X und erklärt ihm was dieser zu tun habe). Gleichzeitig wird aber ziemlich offen über die Probleme des Landes und die Rolle Putins diskutiert. Es gibt durchaus Talkshows (in den großen staatlichen Sendern) in denen die Opposition (und damit meine ich die "neue Opposition" vertreten durch Journalisten und Kulturschaffende) offen ihre Meinung darstellen können.Dazu zählt auch, dass man Putins Rücktritt fordert oder auch ihn und seine Mannschaft als Gauner bezeichnet. Allerdings, so scheint es mir, existiert diese neue Offenheit erst seit den Protesten zur Dumawahl.
Auch in den Berichterstattungen nach der gestrigen Wahl, kamen neben Vertretern der systemischen Opposition auch Vertreter der neuen Opposition zu Wort. Mir scheint es, als tut sich langsam etwas in Russland.
Und noch eine Anmerkung zum Begriff "nationaler Führer":
Der Begriff Führer, der Russe spricht übrigens von Leader, ist in Russland ein geläufiger Begriff für eine Person, die Fähig ist das Land zu führen. So wird, in den erwähnten Talkshows, oft kritisiert, dass die neue Opposition eben keinen Leader hat der in der Lage ist, Russland zu regieren.
Zitat von TischlerDie CSU weiß bestimmt wie ausgebrannt sie ist, wie sehr sie nur noch um den Machterhalt kreist. Gibt es in ihr irgendwo eine Stimme die fordert sich zurückzuziehen, sich in der Opposition zu erneuern? Neue Gedanken zu kultivieren? Natürlich nicht!
Besagte Partei hat bei den letzten Landtagswahlen immerhin 43 Prozent bekommen, was in der Summe mehr war als die Anteile der auf den Plätzen zwei bis vier folgenden Parteien zusammen.
Aktuell steht diese Partei in Umfragen bei 45 Prozent, was eine absolute parlamentarische Mehrheit bedeuten würde.
Man fragt sich, was der freiwillige Gang in die Opposition in diesem Falle anderes wäre als eine Missachtung des geäußerten Mehrheitswillens.
Zitat von TischlerLiegt der Unterschied nicht nur in der offensichtlichen Dreistigkeit des Regelbruchs beim sicherstellen der Macht?
Ganz allgemein finde ich, dass man schon aufpassen, diesen Unterschied nicht zu bagatellisieren. Bei allen mehr oder weniger umstrittenen Kritikpunkten, wie die Freiheit der Medien, Kritik zu üben etc., sprechen wir ja zum Beispiel auch von relativ offenkundiger systematischer Wahlfälschung bei den Parlamentswahlen letztes Jahr, Einschüchterung und Inhaftierung unliebsamer Journalisten. Sicherlich kann man sagen, dass, wenn man das alles ignoriert, Russland nicht demokratietechnisch nicht schlechter abschneidet als Deutschland. Es ist ja auch nicht falsch zu sagen, dass eine Ente ohne Flügel nicht besser fliegen kann als ein Igel. Darum geht es aber doch gerade.
Tischler
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05.03.2012 12:04
#34 RE: Wahl des Präsidenten in Frankreich und Rußland
das mit der Ente hab ich nicht verstanden, aber es geht mir garnicht darum die russische Verhältnisse gefällig zureden, sondern eher unsere deutsche Selbstzufriedenheit zu relativieren. Im Gegensatz zu Russland, werden hier Gott sei Dank, keine Journalisten umgebracht. Aber warum auch? Über Parteieinverbot wird schon heftig geredet. Es mutet immer ein wenig so an, als daß das Verweisen auf üble Zustände in anderen Ländern eine trügerische Sicherheit im eigenen Lande vorgaukelt.
Nach dem Motto: je mieser der Vergleich, desto besser steht man da.
Aber ich gebe Ihnen recht, die 43% der CSU sind natürlich ein Auftrag. Und wahrscheinlich sollten die Parteien erst an zweiter Stelle der Kritik und an erster meine mächtig eingeschlafenen Landsleute stehen. Der ständig gehörte Satz,´ man sei traditionell ein Wähler der xy-Partei´, zeugt der von ständigem "am Ball sein", oder davon, daß einen Inhalte und deren Veränderung eigentlich garnicht interessieren. Beispiel: CDU von,super Atomenergie zu Atomausstieg, ohne neue Erkenntnisse oder die Grünen, von der Pazifistenpartei zu " wir können von militärischen Einsätzen nicht genug bekommen"
Falls ich nicht völlig schräg liege, relativieren sich damit auch die 43% der CSU. Unser , von mir, sehr geschätzter Gastgeber verteidigt die Existenz des Rechtsstaates auf deutschem Boden ja auf vehementeste Art, aber so platt es auch ist, der Spruch mit dem Splitter im Auge des Anderen und...., ist nicht ganz verkehrt.
Übrigens ist heute die Nachricht des Tages hier in der französischsprachigen Welt, dass laut Umfragen Sarkozy Hollande schlagen würde.... im ersten Durchgang. Im zweiten Durchgang hängt er im Schnitt der Institute immer noch mehr als zehn Prozent hinter dem Sozialisten.
Von dauerhafterer Wichtigkeit ist wohl die Nachricht, dass Marine Le Pen jetzt ihre Unterstützerunterschriften beisammen hat. Damit hätte sich das auch erledigt und wir können jetzt ruhigen demokratietheoretischen Gewissens zusehen, wie der Sozialist in den Elysée eintrudelt.
Ein Gutes hat es ja. Wenn er tatsächlich die 75-prozentige Zusatzsteuer auf Einkommen ab einer Millionen einführt, dürfte das erfreulicherweise die Parvenus von Paris Saint-Germain bei ihrem Angriff auf die europäische Fußballkrone erheblich schwächen. Überhaupt eigentlich erstaunlich, dass Paris keinen vernünftigen Fußballverein hat.
Zitat von FTT_2.0Übrigens ist heute die Nachricht des Tages hier in der französischsprachigen Welt, dass laut Umfragen Sarkozy Hollande schlagen würde.... im ersten Durchgang.
Allerdings sagt das nur Ifop. Sofres sieht unverändert Hollande vorn, wenn auch mit reduziertem Vorsprung. Die anderen Institute haben keine Daten aus den letzten Tagen.
Zitat von FTT_2.0 Im zweiten Durchgang hängt er im Schnitt der Institute immer noch mehr als zehn Prozent hinter dem Sozialisten.
Und bei Sofres (Umfrage 12. März) mit 58 zu 42 sogar mit einem größeren Vorsprung als in den meisten bisherigen Umfragen.
Daß sich der Unterschied zwischen Hollande und Sarkozy im ersten Wahlgang verringert hat, dürfte hauptsächlich daran liegen, daß einige von Le Pen zu Sarkozy übergelaufen sind; vielleicht aufgrund seiner Rhetorik gegen mehr Einwanderung usw. Das ist optisch gut und gibt Sarkozy vielleicht ein wenig Schwung, aber am Kräfteverhältnis im zweiten Wahlgang wird es nichts ändern, denn diese jetzt vielleicht Übergelaufenen hätten im zweiten Wahlgang ohnehin Sarkozy gewählt.
Das einzige, was ihn vielleicht noch retten könnte, wäre aus meiner Sicht, daß Bayrou nach dem ersten Wahlgang über seinen Schatten springt und einen Deal mit Sarkozy macht. Seine Wähler neigen nach den aktuellen Daten im Verhältnis 41 zu 34 zu Hollande; die anderen ne se prononcent pas, sagen nichts.
2007 hat Bayrou zwischen den beiden tours keine Empfehlung gegeben, aber gesagt, er persönlich werde nicht Sarkozy wählen. Würde er jetzt Sarkozy empfehlen, dann könnte das diesem ein paar Prozentpunkte bringen. Nach dem gegenwärtigen Stand würde es immer noch nicht reichen; aber wenn Sarkozy bis dahin auch noch einen guten Wahlkampf macht oder wenn Hollande patzt, gäbe es vielleicht eine Chance.
Ich frage mich allerdings, ob die Franzosen nicht wieder eine Lektion in angewandtem Sozialismus brauchen. Das Scheitern des programme commun der Sozialisten und Kommunisten ist jetzt genau 30 Jahre her, also gut eine Generation. Es ist eine neue Generation herangewachsen, die erst wieder erfahren muß, was Sozialismus bedeutet.
Zitat vielleicht aufgrund seiner Rhetorik gegen mehr Einwanderung
Mich hat diese Rhetorik übrigens gewundert.
Sarkozy ist ja eigentlich extrem polyglott. Sein Vater ist in Ungarn geboren und aufgewachsen und dann vor der Roten Armee geflohen, ließ sich von der franz.Fremdenlegion anwerben und wurde so dann franz.Staatsbürger. Seine Mutter stammt von griechischen Juden ab. Seine erste Frau ist Spanierin (ihrerseits die Tochter eines ukrainischen Emigranten). Und aktuell ist er mit einer Ialienerin verheiratet.
Ausgerechnet ein Mann mit einer solchen Vita fordert nun eine Begrenzung der Einwanderung.
Calimero
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13.03.2012 20:39
#38 RE: Wahl des Präsidenten in Frankreich und Rußland
Zitat von ZettelIch frage mich allerdings, ob die Franzosen nicht wieder eine Lektion in angewandtem Sozialismus brauchen. Das Scheitern des programme commun der Sozialisten und Kommunisten ist jetzt genau 30 Jahre her, also gut eine Generation. Es ist eine neue Generation herangewachsen, die erst wieder erfahren muß, was Sozialismus bedeutet.
Prinzipiell würde ich das allen Linksgepolten mal wünschen, wenn ich da nur nicht selbst betroffen wäre. Nach dem letzten französischen Sozialismusexperiment musste das Land seinen Franc ja ordentlich abwerten, soweit ich weiß. Was würde wohl heute passieren, sollte sich Frankreich auf den griechischen Weg machen? Wären dann auch die Deutschen dran schuld, wenn's erwartungsgemäß gegen die Wand geht? Wieviel von Deutschland noch zu erwirtschaftendes EZB-, EFSF-, ESM-, und Target2-"Rettungsgeld" würde Frankreich da wohl beanspruchen?
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Zitat vielleicht aufgrund seiner Rhetorik gegen mehr Einwanderung
Mich hat diese Rhetorik übrigens gewundert.
Sarkozy ist ja eigentlich extrem polyglott. Sein Vater ist in Ungarn geboren und aufgewachsen und dann vor der Roten Armee geflohen, ließ sich von der franz.Fremdenlegion anwerben und wurde so dann franz.Staatsbürger. Seine Mutter stammt von griechischen Juden ab. Seine erste Frau ist Spanierin (ihrerseits die Tochter eines ukrainischen Emigranten). Und aktuell ist er mit einer Ialienerin verheiratet.
Ausgerechnet ein Mann mit einer solchen Vita fordert nun eine Begrenzung der Einwanderung.
Ich verstehe, was Sie sagen wollen. "Polyglott" im Wortsinne ist er meines Wissens* nicht, obwohl natuerlich anzuerkennen ist, dass er fuer einen Franzosen scheinbar ungewoehnlich gut Englisch spricht. In der Sache spiegelt seine Vita ja in erster Linie politisches Asyl Suchende sowie in irgendeiner Form "hochqualifizierte" Einwanderer wieder. Ich denke, dass er an solche nicht denkt, wenn er die Einwanderung restriktiver handeln moechte.
Was ich im Uebrigen interessant finde, ist, dass er sich jetzt, wo das Marine-Strohfeuer langsam abklingt, versuchen muss, auf den Median-Waehler, also auf die "Mitte" zuzugehen, da dieser im zweiten Wahlgang entscheidend ist. Bemerkenswerterweise wird der von ihm heuer in diesen Immigrationssachen offenbar weiter "rechts" verortet. Ich halte das fuer plausibel. Es ist ja keine Seltenheit, dass das Establishment in solchen Fragen sich in seinen Ansichten von Heinz Mueller, Jean Dupont und Paolo Rossi unterscheidet. Wenn das Thema jetzt zieht, dann koennte Hollande hier unter Zugzwang kommen und sich zur Enttaeuschung seiner Basis weiter nach rechts orientieren. Er kann nur hoffen, dass das Thema nicht verfaengt, um nicht in ein solches Dilemma zu fallen.
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