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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 39 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.03.2012 15:00
Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

In der Serie "Europas Krise" sollen neben den Autoren von ZR auch Gastautoren zu Wort kommen. Ich freue mich, daß Juno meiner Einladung gefolgt ist, einen Beitrag zu schreiben, und danke ihm für seinen ausgezeichneten Artikel.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.03.2012 12:22
#2 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Ein guter Artikel, den ich noch etwas erweitern möchte.

Denn es ist m. E. nicht in erster Linie der NS-Aspekt, der deutsche Probleme mit dem Selbstbewußtsein begründet.
Sicher war die Erinnerung daran in den ersten Jahrzehnten nach der NS-Zeit dominant. Aber die Deutschen hatten schon immer ein schwieriges Verhältnis zur eigenen Identität, mit diesen oft krassen Schwankungen zwischen dem Neid auf andere Völker und der eigenen Selbstüberschätzung.

Umgekehrt ist es auch nicht so, daß außer den Belgiern alle übrigen Völker glücklich und problemlos ihr ihrer nationalen Identität ruhen.
Es gibt eigentlich gar nicht viele Länder, in denen es wirklich eine halbwegs homogene Übereinstimmung von Staat und kultureller/sprachlicher/historischer Nation gibt. "Natürlich gewachsen" sind nur ganz wenige (Z. B. Dänemark oder Portugal). Beim "Nationalstaats-Vorbild" Frankreich wurde die Übereinstimmung in jahrhundertelangen blutigen Auseinandersetzungen und massiver Unterdrückung von Minderheiten erzwungen. In Ländern wie Polen oder der Tschechei ist die Übereinstimmung historisch recht jung, nachdem ganze Landesteile abgetrennt und störende Minderheiten vertrieben wurden.

Der Normalfall in Europa ist aber eher, daß Staat und Nation nicht deckungsgleich sind und Minderheiten- und Diaspora-Fragen zu ständigen Problemen führen. Und weltweit ist das auf jeden Fall die Regel, nur ganz wenige Staaten in den übrigen Kontinenten sind Nationalstaaten à la Dänemark oder wenigstens Frankreich.

Was nun die deutsche Identität betrifft: Wir sind geprägt von einer Geschichte, in der der eigene Staat viel zu groß war, um eine nationale Identität zu ermöglichen. Eine solche kann sich wohl nur in überschaubaren Regionen ausbilden, wenn sich die jeweilige Elite untereinander gut kennt und gemeinsame Werte finden kann.

Funktionierende Nationen entstanden z. B. in der Ile-de-France, in England, in Schottland, in den skandinavischen und iberischen Teilstaaten.

Das deutsche Reich war viel zu groß für eine solche nationale Identität. Da gab es immer in erster Linie die regionale Identität: Schwaben, Sachsen, Böhmen, Savoyen ...
Und es gab die übergeordnete Reichs-Identität, die aber nie einen wirklich nationalen Charakter hatte. Dort wurde abstrakte Politik gemacht, dort wurden die allgemein verbindlichen Regeln aufgestellt.

Und eigentlich denken wir immer noch so: Es gibt die regionale Ebene, die hat aber eher folkloristischen Charakter. Man ist stolz als Bayer oder als Deutscher, aber nur auf gewisse Aspekte, vom Essen oder Bier bis zum Fußball.
Und darüber gibt es die übergeordnete Ebene - sei es nun die EU oder gleich die ganze Welt (die UN-Gläubigkeit der Deutschen paßt hier genauso rein wie die EU-Gläubigkeit).

Und auf dieser Ebene glauben die Deutschen instinktiv, daß alle Völker, ungeachtet ihrer folkloristischen Eigentümlichkeiten, dieselben Grundansichten vertreten würden. Wenn Cohn-Bendit und Pöttering einem Vaclav Havel eine Fahne aufs Dach pflanzen wollen, dann vertreten sie nicht bewußt eine speziell deutsche Position. Sondern sie glauben, ihre Position wäre nicht deutsch, sondern allgemein vernünftig.

Deswegen auch das Sendungsbewußtsein beim Atomausstieg, bei den TÜV-Normen, beim Sozialstaat. Deutsche sehen ihre deutschen Sichtweisen nicht als solche, sondern halten sie für normal, nur Reaktionäre und Dummköpfe können anderer Meinung sein.

In diese Reihe gehört auch Merkels Naivität, in Griechenland deutsche Vorstellungen von Beamtentum und Finanzwesen durchdrücken zu können. Sie will dort nicht imperialistisch auftreten (die Griechen empfinden es natürlich anders), sie versteht überhaupt nicht, daß es andere Sichtweisen auf Staat und Verwaltung geben könnte als die in Deutschland üblichen.

Schwarzhut Offline



Beiträge: 60

05.03.2012 15:50
#3 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Auch von R.A. meiner Meinung nach sehr gut erkannt!
Wir neigen dazu, unsere Ansichten als einzig vernünftig und daher für alle anderen als einzig denkbar zu halten. Dies ist die Wurzel vieler Missverständnisse! Der Pluralismus der Wege zum Glück ist doch das , was unsere verschiedenen Nationen auszeichnet. Wenn Sarkozy jetzt meint, er müsse die Franzosen nur deutscher machen, bzw. Frau Merkel als Patentrezept für Griechenland, deutschen Fleiß und Beamtenmentalität verkündet, wird das nicht gelingen. Auch in Deutschland gelingt es nicht, einen Hamburger bayrisch zu machen und einen Berliner zum Schwaben. Jede kulturelle Eigenart hat ihre Vor-und Nachteile, die wir akzeptieren sollten. Und jede Volksgruppe sollte so leben und wirtschaften, wie es ihren Bedürfnissen am nächsten kommt.
Jedoch hat dieser Mentalitätsunterschied Konsequenzen. Dadurch dass man ein einheitliche Bedingungen, wie z.B. ein Werte- und Wirtschaftssystem allen gemeinsam überstülpt, wird derjenige sich darin leichter behaupten, der an dieses neue Umfeld besser angepasst ist. Dies ist in der Bundesrepublik genauso zu beobachten, wie in Europa in der Eurozone. Leider wird immer versucht, dies künstlich auszugleichen mit einem seltsamen "Gerechtigkeitsargument" das gleiche Lebensverhältnisse in ganz Europa fordert.
Die deutsche Mentalität wird als ewig jammernd, lustfeindlich, ängstlich, und engstirnig verspottet, während gleichzeitig das hohe Lied der lebensbejahenden, unbekümmerten und weltoffenen Nachbarländer gesungen wird. Das mag ja durchaus eine richtige Einschätzung sein, aber wirklich "ungerecht" wäre das Glück doch verteilt, wenn zum wirtschaftlichen Erfolg auch noch das bessere Leben käme, oder?
Gruß Schwarzhut

Florian Offline



Beiträge: 3.136

05.03.2012 17:18
#4 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

@ R.A.

Sehr schöner Beitrag.


Nur zu einem Rand-Aspekt habe ich eine Frage:

Warum ist Ihrer Meinung nach ausgerechnet Dänemark ein Musterbeispiel für einen natürlich gewachsenen Nationalstaat?
Soweit ich sehe, hat doch auch Dänemark das Problem, dass Nation und Staatsgrenzen nicht deckungsgleich sind.
Zum einen gibt es das Problem an der Südgrenze mit einerseits deutschen und andererseits südschleswigschen Minderheiten.
Und dann gibt es natürlich das Unikum Grönland: gehört völkerrrechtlich nach wie vor irgendwie zu Dänemark (das somit übrigens ein auf zwei Kontinte verteiltes Staatsgebiet hat), ist aber wohl kaum Teil der dänischen Nation.
Ähnliches gilt auch für die Faröer-Inseln.

Ein Musterbeispiel für eine tradierte und lang gewachsene Einheit von Staatsgebiet und Nation wäre für mich übrigens noch Island.

Ansonsten bin ich jetzt gerade im Kopf die europäischen Nationen durchgegangen. Und tatsächlich gibt es praktisch bei allen irgendwelche Risse:
nationale Minderheiten, Minderheitenkonflikte, Separatisten, historisch eher schlecht zu begründende Grenzverläufe, etc.etc.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.03.2012 18:17
#5 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Florian
Warum ist Ihrer Meinung nach ausgerechnet Dänemark ein Musterbeispiel für einen natürlich gewachsenen Nationalstaat?


Ich sehe da eine ganz lange kontinuierlich gewachsene nationale Identität, seit vielen Generationen auch im fast selben klar umrissenen Staatsgebiet. Die deutsch-dänische Grenze ist wohl die einzige nach dem ersten Weltkrieg entstandene, die fair und funktionsfähig gezogen wurde - die wenigen Angehörigen der jeweiligen Minderheit auf beiden Seiten der Grenze stören da m. E. nicht.

Was Grönland betrifft: Das hatte ich völlig vergessen. Die Grönländer fallen natürlich raus aus dem dänischen Nationalstaat.

Zitat
Ein Musterbeispiel für eine tradierte und lang gewachsene Einheit von Staatsgebiet und Nation wäre für mich übrigens noch Island.


Korrekt. Bei Landgrenzen ist es aber ziemlich schwierig, sauber getrennte Volksgruppen zu haben.

Zitat
Ansonsten bin ich jetzt gerade im Kopf die europäischen Nationen durchgegangen. Und tatsächlich gibt es praktisch bei allen irgendwelche Risse:
nationale Minderheiten, Minderheitenkonflikte, Separatisten, historisch eher schlecht zu begründende Grenzverläufe, etc.etc.


Wobei ich schon eine gewisse Mindestschwelle ansetzen würde, um eine echte Störung des Nationalstaatsprinzips zu konstatieren.

Mal als Beispiel: Deutschland wäre (nach Amputation aller strittigen Randgebiete) durchaus im Prinzip ein "echter" Nationalstaat. Die winzigen traditionellen Minderheiten der Dänen und Sorben stören da überhaupt nicht. Aber umgekehrt leben eben zu viele Deutschsprachige außerhalb, das widerspricht der angestrebten Identität von (Sprach- oder Kultur-)Nation und Staat. Ungarn hat dasselbe Problem.

Auch bei Österreich wäre die slowenische Minderheit kein Problem. Die Irredentafrage in Südtirol schon eher.
Aber das Hauptproblem ist, daß die Idee einer "österreichischen Nation" ein reines Kunstprodukt ist und auch nach Generationen nicht wirklich geglaubt und gefühlt wird.

Funktionierende Nationalstaaten (trotz vorhandener nationaler Minderheiten) sind dagegen Polen und Tschechien - der Preis dafür war aber sehr blutig.

Juno Offline



Beiträge: 332

05.03.2012 20:26
#6 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat
Und eigentlich denken wir immer noch so: Es gibt die regionale Ebene, die hat aber eher folkloristischen Charakter. Man ist stolz als Bayer oder als Deutscher, aber nur auf gewisse Aspekte, vom Essen oder Bier bis zum Fußball.
Und darüber gibt es die übergeordnete Ebene - sei es nun die EU oder gleich die ganze Welt.



Dazu passt sehr schön, was ich vor ein paar Tagen im großen Versammlungsraum einer Schule gesehen habe. An der Wand hingen zwei große Fahnen - die des Bundeslands und die Europafahne. Schwarz-Rot-Gold hingegen fehlte.

Warum auch immer...

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

05.03.2012 21:37
#7 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Aber umgekehrt leben eben zu viele Deutschsprachige außerhalb, das widerspricht der angestrebten Identität von (Sprach- oder Kultur-)Nation und Staat. Ungarn hat dasselbe Problem.



So richtig vergleichbar ist das aber nicht, denn die Trennung der Ungarn ist eine erst durch den Vertrag von Trianon erzwungene. Und sie wiegt für ein Volk, das sich in Europa als kompletter Außenseiter sieht (z.B. keine indo-germanische Sprache) um so schwerer.

Würde man in Siebenbürgen und der Süd-Slowakei Volksabstimmungen durchführen, würden diese Gebiete für die Zugehörigkeit zu Ungarn votieren. Vergleichbare Ergebnisse sind für Österreich und die Schweiz nicht zu erwarten.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.03.2012 09:53
#8 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
So richtig vergleichbar ist das aber nicht, denn die Trennung der Ungarn ist eine erst durch den Vertrag von Trianon erzwungene.


Vom Sonderfall Schweiz abgesehen waren die Abtrennungen der deutschen Randgebiete auch erzwungen.

Zitat
Würde man in Siebenbürgen und der Süd-Slowakei Volksabstimmungen durchführen, würden diese Gebiete für die Zugehörigkeit zu Ungarn votieren.


Im Prinzip ja - wobei "Siebenbürgen" insgesamt schwierig werden könnte. M. W. sind nur Teile davon noch mehrheitlich ungarisch.

Zitat
Vergleichbare Ergebnisse sind für Österreich und die Schweiz nicht zu erwarten.


Bei Österreich würde ich nicht wetten. Bei Südtirol würde das Ergebnis im Prinzip (los von Italien) klar sein. Beim Elsaß und in Lothringen wären die Mehrheiten vor 100 Jahren noch deutlich für Deutschland gewesen, inzwischen natürlich nicht mehr.
Und bei den Ostgebieten und dem Sudetenland ist halt die Bevölkerung weitgehend vertrieben worden, die abstimmen könnte. Wenn die Rumänen die Ungarn vertrieben hätten, wäre eine Abstimmung in Siebenbürgen für sie auch eine klare Sache.

Mal ganz grundsätzlich: Es gab eigentlich überall in Europa gemischte Gebiete zwischen den Sprachgruppen, das ist wohl ganz natürlich. In den meisten Fällen ist das in den Jahrhunderten der Nationalstaatsbildung so ausgegangen, daß die jeweiligen Grenzminderheiten assimiliert wurden. Das gilt ähnlich für viele Fälle, wo die politische Grenze über die gemischte Zone hinaus mitten durch ein geschlossenes Sprachgebiet gezogen wurde, Beispiel Roussillon.

Nach wie vor halte ich den Nationalstaat für ein unnatürliches Konstrukt. Seine Durchsetzung hat ähnlich viel Leid über die Völker gebracht wie die diversen Versuche, das Konstrukt Marxismus durchzudrücken.

Das alte Reich war teilweise ein Gegenmodell und hat ja auch über lange Zeit erstaunlich gut funktioniert. Und die Habsburger Monarchie hat demonstriert, daß diese Tradition auch für moderne Gegebenheiten erfolgreich weiterentwickelt werden konnte (und damit meine ich weniger die k. und k. Trennung - gerade Ungarn war intern ziemlich minderheitenfeindlich, sondern die allgemeine Volksgruppengleichberechtigung und Modelle wie in Mähren und dem Buchenland).
Heute steht nur noch die Schweiz als letztes Beispiel, wie eine multinationale Nation ìn der Tradition des HRR funktionieren kann.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

06.03.2012 11:14
#9 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat
Und die Habsburger Monarchie hat demonstriert, daß diese Tradition auch für moderne Gegebenheiten erfolgreich weiterentwickelt werden konnte



Gerade die Habsburger Monarchie wird immer wieder unterschätzt.

Sie galt in ihren letzten Lebensjahrzehnten ihren Zeitgenossen eben als antiquiert und nicht lebensfähig.
Und dieses Image eines rückständigen Konstrukts hat sie bis heute.
Was aber nicht ganz fair ist.

Als Pole hatte man zum Beispiel das große Los gezogen, wenn man unter österreichischer Herrschaft war und nicht unter preußischer oder gar unter russischer.
Polnisch war im k.u.k.-Reich vor Ort Verwaltungssprache. Auch in nationalen Institutionen wie dem Militär kam man zumindest als einfacher Soldat mit Polnisch durch. Und ganz allgmein war die kaiserliche Herrschaft eben nicht darauf ausgerichtet, einer Staatskultur ein Monopol zu verschaffen.

Im übrigen muss auch jeder Historiker, der für das Habsburgerreich im 19. Jahrhundert viele Jahrzehnte des Siechtums diagnostiziert, erst einmal dessen verblüffende Widerstandsfähigkeit erklären. Die diversen Anti-Frankreichkoalitionen nach 1789 haben immer wieder die Österreicher gebildet. Und nach jeder Niederlage sind sie ein paar Monate später wieder aufgestanden und haben weitergekämpft. Im Deutschen Krieg haben sie zwar verloren, konnten aber zeitgleich in den italienischen Vereinigungskriegen auch Siege verbuchen (dass es 1866 für Österreich einen Zweifrontenkrieg gegen Bismarck und Garibaldi gab, übersieht man gerne). Und gegen den "modernen Nationalstaat" Italien konnten sie sich im 1. Weltkrieg mit einem Bruchteil der im Osten eingesetzten Kräfte spielend behaupten.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

06.03.2012 12:26
#10 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Vom Sonderfall Schweiz abgesehen waren die Abtrennungen der deutschen Randgebiete auch erzwungen.



Wer hat denn den Deutschen den eigenständigen Staat Österreich aufgezwungen? Und das Elsass - nun gut, Louis XIV und so, aber Deutschland gab es damals ja noch gar nicht...

Zitat von R.A.
Bei Österreich würde ich nicht wetten.


Da wärst du wohl einer der wenigen.

Zitat von R.A.
Und bei den Ostgebieten und dem Sudetenland ist halt die Bevölkerung weitgehend vertrieben worden, die abstimmen könnte. Wenn die Rumänen die Ungarn vertrieben hätten, wäre eine Abstimmung in Siebenbürgen für sie auch eine klare Sache.


Richtig. Die Vertreibung fand aber nunmal statt.

Zitat von R.A.
Nach wie vor halte ich den Nationalstaat für ein unnatürliches Konstrukt. Seine Durchsetzung hat ähnlich viel Leid über die Völker gebracht wie die diversen Versuche, das Konstrukt Marxismus durchzudrücken.


Was ist am Staat schon "natürlich"? Aber wenn die Menschen es denn für sinnvoll erachten, sich eine Staatsorganisation zu geben, dann muss auch ein Kriterium existieren, womit sich dieser Staat nach innen legitimiert und nach außen abgrenzt. Eine Gemeinsamkeit von Kultur und Sprache drängt sich da geradezu auf, auch wenn, wie die Wirklichkeit zeigt, diese Abgrenzung aufgrund von gegenläufigen Machtverhältnissen nicht immer trennscharf gelang.

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.03.2012 12:50
#11 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Wer hat denn den Deutschen den eigenständigen Staat Österreich aufgezwungen?


Die Vorortverträge von 1918 mit dem Anschlußverbot. Ein recht klarer Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht. Die Abstimmungsergebnisse in Österreich waren damals jedenfalls deutlich genug (zu den heutigen hätte ich wohl besser einen Smiley dazu gesetzt).

Zitat
Und das Elsass - nun gut, Louis XIV und so, aber Deutschland gab es damals ja noch gar nicht...


Aber sicher gab es das - das Königreich Deutschland war einer der Teilstaaten des alten Kaiserreichs.

Zitat
Richtig. Die Vertreibung fand aber nunmal statt.


Eben. Ein Teil der Argumentation, daß das Konzept "Nationalstaat" nur durch Gewalt durchsetzbar war.

Zitat
Was ist am Staat schon "natürlich"?


Eine gewisse Neigung zur Gruppenorganisation ist Menschen schon zu eigen.

Zitat
Eine Gemeinsamkeit von Kultur und Sprache drängt sich da geradezu auf ...


Das ist ja noch ok so und auch die alten Staaten orientierten sich wesentlich an solchen Kriterien. Das neue beim "Nationalstaat" war aber, Staat, Nation und Sprache als völlig deckungsgleich zu erklären und keine Abweichungen mehr zu tolerieren. Und das bedeutet bei den gemischten Siedlungsstrukturen in Europa (und sonst auf der Welt), daß massiv Druck ausgeübt werden muß, um die erstrebte Homogenität herzustellen. Einerseits Assimilitationsdruck (wie in Frankreich) und andererseits ethnische Säuberung als Vertreibung oder Völkermord.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

07.03.2012 00:11
#12 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Die Vorortverträge von 1918 mit dem Anschlußverbot.



Schon vorher war Österreich nicht Teil des Deutschen Reiches.

Zitat von R.A.
das Königreich Deutschland war einer der Teilstaaten des alten Kaiserreichs.



Das "deutsche Königreich" "Staat" zu nennen, ist historisch falsch. Wikipedia z.B. spricht hier von einem "supranationalen Verband". Staatlichkeit gab es nur in den Fürstentümern.

Zitat von R.A.
Das ist ja noch ok so und auch die alten Staaten orientierten sich wesentlich an solchen Kriterien. Das neue beim "Nationalstaat" war aber, Staat, Nation und Sprache als völlig deckungsgleich zu erklären und keine Abweichungen mehr zu tolerieren.


Aber das ist doch eine logische Folge der Anwendung dieser Kriterien. Wer sie nicht erfüllt, kann dann eben nur schwer gleichberechtigter Teil dieser so definierten Gemeinschaft sein.

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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.03.2012 10:53
#13 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Schon vorher war Österreich nicht Teil des Deutschen Reiches.


Aber die Deutsch-Österreicher fühlten sich als Deutsche (im Gegensatz zu den Schweizern), die aus dynastischen Gründen verursachte Trennung wurde allgemein als Problem empfunden und deswegen war 1918 eigentlich selbstverständlich, daß nach Wegfall dieser Gründe die Wiedervereinigung erfolgen sollte.

Zitat
Das "deutsche Königreich" "Staat" zu nennen, ist historisch falsch. Wikipedia z.B. spricht hier von einem "supranationalen Verband".


Erstens spricht die Wikipedia hier vom HRR, nicht vom Königreich Deutschland (das ein Teilstaat des Heiligen Römischen Reichs war). Zweitens bedeutet diese Bezeichnung nicht, daß das Königreich oder das HRR keine Staaten gewesen wären. Und drittens bleibt zu klären, ob Du die enge oder weite Definition von "Staat" anwendest. Bei der engen Definition gibt es Staaten ja erst in der Neuzeit. Ich verwende die allgemeinere Definition, bezeichne auch das alte Athen oder die frühen Königreiche als Staaten. Und selbstverständlich ist nach dieser weiten Definition Deutschland schon seit Frühzeiten ein Staat.

Wenn wir konkret von der Zeit Ludwig XIV reden (wg. Abtrennung Lothringens und des Elsaß), dann ist Deutschland schon lange ein klar definierter Staat, mit einer seit Jahrhunderten klar definierten Grenze zu Frankreich.

Zitat
Staatlichkeit gab es nur in den Fürstentümern.


Die gab es auch - aber in föderalen Systemen ist es ja kein Widerspruch, daß mehrere Ebenen Staatlichkeit haben.

Zitat

Zitat von R.A.
Das neue beim "Nationalstaat" war aber, Staat, Nation und Sprache als völlig deckungsgleich zu erklären und keine Abweichungen mehr zu tolerieren.


Aber das ist doch eine logische Folge der Anwendung dieser Kriterien. Wer sie nicht erfüllt, kann dann eben nur schwer gleichberechtigter Teil dieser so definierten Gemeinschaft sein.



Ja. Und genau deswegen halte ich die Nationalstaats-Kriterien für falsch, im Prinzip für Menschenrechtswidrig.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

07.03.2012 14:00
#14 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Erstens spricht die Wikipedia hier vom HRR, nicht vom Königreich Deutschland (das ein Teilstaat des Heiligen Römischen Reichs war). Z


Ja, warum tut Wikipedia das wohl unter dem Stichwort "Deutschland"? Warum taucht da dein "Königreich Deutschland" nicht auf? Weil es, übrigens auch nicht "Königreich Deutschland" geheißen (den Begriff gibt es historisch gar nicht), sondern "deutsches Königreich" oder "Königreich der Deutschen", praktisch keine Rolle spielte. Und du ignorierst, dass der von mir gebrachte Begriff in einem Satz auftaucht, der die Idee eines "Teilstaats Königreich Deutschland" ganz beiseite wischt:

Zitat von Wikipedia
Obwohl die Kaiser wiederholt versuchten, ihre Position zu stärken, blieb das Reich ein supranationaler Verband großer, mittelgroßer und vieler Klein- und Kleinstterritorien sowie Freier Reichsstädte (→ Historisches Territorium).


"Große, mittelgroße und viele Klein- und Kleinstterritorien sowie Freie Reichsstädte" und eben nicht "Teilstaaten" namens Deutschland und Italien. Das "Königreich der Deutschen" hatte einfach keine eigenen Institutionen, und auch das Kaiserreich viel zu wenige, um daraus später einen Staat hervorbringen zu können.

Zitat von Wikipedia
Aufgrund seines vor- und übernationalen Charakters entwickelte sich das Reich nie zu einem Nationalstaat oder Staat moderner Prägung, sondern blieb ein monarchisch geführtes, ständisch geprägtes Gebilde aus Kaiser und Reichsständen mit nur wenigen gemeinsamen Reichsinstitutionen.


Was für das Kaiserreich gilt, das immerhin noch als eigenes Gebilde historische Beachtung findet, gilt für das "Königreich der Deutschen" erst recht. Im Gegenteil, die Königskrone wurde nur als Vorstufe zur Kaiserwürde gesehen, und die jeweiligen Herrscher nannten sich auch lieber römischer als deutscher König:

Zitat von Wikipedia
Der Titel Rex Romanorum tritt während der späten Ottonenzeit auf, verstärkt zur Zeit Kaiser Heinrichs II. Die nachfolgende Dynastie der Salier nutzte ihn bewusst und intensiv, um ihren Anspruch auf die römische Kaiserwürde zu verdeutlichen. Dies geschah im Gegensatz zu dem von den Päpsten teils in herabsetzender Absicht verwendeten Titel Rex Teutonicorum (König der Deutschen), der im Mittelalter keinen offiziellen Gebrauch fand.

(Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misc...cher_K%C3%B6nig)

Dolles Königreich, dessen Herrscher seine Existenz leugnen...

Zitat von R.A.
Und genau deswegen halte ich die Nationalstaats-Kriterien für falsch, im Prinzip für Menschenrechtswidrig.


Andere funktionieren aber nur in Ausnahmefällen. Niemand schließt sich gern mit Wildfremden zu Schicksalsgemeinschaften zusammen.

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Florian Offline



Beiträge: 3.136

07.03.2012 14:53
#15 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

@ Rayson:

Für den Zeitraum 800-1806 lassen sich ja eigentlich keine einheitlichen Aussagen machen.
Aber m.E. tendenziell hat R.A. schon in vielen Punkten recht.

Eine Detail-Anmerkung:

Zitat
Das "Königreich der Deutschen" hatte einfach keine eigenen Institutionen,



Doch. Es gab teilweise getrennte Institutionen und eine getrennte Verwaltung für die verschiedenen Reichsteile Deutschland, Italien und Burgund.

So oder so:
Für unsere Diskussion ist doch etwas ganz anderes wichtig:
Hat sich sagen wir mal im Jahr 1500 ein Bayer (auch) als Deutscher gefühlt?
Ich glaube schon, dass es nach dem Empfinden seiner Bewohner eine solche "deutsche Nation" gab. (Allerdings fehlt mir die Fachkenntnis, um diese Vermutung sauber zu begründen)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

07.03.2012 15:10
#16 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Florian
Aber m.E. tendenziell hat R.A. schon in vielen Punkten recht.


Dann hat Wikipedia allerdings Unrecht bzw. verschweigt Wichtiges, oder ich kann nicht mehr logisch denken.

Zitat von Florian
Es gab teilweise getrennte Institutionen und eine getrennte Verwaltung für die verschiedenen Reichsteile Deutschland, Italien und Burgund.


Und welche waren das? Eine Armee ja wohl z.B. schon mal nicht, oder?

Zitat von Florian
Hat sich sagen wir mal im Jahr 1500 ein Bayer (auch) als Deutscher gefühlt? Ich glaube schon, dass es nach dem Empfinden seiner Bewohner eine solche "deutsche Nation" gab. (Allerdings fehlt mir die Fachkenntnis, um diese Vermutung sauber zu begründen)


Kommt wohl auch drauf an, was für ein Bayer: ein Bauer, ein Adliger oder gar der Fürst/Herzog? Aber so richtig gewann der nationale Gedanke ja erst an Fahrt mit der französischen Revolution.

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Florian Offline



Beiträge: 3.136

07.03.2012 16:24
#17 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

@ Rayson:

Zitat
Und welche waren das? Eine Armee ja wohl z.B. schon mal nicht, oder?



Es gab im Mittelalter ja auch kein stehendes Heer.
Aber wenn Sie es schon ansprechen:
Zu Kaiser Ottos Zeiten wurde zur Ungarnabwehr ein Heer aufgestellt mit Abordnungen aller deutschen Herzogtümer. Die Ungarn-Abwehr wurde (so verstehe ich das) schon als eine "nationale" Aufgabe empfunden. Eine Abordnung von Reichsitalien gab es m.W. nicht.
In sofern gab es schon eine gewisse faktische Trennung der Heeres-Aufgebote Italiens und Deutschlands.

Aber ich meinte gar nicht das Militär.
- Es gab im Mittelalter z.B. getrennte Kanzler für die einzelnen Reichsteile.
- Wenn in Deutschland ein Reichstag abgehalten wurde, dann kamen die Vertreter der deutschen Stände. Aber keine Vertreter aus Italien. Verhandelt wurden deutsche Angelegenheiten. Sofern Italien Thema war, war das sozusagen Außenpolitik (etwa die Frage, ob ein Italien-Zug durchgeführt werden sollte).
Umgekehrt hielt der König ggf. auch in Italien eigene Reichstage ab.
- Es gab auch getrennte Reichsinsignien. Für Reichsitalien war das z.B. die eiserne lombardische Krone.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.03.2012 19:04
#18 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Ja, warum tut Wikipedia das wohl unter dem Stichwort "Deutschland"?


Weil a) das HRR selbstverständlich in diesen Kontext gehört und weil b) Wikipedia nicht unbedingt die ultimate Quelle für solche Differenzierungen ist.

Zitat
Warum taucht da dein "Königreich Deutschland" nicht auf? Weil es, übrigens auch nicht "Königreich Deutschland" geheißen (den Begriff gibt es historisch gar nicht), sondern "deutsches Königreich" oder "Königreich der Deutschen", praktisch keine Rolle spielte.


Das "Königreich Deutschland" ist in der Tat eine schlampige Begrifflichkeit, die ich zu einem Zeitpunkt in der Diskussion gebracht habe, um verständlich zu sein und nicht in der Erwartung, daß sich daran Widerspruch festmacht. Weil ich das Wissen um die Existenz dieses Königreichs hier im Forum für so selbstverständlich hielt, daß ich hier keinen Klärungsbedarf erwartete.

Das HRR war ein supranationales Gebilde, bestehend aus drei Königreichen: Dem Königreich Burgund/Arelat (oder Reichsteil Gallia, zuständiger Kanzler der Erzbischof von Trier), dem Königreich Italien (mit dem Erzbischof von Köln als Kanzler) und dem ostfränkischem/deutschem Königreich (Germania, Kanzler ist der Erzbischof von Mainz).
Grundsätzlich waren das drei unterschiedliche Staaten, mit unterschiedlichem Recht und Lehnsstrukturen. Daneben gab es Reichsstrukturen. Und es gab eine Reihe von Strukturen, die waren sowohl für den deutschen Reichsteil wie für das Gesamtreich zuständig.
Zum Vergleich: Das Parlament in London ist sowohl für England als auch für das UK insgesamt zuständig. Wales und Schottland haben eigene Parlamente. Dennoch sind England und das UK nicht identisch, beide haben eine eigene Staatlichkeit.

Zitat von Wikipedia
Obwohl die Kaiser wiederholt versuchten, ihre Position zu stärken, blieb das Reich ein supranationaler Verband großer, mittelgroßer und vieler Klein- und Kleinstterritorien sowie Freier Reichsstädte (→ Historisches Territorium).


Da ist wieder das HRR gemeint, und da ist der Satz ja auch nicht falsch. In Deutschland dagegen war nicht viel mit supranational, da gab es im wesentlichen nur die Eigentümlichkeit des Königreichs Böhmen mit seiner gemischten Bevölkerung.

Zitat
Das "Königreich der Deutschen" hatte einfach keine eigenen Institutionen


Natürlich hatte es die. Und zwar in erster Linie einen König, der nur von den deutschen Fürsten gewählt wurde und erst danach in den übrigen Reichsteilen Rechte bekam bzw. Kaiser wurde. Dann gab es den Kanzler, der nur für Deutschland zuständig war. Und spätere Institutionen wie das Reichskammergericht waren zwar vom HRR etabliert, aber nur für den deutschen Teil zuständig, nicht für Italien.

Zitat

Zitat von Wikipedia
Dies geschah im Gegensatz zu dem von den Päpsten teils in herabsetzender Absicht verwendeten Titel Rex Teutonicorum (König der Deutschen), der im Mittelalter keinen offiziellen Gebrauch fand.

(Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misc...cher_K%C3%B6nig)
Dolles Königreich, dessen Herrscher seine Existenz leugnen...



Jetzt springst Du einige Jahrhunderte zurück, da ist die Begrifflichkeit wieder eine andere. Aber nur weil die Salier die päpstliche Bezeichnung ablehnten, haben sie doch nicht die Existenz des eigenen Reichs abgeleugnet.
Dieses Königreich existierte natürlich, war bis auf kleinere Minderheiten auch nicht "supranational", sondern durchaus deutsch. Aber vom Selbstverständnis war es das (ost-)fränkische Reich. Und an dieser Bezeichnung hingen natürlich auch diverse Rechte dem Papst gegenüber, die dieser ableugnen wollte. Er nennt sie zwar "fachlich korrekt" Könige der Deutschen, denn das waren sie und das war auch allen bewußt. Aber über das fränkische Erbe hatten sie eben auch Anspruch auf die lombardische Krone (also Nord- und Mittelitalien), das waren die Grundlagen, aus denen sich das Konzept HRR entwickelte.

Zitat
Andere funktionieren aber nur in Ausnahmefällen. Niemand schließt sich gern mit Wildfremden zu Schicksalsgemeinschaften zusammen.


Nachbarn sind nicht unbedingt "wildfremd". In der europäischen Geschichte sind regionale Bezüge und Stammesstrukturen lange Zeit dominierend, die Sprache ist sekundär.
Als Beispiel: Schottland bestand seit Gründung aus zwei Sprachgruppen, die nach Nationalstaatsprinzip nie hätten zusammenfinden dürfen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

07.03.2012 19:35
#19 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Dann hat Wikipedia allerdings Unrecht bzw. verschweigt Wichtiges ...


Sie hat im wesentlichen recht, aber die Darstellung dort führt für unsere Diskussion etwas in die Irre, weil sie komprimiert und andere Aspekte konzentriert ist.

Zitat
Eine Armee ja wohl z.B. schon mal nicht, oder?


Wie Florian schon angemerkt hat: Eine Armee im modernen Sinne gibt es ohnehin erst recht spät.
Und da war die Reichsarmee schon auf dem absteigenden Ast.
Wie Goethe so schön während des siebenjährigen Kriegs spottet:
"Und kommt der große Friederich,
und klopft nur auf die Hosen,
dann läuft die ganze Reichsarmee,
Panduren und Franzosen".
(und das ist jetzt nicht supranational gemeint, das sind drei verschiedene Armeen und die Reichsarmee besteht nur aus Deutschen).

Die gemeinsame Verteidigung wurde über die Reichskreise organisiert.
Auch hier gilt: Die waren vom HRR installiert, aber nur für den deutschen Reichsteil (mit den Resten Burgunds). Reichsitalien hat eigene Strukturen.

Zitat

Zitat von Florian
Hat sich sagen wir mal im Jahr 1500 ein Bayer (auch) als Deutscher gefühlt? Ich glaube schon, dass es nach dem Empfinden seiner Bewohner eine solche "deutsche Nation" gab. (Allerdings fehlt mir die Fachkenntnis, um diese Vermutung sauber zu begründen)


Kommt wohl auch drauf an, was für ein Bayer: ein Bauer, ein Adliger oder gar der Fürst/Herzog? Aber so richtig gewann der nationale Gedanke ja erst an Fahrt mit der französischen Revolution.



Neu am "nationalen Gedanken" seit der französischen Revolution war die Zentrierung auf die Sprachgemeinschaft und damit der Ausschluß von Minderheiten bzw. Annexionsansprüche in Irredenta-Situationen.

Aber Nationalgefühl gab es vorher sehr wohl und auch sehr intensiv. Und da haben sich z. B. die Bayern sehr wohl als Deutsche gefühlt und sich entsprechend engagiert.

Wir kamen ja eigentlich vom Thema "Abtrennung des Elsaß von Deutschland" her. Und wenn man sich das genauer anschaut, dann wurde das schon damals als nationale Frage begriffen. Es waren im wesentlichen die süddeutschen Reichskreise, also die Schwaben und Bayern, die jahrzehntelang (mit eher sporadischer Hilfe des Kaisers) die Abwehr gegen Ludwig XIV organisierten.
Und dieses Engagement begann nicht erst mit der Abtrennung Straßburgs (also einer damals rein deutschsprachigen Stadt), sondern schon vorher mit der französischen Besetzung von Metz, Toul und Verdun. Die Leute dort sprachen französisch, aber national gesehen waren es deutsche Landsleute, die beim Reich bleiben wollten und sollten.

Als Kontrast einige Zeit vorher die französische Besetzung der Reichsstadt Lyon - die immerhin drei Jahrhunderte zum HRR gehörte. Das wurde im deutschen Reichsteil als ärgerlich empfunden, aber im wesentlichen als Privatproblem des Kaisers. Lyon gehörte nicht zum deutschen Reichsteil, dafür machte auch kein deutscher Reichsstand mobil.

Ein schönes Beispiel für den Gegensatz zwischen dem "alten Nationalismus" und dem neueren Nationalstaatsgefühl findet man beim Tiroler Aufstand 1809. Das Nationalgefühl bezieht sich auf die Region Tirol (und die Dynastie der Habsburger), da wird nicht zwischen deutschen und italienischsprachigen Tirolern unterschieden. Und der Aufstand richtet sich gegen Franzosen und Bayern sowie ihre Hilfstruppen (z. B. aus Sachsen), die sind alle ganz klar Feind.
Einige Jahrzehnte später deutet der deutsche Nationalismus und seine Geschichtsschreibung den Aufstand um. Fokussiert wird auf den Kampf gegen die Franzosen, die Kämpfe zwischen Tirolern, Bayern und Sachsen werden zum bedauerlichen Bruderkonflikt erklärt - und die Beteiligung der welschen Tiroler wird verschwiegen.

Rayson Offline




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07.03.2012 20:50
#20 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Da ist wieder das HRR gemeint, und da ist der Satz ja auch nicht falsch.


Sorry, aber wenn die übergeordnete Ebene sich eben nicht aus den "Teilstaaten", sondern aus den kleineren Territorien zusammensetzt, dann spricht das nicht gerade dafür, dass es diese "Teilstaaten" tatsächlich gegeben hat. Mal rein logisch betrachtet.

Zitat von R.A.
Und zwar in erster Linie einen König, der nur von den deutschen Fürsten gewählt wurde und erst danach in den übrigen Reichsteilen Rechte bekam bzw. Kaiser wurde.


Eben. Er musste immer Kaiser werden. Die eigentliche höhere Instanz war das HRR, auch wurden dort die supranationalen Institutionen eingesetzt - dass die sich dann im Wesentlichen nur um den Teil nördlich der Alpen gekümmert haben, ist von den räumlichen Gegebenheiten her zu erwarten, aber wie Wikipedia eben schreibt: Sie reichten nicht aus, um in der Neuzeit einen Nationalstaat daraus werden zu lassen. Da mussten erst ein Napoleon und dann ein Bismarck kommen.

Zitat von R.A.
Nachbarn sind nicht unbedingt "wildfremd". In der europäischen Geschichte sind regionale Bezüge und Stammesstrukturen lange Zeit dominierend, die Sprache ist sekundär.


Das mag für Stämme und Dynastien gelten, ist für größere Einheiten und einen funktionierenden Staat aber nur sehr schwer durchzuhalten. Man denke an Türkisch als zweite Amtssprache im Geltungsbereich des GG. Ich sehe den Bezug auf die Sprache sogar als zivilisatorische Errungenschaft, denn sie öffnet den Staat im Prinzip auch für neue Bürger, ohne dass diese sich z.B. einheiraten müssten. Sprache kann man individuell erwerben, Abstammung nicht.

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L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Rayson Offline




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07.03.2012 20:54
#21 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Florian
Zu Kaiser Ottos Zeiten wurde zur Ungarnabwehr ein Heer aufgestellt mit Abordnungen aller deutschen Herzogtümer.


Eben: Abordnungen der Herzogtümer. Also eher wie eine Art NATO

Zitat von Florian
Eine Abordnung von Reichsitalien gab es m.W. nicht.


Die gab es auch nicht, als die Türken vor Wien standen. Aber da haben (zumindest beim zweiten Versuch) die nichtdeutschen Mannen von Jan Sobieski auch kräftig mitgemischt. Es ist vielleicht nicht zu wagemutig, logistische Gründe dafür heranzuziehen.

Für den Rest siehe meine Antwort an R.A.

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R.A. Offline



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08.03.2012 10:08
#22 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Sorry, aber wenn die übergeordnete Ebene sich eben nicht aus den "Teilstaaten", sondern aus den kleineren Territorien zusammensetzt, dann spricht das nicht gerade dafür, dass es diese "Teilstaaten" tatsächlich gegeben hat.


Nun ja, wenn jemand schreibt "die Bundesrepublik besteht aus 295 Landkreisen und X kreisfreien Städten", dann ist das auch nicht falsch - und trotzdem negiert es nicht die Existenz von Bundesländern.
Das HRR war nicht nach striktem Baukastensystem wie eine moderne Verwaltung aufgebaut, und der Wikipedia-Autor war sich mancher Feinheiten wohl auch nicht bewußt. Trotzdem halte ich den Eintrag für brauchbar, unsere Diskussion hier ist ja nicht die typische Fragestellung eines Wikipedia-Lesers.

Zitat
Die eigentliche höhere Instanz war das HRR, auch wurden dort die supranationalen Institutionen eingesetzt ...


Höhere Instanz ja, und das HRR selber (insbesondere das Kaisertum) war supranational. Aber wenn das HRR nun eine Institution nur für Deutschland einsetzte, dann ist diese Institution per se nicht supranational (wobei der Begriff hier ohnehin nur vorsichtig verwendbar ist).

Zitat
Sie reichten nicht aus, um in der Neuzeit einen Nationalstaat daraus werden zu lassen.


"Reichen nicht aus" klingt so, als wäre das ein Ziel gewesen und es hätte die Fähigkeit gefehlt, es zu erreichen.
Aber so war es eben nicht: Weder das HRR noch das ostfränkisch/deutsche Königreich wollten ein Nationalstaat sein. Es waren im wesentlichen Personenverbandsstaaten mit sehr starkem förderativen Charakter. So wie später die Habsburger Monarchie und die Schweiz, mit Abstrichen könnte man auch das Konglomerat England/UK/Commonwealth damit vergleichen.

Zitat
Das mag für Stämme und Dynastien gelten, ist für größere Einheiten und einen funktionierenden Staat aber nur sehr schwer durchzuhalten.


Das Habsburgerreich war eine große Einheit und hat funktioniert. Ein aktuelles Beispiel wäre Indien - eine "indische Nation" gibt es eigentlich nicht.

Zitat
Ich sehe den Bezug auf die Sprache sogar als zivilisatorische Errungenschaft, denn sie öffnet den Staat im Prinzip auch für neue Bürger, ohne dass diese sich z.B. einheiraten müssten. Sprache kann man individuell erwerben, Abstammung nicht.


Ich stimme Dir zu, daß die Möglichkeit des "Mitglied werdens" wichtig ist. Dafür gab und gibt es aber auch in "Nicht-Nationalstaaten" genügend Varianten, die meisten "alten" Staaten waren viel offener für Einwanderung als die heutigen Nationalstaaten.

Umgekehrt bedeutet das sprachbezogene Nationalstaatsprinzip nicht automatisch, daß man mit dem Lernen der Sprache auch dazu gehört. Das ist eine speziell französische und sehr neue Auffassung, und wird ja auch dort nicht wirklich so gehandhabt.
Viel eher war der Standpunkt verbreitet, daß die Sprache eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist. Wer die Sprache nicht spricht, ist automatisch außen vor, gilt als nicht zugehörig und kann dies auch nicht durch Sprachwechsel werden.
Ein krasses Beispiel (nicht nur in Deutschland) ist der Umgang mit den Juden. Bei denen war es egal, wie gut die die jeweilige Sprache konnten - sie galten den Nationalstaats-Fanatikern immer noch als Ausländer.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

08.03.2012 10:49
#23 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von Rayson
Eben: Abordnungen der Herzogtümer. Also eher wie eine Art NATO


Nur daß die Herzogtümer verpflichtet waren zu kommen. Wer nicht kam, mußte mit einem Gerichtsverfahren rechnen und vielleicht mit einer Verurteilung wegen Verrat (konnte zu Entzug des Herzogtums und Hinrichtung führen).

Zitat

Zitat von Florian
Eine Abordnung von Reichsitalien gab es m.W. nicht.


Die gab es auch nicht, als die Türken vor Wien standen.



Logisch, denn Wien liegt eben nicht in Italien. Die Rechte von Kaiser und Reich in Italien beruhten im wesentlichen auf Lehnsbeziehungen. Und üblicherweise (auch im übrigen Europa) waren die Vasallen nur zur Truppenstellung verpflichtet, wenn es ums eigene Reich ging. Es gab ja auch Türkenangriffe auf Italien, da setzte der Kaiser neben den eigenen Truppen sehr wohl die Kontingente der italienischen Staaten ein.
Vor Wien kämpften neben den kaiserlichen Truppen die schwäbischen, bayrischen, fränkischen und sächsischen Einheiten des Reichsheers.

Zitat
Aber da haben (zumindest beim zweiten Versuch) die nichtdeutschen Mannen von Jan Sobieski auch kräftig mitgemischt. Es ist vielleicht nicht zu wagemutig, logistische Gründe dafür heranzuziehen.


Grundlage für das Eingreifen Sobieskis war ein ganz normales Bündnis, der Bündnisfall war durch türkischen Angriff auf eine der beiden Hauptstädte (Wien bzw. Krakau) gegeben. Mit Logistik hatte das wenig zu tun. Aus Italien waren ja auch die Venezianer vor Wien dabei (auch als Verbündete, sie gehörten nicht zum Reich). Und für die Logistik im engeren Sinne war nach Bündnisvertrag der Kaiser zuständig, die polnischen Truppen wurden durch Steuern aus Italien bezahlt.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

08.03.2012 19:45
#24 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Nur daß die Herzogtümer verpflichtet waren zu kommen.


Lehenssystem eben.

Zitat von R.A.
Es gab ja auch Türkenangriffe auf Italien, da setzte der Kaiser neben den eigenen Truppen sehr wohl die Kontingente der italienischen Staaten ein.


Neben den eigenen Truppen.

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Rayson Offline




Beiträge: 2.367

08.03.2012 20:15
#25 RE: Europas Krise (10): Europa und die deutsche Identität Antworten

Zitat von R.A.
Nun ja, wenn jemand schreibt "die Bundesrepublik besteht aus 295 Landkreisen und X kreisfreien Städten", dann ist das auch nicht falsch - und trotzdem negiert es nicht die Existenz von Bundesländern.


Der Satz lautete ja auch anders "Die Bundesrepublik ist ein Verband von 295 Landkreisen und X kreisfreien Städten" wäre tatsächlich falsch.

Zitat von R.A.
Aber wenn das HRR nun eine Institution nur für Deutschland einsetzte, dann ist diese Institution per se nicht supranational (wobei der Begriff hier ohnehin nur vorsichtig verwendbar ist).


Einigen wir uns auf "territorial"...

Zitat von R.A.
"Reichen nicht aus" klingt so, als wäre das ein Ziel gewesen und es hätte die Fähigkeit gefehlt, es zu erreichen.


Ein explizites "Ziel" sehe ich mit dieser Formulierung nicht verbunden.

Zitat von R.A.
Weder das HRR noch das ostfränkisch/deutsche Königreich wollten ein Nationalstaat sein. Es waren im wesentlichen Personenverbandsstaaten mit sehr starkem förderativen Charakter.


Ja eben, (fast) mein Reden. Ich würde den Territorien nur keine Staatseigenschaft zuerkennen wollen. Der eine hatte Macht, weil er Kaiser war, die anderen hatten Macht, weil sie Fürsten waren - somit war Staat maximal das, was diese Herrscher jeweils regierten. Meiner Ansicht nach also in erster Linie die FÜrstentümer. Der fehlende Wille zum Nationalstaat entsprang nicht einer Laune dieser Herrscher, sondern war Konsequenz der Machtverhältnisse.

Zitat von R.A.
Das Habsburgerreich war eine große Einheit und hat funktioniert.


Ich glaube, das sehen Tschechen, Slowaken oder Serben etwas anders. Kommt aber natürlich immer darauf an, was man unter "funktionieren" versteht. Das römische Reich, das britische Imperium und die Sowjetunion haben so gesehen auch "funktioniert".

Zitat von R.A.
Ein aktuelles Beispiel wäre Indien - eine "indische Nation" gibt es eigentlich nicht.


Wie gesagt, es gibt Ausnahmen, wie in diesem Fall "Staatswerdung" aufgrund natürlicher Grenzen und gemeinsamer Geschichte. Eine gemeinsame Landessprache gibt es da allerdings auch, sogar zwei...

Zitat von R.A.
die meisten "alten" Staaten waren viel offener für Einwanderung als die heutigen Nationalstaaten.


Worauf stützt sich diese Behauptung?

Zitat von R.A.
Umgekehrt bedeutet das sprachbezogene Nationalstaatsprinzip nicht automatisch, daß man mit dem Lernen der Sprache auch dazu gehört. Das ist eine speziell französische und sehr neue Auffassung, und wird ja auch dort nicht wirklich so gehandhabt.


Die Sprache ist wichtig, aber es kommen eben manchmal noch andere Kriterien hinzu, die "Fremdheit" auslösen, z.B. die Religion.

Zitat von R.A.
Wer die Sprache nicht spricht, ist automatisch außen vor, gilt als nicht zugehörig und kann dies auch nicht durch Sprachwechsel werden.


Das halte ich für übertrieben. Die Franzosen sind zwar dafür berüchtigt, den Sprachwechsel auch mal blutig erzwungen zu haben, wenn er dann aber durch war, gehörten, wenn keine zusätzlichen Ausgrenzungsmerkmale ins Spiel kamen, die betreffenden Menschen genau so dazu wie die anderen. Auch für Ungarn, wo wir eingangs darüber redeten, blieb die Sprache konstitutiv. Durch die Türkenkriege und ihre Folgen wurde dort quasi die komplette Bevölkerung mindestens einmal ausgetauscht (was übrigens das ganze Gequatsche der Orbán-Regierung über die Vorfahren lächerlich erscheinen lässt), aber wer dort wohnte und Ungarisch sprach, war eben Ungar.

Zitat von R.A.
Ein krasses Beispiel (nicht nur in Deutschland) ist der Umgang mit den Juden. Bei denen war es egal, wie gut die die jeweilige Sprache konnten - sie galten den Nationalstaats-Fanatikern immer noch als Ausländer.


Als das, also nichtzugehörige Fremde und Außenseiter, lieber R.A., galten sie allerdings mindestens ebenso sehr vor Aufkommen der Nationalstaaten... Wenn es überhaupt einen nationalen Antisemitismus gab, dann hat er historisch gegenüber dem herkömmlichen "christlichen" und dem "rassischen" der Nazis jedenfalls keine nennenswerte Rolle gespielt. Einige Juden haben im Dritten Reich ja nicht begriffen, dass ihnen die offizielle Akzeptanz des einstigen Vaterlandes, z.B. zum Ausdruck gebracht durch im Ersten Weltkrieg erworbene Ehrungen, keinen Schutz gegen den Vernichtungswillen der Nazis verschaffen konnte.

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