Lieber Zettel! Für mich erscheint das Szenario 3 am wahrscheinlichsten. Bei 59% Wahlbeteiligung ist der klassische CDU-Stammwähler oder der CDU-Nahe Wechselwähler zuhause geblieben oder hat FDP gewählt. Das große Plus für die CDU bei Landtagswahlen war immer die Schulpolitik. Ähnlich wie in Hamburg hat die CDU durch den "NRW-Schulfrieden" diesen Pluspunkt aus der Hand gegeben.
Wer die Klimawende will, wählt eh Grün. Wer die Steinkohle trotz aller CO2-Bedenken will, wählt die SPD. Wer gegen alles ist, war 2010 bei den Linken, jetzt halt bei den Piraten.
Die Idee von der CDU als liberaler Großstadtpartei macht keinen Sinn, wenn die eigenen Stammwähler (konservativ, christlich, kleinstädtisch, "provinziell", halt das Bürgertum) zuhause bleiben.
In den Niederlanden hat das "bürgerliche Lager" bei den letzten Wahlen gesiegt, da es in drei Varianten antrat: Christdemokraten, VVD-Liberale und Rechtspopulisten (mit dem Wildersverein will ich persönlich nichts zu tun haben). In Dänemark regierte genauso 10 Jahre eine Dreierunion Rechtspopulisten-Konservative und Liberale. In Italien dominierte das Bündnis FINI-Lega Nord-Forza Italia fast 17 Jahre (mit der Prodi-Ausnahme). Diese Bündnisse scheitern meist an persönlichen Differenzen (Fini vs. Berlusconi) oder Skrupeln bezüglich der Zusammenarbeiten mit den Populisten.
Das "linke Lager" geht ähnlich vor-allerdings ohne Skrupel bezüglich der Extremisten links zu haben- Grün-Sozialdemokratisch-Kommunistisch Getrennt antreten-vereint schlagen.
Röttgen stand für die Idee "Schwarz-Grün".
>>>> Sit intra te concordia et publica felicitas >>>>
Szenario 4 Befreiungsschlag. Die Kanzlerin hat wichteriges zu tun, als einem Verlierer den Rücken freizuhalten, die Trennung ist nur konsequent.
Aber hat sie wirklich keinen besseren gefunden als ausgerechnet den Juristen Altmeier? Das spricht nicht gerade für eine wichtige Rolle des Bundesumweltministeriums bei der "Energiewende", sondern hier geht es ausschließlich um Loyalität.
Zitat von Die KanzlerinEs ist offensichtlich, dass die Umsetzung der Energiewende noch große Anstrengungen erfordert. Und deshalb hat das Bundesumweltministerium in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu spielen
Scenario 5 wäre das Kassieren der "Energiewende", für die eben Herr R. (neben der Kanzlerin) am sichtbarsten steht. Bzw. stand. Der Große Plan ist ja noch nicht einmal aus den Startlöchern gekommen, und die Friktionen und Illusionen, auf die hier gebaut wurde, werden schon jetzt unangenehm deutlich sichtbar. Daß es dort "nach den ersten Durststrecken" besser würde, dürfte man an den Stellen, wo die Entscheidungen fallen, kaum noch glauben; eher daran, daß vor Erreichen der Halbzeit keine einzige deutsche Firma mehr im Geschäft sein wird, um daran weiterbauen. Das Projekt "Klimakanzlerin" ist ja bereits unbeklagt verschwunden worden; hier aber geht es um die wirtschaftliche Substanz, also um etwas, das auf Dauer schwerer von der Agenda gestrichen werden kann. Das Bauernopfer eines vermeintlichen Kronprinzen mag nur ein Mitnahmeeffekt sein, aber ein nützlicher.
Zitat von CSzenario 4 Befreiungsschlag. Die Kanzlerin hat wichteriges zu tun, als einem Verlierer den Rücken freizuhalten, die Trennung ist nur konsequent.
Das scheint mir, nach dem was bisher zum Thema bekannt ist, auch die wahrscheinlichste Variante. Frau Merkel erwartet unter Umständen, in den nächsten Wochen und Monaten ihre Aufmerksamkeit, bedingt durch Druck aus Frankreich, Griechenland, Italien, Spanien, - sprich: die Krise im Euroraum - in die Außenpolitik stecken zu müssen. Eine über mehrere Wochen laufende Diskussion in den Medien bzw. mit der CSU über Röttgen wäre da nicht hilfreich. So kam Frau Merkel der CSU entgegen und hat für Klarheit gesorgt. Und handelte damit auch anders als bei diversen früheren Personalquerelen innerhalb der Koalition - wo ihr ja durchaus vorgeworfen wurde, dass sie kein Machtwort gesprochen bzw. zu lange an einem Minister festgehalten hätte.
An eine Abkehr von der Energiewende glaube ich persönlich nicht - das würden die Wähler nicht goutieren. Vielmehr würde es, meiner Meinung nach, die Wähler der Grünen massiv mobilisieren und der SPD einen perfekten Wahlkampfaufhänger liefern. Hier hinkt auch der Vergleich mit Herrn Schröder. Der hat sich die Agenda 2010 auf die Fahne geschrieben und ist dann dabei geblieben. Frau Merkel hingegen könnte man, wenn sie die Energiewende wieder umwendet, vorwerfen, dass sie keine verlässliche Politik betreibt. Erst den Atomausstieg kassieren, dann den Ausstieg aus dem Ausstieg verkünden und dann mit dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg die Wahl gewinnen wollen? Mit Verlaub, dann wäre der Vorwurf der Unzuverlässigkeit sogar gerechtfertigt.
Szenario 2: Den Versuch, die NRW-Landtagswahl zur Abstimmung über die Europapolitik der Kanzlerin zu erklären, konnte Merkel als Machtmensch nicht tolerieren. Dazu noch die von Röttgen behauptete angebliche Absprache mit der Kanzlerin - umgehend von ihr dementiert. Ein schwerer Fehler von Röttgen, der sich damit unberechenbar und gefährlich für Merkel gemacht hat. Der Rausschmiss ist die Reaktion darauf.
Die Energiewende zurück kann nur eine rotgrüne Regierung realisieren. Man denke an den Kosovo-Krieg, die Agenda 2010, Abschaffung der Wehrpflicht und die Rettungsschirme - alles Sachen die von der jeweils "verkehrten" Seite des politischen Spektrums realisiert wurden.
Wer eine vernünftige Energiepolitik will muß als rot-grün wählen bzw. auf deren Sieg hoffen. Die Schwarzen werden uns in die energiepolitische Dunkelheit führen, weil sie ja diese Wende gegen die Opposition in den eigenen Reihen und den massivsten Widerstand der Opposition führen müßten. Wer für die CDU und für AKWs ist, für den dürfte die nächste Bundestagswahl den Charakter einer Win-Win Situation haben.
Peter Heller hat bei uns im Blog ganz ähnliche Überlegungen geäußert, wie Sie sie in Ihrem dritten Szenario beschreiben:
Zitat Norbert Röttgen ist nicht an NRW gescheitert. Sondern an sich selbst. An der Vorstellung, Dinge wie steigende Energiekosten, schwindende Versorgungssicherheit und die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Investitionen in neue und bessere Energieinfrastrukturen ignorieren zu können. Er hat diese unmittelbaren Folgen seiner Politik vielleicht sogar wissentlich in Kauf genommen, um seiner Ideologie zu folgen. Merkel aber weiß: Man darf den Wählern solche Schwierigkeiten nicht zumuten, wenn man die Macht erhalten will.
was hinter Röttgens 'Rücktritt' steckt, erschliesst sich einem Merkel Fan natürlich nicht. Röttgen steht für das grundfalsche Merkel-Konzept "asymmetrische Demobilisierung". Das ist gescheitert. Röttgen wird deshalb geopfert, um die wahre Schuldige aus der Schusslinie zu nehmen. Es wird mit dem Bankrott der CDU enden, die Merkel bereits vor der letzten Bundestagswahl hätte entfernen müssen. Merkel ist der Henker der CDU.
Zitat Szenario 4 Befreiungsschlag. Die Kanzlerin hat wichteriges zu tun, als einem Verlierer den Rücken freizuhalten, die Trennung ist nur konsequent.
Das scheint mir auch das Plausibelste. Röttgen hat bei der Wahl nicht nur schwer, er hat katastrophal verloren. Alle - einschließlich ihm selbst - sind der Meinung, dass er diese Niederlage zum größten Teil persönlich zu verantworten hat. Schon während des Wahlkampfs wurde Röttgen in der öffentlichen Wahrnehmung zur widerlichen Figur, einer, mit dem nicht einmal die eigenen Leute wirklich etwas zu tun haben wollten. Das mag in dieser Härte unfair sein, aber so ist es nun einmal.
Dieser penetrante Geruch des Verlierers und Parteischädigers war Merkel möglicherweise zu gefährlich. Mit dem harten Rauswurf, der Röttgen nicht einmal die Chance ließ, gesichtswahrend selbst zurückzutreten, legt sie die maximal mögliche Distanz zwischen sich und einen hässlichen Verlierer, der noch dazu für eine schwarz-grüne Option steht, die jetzt erst einmal politisch tot ist.
Illoyalitäten Röttgens, die ja schon in der Woche vor der Wahl ein Thema waren, mögen hinzu gekommen sein. Röttgen hat sich in seiner Karriere schon verschiedene egozentrische Nummern geleistet - man denke an seinen abgebrochenen Wechsel zum Industrieverband BDI und seinen gescheiterten Putschversuch gegen den Fraktionschef Kauder. Womöglich wäre dieser frustrierte Ehrgeizling ein ständiges Risiko im Kabinett gewesen.
Beide Seiten hätten sich ja ständig belauern müssen: Röttgen musste damit rechnen, früher oder später zum Bauernopfer für die gescheiterte Energiewende zu werden; Merkel musste damit rechnen, dass Röttgen einen attraktiven Absprung sucht und findet, um diesem Schicksal als Bauernopfer zuvorzukommen. Dann hätte Merkel blamiert dagestanden: "Jetzt geht auch noch Muttis Klügster!"
Inhaltlich wird das mE keine Folgen haben. Der neue Minister wird weniger musterschülerhaft und profilsüchtig auftreten, das mag ein bisschen mehr Raum für Pragmatismus lassen.
Die Kanzlerin hat einen unfähigen bzw. illoyalen Minister - welcher zunehmend zur Belastung geworden ist - wohl noch zur rechten Zeit ausgetauscht. Eigentlich ein völlig unspektakulärer Vorgang in einer Demokratie.
Ich vermute, Merkel hätte ihn sicherlich auch “in beiderseitigem Einvernehmen” ziehen lassen...
Ich tippe auf Szenario 3, allerdings nicht mit Schröders Agenda, sondern mit einer Unionspersonalie vor Augen: Paul Kirchhof 2005. Waren nicht seine schlechte Presse, seine schlechten (Schatten-)Wahlergebnisse der Grund für die damalige strategische Neuausrichtung der Kanzlerin? Ich meine, heute läge Ähnliches in der Luft. Der Fukuschima-Rausch: verflogen, der Kater der Netzkapazität: munter im Anschwellen, die Allianzfähigkeit der Grünen: von Piraten ausgesegelt. Da liegt es doch nahe, daß wir nicht nur den Namen Röttgen, sondern auch, sagen wir, Schellnhuber oder Rahmstorf nicht mehr soo häufig hören werden - wie seit sieben Jahren die Begriffe Flat tax oder Bierdeckel eben auch nicht mehr. Dann hätte Merkel gestern schon angefangen, Pflöcke für den Bundestagswahlkampf 2013 einzuschlagen. Oder, die Formulierung sei mir gestattet, unangespitzt in den Erdboden zu hauen.
Zitat von AbendlaenderIch tippe auf Szenario 3, allerdings nicht mit Schröders Agenda, sondern mit einer Unionspersonalie vor Augen: Paul Kirchhof 2005. Waren nicht seine schlechte Presse, seine schlechten (Schatten-)Wahlergebnisse der Grund für die damalige strategische Neuausrichtung der Kanzlerin? Ich meine, heute läge Ähnliches in der Luft.
Die Parallele leuchtet mir ein, lieber Abendländer.
Damals ging ja die Trennung von Kirchhof (wenn sie auch nur darin bestand, daß dieser nicht Minister werden durfte) mit einer Koalitionsentscheidung einher. Das könnte jetzt auch eine Rolle gespielt haben.
Röttgen stand für die schwarzgrüne Option. Nachdem sich abzeichnet, daß das Sterbeglöcklein der FDP wieder eimmal folgenlos gebimmelt hat, könnte die Kanzlerin auf eine Fortsetzung von Schwarzgelb 2013 setzen; dazu würde Röttgen nicht passen, so wenig wie Kirchhof zur Großen Koalition.
Es war auffällig, wie fröhlich Rösler heute wirkte.
Andererseits sollte man auch Szenario 2 nicht ganz ausschließen. Seehofer, der zwar ein Schlitzohr ist, aber manchmal von brutaler Ehrlichkeit, hat sinngemäß gesagt: Nach dem, was die Kanzler ihm am Telefon gesagt habe, hätte "Handlungsbedarf" bestanden; ich glaube, er sagte sogar "dringender Handlungsbedarf". Das klingt nicht nach solchen langfristigen strategischen Überlegungen, sondern nach einem aktuellen Zerwürfnis.
Dafür spricht auch die Art des Rauswurfs. Natürlich weiß auch die Kanzlerin, daß so etwas bei der Bevölkerung nicht gut ankommt, auch in Teilen ihrer Partei. Sie hielt es dennoch für notwendig.
Das hat mich schon an von Beust/Schill erinnert; ohne daß ich natürlich einen inhaltlich ähnlichen Anlaß vermute. Aber irgendein Verhalten Röttgens, das Merkel veranlaßt hat, ihn so eiskalt abzuservieren.
Zitat von ZettelRöttgen stand für die schwarzgrüne Option. Nachdem sich abzeichnet, daß das Sterbeglöcklein der FDP wieder eimmal folgenlos gebimmelt hat, könnte die Kanzlerin auf eine Fortsetzung von Schwarzgelb 2013 setzen; dazu würde Röttgen nicht passen, so wenig wie Kirchhof zur Großen Koalition.
Ich sehe gerade, daß Juno das auch schon geschrieben hat. Habe ich erst nach Abschicken gelesen.
Zitat von ZettelAndererseits sollte man auch Szenario 2 nicht ganz ausschließen. Seehofer, der zwar ein Schlitzohr ist, aber manchmal von brutaler Ehrlichkeit, hat sinngemäß gesagt: Nach dem, was die Kanzler ihm am Telefon gesagt habe, hätte "Handlungsbedarf" bestanden; ich glaube, er sagte sogar "dringender Handlungsbedarf".
Doch nicht dringend; nicht am Telefon:
Zitat Die Kanzlerin habe ihn gegen 16 Uhr - 30 Minuten vor ihrem Pressestatement - über die Entlassung informiert: "Nach all dem, was sie mir gesagt hat, bestand Handlungsbedarf",
Damals ging ja die Trennung von Kirchhof (wenn sie auch nur darin bestand, daß dieser nicht Minister werden durfte) mit einer Koalitionsentscheidung einher. Das könnte jetzt auch eine Rolle gespielt haben.
Röttgen stand für die schwarzgrüne Option. Nachdem sich abzeichnet, daß das Sterbeglöcklein der FDP wieder eimmal folgenlos gebimmelt hat, könnte die Kanzlerin auf eine Fortsetzung von Schwarzgelb 2013 setzen; dazu würde Röttgen nicht passen, so wenig wie Kirchhof zur Großen Koalition.
Es war auffällig, wie fröhlich Rösler heute wirkte.
Andererseits sollte man auch Szenario 2 nicht ganz ausschließen. Seehofer, der zwar ein Schlitzohr ist, aber manchmal von brutaler Ehrlichkeit, hat sinngemäß gesagt: Nach dem, was die Kanzler ihm am Telefon gesagt habe, hätte "Handlungsbedarf" bestanden; ich glaube, er sagte sogar "dringender Handlungsbedarf". Das klingt nicht nach solchen langfristigen strategischen Überlegungen, sondern nach einem aktuellen Zerwürfnis.
Das Zerwürfnis gab es doch schon, als Herr Röttgen die Wahl in NRW (unautorisiert) zu einer Abstimmung über politische Entscheidungen der Kanzlerin machen wollte. Herr Röttgen war zu einer loose cannon geworden. Das konnte Angela Merkel nicht akzeptieren. Ich tippe darauf, dass Angela Merkel ab Montag schon alle Optionen für die Nachfolge abgeklopft hat. Denn am Montag sprach sie nur noch von der Kontinuität der Aufgaben, aber nicht der Kontinuität des Ministeramts für Herrn Röttgen.
Norbert Röttgen wurde aufgrund seiner politischen Fehler als Minister entlassen. Ich habe mir die Erklärung Angela Merkels mehrmals angehört. Für mich sieht der Hintergrund so aus:
- Norbert Röttgen hat eine Aufgabe (Energiewende) begonnen, aber nicht mit der notwendigen Intensität bearbeitet. - Er hat viel geredet, aber er konnte keine Ergebnisse vorweisen. - Man kann Wahlen verlieren, aber man darf sie nicht auf diese Weise verlieren. - Mit einem Wahlverlierer könnte man weiterhin zusammenarbeiten, das haben andere Kanzler auch getan. Aber nicht mit diesem Wahlverlierer.
Ich habe einen Wunsch: Wenn Philipp Rösler fröhlich ist, sollte sein Büro bitte alle Einladungen in Talkshows zurückweisen. Sonst nervt er die Zuschauer, seine Partei und die Kanzlerin wieder mit Sprüchen über Frösche und Töpfe — oder er lässt sich noch unpassendere Metaphern einfallen. Gönnen wir ihm die stille Freude an den Erfolgen der jüngsten Vergangenheit. Und hoffentlich erreicht die FDP jetzt langfristig wieder eine Stabilisierung der Umfragewerte über fünf Prozent.
Unabhängig vom Anlass gibt es (neben der NRW-Schlappe) noch einen zweiten Grund für den Rauswurf: Die Abstimmungsniederlage am Freitag im Bundesrat - bislang in der Öffentlichkeit kaum bekannt geworden. Ich habe drüben dazu was geschrieben: http://www.politikerklaert.de/warum-die-...lassen-hat-382/
Zitat von SGUnabhängig vom Anlass gibt es (neben der NRW-Schlappe) noch einen zweiten Grund für den Rauswurf: Die Abstimmungsniederlage am Freitag im Bundesrat - bislang in der Öffentlichkeit kaum bekannt geworden. Ich habe drüben dazu was geschrieben: http://www.politikerklaert.de/warum-die-...lassen-hat-382/
Ich glaube, damit kommen wir der Sache entscheidend näher. Ich halte ansonsten das Psycho-Szenario für plausibel, weil es sozusagen das Hintergrundknirschen verursacht hat. Im Sinne von: geschmeidiger Durchstarter im Generalstab, schon als potenzieller Nachfolger der alten Generalin gehandelt und mit dem Nimbus des visionären Neuausrichters versehen (schwarz-grün, mittlerweile wohl als strategische Fehlausrichtung eingesehen), versagt bei einer entscheidenden Schlacht (im Felde!) vollkommen. Keine ehrenhafte Niederlage (in NRW), sondern unentschlossenes Gewurstel, welches im peinlichen Desaster endete. Dazu keine Einsicht seinerseits, sondern ein verdruckstes Schuldabschieben in Richtung Generalstab, der ihm das ja eingebrockt hat.
Wenn man davon ausgeht, dass Röttgen sich auch selbst für zu smart hält um in profanen, und auch noch alles andere als sicheren, Wahlschlachten verheizt zu werden, könnte es schon zu Diskrepanzen zwischen Eigen- und Außensicht gekommen sein - übersteigertes Selbstbewusstsein fährt gegen eine Wand, die gestern noch nicht da war. Rrumms!
Und dazu kommt jetzt die vergeigte BR-Abstimmung. Wenn sich da im Nachhinein rausgestellt hätte, dass Röttgen den Länderchefs vielleicht sogar durch die Blume signalisiert hat, dass eine Ablehnung der Subventionskürzung bei ihm nicht auf größeren Widerstand stoßen würde? Dass er eventuell sogar darauf hoffen würde, dass die Kiste durch die Landerfürsten versenkt würde, weil er es als Regierungsmitglied ja schlecht tun kann?
Als Kanzler(in) hätte ich ihn da auch stantepede rausgefenstert.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Noch ein kleines Detail, das vielleicht beachtenswert ist: Röttgens Freund Bosbach hat offenbar gestern bei Anne Will berichtet, dass Röttgen von seiner Entlassung selbst erst aus den Medien erfahren habe.
Eine brutalere und unmenschlichere Art des Rausschmisses ist kaum vorstellbar. Das erinnert im Stil an die Art, in der im Saarland die FDP aus der Jamaika-Koalition geworfen wurde: Der örtliche FDP-Chef befand sich gerade im Kreißsaal bei seiner Frau, der FDP-Bundesvorsitzende hielt eine für ihn sehr wichtige Rede beim Dreikönigstreffen, als sie von Dritten über diesen Rausschmiss erfahren durften.
Die halbwegs freundliche Interpretation ist, dass Merkel auch hier wieder vollkommen professionell gehandelt hat: Die Röttgen-Entlassung sollte ein politisches Signal sein - also musste dieses mit maximalem Ausrufezeichen gesetzt werden und Röttgen durfte auch keine Chance haben, schnell noch seinen eigenen Spin an die Presse zu geben.
Die andere Interpretation ist einfach: Boshaftigkeit. Was dafür sprechen würde, dass es in der Tat ein tiefes persönliches Zerwürfnis zwischen Merkel und Röttgen gab. Die außergewöhnliche Art und Weise, wie Röttgen schon vor der NRW-Wahl von der Parteiführung öffentlich demontiert wurde, deutet ebenfalls darauf hin.
Zitat von JunoNoch ein kleines Detail, das vielleicht beachtenswert ist: Röttgens Freund Bosbach hat offenbar gestern bei Anne Will berichtet, dass Röttgen von seiner Entlassung selbst erst aus den Medien erfahren habe.
Ich habe das zufällig gesehen und muss daher etwas relativieren: Bosbach berichtete nicht von einer solchen konkreten Aussage Röttgens, sondern gab seinen Eindruck aus dem Gespräch wieder. "Spiegel Online" berichtet heute hingegen, Merkel habe Röttgen am "Mittwochmorgen nach der Kabinettssitzung" informiert.
Ehrlich gesagt kann ich es mir auch nicht vorstellen, dass Röttgen erst durch die PK von seinem Rausschmiss erfuhr. Die Gefahr wäre zu groß gewesen, dass er inzwischen aus irgendeinem anderen Anlass an die Öffentlichkeit gegangen wäre, was Merkel ganz sicher nicht hätte passen können.
Aber schnell muss es gegangen sein. So schnell, dass Merkel sich noch nicht einmal um Ersatz aus demselben Landesverband bemühte, worauf sie bei der Entlassung Jungs ja noch bedacht war. Was mir noch zu sehr übersehen wird: Das ist jetzt nicht nur eine Demütigung Röttgens, sondern des gesamten NRW-Landesverbandes. Und ich wage mal die Behauptung, dass auch andere Landesverbände diesen Umgang genau registriert haben werden. Merkel hat die CDU, mit der sie im Grunde überhaupt nichts verbindet, bisher mehr oder weniger ignoriert. Jetzt beginnt sie sogar, offensiv gegen die Partei zu arbeiten. Vermutlich meint sie, schon so weit zu sein. Das kann aber schief gehen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Danke - für den Hinweis und den selbstquälerischen Einsatz, Anne Will zu schauen!
Zitat Jetzt beginnt sie sogar, offensiv gegen die Partei zu arbeiten. Vermutlich meint sie, schon so weit zu sein.
Vielleicht schwant ihr auch so etwas wie die Meuterei auf der Bounty. Die Seite eins des Handelsblatt am Morgen nach der Wahl kann ihr jedenfalls überhaupt nicht gefallen haben:
Zitat DIE AUSGEHÖHLTE PARTEI Lob für die FDP, Kritik an der CDU: Nach Röttgens NRW-Debakel gerät die Kanzlerin unter Druck. Die Wirtschaft fordert von Angela Merkel Konsequenzen - und nicht zuletzt eine klare Ansage in Sachen Energiewende.
Das Wahldesaster der CDU in Nordrhein-Westfalen ist nicht nur eine Niederlage für den Spitzenkandidaten Norbert Röttgen. Seit der Abwahl von Kanzler Helmut Kohl und der Übernahme der Kanzlerschaft durch Angela Merkel verlor die Union 2,2 Millionen Wähler – und die Wirtschaft ihre politische Heimat.... Verursacht hat dieses Debakel für die CDU zwar Röttgen. Allerdings: Die Mitverantwortung der Kanzlerin und Parteivorsitzenden für die Niederlage lässt sich kaum leugnen. Personal, Programmatik und Strategie der Union werden schon lange nicht mehr in den Bundesländern gemacht. In der CDU geht nichts mehr ohne Merkel. Angefangen bei Röttgen: Auch wenn Merkel sich von ihm distanziert hat, so ist er doch ihre Erfindung...Usw. usf. http://www.handelsblatt.com/politik/deut...ei/6629140.html
Hier kann man jetzt die Rekonstruktion der Ereignisse durch Günter Bannas lesen, der bei solchen Themen im allgemeinen über exzellente Quellen verfügt.
Es sieht nach einer Kombination der Szenarien zwei und drei aus.
Zitat von ZettelEs war auffällig, wie fröhlich Rösler heute wirkte.
Das muß bundespolitisch nicht viel bedeuten. Röttgen war in erster Linie Röslers Widersacher im Kabinett, hat ihm bei vielen fachlichen Dingen Kontra gegeben (zuletzt in der Frage der Förderung von neuen Gasvorkommen durch "Fracking" - da hat Röttgen eine ganz wesentliche Option für vernünftige Energiegewinnung blockiert). Da kann der Wirtschaftsminister Rösler sehr fröhlich sein, auch wenn der FDP-Vorsitzende Rösler noch nicht wissen kann, was das bundespolitisch noch an Auswirkungen haben wird.
Unter Schroeder wurden die Wahlverlierer noch Minister, unter Merkel die Minister Wahlverlierer.
Meiner Meinung nach ist der Rausschmiss Einmal die Rache fuer seinen Versuch, sie in die sich abzeichnende Niederlage hineinzuziehen. Zum anderen, und wichtigeren Grund, Roettgen wurde durch Hoehe und Art der Niederlage zu einer Lahmen Ente. Die Kanzlerin, die stehts machtbewusst handelt, hatte gar keine andere Option als einen klaren Schnitt und Befreiungsschlag zu ziehen.
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