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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 40 Antworten
und wurde 4.690 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.04.2012 05:06
Grass und Sarrazin Antworten

Wo ist da eigentlich eine Gemeinsamkeit?

Michael B. Offline



Beiträge: 66

13.04.2012 06:01
#2 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat
Man könnte auch den Vergleich zwischen einem Kamel und einem Dromedar ins Auge fassen.


Trampeltier und Dromedar. Kamele sind beide (wo Lehrer Hempel abgebildet ist, muß das gesagt werden).

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

13.04.2012 07:45
#3 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Lieber Zettel,
geht es in der Grass-Debatte wirklich nur darum, dass da einer was gesagt hat, das er nicht hätte sagen dürfen? In vielen Medien wurden die Aussagen des sog. Gedichts einem Faktencheck unterzogen. Dies wäre überflüssig gewesen, wenn man Grass' Phantasien von vornherein als unzulässig zurückgewiesen hätte. Und darin liegt auch der Hauptunterschied zur Sarrazin-Diskussion; denn dort bewegte sich die Kritik, soweit ich sehe, eben nur auf der Zulässigkeits- und nicht auf der Sachebene. Zudem wurde völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Grass nichts gesagt habe, was nicht ohnehin täglich gesagt werde, und dass deshalb das Dürfen außer Frage stehe. Einige linke Medien haben ziemlich deutlich bedauert, dass Grass' Text derart niveaufrei ist; denn andernfalls hätte man ihm aus tiefster Brust zugestimmt. Dass der Stammtisch in Grass ein Opfer der medialen Gesinnungspolizei sieht, ist nicht so sehr dem Verlauf der Debatte geschuldet, als vielmehr einer offensichtlich sehr tief sitzenden narzisstischen Kränkung.
Im Übrigen stimme ich Ihrem Beitrag zu.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

13.04.2012 08:18
#4 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Wenn die Geschichten, die Herr Martenstein beschrieb, wirklich so stattgefunden haben, was ich mir nur schwer vorstellen kann, nicht, weil ich nicht glaube, dass in unserem Lande jede Menge „Ich bin gerne Nazi“-Bürger rumlaufen, sondern weil ich mir schlicht nicht vorstellen kann, dass diese Nazibrut bereits so dreist ist, andersdenkende Bürger direkt anzugreifen. Ich jedenfalls habe soetwas noch nicht erlebt. Herr Martenstein hat (wohlweislich?) darauf verzichtet, seine jeweilige Reaktion zu dokumentieren.

Dass die Gesellschaft eine Konsensgesellschaft ist, habe ich in meinem Umfeld noch nicht feststellen müssen. Es scheint sich um ein Problem des Umgangs der gebildeten Stände mit ihresgleichen zu handeln.

 
Mit freundlichem Gruß

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

13.04.2012 08:21
#5 Rauchen Antworten

Da ist man Zeit seines Lebens Nichtraucher, Pasivraucher und probiert dann in der Verbots- und Aechtungsdebatte einmal eine Zigarre aus.
Welch Genuss! Auch wenn es schwer ist, so etwas aufgrund der langen Brenndauer zu geniessen, da man es in (oeffentlichen) Innenraumen ja nicht mehr darf und zu Hause ohne eigenen Rauchsalon nicht will.

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 09:03
#6 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Verehrter Zettel,

mit der Einstufung als Konsensgesellschaft würde ich Ihnen ja grundsätzlich zustimmen.

Aber wie war es bei Grass und Sarrazin?

Bei Grass und bei Sarrazin waren die Meinungen durchaus geteilt, ich meinte nicht die veröffentlichte Meinung, sondern die Leserzuschriften.

Oder schauen Sie sich das Thema Euro an: Wo werden denn die Vorbehalte der Bevölkerung in der öffentlichen Diskussion wiedergegeben? ESM, EFSF das gleiche.

Wenn Grass - dessen "Gedicht" mich im übrigen auch nicht überzeugt - zu Recht von einer Gleichschaltung der Medien spricht, fällt seinen Kritikern nicht anderes ein, als "Nazi-Vokabular". Er beschreibt aber nur einen Zustand, den man an vielen Stellen beobachten kann.
Früher nannte man das Propaganda, was wir in vielen Bereichen erleben. Aber das kann es in einer Demokratie mit freier Presse ja eigentlich nicht geben...

Gruß
Fritz

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

13.04.2012 09:32
#7 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von Michael B.

Zitat
Man könnte auch den Vergleich zwischen einem Kamel und einem Dromedar ins Auge fassen.


Trampeltier und Dromedar. Kamele sind beide (wo Lehrer Hempel abgebildet ist, muß das gesagt werden).




Es muß dann allerdings auch gesagt werden: Der Lehrer heißt Lämpel.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

13.04.2012 09:37
#8 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von Fritz
Wenn Grass - dessen "Gedicht" mich im übrigen auch nicht überzeugt - zu Recht von einer Gleichschaltung der Medien spricht, fällt seinen Kritikern nicht anderes ein, als "Nazi-Vokabular". Er beschreibt aber nur einen Zustand, den man an vielen Stellen beobachten kann.
Früher nannte man das Propaganda, was wir in vielen Bereichen erleben. Aber das kann es in einer Demokratie mit freier Presse ja eigentlich nicht geben...



Es spricht eben nicht zu Recht von Gleichschaltung. Wer sollte denn bitte in diesem Fall die Hand am (Gleich)-Schalter haben?

Es gab in der jüngeren deutschen Geschichte zwei Versuche der Gleichschaltung: In der nationalsozialistischen Diktatur und in der Diktatur des Proletariats. Der erste Versuch war brutaler und zeitweise erfolgreicher als der zweite.

Wir leben heute in einer pluralistischen Gesellschaft und das ist gut so. Jeder Vergleich mit den Verhältnissen in der NS-Zeit oder in der DDR verbietet sich von selbst. Das Wort Gleichschaltung gehört ins Geschichtsbuch.

patzer Offline



Beiträge: 359

13.04.2012 10:16
#9 RE:Lesetipp:Passivrauchen Antworten
Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 10:18
#10 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Verehrter Stefanolix,

das Wort "Kraftfahrzeug" ist auch Nazi-Vokabular und sollte das Fremdwort "Automobil" ersetzen.
Was ist mit dem Muttertag?
Was mit der Autobahn?
Oder mit dem steuerfreien Nacharbeitszuschlag?
Oder dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit?

Alles abschaffen?

Gruß
Fritz

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 10:30
#11 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat Stefanolix
"Es spricht eben nicht zu Recht von Gleichschaltung. Wer sollte denn bitte in diesem Fall die Hand am (Gleich)-Schalter haben?"


Muß es denn den einen Bösen geben der alle Strippen in der Hand hat und die Marionetten tanzen läßt?
Kann es nicht auch einen nicht verabredeten Gleichschritt geben?

Ich denke auch nicht, daß sich die Mineralölkonzerne bei Kaffee und Kuchen oder per Telefonkonferenz
jeden Montag treffen und Preise verabreden. An einen lustigen Zufall glaube ich allerdings bei
der parallelen Preisgestaltung auch nicht!

Karl Theodor Offline




Beiträge: 55

13.04.2012 10:38
#12 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Ach ja, der gemeinsame Konsens derer, die sich mit Inbrunst der selbst verschuldeten Unmündigkeit hingegeben haben.
Vom einem Urgroßvater aus einer mir sehr gut bekannten Familie (ein angesehener Mann mit relativ großen landwirtschaftlichen Besitztümern) ist überliefert, dass er sich damals einem traditionellen gemeinschaftlichen Konsens hingab und morgens seine Nachbarn mit "Guten Morgen" begrüßte und dabei den Hut kurz anhob. In der damaligen neuen Zeit der "nationalen Erneuerung" wäre "Heil Hitler" korrekt gewesen. Da er sich diesem neuen Konsens nicht beugen wollte, wurden ihm die Bezugscheine für neue Schuhe gestrichen. Auch mit Vermögen war das unangenehm, weil diese "glorreichen Braunen" ab 1936 dem Deutschen Reich eine Zwangswirtschaft verordneten. Dieser Irrsinn konnte erst 1948 von L. Erhard beendet werden (gegen den damals geltenden "sozialistischen Konsens"), was zu einem großen Aufstieg Westdeutschlands führte. Leider wird das heute selten erkannt, anerkannt noch gewürdigt (ausser in einigen Sonntag-Feiertag-Festreden). Man setzt mit voller Inbrunst wieder auf zwangswirtschaftliche Elemente. Auch so ein Konsens gegen den niemand wirklich aufsteht. Und sollte doch jemand dies wagen wird er mit einer sogenannten "neoliberalen Keule" niedergeschlagen. Neoliberal: auch so ein Begriff, der fast inhaltsleer ist, weil kaum noch jemand weiß, was er wirklich bedeutet. Noch schlimmer ist "Soziale Gerechtigkeit". Der Mega-Konsens schlechthin. Und schon assoziere ich ad hoc zum Konsensschema "links -rechts". Es ist Konsens die Sozen links zuzuordnen und die Braunen auf der rechten Seite. Welchen Sinn macht das? Beide sind Sozialisten und haben ein gestörtes Verhältnis zu bürgerlichen Freiheiten und dem Subsidaritätsprinzip. Streng genommen gehören die Vertreter dieser Gruppe auf "die Couch" (zur Therapie). Ich könnte diese Konsensleier noch weiter drehen. Aber ich muss wieder schaffen, um den Staat vor seiner kaum zu vermeidenden Pleite zu retten. Da ist er wieder: noch ein Konsens - gegen Steuersenkungen...oder der hier: Staaten können nicht pleite gehen...cui bono?

Wer nichts weiss muss glauben. Wer nicht mehr an Gott glaubt, der glaubt an alles mögliche/andere, (was sich eben so anbietet).

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

13.04.2012 11:10
#13 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von Fritz
Verehrter Stefanolix,

das Wort "Kraftfahrzeug" ist auch Nazi-Vokabular und sollte das Fremdwort "Automobil" ersetzen.
Was ist mit dem Muttertag?
Was mit der Autobahn?
Oder mit dem steuerfreien Nacharbeitszuschlag?
Oder dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit?

Alles abschaffen?

Gruß
Fritz





Es geht doch, verehrter Fritz, nicht um das Vokabular. Es geht um den Sachverhalt. Gleichschaltung ist ein genügend genau definierter Begriff: Die Überführung aller existierenden Parteien und Organisationen eines Staates in eine einzige Organisation unter staatlicher Kontrolle. Die Parteien und Organisationen dieses Landes sind nicht gleichgeschaltet, die Medien sind es auch nicht. Punkt.

Der Muttertag ist übrigens eine amerikanische Erfindung vom Anfang des 20. Jahrhunderts, der 1. Mai wurde von den Gewerkschaften am Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und die Autobahnen wurden lange vor der Machtergreifung schon in der Weimarer Republik geplant.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.04.2012 11:20
#14 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von Michael B.

Zitat
Man könnte auch den Vergleich zwischen einem Kamel und einem Dromedar ins Auge fassen.


Trampeltier und Dromedar. Kamele sind beide (wo Lehrer Hempel abgebildet ist, muß das gesagt werden).


Der Lehrer heißt Lämpel.

F.Alfonzo Online



Beiträge: 2.292

13.04.2012 11:28
#15 RE: Grass und Sarrazin Antworten

@ Zettel:

Sehr guter Artikel, nur eine Randbemerkung zu einem Satz, bei dem sich meine Fussnaegel aufgebogen haben:

Zitat
Es war die Entscheidung zwischen zwei Personen, die zugunsten der kompetenteren ausging; das war Angela Merkel.



Koennen wir uns darauf einigen, dass demokratische Entscheidungen nicht zwangslaeufig den kompetentesten Kandidaten ins Amt heben? ...mal freundlich formuliert

Gruesse,
Fonzo

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.04.2012 11:31
#16 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von F.Alfonzo

Zitat
Es war die Entscheidung zwischen zwei Personen, die zugunsten der kompetenteren ausging; das war Angela Merkel.



Koennen wir uns darauf einigen, dass demokratische Entscheidungen nicht zwangslaeufig den kompetentesten Kandidaten ins Amt heben? ...mal freundlich formuliert


Ja, lieber F. Alfonzo: Nicht zwangsläufig.

Hier aber schon. (Wobei, nebenbei, die SPD weniger Kompetente hat als Steinmeier).

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.04.2012 11:38
#17 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von stefanolix
Es gab in der jüngeren deutschen Geschichte zwei Versuche der Gleichschaltung: In der nationalsozialistischen Diktatur und in der Diktatur des Proletariats. Der erste Versuch war brutaler und zeitweise erfolgreicher als der zweite.

Wir leben heute in einer pluralistischen Gesellschaft und das ist gut so. Jeder Vergleich mit den Verhältnissen in der NS-Zeit oder in der DDR verbietet sich von selbst. Das Wort Gleichschaltung gehört ins Geschichtsbuch.

So ist es, lieber Stefanolix. Sie schreiben fast wörtlich das, was ich mir auch für den Artikel überlegt hatte; es paßte dann aber nicht mehr in dessen Struktur.

Das Wort "Gleichschaltung" ist diffamierend, weil es eine Nähe oder Ähnlichkeit zwischen diesem demokratischen Rechtsstaat und den beiden Diktaturen impliziert, die Sie nennen. Es ist auch schlicht empirisch falsch; aus dem von Ihnen genannten Grund. Es gibt eben kein allmächtiges Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda, das die Linie vorgibt; und kein ZK der SED, das festlegt, was an jedem Tag wie in der Zeitung stehen darf.

Die Konsensgesellschaft ist keine Diktatur; sie ist nachgerade das Gegenteil einer Diktatur. Daß Links- und Rechtsextreme das nicht wissen oder leugnen, verwundert nicht.

Daß ausgerechnet der Sozialdemokrat Günter Grass diesen Begriff gebraucht, zeigt seine politische Ignoranz.

Daß es der Dichter Grass tut, zeigt dessen mangelnde Sensibilität beim Umgang mit der Sprache.

Herzlich, Zettel

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 11:43
#18 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Wo ist denn der Konsens bei Sarrazin, der von den Medien einhellig verteufelt wurde und gleichzeitig das erfolgreichste Sachbuch der Nachkriegsgeschichte in Deutschland geschrieben hat?

Aber, ich verspreche es, ich werde niemals mehr "Autobahn" sagen...

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 11:48
#19 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat Zettel
"Das Wort "Gleichschaltung" ist diffamierend, weil es eine Nähe oder Ähnlichkeit zwischen diesem demokratischen Rechtsstaat und den beiden Diktaturen impliziert"


Werter Zettel, jetzt wird´s aber eine arge Wortklauberei. Nein es gibt kein offizielles "Meinungsministerium",
nein, es gibte keinen staatlichen Zensor bei dem Redakteure erst mal vorsprechen und genehmigen lassen.
Dann verwendet man anstelle von Gleichschaltung eben den Begriff "monochrome veröffentlichte Meinung".

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

13.04.2012 12:32
#20 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von stefanolix
Es spricht eben nicht zu Recht von Gleichschaltung. Wer sollte denn bitte in diesem Fall die Hand am (Gleich)-Schalter haben?

Das weiß Grass auch. Deshalb sagte er:

Zitat von NDR
"Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht - und eine Weigerung, auf den Inhalt, die Fragestellungen, die ich hier anführe, überhaupt einzugehen", sagte Grass weiter.

Er spricht also von der Gleichschaltung der Meinung, nicht der Medien (wie Fritz meinte), die im Vordergrund stehe. Was könnte er mit diesem "Vordergrund" gemeint haben? Ich vermute, er meinte, "im Vordergrund bei jenen, die sich jetzt äußern". Also etwa so: "Es gibt Pressefreiheit, aber den Debattierern liegt vor allem daran, die gleiche Meinung zu vertreten, wie die anderen - gewissermaßen schalten sie sich einander gleich."

Oder wie verstehen Sie den Satz, lieber stefanolix?

Viele Grüße,
Kallias

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

13.04.2012 12:47
#21 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von Kallias

Zitat von stefanolix
Es spricht eben nicht zu Recht von Gleichschaltung. Wer sollte denn bitte in diesem Fall die Hand am (Gleich)-Schalter haben?

Das weiß Grass auch. Deshalb sagte er:

Zitat von NDR
"Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht - und eine Weigerung, auf den Inhalt, die Fragestellungen, die ich hier anführe, überhaupt einzugehen", sagte Grass weiter.

Er spricht also von der Gleichschaltung der Meinung, nicht der Medien (wie Fritz meinte), die im Vordergrund stehe. Was könnte er mit diesem "Vordergrund" gemeint haben? Ich vermute, er meinte, "im Vordergrund bei jenen, die sich jetzt äußern". Also etwa so: "Es gibt Pressefreiheit, aber den Debattierern liegt vor allem daran, die gleiche Meinung zu vertreten, wie die anderen - gewissermaßen schalten sie sich einander gleich."

Oder wie verstehen Sie den Satz, lieber stefanolix?

Viele Grüße,
Kallias




Abgesehen davon, dass auch in diesem Zusammenhang das Wort »Gleichschaltung« unangemessen ist: Günter Grass irrt mit dieser Stellungnahme in der Sache — und zwar doppelt.

Erstens erfuhr er auch Zustimmung und den Zustimmenden wurde genügend öffentliche Aufmerksamkeit zuteil.

Zweitens gingen viele Medien wirklich inhaltlich auf sein Werk ein. Grass' Zeilen wurden in der Öffentlichkeit wesentlich umfassender diskutiert als — beispielsweise — ein FDP-Programm. Nach zwei oder drei Tagen lag für jeden aufmerksamen Leser, Zuhörer bzw. Zuschauer wirklich jeder Aspekt offen.

Außerdem gibt es sehr unterschiedliche Gründe, Grass' Werk abzulehnen. Zum Teil stehen diese Begründungen zueinander im Widerspruch. Wenn A und B aber unterschiedliche Begründungen vorlegen, haben sie sich jedenfalls nicht gleichgeschaltet ;)

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

13.04.2012 13:16
#22 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Zitat von stefanolix
Günter Grass irrt mit dieser Stellungnahme in der Sache — und zwar doppelt.

Erstens erfuhr er auch Zustimmung und den Zustimmenden wurde genügend öffentliche Aufmerksamkeit zuteil.

Zweitens gingen viele Medien wirklich inhaltlich auf sein Werk ein.

Das Gedicht erschien am 4. April, das Interview im NDR am 5. Grass antwortete also auf die erste Reaktion, die - wenn ich mich recht erinnere - in der Tat verheerend und ziemlich einförmig gewesen ist, abgesehen von Klaus Staeck. Inzwischen hat sich viel getan, und heute könnte Grass sich nicht mehr über ein Unisono beschweren. Man braucht nicht anzunehmen, daß er das noch tut.

Zitat von stefanolix
Außerdem gibt es sehr unterschiedliche Gründe, Grass' Werk abzulehnen. Zum Teil stehen diese Begründungen zueinander im Widerspruch. Wenn A und B aber unterschiedliche Begründungen vorlegen, haben sie sich jedenfalls nicht gleichgeschaltet ;)

Je länger die Debatte anhielt, desto wichtiger wurde es, etwas Neues zu bringen, wenn man sich daran noch beteiligen wollte. (Bsp. Lewitscharoff.)

FAB. Offline



Beiträge: 523

13.04.2012 14:01
#23 RE: Grass und Sarrazin Antworten

Die Presse in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht "gleichgeschaltet" in dem Sinne, in dem sie das während der Zeit der nationalsozialistischen Regierung war. Ebensowenig ist der Deutsche Bundestag rechtlich oder faktisch ein Wiedergänger der Volkskammer der DDR. In beiden Fällen fehlt es eindeutig an Sanktionen gegen Abweichler, die dem historischen Vergleichstatbestand auch nur ähnelten.
Gleichwohl kann man in der jüngeren Vergangenheit den Eindruck gewinnen, daß die handelnden Personen, Meinungsjournalisten wie Abgeordnete, sich zunehmend so verhalten, als wären sie gleichgeschaltet respektive bloße bestellte Akklamateure der Parteiführung.
Man mag dann erwägen, ob nicht ein solches Verhalten, gerade wegen der offensichtlichen Nichtidentität der dem Dissidenten drohenden Sanktionen, eher noch schimpflicher ist als dasjenige der Funktionsträger in der historischen Vergleichssituation.

________________________________________________
Für eine demokratische Deutsche Republik!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.04.2012 14:01
#24 Gleichschaltung vs Konsensgesellschaft Antworten

Zitat von Tischler
Zitat Zettel
"Das Wort "Gleichschaltung" ist diffamierend, weil es eine Nähe oder Ähnlichkeit zwischen diesem demokratischen Rechtsstaat und den beiden Diktaturen impliziert"

Werter Zettel, jetzt wird´s aber eine arge Wortklauberei.

Der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur ist keine Wortklauberei.

Zitat von Tischler
Nein es gibt kein offizielles "Meinungsministerium",
nein, es gibte keinen staatlichen Zensor bei dem Redakteure erst mal vorsprechen und genehmigen lassen.
Dann verwendet man anstelle von Gleichschaltung eben den Begriff "monochrome veröffentlichte Meinung".

Der fundamentale Unterschied ist der zwischen Staat und Gesellschaft; zwischen dem Herrschaftssystem und der sich einmal so und einmal so entwickelnden gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Die Nazis und die Kommunisten hatten die Medien vollständig unter staatlicher Kontrolle (was, nebenbei, ja nur ein kleiner Teil der Gleichschatlung war - von ihr betroffen waren auch Berufsverbände, Vereine, Gewerkschaften; nahezu alle sozialen Strukturen). Das ist so im Sozialismus, dem braunen wie dem roten, weil er - das ist das Wesen des Sozialismus - die Gesellschaft nicht als vom Staat unabhängig sieht, sondern als von ihm zu kontrollieren, zu formen und zu entwickeln.

Das gibt es in unserer freien Gesellschaft noch nicht einmal in Ansätzen. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien werden keineswegs staatlich kontrolliert; anders als zum Beispiel in Frankreich. Wer von einer Gleichschaltung der Medien redet, der zeigt damit, daß er unsere politisch-gesellschaftliche Wirklichkeit nicht verstanden hat.



Was in den vergangenen Jahrzehnten passiert ist, das ist die Entwicklung einer gesellschaftlichen Dynamik außerhalb des staatlichen Bereichs, die zu der in dem Artikel genannten Konsensgesellschaft geführt hat. Anders als staatliche Gleichschaltung ist das reversibel. Wir hatten eine Periode lebhafter gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zwischen dem Ende der sechziger Jahre und ungefähr der Mitte der achtziger Jahre; wir werden solche Epochen auch zukünftig wieder haben.

Wir werden sie haben, solange dies eine freie Gesellschaft bleibt; solange es also den Neonazis (da ist die Gefahr gering) oder den Kommunisten (da ist sie ungleich größer) nicht gelingt, Deutschland auf den Weg des Sozialismus zu bringen. Dieser freilich ist nur durch eine Revolution reversibel; oder durch einen verlorenen Krieg.

Herzlich, Zettel

Tischler ( gelöscht )
Beiträge:

13.04.2012 14:46
#25 RE: Gleichschaltung vs Konsensgesellschaft Antworten

Zitat Zettel
"...die zu der in dem Artikel genannten Konsensgesellschaft geführt hat..."

Das es diese breite Konsensgesellschaft außerhalb der veröffentlichten Meinung wirklich geben soll,
bezweifel ich stark. Vielleicht im Nachgang, da es bequemer ist sich an eine vorformulierte Meinung
anzuhängen. Das sich dieser "Konsens" nach innerer Zwiesprache und öffentlicher Diskussion
etabliert -niemals- in unsere derzeitigen Republik.

Zum anderen bin ich zu jung um, und gestehe das auch älteren zu, meinen aktiven Wortschatz ständig mit
dem "Naziwortschatz" abzugleichen.

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