Ich lese immer wieder - manchmal auch hier im kleinen Zimmer - von "gleichgeschalteten" Medien in Deutschland und beanstande das dann.
Zum einen, weil das Wort "Gleichschaltung" ein Nazi-Wort ist und dort etwas sehr Spezifisches (und von ihnen positiv Gesehenes) meinte; nämlich die Kontrolle aller zuvor selbständigen Medien, Organisationen, Vereine, Gewerkschaften usw. durch Staat und Partei.
Zweitens, weil diese Analogie auch einen fundamentalen inhaltlichen Irrtum enthält: den Irrtum, die oft in den Medien verbreitete Einheitsmeinung sei von irgendwem im Hintergrund gesteuert.
Das ist nicht der Fall; jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf. Aber es gibt in der Tat einen "Gleichklang", einen über dem Land liegenden Mehltau, die Verketzerung Andersdenkender. Dieser Artikel enthält dazu einige Überlegungen.
Das Ganze ist sehr schoen beschrieben und voellig richtig.
In Deutschland fehlt es am konservativ-liberalen Korrektiv. Ich bin noch immer enttaeuscht und geplaettet weil ich, was das anging, grosse Hoffnungen in den Cicero gesetzt hatte. Leider ist davon heute nichts mehr uebrig.
Zitat von ZettelAber es gibt in der Tat einen "Gleichklang", einen über dem Land liegenden Mehltau, die Verketzerung Andersdenkender. Dieser Artikel enthält dazu einige Überlegungen.
Im "Tagesspiegel" steht heute ein Artikel des Konservativen A. Gauland, der in das gleiche Horn stößt.
Deutet sich hier etwa ein neuer Gleichklang der Konsenskritik an?
Zitat Giovanni die Lorenzo beklagt sich in dem Zitat über einen wachsenden Konformitätsdruck. Warum leistet er nicht seinen Beitrag dagegen, indem er als Chefredakteur in die leitenden Positionen der "Zeit" liberale und konservative Journalisten beruft, bis dort wieder die Meinungsvielfalt herrscht wie einst, zur Zeit von Gerd Bucerius und der "Gräfin", Marion Dönhoff?
Die Frage haben sie eigentlich in Ihrem Artikel schon selbst beantwortet. Was denken Sie, wäre die Reaktion der übrigen Medien und vorallem auch der Leser, wenn er das tun würde? Ich würde schätzen, dass sie, vorsichtig formuliert, nicht eben positiv ausfallen würde.
Und, auch wenn wir das Thema ansich ja bereits in aller Ausführlichkeit diskutiert haben, das ist der Hauptgrund für die Ablehnung einer ausgedehnten Überwachung des Internets (und sich aus dem ergebend, dem, was eine Ausweitung dieser Überwachung bedingt). Denn momentan kann man hier noch Meinungen äußern, die von der Mehrheit völlig abgelehnt werden, ohne, dass man mehr Konsequenzen befürchten müsste, als den einen oder anderen beißenden Kommentar. Und dem Risiko, für eine Meinungsäußerung in vielfältiger Weise Nachteile hinnehmen zu müssen, wollen sich eben viele nicht aussetzen. Sie erinnern sich ja gewiss noch an Wikileaks und wissen dementsprechend, dass Daten, die einer größeren Anzahl an Menschen zugänglich sind, durchaus von einzelnen Personen entwendet und veröffentlich werden können.
Was die Gleichschaltung anbelangt: Es ist halt ein Begriff, der den Zustand recht genau beschreibt; denn ob die Gleichschaltung von einer zentralen Stelle aus geschieht, oder sich anderweitig mehr oder weniger von selbst ergibt, spielt für das Ergebnis ja nur in Bezug auf das Ausmaß eine Rolle.
b) Zitat Zettel ____ Nein, kein "Biologismus". Nur eine Parallele: Die wechselseitige Kommunikation, die zu Schwarmverhalten führt, muß nicht unbedingt in einem durchweg einheitlichen Verhalten resultieren. Es können sich auch Teilschwärme herausbilden; mit unterschiedlichen Verhaltensmustern. ____
Warum nicht auch "Biologismus" - wenn auch etwas anders gelagert? Im Multiple Drafts Model of Consciousness http://en.wikipedia.org/wiki/Multiple_drafts_theory vertreten Daniel Dennett & einige andere Neurophilosophen (Klaus Mainzer, Susan Blackmore) ja die Ansicht, daß die Entscheidungsfindung im Gehirn ja auf einem ähnlich gelagerten Prozeß beruht, einem darwinischen (oder quasi-darwinschen) Ausleseprozeß unter konkurrierenden neuronalen Mustern, die durch Erfolg bei den resultierenden Handlungen verstärkt, oder abgeschwächt, werden - mit dem Bewußtsein als post festum gebildeter Illusion, da sei ein "freier Wille", der womöglich noch im Sattel der Entscheidungsfindung sitze. Gerald Edelmans "Neural Darwinism" ist mir immer als "das Gleiche in grün" erschienen http://en.wikipedia.org/wiki/Neural_Darwinism - aber gegen die feinen Differenzierungen zwischen den neurosophischen Schulen sind die Distinktionen zwischen anderen Schulen des Urgrunds der Vielfachen Erkenntnis im Lotos des Erhabenen Anfängerübungen.
"Gleichklang" trifft es nicht, da der Ausdruck nicht deutlich macht,dass differierende Töne mit der Vernichtung der beruflichen und sozialen Existenz geahndet werden.(So der Abweichler wichtig genug ist)."Gleichschaltung" mag einen schlechten Beigeschmack haben,drückt aber den Zwang(aktiv) aus, der auf unangepasste Zeitgenossen ausgeübt wird.
Zitat von SolusDie Frage haben sie eigentlich in Ihrem Artikel schon selbst beantwortet. Was denken Sie, wäre die Reaktion der übrigen Medien und vorallem auch der Leser, wenn er das tun würde? Ich würde schätzen, dass sie, vorsichtig formuliert, nicht eben positiv ausfallen würde.
So weit sich die Leser überhaupt dafür interessieren. Ich vermute, dass es den meisten gleichgültig ist was in ihrer Zeitung steht, solange es gut geschrieben ist. Die Aufreger sind in einer klitzekleinen Minderheit. Es braucht ja nicht viele, um einen Shitstorm zu entfachen. Ich kündige auch häufig virtuell Abos, die ich nie besessen habe.
Mir gefällt, wo vorhanden, die Rubrik "Meistgelesen". Jetzt gerade bei der ZEIT (MEZ 19:01):
1.Test Das derzeit beste Smartphone heißt Samsung Galaxy S III 2.Grüne Gentechnik Transgener Mais erstmals anfällig für Schädlinge 3.Aufrüstung Indonesien plant Kauf deutscher Leopard-Kampfpanzer 4.Naturkatastrophe Mehrere Erdbeben binnen Stunden in Norditalien 5.Fischwirtschaft Das brutale Geschäft mit den Haifischflossen
Bei der WELT
1. Saudi-Arabien Frau blamiert Religionspolizei mit YouTube-Video 2. FSME-Erkrankung Das sind die Zecken-Risikogebiete in Deutschland 3. Spionageaktion US-Fallschirmspringer über Nordkorea abgesprungen? 4. Tragischer Filmstar Romy Schneider – die Frau, die nach Liebe gierte 5. Cyberwar Computervirus "Flame" verseucht den Nahen Osten
Bei der BILD
1. Toter Motorradfahrer „Bandidos“-Rocker in NRW hingerichtet 2. Prinz Williams Frau Biografin: Kate ist kaltherzig und dumm 3. Drama in Miami Kannibale rastete im LSD-Rausch aus 4. EM-Angst Löw: Sorgen um Schweinsteiger 5. „Hells Angels“ Mehr Opfer in der Folter-Kammer?
Bei der taz
1. Piraten und Geschlechterpolitik Jenseits der Quote 2. Rechtsextreme Partei offenbar aufgelöst Die DVU schafft sich ab 3. Streit der Woche „Muss man Sportschützen entwaffnen?“ 4. Der Bundespräsident in Israel Gauck auf schwierigem Terrain 5. Kolumne Luft und Liebe Bei echten Sexisten im Hirn
Bei Spon
1, Computervirus Flame: Anatomie eines Hightech-Schädlings 2. DFB-Kader: Viel Fleiß, kein Preis 3. Dewey&LeBoeuf-Insolvenz: Pleite von Anwaltskanzlei ängstigt US-Juristen 4. Drohendes Bandenverbot: Berliner Rockergangs tricksen Polizei aus 5. Demonstrationen in Kairo: Tausende Ägypter protestieren gegen Wahlausgang
Das ist wenig repräsentativ, aber dafür umso erschütternder. Tagespolitik wird so gut wie nicht wahrgenommen, Technik, Gewalt, Fußball, Natur und Sex gehen immer. Die Themensetzung erfolgt aus meiner Sicht immer noch bei Tagesschau und heute, den Talkshows und den Umfragen. Wir nehmen den Gleichklang nur wahr, weil es uns dank Internet möglich ist, innerhalb von wenigen Minuten 20 Gazetten anzusteuern. Wir kämen, wenn nicht beruflich dazu gezwungen, niemals auf die Idee uns morgens auf dem Weg zum Kiosk zu machen und mit einem Bündel Qualitätszeitungen nach Hause zu kehren und vergleichend zu lesen.
zu der Frage, ob „Gleichschaltung“ oder „Gleichklang“ der bessere Ausdruck ist, würde ich sagen, dass letzterer doch ein allzu harmonisches Bild evoziert. Die deutsche Medien- und Presselandschaft erscheint mir keineswegs wohltemperiert, sondern vielmehr in höchstem Maße eintönig. Die Ansicht, „Gleichschaltung“ sei nur „die Kontrolle aller zuvor selbständigen Medien, Organisationen, Vereine, Gewerkschaften usw. durch Staat und Partei“ gewesen, klingt für mich allzu sehr nach der beliebten deutschen Ausflucht des „Befehlsnotstandes“. Man hätte ja opponieren wollen, aber man habe ja leider nicht gekonnt. Ein ehrlicheres Bild der damaligen Situation spiegelt wohl eher diese Tagebuchnotiz Golo Manns aus dem Jahre 1933 wider:
Zitat 18 May. [Josef] Goebbels in front of a writers’ meeting in the Hotel Kaiserhof: ‘We [Nazis] have been reproached with not being concerned with the intellectuals. That was not necessary for us. We knew quite well: if we first have power, then the intellectuals will come on their own.’ Thunderous applause - from the intellectuals.
[Zitiert nach Ralph Raico “Classical Liberalism and the Austrian School”, 2012 – daher die englische Übertragung.]
Es gab eben nicht nur die reale Schere der Zensur des Herrn Reichsschrifttumskammerbeamten, sondern auch die Schere im Kopf des einzelnen Journalisten. Das wußte Herr Goebbels – denn man muss ein Volk kennen, wenn man es beeinflussen will. Und ob sich an der Herdenmentalität der deutschen Journalisten soviel geändert hat? Diese Frage beantwortet sich vielleicht von selbst, wenn der Mittelstrom-Techniker der Zeit, Herr Giovanni di Lorenzo, sagt, dass
Zitat der Konformitätsdruck nicht von bösen Regierungen oder finsteren Wirtschaftsmächten ausgeübt wird. Vielmehr kommt er aus unserer eigenen Mitte, er geht von den Journalisten, Lesern und Zuschauern aus.
Er spricht nicht von eigener Verantwortung, sondern nur von der Verantwortung aller. Und wenn alle verantwortlich sind, ist dann am Ende nicht niemand verantwortlich?
Zitat von Am_RandeEs gab eben nicht nur die reale Schere der Zensur des Herrn Reichsschrifttumskammerbeamten, sondern auch die Schere im Kopf des einzelnen Journalisten. Das wußte Herr Goebbels – denn man muss ein Volk kennen, wenn man es beeinflussen will. Und ob sich an der Herdenmentalität der deutschen Journalisten soviel geändert hat? Diese Frage beantwortet sich vielleicht von selbst, wenn der Mittelstrom-Techniker der Zeit, Herr Giovanni di Lorenzo, sagt, dass
Zitat der Konformitätsdruck nicht von bösen Regierungen oder finsteren Wirtschaftsmächten ausgeübt wird. Vielmehr kommt er aus unserer eigenen Mitte, er geht von den Journalisten, Lesern und Zuschauern aus.
Er spricht nicht von eigener Verantwortung, sondern nur von der Verantwortung aller. Und wenn alle verantwortlich sind, ist dann am Ende nicht niemand verantwortlich?
Niemand wollte es, niemand hat es kommen sehen, und am Ende ist auch niemand verantwortlich, und wenn doch, dann sind's mit Sicherheit die anderen.
ORDNUNG MUSS SEIN! Gott segne dieses Land.
Mit freundlichem Gruß
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
ist ihr Vorwurf der "Dummheit der Vielen" nicht genau der Vorwurf, der ständig gerade von Linken gegen den Markt erhoben wird? Der Vorwurf am Markt könne ein Herdentrieb entstehen? Was ja auch passieren kann, aber in der Regel ist der Markt tatsächlich ein Beispiel für die "Weisheit der Vielen" (und die Fälle in denen er von diesem Ideal abweicht können von einer Zentralinstanz nicht sicher identifiziert werden, denn wüsste eine Zentralinstanz instantan dass sie irrt, in dem Moment in dem sie irrt, dann würde sie je gerade nicht irren, was einenen inneren Widerspruch darstellt; sie wird also jede ihrer Meinungen, die von der Einschätzung am Markt abweichet dem Markt als überlegen darstellen und dem Markt immer das Wirken eines Herdentriebes vorwerfen wird, wenn er von ihrer Einschätzung abweicht; man bräuchte eine Instanz die häufiger richtig liegt als der Markt, aber eine solche gibt es nicht; nur eine solche Instanz würde den Markt häufiger korrekt Einschätzen als dieser sich selber).
Man darf die "Weisheit der Vielen" bloß nicht mit plumpen Mehrheitsentscheidungen gleichsetzen. Am Markt weiß man, man kann Gewinnen, wenn man richtig liegt und sich der Rest irrt. Bei einer Mehrheitsentscheidung zieht man am besten vor der Mehrheit den Kopf ein, denn als Minderheit ist man chancenlos auf diesem Feld. Man passt sich lieber an.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Ich denke, Sie sehen die Situation in den USA zu positiv. Sarrazins Meinung z.B., Intelligenz sei zu relevanten Teilen vererbt, und dies habe wichtige soziale Auswirkungen auf Individuen *und* Gruppen ist auch unter Republikanern keine Banalität, sondern ein heißes Eisen, das Karrieren beendet; talk radio hosts können sich vielleicht mehr herausnehmen - allerdings nicht zuviel. Wer Immigration aus der dritten Welt nicht prinzipiell positiv sieht, hat ein Problem; die Bush-Dynasten, Vater, Sohn, Jeb etc setzten und setzen darauf, Latinos, auch Mexikaner, für sich zu gewinnen, aus Habenichtsen sollten Hausbesitzer (und somit Republikaner) gemacht werden, auch wenn dafür die Standards für alle herabgesetzt werden mussten, mit üblen Folgen. Vielleicht eine ehrenwerter Ansatz, aber illusorisch - wer es anders sieht, gehört zur fringe und wird von der Presse (NYT, WP, CSM...) als Rassist denunziert, mal deutlich, mal verhalten. In Kanada und AUS sieht es ähnlich aus, der konservative Widerstand, vor 10-20 Jahren noch stärker, erlahmt.
Zitat von SolusWas die Gleichschaltung anbelangt: Es ist halt ein Begriff, der den Zustand recht genau beschreibt; denn ob die Gleichschaltung von einer zentralen Stelle aus geschieht, oder sich anderweitig mehr oder weniger von selbst ergibt, spielt für das Ergebnis ja nur in Bezug auf das Ausmaß eine Rolle.
Dem stimme ich überhaupt nicht zu, lieber Solus.
Der Begriff der Gleichschaltung impliziert eine staatliche Kontrolle der Medien und/oder deren Kontrolle durch eine Staatspartei. Die Nazis haben den Begriff so verwendet; die Kommunisten haben dasselbe gemacht, es aber nicht so genannt. Es ist heute so in Ländern wie China, Cuba, dem Iran, Nordkorea, Vietnam.
Gäbe es bei uns eine Gleichschaltung oder auch nur Ansätze dazu, dann wäre somit der demokratische Rechtsstaat in akuter Gefahr, wenn nicht schon außer Kraft gesetzt.
Dafür gibt es überhaupt keine Anzeichen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Regierung hat in unserem funktionierenden Rechtsstaat nicht nur keine Kontrolle über die Medien, sondern sie kann sie inzwischen weniger beeinflussen als irgendwann in der deutschen Geschichte.
Die Medien zeigen ja ständig ihre Macht; zuletzt im Fall Wulff, immerhin der höchste Repräsentant des Staats. Da von Gleichschaltung zu sprechen, zeigt eine grobe Verkennung der Realität.
Wohl aber gibt es innerhalb unseres funktionierenden demokratischen Rechtsstaats eine Tendenz zum Gleichklang, die der Meinngsvielfalt zuwiderläuft. Die Gründe habe ich zu skizzieren versucht; sie liegen wo völlig anders als im Fall einer Gleichschaltung.
zu der Frage, ob „Gleichschaltung“ oder „Gleichklang“ der bessere Ausdruck ist, würde ich sagen, dass letzterer doch ein allzu harmonisches Bild evoziert. Die deutsche Medien- und Presselandschaft erscheint mir keineswegs wohltemperiert, sondern vielmehr in höchstem Maße eintönig.
Gut möglich, lieber Am Rande, daß es einen besseren Ausdruck als "Gleichklang" gibt. Ich habe ihn verwendet, weil ich den Artikel ja mit dem Zitat von di Lorenzo beginne.
Aber "Gleichschaltung" ist ein falscher, ein himmelschreiend falscher Begriff. Ich habe das eben in meiner Antwort an Solus erläutert.
Danke für die interessante Tagebuchnotiz von Golo Mann. Ja, Goebbels hat viele Intellektuelle richtig eingeschätzt, so wie auch Stalin und Ulbricht. Unter den Intellektuellen gab und gibt es Anpasser und Wendehälse, so wie in jeder anderen Gruppe, wie auch anders?
Aber es gab ja auch viele deutsche Intellektuelle, die bei den Nazis nicht mitgemacht haben, sondern in die Emigration gegangen sind; oder die sich als Drehbuchschreiber und dergleichen durchgeschlagen haben wie Axel Eggebrecht und Erich Kästner. Nicht anders war es unter den Kommunisten. Den DDR-Kommunisten sind ja selbst Marxisten davongelaufen, von Alfred Kantorowicz bis Ernst Bloch.
Zitat von Techniknörglerist ihr Vorwurf der "Dummheit der Vielen" nicht genau der Vorwurf, der ständig gerade von Linken gegen den Markt erhoben wird? Der Vorwurf am Markt könne ein Herdentrieb entstehen?
Ich wollte einen solchen Vorwurf nicht erheben, lieber Techniknörgler, und habe es, glaube ich, auch nicht getan.
Was ich sage, ist: Entscheidungen eines Schwarms sind nicht als solche intelligent; sie können ebenso dumm sein.
Zitat von Techniknörglerist ihr Vorwurf der "Dummheit der Vielen" nicht genau der Vorwurf, der ständig gerade von Linken gegen den Markt erhoben wird? Der Vorwurf am Markt könne ein Herdentrieb entstehen?
Ich wollte einen solchen Vorwurf nicht erheben, lieber Techniknörgler, und habe es, glaube ich, auch nicht getan.
Was ich sage, ist: Entscheidungen eines Schwarms sind nicht als solche intelligent; sie können ebenso dumm sein.
Ja in der Tat geehrter Zettel, dumm können sein und sind auch viele Schwarmentscheidungen. Die Frage ist bloß was statistisch häufiger zu besseren Ergebnissen führt. Und da es leider keine Metainstanz gibt, die - außer natürlich im Nachhinein - sagen könnte "hier hat Instanz A recht, dort Behörde B, da wiederum Organ C, und in diesem und und diesem und diesem konkreten Fall aber der Schwarm", ist es vielleicht gar nicht so ein fern liegender Gedanke, auf die Schwarmintelligenz zu vertrauen.
Aber natürlich ist die Weisheit der Vielen auch kein einfacher Mehrheitsentscheid.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
\"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not.\"
Aber es gab ja auch viele deutsche Intellektuelle, die bei den Nazis nicht mitgemacht haben, sondern in die Emigration gegangen sind; oder die sich als Drehbuchschreiber und dergleichen durchgeschlagen haben wie Axel Eggebrecht und Erich Kästner. Nicht anders war es unter den Kommunisten.
Das kann aber auch planierende Wirkung haben - sei es durch die Sprache, sei es durch die gewohnte Leere und Ödnis all dessen, was coram publico um einen herum getrieben wird. Für kritische Geister in der "inneren Emigration" ist das oft so, daß sie dem geistigen Mehltau gar nicht entkommen können, daß sie z.T. gar nichts anderes kennengelernt haben. Bei der ex-DDR-Literatur war das so: da war ja erwartet worden, daß hier für die Schublade geschrieben worden wäre und nach dem Mauerfall die großen Werke auftauchten. "Es gibt auch leere Truhen". Für die innere Emigration 33 bis 45 ist das ähnlich: Da ist auch eine Enge, eine thematische und sprachliche Provinzialität, die nicht nur der Zensur und der geduckten Gangart geschuldet ist - Eich, Carossa, Lehmann, Bergengruen, Friedo Lampe; Ernst Jünger ist da noch relativ frei (aber auch der Stil in den Marmorklippen hat so etwas von beschlagenen, blinden Butzenscheiben). Auch DDR-Bücher, die nur im Westen erschienen, hatten oft diesen Muff. Das wirkt dann, als hätte jemand, um in ein anderes Feld zu gucken, als Regisseur nur die formalen Versatzstücke vom "Förster vom Hochgebirge" à la 1950 in petto und sollte nun einen film noir aus der schwärzesten Serie liefern; wenn man Glück hat, kommt vielleicht "Hallo - hier spricht Edgar Wallace" heraus; aber kein Hitchcock und kein Clouzot. Man kann das an den russischen Dissidenten sehen, die spätestens in der Breschnew-Zeit zu befürchten begannen, der jahrzehntelange Kadersprech habe ihnen Möglichkeit genommen, ein ehrliches und unverstelltes Russisch zu schreiben.
Wie stellt man denn fest, ob eine Entscheidung "gut" ist.Zeitrahmen: War es eine gute Entscheidung nach 1sec., 1 min, 1h, 1d,1y.....für immer? Wann entscheiden Sie?
Zitat von ZettelWas ich sage, ist: Entscheidungen eines Schwarms sind nicht als solche intelligent; sie können ebenso dumm sein.
Ja in der Tat geehrter Zettel, dumm können sein und sind auch viele Schwarmentscheidungen. Die Frage ist bloß was statistisch häufiger zu besseren Ergebnissen führt. Und da es leider keine Metainstanz gibt, die - außer natürlich im Nachhinein - sagen könnte "hier hat Instanz A recht, dort Behörde B, da wiederum Organ C, und in diesem und und diesem und diesem konkreten Fall aber der Schwarm", ist es vielleicht gar nicht so ein fern liegender Gedanke, auf die Schwarmintelligenz zu vertrauen.
Es ist eine spannende Frage, wann der "Schwarm" eher intelligent, wann er eher dumm entscheidet.
Erst einmal nur zwei Aspekte:
-- Es hängt von der Art der Aufgabe ab.
Der Schwarm ist beispielsweise fast unschlagbar, wenn es darum geht, einen wahren Wert zu ermitteln. Ich habe das, glaube ich, schon einmal erwähnt: In Statistikvorlesungen habe ich gern das kleine Experiment gemacht, einen horizontalen Strich an die Tafel zu malen und alle Hörer zu bitten, seine Länge zu schätzen und das auf einen Zettel zu schreiben. Das wurde dann, während die Vorlesung weiterging, ausgewertet. Das immer wieder verblüffende Ergebnis: Die Gesamtheit der Hörer hatte richtig geschätzt; dh das arithmetische Mittel kam dem wahren Wert sehr nah - obwohl viele der Hörer von sich ja wußten, wie sehr sie sich als Individuum vertan hatten.
-- Es hängt von Möglichkeiten der Interaktion ab.
Im obigen Experiment gibt es keine Interaktion. Man kann es so modifizieren (Sozialpsychologen machen so etwas), daß man zunächst ein paar Hörer bittet, ihre Schätzung zu nennen. Sozialpsychologen plazieren zuvor sogenannte confederates in die Hörerschaft, getarnte Mitarbeiter von ihnen, die sie aufrufen. Diese nennen übereinstimmend getürkte Werte; alle überschätzen zum Beispiel die Länge der Strecke deutlich.
Macht man dann das Experiment, dann hat man Schwarmdummheit statt Schwarmintelligenz: Das arithmetische Mittel wird in die dadurch vorgegebene Richtung verzerrt sein.
Zitat von Am_RandeEr spricht nicht von eigener Verantwortung, sondern nur von der Verantwortung aller. Und wenn alle verantwortlich sind, ist dann am Ende nicht niemand verantwortlich?
Das will di Lorenzo wohl suggerieren. Und damit davon ablenken, daß er selber natürlich (nachdem Regierung und Wirtschaftsbosse ja explizit wegfallen) als führender Journalist einer der Hauptverantwortlichen für die Misere ist.
Er und einige wenige Kollegen spielen die Rolle, die in Zettels Vorlesungs-Beispiel die "confederates" spielen: Sie geben falsche Vorgaben, und verursachen damit die Schwarmdummheit.
Zitat von Zettel-- Es hängt von Möglichkeiten der Interaktion ab.
Im obigen Experiment gibt es keine Interaktion. Man kann es so modifizieren (Sozialpsychologen machen so etwas), daß man zunächst ein paar Hörer bittet, ihre Schätzung zu nennen. Sozialpsychologen plazieren zuvor sogenannte confederates in die Hörerschaft, getarnte Mitarbeiter von ihnen, die sie aufrufen. Diese nennen übereinstimmend getürkte Werte; alle überschätzen zum Beispiel die Länge der Strecke deutlich.
Macht man dann das Experiment, dann hat man Schwarmdummheit statt Schwarmintelligenz: Das arithmetische Mittel wird in die dadurch vorgegebene Richtung verzerrt sein.
Herzlich, Zettel
Entspricht das nicht unserer heutigen Medienlandschaft? Ein paar Leitmedien geben das Thema vor und alle anderen übernehmen das dann fast unverändert. Ob das Original korrekt ist, nur eine Minderheitenmeinung oder eine subjektive Wahrnehmung des Autors ist, spielt da kaum eine Rolle. Ob das beabsichtigt ist oder nicht ist ebenfalls irrelevant.
Wenn ich mir das Gespräch in der "Zeit" so durchlese, beschleicht mich das Gefühl, hier könne auch z.T. ein Missverständnis vorliegen. Di Lorenzo ist z.B. anscheinend der Meinung, mit Kritik an Sarrazin *gegen* den Mainstream anzuschreiben, statt ihn zu bedienen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von RaysonDi Lorenzo ist z.B. anscheinend der Meinung, mit Kritik an Sarrazin *gegen* den Mainstream anzuschreiben, statt ihn zu bedienen.
Ja, das ist schon interessant. Er gehört bestimmt auch zu den Leuten, die einen "neoliberalen" Zeitgeist am Werke sehen, der in Deutschland "Sozialabbau" und "Ökonomisierung der Gesellschaft" betreibt.
Während er sich als Protagonist eines "Generationenprojekts" fühlt, das er und die anderen Journalisten seiner Generation zu Ende führen will. Da merkt man schon deutlich, daß sein angebliches Unbehagen am Medien"gleichklang" nicht ernst zu nehmen ist. Wenn er das wirklich so sieht, dann bezieht er sich wohl nur auf einzelne Themen. Denn daß deutsche Journalisten ein gemeinsames Projekt zur Volkserziehung haben, das scheint die Grundlage seiner Arbeit zu sein.
Insgesamt ist Schirrmacher deutlich stärker im ganzen Gespräch, bietet wirklich Analyse und interessante Einsichten. Während umgekehrt Göring-Eckardt banal bleibt. Ihrer Moderatorenrolle wird sie mit ihren wenigen Klischée-Fragen nicht gerecht, ihre eigenen Beiträge sind grüner Dumpfsinn.
Betreffs "Gleichschaltung": ich habe gerade Kempowski Echolot '43 gelesen, worin akribisch die täglichen Anweisungen des Reichspropagandaminister aufgelistet sind. Sprach- und Tendenzregelungen bis ins kleinste Detail. Es ist nachgerade zum Schießen, wie Goebbels daran glaubte, die Massen gezielt steuern zu können - selbst noch die auslämdischen Leser.
Das damals wie heute verblüffende Phänomen - es ist wirklich rätselhaft und verrückt - besteht in der schizophrenen Reaktion der Propaganda-Empfänger, nämlich: "Sie glaubten UND sie glaubten nicht (zu gleicher Zeit)."
Einerseits tat jeder Volksgenosse treu seine Pflicht, drosch offizielle Phrasen, wo es gefordert wurde, vertrat die rassische Überlegenheit, glaubte an den Endsieg, an die Deutschen als Kulturbringer, an das gute Recht auf Eroberung. Gleichzeitig wußten aber - ganz privat - sehr viele (vor allem Ältere, die nicht mehr ganz grün waren), daß die Propaganda falsch und verlogen war, erkannten das Unrecht rings um sich, zweifelten an den Parolen, zweifelten am Sinn des Krieges. Es folgte aber nichts daraus, gar nichts. Die offizielle Linie wurde befolgt, befolgt, befolgt. Reine Schizophrenie.
Wir haben heute einen ganz ähnlichen Zustand. Sicherlich haben wir kein ProMi und keinen Goebbels und nicht deren direkten Zwang. Im Ergebnis leisten aber die Journalisten genau das Gleiche: es gibt detaillierteste Sprachregelungen und Tabus(1), die immer und überall verwendet werden. Das ist beängstigender noch als das Diktat eines allmächtigen Zensoren!
(1) (die "marode" Asse, der "Kampf gegen...", der "Rechtspopulist" Wilders ...)
Ich muß aber aus meiner Rezeption der Medien feststellen, daß der Gleichklang nicht 100%ig ist. Ich behaupte, daß in allen großen Medien AUCH stets irgendwo die Gegenmeinung zu dem kanonisierten Mainstream auftaucht. Im DLF etwa hört man das ab Mitternacht in etlichen Features oder in 2254 oder auch in "Deutschland heute". In den Zeitungen - in sehr vielen - gab es auch Pro-Sarrazin-Artikel (ich erinnere mich an den FOCUS oder an eine ganze Doppelseite der BILD). Vahrenholts Buch wurde ebenfalls ausführlich besprochen. In ARD und ZDF gibt es Reportagen über Salafisten, über die Zustände in Neukölln, über Ehrenmorde etc. pp.
Das heißt: wer sich informieren WILL, der KANN - selbst wenn er dazu nur die Hauptstrommedien nutzt!!
Und trotzdem herrscht die Schizophrenie: in allen Berufen, sei es pädagogisch, wissenschaftlich, im Verkauf, in der Industrie, im Journalismus, in der Politik - wird eifrig die "offizielle" Linie vertreten. Der Penny-Markt wirbt mit grünem Strom, überall werden wir mit der Klimakatastrophe belästigt, das schädliche CO2 etc. pp. Gleichzeitig weiß - am Stammtisch - die große Masse der Leute bescheid und hegt gaaaanz andere Ansichten. Jeder Politiker redet "unter zwei" mit den Journalisten völlig anders. Unwissenheit ist es beileibe nicht, die uns bedroht - es ist eine freiwillige Konformität aus Opportunismus:
"Weil es mir in meinem privaten und persönlichen Fortkommen hilft und nutzt, darum passe ich mich an und behalte meine Ansichten für mich - darum hacke ich auch nach dem mutigen Andersdenkenden, der die Schweigespirale durchbricht."
"Warum soll ich mir meine Existenz kaputtmachen mit offenen Worten und Kritik an unerwünschten Stellen? Ich will doch vorwärtskommen!"
Daß wir in Deutschland nun noch eine ganz besondere "Keule" (unsere unselige Vergangenheit) haben, die unerwünschte Meinungen tothaut, ist unser Handicap (=Zusatzgewicht), das dem Klassenprimus ja gebührt. Und im übrigen sind die Zustände halt all-überall kaum weniger schlimm.
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