Das allgemeine Thema dieser Marginalie kommt in ZR immer wieder zur Sprache, weil ich den Eindruck haben, daß es unsere Medien lange Zeit vernachlässigt haben und das zum Teil immer noch tun: Die Umorientierung der Türkei; weg von Europa und hin zum einst vom Osmanischen Reich beherrschtn Nahen Osten (siehe die Linkliste in diesem kürzlichen Artikel).
Lange Zeit waren die meisten in Deutschland - auch ich - der Meinung, daß die Türkei sich aufgrund der Reformen Kemal Paschas auf den Weg hin zu einem säkularen, nach Westen hin orientierten Staat gemacht hätte. Inzwischen ist deutlich, daß das nur eine Wegstrecke war, kein endgültig eingeschlagener Weg. Der jetzt von Erdogan unter Anleitung seines Chefideologen Davutoglu vorgesehene Weg soll die Türkei zur islamischen Vormacht des islamischen Nahen Ostens machen.
xanopos
(
gelöscht
)
Beiträge:
04.11.2012 09:55
#2 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Zitat von Zettels RaumDie Türkei baut gegenwärtig zügig ihre Flotte aus, die bereits die stärkste im Bereich Naher Osten/Nordafrika ist. Seit 2009 hat die türkische Marine permanent Fregatten vor der Küste Somalias stationiert; und zwar im Rahmen der internationalen Task Force 151, die der Piratenbekämpfung dient.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Das allgemeine Thema dieser Marginalie kommt in ZR immer wieder zur Sprache, weil ich den Eindruck haben, daß es unsere Medien lange Zeit vernachlässigt haben und das zum Teil immer noch tun: Die Umorientierung der Türkei; weg von Europa und hin zum einst vom Osmanischen Reich beherrschten Nahen Osten (siehe die Linkliste in diesem kürzlichen Artikel).
Zum Besuch des türkischen Präsidenten Gül im Jemen im Januar 2011 gibt es hier eine bemerkenswerte Darstellung des türkischen Präsidialamts, die ausdrücklich auf das Osmanische Reich verweist:
Zitat President Gül delivered a speech at the ceremony during which a well-known Turkish folk song “Yemen Türküsü” was sung by Yemeni girls, by which he was very much impressed, noting that Yemen has a special place in our history. These very songs themselves, he said, prove this very fact, adding that after the First World War broke out, the 7th Corps and the Yemeni soldiers fought against the enemies of the Ottoman Empire.
Further calling upon the youth as well during his address, the President maintained: “Read about Yemen in order to understand history, what traces Yemen has left, why and how such folk songs were written. Only then will you find out what difficulties our forefathers went through. Our soldiers’ sagacity and sacrifices here to defend Mecca and Medina set tongues wagging and the Turks left Yemen with great affection and feeling of amity in their hearts. However, these sacrifices were not in vain as neither Mecca nor Medina have ever been invaded.”
Zum türkischen Engagement in Somaliland gab es vergangene Woche diese Meldung:
Zitat Genel Energy, an Ankara-based oil firm with vast investments in northern Iraq, announced yesterday that it has obtained an exploration license for Somaliland, the self-declared East African country not formally recognized by the international community. (...) Turkey is among the main international supporters of both Somalia and Somaliland. Solamiland Foreign Minister Muhammad A. Omar was also present at the second Somalia Conference in Istanbul in May, where he met with Turkish Foreign Minister Ahmet Davutoğlu, Genel said.
In dem Artikel wird darauf hingewiesen, daß das türkische Engagement im Irak ebenfalls in einer autonomen Region lokalisiert ist, nämlich Kurdistan.
Offenbar sieht die Türkei den Umstand, daß diesseits und jenseits der türkisch-irakischen Grenze Kurden wohnen, nicht nur als Problem, sondern auch als eine Chance, im Irak Fuß zu fassen.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.11.2012 15:11
#4 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Zitat von Zettel im Beitrag #1Das allgemeine Thema dieser Marginalie kommt in ZR immer wieder zur Sprache, weil ich den Eindruck haben, daß es unsere Medien lange Zeit vernachlässigt haben und das zum Teil immer noch tun: Die Umorientierung der Türkei; weg von Europa und hin zum einst vom Osmanischen Reich beherrschten Nahen Osten (siehe die Linkliste in diesem kürzlichen Artikel).
Zum Besuch des türkischen Präsidenten Gül im Jemen im Januar 2011 gibt es hier eine bemerkenswerte Darstellung des türkischen Präsidialamts, die ausdrücklich auf das Osmanische Reich verweist:
Zitat President Gül delivered a speech at the ceremony during which a well-known Turkish folk song “Yemen Türküsü” was sung by Yemeni girls, by which he was very much impressed, noting that Yemen has a special place in our history. These very songs themselves, he said, prove this very fact, adding that after the First World War broke out, the 7th Corps and the Yemeni soldiers fought against the enemies of the Ottoman Empire.
Further calling upon the youth as well during his address, the President maintained: “Read about Yemen in order to understand history, what traces Yemen has left, why and how such folk songs were written. Only then will you find out what difficulties our forefathers went through. Our soldiers’ sagacity and sacrifices here to defend Mecca and Medina set tongues wagging and the Turks left Yemen with great affection and feeling of amity in their hearts. However, these sacrifices were not in vain as neither Mecca nor Medina have ever been invaded.”
Zum türkischen Engagement in Somaliland gab es vergangene Woche diese Meldung:
Zitat Genel Energy, an Ankara-based oil firm with vast investments in northern Iraq, announced yesterday that it has obtained an exploration license for Somaliland, the self-declared East African country not formally recognized by the international community. (...) Turkey is among the main international supporters of both Somalia and Somaliland. Solamiland Foreign Minister Muhammad A. Omar was also present at the second Somalia Conference in Istanbul in May, where he met with Turkish Foreign Minister Ahmet Davutoğlu, Genel said.
In dem Artikel wird darauf hingewiesen, daß das türkische Engagement im Irak ebenfalls in einer autonomen Region lokalisiert ist, nämlich Kurdistan.
Offenbar sieht die Türkei den Umstand, daß diesseits und jenseits der türkisch-irakischen Grenze Kurden wohnen, nicht nur als Problem, sondern auch als eine Chance, im Irak Fuß zu fassen.
Nun ja, die türkische Kultur leidet notorisch unter Präpotenz. Lasst sie Land nehmen...in ihren Träumen...in drei Generationen gibts mehr Kurden als Türken. Auch ökonomisch ist nicht alles Gold, was glänzt, wie "Spengler" schon Anfang des Jahres ausführte: http://www.ruthfullyyours.com/2012/01/02...nges-in-turkey/
Bald haben sich die türkischen Großmachtträume ausgeträumt.
Erheiternd finde ich das Bemühen der AKP, ausgerechnet Atatürk als Ikone des Djihad in Anspruch nehmen zu wollen...fast so drollig wie allerlei andere "Neujustierungen" der Geschichtsschreibung zur Stärkung des türkischen Nationalstolzes....
Zitat von ratloser im Beitrag #4Nun ja, die türkische Kultur leidet notorisch unter Präpotenz. Lasst sie Land nehmen...in ihren Träumen...in drei Generationen gibts mehr Kurden als Türken.
Noch ein Grund sich mit den Kurden auszusöhnen. Da hätten sie mit einem Schlag Gebietsansprüche gegen Syrien, Irak und Iran. Es kann ja nicht so schwer sein kurdisch zu lernen - vor allem wenn man so ein Hindernis auf dem Weg zur Weltherrschaft.... äh ja .... zum Kalifat aus dem Wege räumen kann.
Zitat von ratloser im Beitrag #4Nun ja, die türkische Kultur leidet notorisch unter Präpotenz. Lasst sie Land nehmen...in ihren Träumen...in drei Generationen gibts mehr Kurden als Türken. Auch ökonomisch ist nicht alles Gold, was glänzt, wie "Spengler" schon Anfang des Jahres ausführte: http://www.ruthfullyyours.com/2012/01/02...nges-in-turkey/
Bald haben sich die türkischen Großmachtträume ausgeträumt.
Da habe ich meine Zweifel, lieber ratloser. Mir scheint diese Argumentation sozusagen deduktiv strukturiert zu sein: Man geht von der Prämisse aus, daß ein islamisches Land nicht erfolgreich sein kann, deduziert daraus, daß es also die Türkei nicht sein kann und sucht dann nach Belegen.
Gewiß wird auch die Türkei, wie jedes Land nach einer Expansionsphase, wirtschaftliche Rückschläge erleben. Aber sie hat alle Voraussetzungen, die ein Schwellenland braucht, um zur Industrienation zu werden; nicht zuletzt spielen übrigens dabei die Rückwanderer eine Rolle, die in Europa aufgewachsen sind und nicht nur eine gute Ausbildung haben, sondern auch Arbeitsdisziplin gelernt haben.
Die Türkei gliedert sich jetzt in den Reigen der einstigen großen Reiche ein, die zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ende des 20. Jahrhunderts zerfallen waren oder machtlos geworden waren und die jetzt wieder ihren alten Status anstreben - das Chinesische Reich, das Zarenreich/Kommunistische Imperium, Indien, das Persische Reich.
Zitat von ratloser im Beitrag #4Erheiternd finde ich das Bemühen der AKP, ausgerechnet Atatürk als Ikone des Djihad in Anspruch nehmen zu wollen...
Das dürfte wie mit Mao in China sein: Ihn so zu exorzieren, wie das Chruschtschow 1956 mit Stalin gemacht hat, würde nur Ärger und Konflikte bringen. Also läßt man das alte Ritual weiterlaufen. - Von Dschihad würde ich bei der Türkei übrigens nicht sprechen. Die jetzige Expansionspolitik ist nationalistisch-imperialistisch; der Islam wird als das einigende Band mit den arabischen Brüdern eingesetzt.
Das läge ja auch in der Logik einer Wiederherstellung des Osmanischen Reichs (in Form einer Einflußzone; so, wie das Putin mit dem einstigen Sowjetreich in Osteuropa anstrebt): Imperien unterdrücken keine Minderheiten, sie integrieren sie. Eine aggressive Assimilationspolitik, wie sie die Türkei bisher gegenüber den Kurden betreibt, findet man nur in Nationalstaaten.
Zitat von Zettel im Beitrag #6 Da habe ich meine Zweifel, lieber ratloser. Mir scheint diese Argumentation sozusagen deduktiv strukturiert zu sein: Man geht von der Prämisse aus, daß ein islamisches Land nicht erfolgreich sein kann, deduziert daraus, daß es also die Türkei nicht sein kann und sucht dann nach Belegen.
Nunja, mir will schon scheinen, dass ein islamisches Land nicht (wirtschaftlich) erfolgreich sein kann. Ein Land mit mehrheitlich moslemischen Bewohnern, welches Staat und Religion strikt trennt, dagegen schon. Das folgt einfach daraus, dass eine islamische Gesellschaft per Definition eine kollektivistische Gesellschaft ist. Islam bedeutet Unterwerfung, also ist Gottgefälligkeit und Ein-/Unterordnung in der Masse der Gläubigen die zu befolgende Regel Nummer 1. Für wirtschaftlichen Erfolg ist aber die Freiheit des Individuums unverzichtbar. Und Individuen sind im Islam eher weniger gefragt. Es sei denn als Märtyrer, (islamischer) Rechtsgelehrter, Koranauswendigkönner o.Ä.. Ansonsten werden "herausstehende Nägel" ganz schnell von den Eliten und der gläubigen Masse mittels Koran und "Vorbild Mohammed" eingeklopft.
Momentan zehrt die Türkei ja noch von Westanbindung, ausländischem Kapitalimport und gut ausgebildeten Eliten. Wenn sie aber weiter den Weg in Richtung "islamisches Land" gehen sollte, könnten diese Potenzinfusionen zum Erliegen kommen, während die ökonomische Power eigener Individualisten im Zuge des Islamkollektivismus zwangsnivelliert werden dürfte. Ich kenne jedenfalls kein islamisches Land, welches aus sich heraus zu Wohlstand und Prosperität gekommen wäre. Es würde mich wundern, wenn ein Schwellenland erfolgreich bleiben, oder erfolgreicher werden würde, wenn es sich gleichzeitig zum islamischen Land rückentwickelt.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Zitat von Zettel im Beitrag #6 Da habe ich meine Zweifel, lieber ratloser. Mir scheint diese Argumentation sozusagen deduktiv strukturiert zu sein: Man geht von der Prämisse aus, daß ein islamisches Land nicht erfolgreich sein kann, deduziert daraus, daß es also die Türkei nicht sein kann und sucht dann nach Belegen.
Nunja, mir will schon scheinen, dass ein islamisches Land nicht (wirtschaftlich) erfolgreich sein kann. Ein Land mit mehrheitlich moslemischen Bewohnern, welches Staat und Religion strikt trennt, dagegen schon. Das folgt einfach daraus, dass eine islamische Gesellschaft per Definition eine kollektivistische Gesellschaft ist.
Die Geschichte, lieber Calimero, kümmert sich aber selten um Definitionen.
Die Araber sind, historisch gesehen, ein Volk von Händlern. Das liegt zum Teil wohl an der geographischen Lage Arabiens an der Grenze zwischen dem Okzident und dem Fernen Osten. Arabische Seefahrer brachten die Schätze des Ostens - Gewürze beispielsweise - in den Westen und versorgten Indien und China mit Waren aus dem Westen. Sindbad der Seefahrer symbolisiert das. Viele der Erzählungen (Märchen sind es ja nicht) aus 1001 Nacht drehen sich um Handel und Seefahrt.
Arabien hat also eine alte Tradition freien Unternehmertums. Diese war und ist durchaus mit dem Islam vereinbar; Mohammed selbst war ja der Überlieferung nach in jungen Jahren ein Karawanenhändler, der bis nach Syrien gezogen war. Es gibt, lieber Calimero, im Islam keine Tradition des "Kollektivismus" à la totalitäre Ideologie.
Und selbst unter einer solchen Ideologie kann ja, wie China zeigt, das freie Unternehmertum blühen.
Wie sich die Türkei entwickeln wird, ist eine empirische Frage. Allein daraus, daß es eine gewisse Reislamisierung gibt (wie weit sie gehen wird, bleibt abzuwarten; aus meiner Sicht ist die AKP vor allem nationalistisch-imperialistisch), kann man nicht ableiten, welchen Weg die Türkei gehen wird.
Zitat von Zettel im Beitrag #10Arabien hat also eine alte Tradition freien Unternehmertums. Diese war und ist durchaus mit dem Islam vereinbar; Mohammed selbst war ja der Überlieferung nach in jungen Jahren ein Karawanenhändler, der bis nach Syrien gezogen war. Es gibt, lieber Calimero, im Islam keine Tradition des "Kollektivismus" à la totalitäre Ideologie.
Ja schon, nur war es damals sicherlich auch einfacher unbeobachtet mal "Allah einen guten Mann sein zu lassen". Naja, und der Handel blüht mittlerweile auch ohne Gebiets- und Verkehrswegemonopolisten. Ich ziele ja auch eher auf Produzenten ab. Wer keine Bodenschätze hat muss eben produzieren um seine Handelsbilanz auszugleichen. Und was Produktion, Entwicklung und Erfindungen angeht, sieht es im islamischen Bereich eher mau aus. Da braucht es m.E. halt die risikobereiten Individuen. Wenn ich z.B. mal an die heutigen arabischen Gesellschaften denke - man stelle sich mal vor, dass ein Unternehmer erfolgreicher wäre als sein zuständiger Clanchef.
Aber ab von den Arabern, wie sieht denn die wirtschaftliche Erfolgsbilanz der vormaligen Osmanen aus? War das nicht eher alles zusammengeraubt? Kann mich aber täuschen, ich bin da absolut nicht firm.
Beste Grüße, Calimero
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Zitat von Zettel im Beitrag #10Arabien hat also eine alte Tradition freien Unternehmertums. Diese war und ist durchaus mit dem Islam vereinbar; Mohammed selbst war ja der Überlieferung nach in jungen Jahren ein Karawanenhändler, der bis nach Syrien gezogen war. Es gibt, lieber Calimero, im Islam keine Tradition des "Kollektivismus" à la totalitäre Ideologie.
Ja schon, nur war es damals sicherlich auch einfacher unbeobachtet mal "Allah einen guten Mann sein zu lassen". Naja, und der Handel blüht mittlerweile auch ohne Gebiets- und Verkehrswegemonopolisten. Ich ziele ja auch eher auf Produzenten ab. Wer keine Bodenschätze hat muss eben produzieren um seine Handelsbilanz auszugleichen. Und was Produktion, Entwicklung und Erfindungen angeht, sieht es im islamischen Bereich eher mau aus.
Ich habe, lieber Calimero, einmal ein paar Informationen über die Entwicklung der türkischen Wirtschaft seit der Jahrtausendwende zusammengesucht:
Ich denke, diese Daten zu studieren ist nützlicher für ein Verständnis dessen, was künftig für die Türkei zu erwarten ist, als abstrakte Überlegungen zum Islam.
Herzlich, Zettel
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.11.2012 18:33
#13 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Zitat von ratloser im Beitrag #4Nun ja, die türkische Kultur leidet notorisch unter Präpotenz. Lasst sie Land nehmen...in ihren Träumen...in drei Generationen gibts mehr Kurden als Türken. Auch ökonomisch ist nicht alles Gold, was glänzt, wie "Spengler" schon Anfang des Jahres ausführte: http://www.ruthfullyyours.com/2012/01/02...nges-in-turkey/
Bald haben sich die türkischen Großmachtträume ausgeträumt.
Da habe ich meine Zweifel, lieber ratloser. Mir scheint diese Argumentation sozusagen deduktiv strukturiert zu sein: Man geht von der Prämisse aus, daß ein islamisches Land nicht erfolgreich sein kann, deduziert daraus, daß es also die Türkei nicht sein kann und sucht dann nach Belegen.
Gewiß wird auch die Türkei, wie jedes Land nach einer Expansionsphase, wirtschaftliche Rückschläge erleben. Aber sie hat alle Voraussetzungen, die ein Schwellenland braucht, um zur Industrienation zu werden; nicht zuletzt spielen übrigens dabei die Rückwanderer eine Rolle, die in Europa aufgewachsen sind und nicht nur eine gute Ausbildung haben, sondern auch Arbeitsdisziplin gelernt haben.
Verehrter Zettel, mir ist schon klar, dass wir Beiden unterschiedliche Ansichten über Hartnäckigkeit und Wirktiefe der soziokulturellen Verkrüppelungen haben, die aus der islamischen Ideologie resultieren. ;-)
Die Türkei profitiert sicherlich von den Jahrzehnten der Zwangssäkularisierung, deren "Heilungspotential" allerdings durch die Folgen der hierfür notwendigen de facto Militärdiktatur eingeschränkt wurde - aber immerhin.
Auch die in den 60igern und 70igern noch ausgeprägtere Konfrontation der türkischen Gastarbeiter mit nichtislamischem Arbeitsethos hat die "moderne" Türkei auf ihrem Habenkonto.
Diese beiden Faktoren ändern aber nichts an dem repressiven islamistischen roll back, den die Türkei unter Erdogan erlebt.
"Spengler" führt in seinem Artikel ja eigentlich harte finanzwirtschaftliche Fakten auf, die seiner Meinung nach das "Wirtschaftswunder" der Türkei begrenzen werden, aber die Deduktion der Begrenztheit des türkischen Entwicklungspotentials von ihrer islamischen Verfasstheit hat ihren Reiz, das muss ich zugeben!
Zitat Die Türkei gliedert sich jetzt in den Reigen der einstigen großen Reiche ein, die zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ende des 20. Jahrhunderts zerfallen waren oder machtlos geworden waren und die jetzt wieder ihren alten Status anstreben - das Chinesische Reich, das Zarenreich/Kommunistische Imperium, Indien, das Persische Reich.
China war ein lokaler Riese, aber nie global mächtig, es hat sich ja erst im 20. Jahrhundert der Welt richtig geöffnet.
Russland lebt von seiner Masse, die bevölkerungstechnisch aber auch stetig abnimmt, und von seinen Bodenschätzen. Restaurierungen eines Weltreichs vermag ich weder wirtschaftlich, noch militärisch, noch gar soziokulturell zu erhoffen. Russland erholt sich von seinem ideologischen Erbe auch nicht...kennen Sie "Steinerne Nächte" von Catherine Merridale?
Was aus Indien wird, bleibt abzuwarten. Es wäre Indien zu gönnen, dass es sich von den Spätfolgen der islamischen Heimsuchungen erholt...mir schwant aber eher das Gegenteil.
Der Iran erinnert an die Karikatur einer paranoiden, kontrollverlustigen Sekte...sie sehen da Restaurierungsperspektiven?
Ich finde das Auftreten von Erdogan übrigens halb rührend, halb erschreckend...so gernegroß und herrisch...nett....bei allen Vorbehalten gegen das Osmanische Reich, ich glaube die hatten mehr Statur...meinen Sie nicht auch?!
Zitat von ratloser im Beitrag #4Erheiternd finde ich das Bemühen der AKP, ausgerechnet Atatürk als Ikone des Djihad in Anspruch nehmen zu wollen...
Das dürfte wie mit Mao in China sein: Ihn so zu exorzieren, wie das Chruschtschow 1956 mit Stalin gemacht hat, würde nur Ärger und Konflikte bringen. Also läßt man das alte Ritual weiterlaufen. - Von Dschihad würde ich bei der Türkei übrigens nicht sprechen. Die jetzige Expansionspolitik ist nationalistisch-imperialistisch; der Islam wird als das einigende Band mit den arabischen Brüdern eingesetzt.
Herzlich, Zettel [/quote]
Die Brüche nach Mao und Stalin waren im Gegensatz zum Bruch nach der Atatürk induzierten Zwangssäkularität keine Brüche des Systems...es waren Brüche, Verwerfungen im System. Das ist meines Erachtens ein grundlegender Unterschied. Der islamische Ungeist überwuchert die Türkei gerade wieder wie Unkraut ein Rasenstück, das man mal drei Monate nicht gemäht hat. Die islamischen Wurzeln sind tief, archaisch und radikal.
Ich glaube auch nicht, dass Erdogan und seine Bande ihre Reislamisierung als taktisches Tool begreifen, das sind Überzeugungstäter. Die Umdichtung von Atatürk und Gallipoli in dem neuen Prunkmemorial weist doch genau in diese Richtung.
freundlich,
ratloser
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
05.11.2012 19:05
#14 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Zitat von Zettel im Beitrag #6 Da habe ich meine Zweifel, lieber ratloser. Mir scheint diese Argumentation sozusagen deduktiv strukturiert zu sein: Man geht von der Prämisse aus, daß ein islamisches Land nicht erfolgreich sein kann, deduziert daraus, daß es also die Türkei nicht sein kann und sucht dann nach Belegen.
Nunja, mir will schon scheinen, dass ein islamisches Land nicht (wirtschaftlich) erfolgreich sein kann. Ein Land mit mehrheitlich moslemischen Bewohnern, welches Staat und Religion strikt trennt, dagegen schon. Das folgt einfach daraus, dass eine islamische Gesellschaft per Definition eine kollektivistische Gesellschaft ist.
Die Geschichte, lieber Calimero, kümmert sich aber selten um Definitionen.
Die Araber sind, historisch gesehen, ein Volk von Händlern. Das liegt zum Teil wohl an der geographischen Lage Arabiens an der Grenze zwischen dem Okzident und dem Fernen Osten. Arabische Seefahrer brachten die Schätze des Ostens - Gewürze beispielsweise - in den Westen und versorgten Indien und China mit Waren aus dem Westen. Sindbad der Seefahrer symbolisiert das. Viele der Erzählungen (Märchen sind es ja nicht) aus 1001 Nacht drehen sich um Handel und Seefahrt.
Arabien hat also eine alte Tradition freien Unternehmertums. Diese war und ist durchaus mit dem Islam vereinbar; Mohammed selbst war ja der Überlieferung nach in jungen Jahren ein Karawanenhändler, der bis nach Syrien gezogen war. Es gibt, lieber Calimero, im Islam keine Tradition des "Kollektivismus" à la totalitäre Ideologie.
Und selbst unter einer solchen Ideologie kann ja, wie China zeigt, das freie Unternehmertum blühen.
Wie sich die Türkei entwickeln wird, ist eine empirische Frage. Allein daraus, daß es eine gewisse Reislamisierung gibt (wie weit sie gehen wird, bleibt abzuwarten; aus meiner Sicht ist die AKP vor allem nationalistisch-imperialistisch), kann man nicht ableiten, welchen Weg die Türkei gehen wird.
Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
die Domänen der arabisch tribalistischen Gesellschaften waren mindestens (!) so sehr der Sklavenhandel und der Raub, wie der "normale Handel".
Ihre herzerwärmenden Beschreibungen islamischer Handelsaktivitäten erinnert mich in der Tat hauptsächlich an das von Ihnen zuerst hier eingeführte Sindbad-Märchen und andere Geschichten aus 1001er-Nacht... ;-)
Islamische Reiche lebten immer parasitär von denen, die sie okkupiert hatten. Sie liessen arbeiten...liessen herstellen...liessen Tribut zahlen...liessen kämpfen...liessen verwalten...
Das osmanische Reich machte da keine Ausnahme. Es war innerlich schon verfault, als es zum zweiten Mal vor Wien zurückgeschlagen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren die zuvor okkupierten Gebiete ökonomisch ausgesaugt und sozial verwüstet. Die technologischen Fortschritte des Westens machten neue Okkupationen im großen Stil jedoch unmöglich.
Keine Okkupation, kein Raub, keine blühenden islamischen Landschaften.
So lässt sich die Wirtschaftsgeschichte des Islam bis auf den kleinen Ausflug der Erdölförderung zusammenfassen.
Sie meinen, es gibt im Islam "keine Tradition des Kollektivismus"? Da haben Sie Recht, "im" Islam nicht, denn der Islam selber ist der Prototyp einer kollektivistischen, totalitären Ideologie. Der Einzelne zählt nichts, die Ummah alles. Selbstbestimmung ist Apostasie, Kritik am Denksystem Blasphemie. Mädchen, die zur Schule gehen wollen, werden zum Krüppel geschossen. 15jährige Jungen, die nicht schnell genug den Koran auswendig lernen, werden von ihren muslimischen "Akademiker"-Müttern im Jahre 2012 in Großbritannien erst totgeschlagen und dann angezündet.
Wieviel totalitärer hätten Sie es denn gerne?
Und wenn Sie "Spengler"´s Artikel nicht lesen möchten, dann vielleicht den hier:
Zitat von ratloser im Beitrag #14die Domänen der arabisch tribalistischen Gesellschaften waren mindestens (!) so sehr der Sklavenhandel und der Raub, wie der "normale Handel".
Das wäre getrennt zu diskutieren; vielleicht gibt es hier im Forum Historiker, die sich mit den historischen Handelsströmen zwischen dem Okzident und dem Fernen Osten und der Rolle der Araber befaßt haben. Nach meiner Kenntnis spielten dabei weder Sklavenhandel noch Raub eine wesentliche Rolle; aber ich müßte lesen, um das im Einzelnen belegen zu können. Vielleicht können Sie im ersten Schritt Ihre Meinung belegen?
Wir waren ja eigentlich von dem Bestreben Erdogans ausgegangen, die Türkei wieder zur Großmacht zu machen. Das ist Nationalismus, nicht Islamismus; wenngleich, wie schon geschrieben, die gemeinsame Religion als Bindeglied zu Arabien genutzt wird, Das ist der Kern der Ideologie Davutoglus.
Zitat von Zettel im Beitrag #15 Wir waren ja eigentlich von dem Bestreben Erdogans ausgegangen, die Türkei wieder zur Großmacht zu machen. Das ist Nationalismus, nicht Islamismus; wenngleich, wie schon geschrieben, die gemeinsame Religion als Bindeglied zu Arabien genutzt wird, Das ist der Kern der Ideologie Davutoglus.
Erdogans Antrieb ist der Islam, nicht die Türkei, die AKP ist keine nationalistische, sondern eine islamistische Partei. Das nationalistische Pendant ist die MHP. Soner Cagaptay hat es meiner Ansicht nach diesen Antrieb mit Econo-Islamismus treffend beschrieben.
Zitat von Soner CagaptayThe AKP’s foreign policy has a weakness for Arab Islamists and their causes. The policy shows empathy towards Middle East Muslims and Islamists, though the same empathy is missing towards non-Muslims and non-Middle Eastern issues. Business deals play an important role in sustaining the stronger ties that Turkey is developing with Russia, the Persian Gulf states, Sudan, and Iran. Therefore, Neo-Ottomanism appears to be a misnomer for the AKP’s foreign policy. Rather than secular Ottoman instincts, it is a religious view of the world and financial interest that seem to be shaping the AKP’s foreign policy. A better word to describe it would be “Econo-Islamist.”
Zur Rolle Gülens bei der Entwicklung der Türkei zu einem islamistischen Gebilde ein informativer Artikel von Rachel Sharon-Krespin.
Zitat Therefore, it appears Gülen is not fighting for more individual freedoms but to free Islam from the confines of the mosque and the private domain of individuals and to bring it to the public arena, to govern every aspect of life in the country.[58] AKP leaders, including Gül and Erdoğan, have repeatedly expressed their opposition to the "imprisonment of Islam in the mosque," demanding that it be present everywhere as a lifestyle. Most Turks vividly remember statements by AKP leaders not long ago rejecting the definition of secularism as "separation of mosque and state." Gül has slammed "secularism" on many occasions, including during a November 27, 1995 interview with The Guardian. What Turkey's Islamists really want is to remove the founding principles of the Turkish Republic.
Zitat von C. im Beitrag #16Erdogans Antrieb ist der Islam, nicht die Türkei, die AKP ist keine nationalistische, sondern eine islamistische Partei. Das nationalistische Pendant ist die MHP. Soner Cagaptay hat es meiner Ansicht nach diesen Antrieb mit Econo-Islamismus treffend beschrieben.
Ich sehe das anders, dear C.
Erdogans Chefideologe, langjähriger Kampfgenosse und jetziger Außenminister Ahmet Davutoglu hat die Strategie entworfen, die von der Türkei jetzt verfolgt wird. Natürlich spielt der Islam eine Rolle. Aber die Außenpolitik der Türkei ist auf eine Wiederherstellung des Osmanischen Reichs gerichtet mit dem Ziel, dieses neue Imperium zu einem "Zentrum der Weltpolitik" zu machen. Vielleicht möchtest du noch einmal lesen, was die Politologin Svante E. Cornell dazu geschrieben hat?
Generell teile ich die Auffassung nicht, daß die Religion in islamischen Ländern eine größere Rolle spielt als anderswo. Es gibt jetzt diese Welle des Islamismus als Reaktion auf das Scheitern des Arahischen Sozialismus und von überhasteten Modernisierungsversuchen wie dem des Schah im Iran. Aber die Motive der Politik sind auch in dieser Weltgegend machtpolitisch und nicht religiös; so, wie George W. Bush seine Irakpolitik nicht von seinem christlichen Fundamentalismus hat bestimmen lassen, auch wenn dieser ihm wichtig ist.
Zitat von Zettel im Beitrag #17 Natürlich spielt der Islam eine Rolle. Aber die Außenpolitik der Türkei ist auf eine Wiederherstellung des Osmanischen Reichs gerichtet mit dem Ziel, dieses neue Imperium zu einem "Zentrum der Weltpolitik" zu machen. Vielleicht möchtest du noch einmal lesen, was die Politologin Svante E. Cornell dazu geschrieben hat?
Ist denn ein türkischer Nationalismus mit einer Wiedergeburt des Osmanischen Reiches, als Einflusssphäre, überhaupt vereinbar? Wie nationalistisch konnte sich denn das Osmanische Reich überhaupt leisten zu sein? Ich denke Erdogan spielt schon die nationalistische Karte aus, das ist ja nicht zu überhören, aber er weiß sehr wohl, dass die Muslimbrüder überall dort wohin er seinen Machtbereich ausdehnen will, schon da sind. Er zählt auf die Unterstützung des Westens; schließlich sind die Muslimbrüder kein NATO-Mitglied. Die AKP ist beides; nationalistisch in einem weiteren Panarabismus-Versuch gepaart mit einem den Minderwertigkeitskomplex überwinden wollenden Patriotismus, und islamistisch als Substitute zu den gescheiterten sozialistischen Versuchen der Baath-Partei und auch als Unterscheidungsmerkmal zu den Muslimbrüdern, vielleicht sogar als die Alternative. Überhaupt ist interessant wie Erdogan sich instinktsicher den Mächten in der arabischen Welt zuwendet, welche sich gerade im Aufwind befinden. Selbst wenn er zuweilen etwas hinterherhinkt, wie im Fall des Iran, Syriens und des Libanons - er kriegt immer noch rechtzeitig die Kurve.
Nachtrag: Da hatte ich wohl einen Moment geistiger Umnachtung. Ich wollte Libyen schreiben und nicht "des Libanon".
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #18Ist denn ein türkischer Nationalismus mit einer Wiedergeburt des Osmanischen Reiches, als Einflusssphäre, überhaupt vereinbar? Wie nationalistisch konnte sich denn das Osmanische Reich überhaupt leisten zu sein?
In vorausgehenden Beiträgen habe ich, glaube ich, "nationalistisch-imperialistisch" geschrieben oder so ähnlich. Denn Sie haben Recht, und ich habe ja in Bezug auf die Haltung zu den Kurden auch darauf aufmerksam gemacht: Ein auf den eigenen Nationalstaat begrenzter Nationalismus (der zum Beispiel das Ziel einer völligen Assimilation der Kurden hatte) ist etwas anderes als die Variante nationaler Machtpolitik, die auf die Wiederherstellung eines Imperiums zielt. Sie wird immer Minderheiten gewisse Freiheiten lassen; denn nur so kann man ein Imperium zusammenhalten.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #18Die AKP ist beides; nationalistisch in einem weiteren Panarabismus-Versuch gepaart mit einem den Minderwertigkeitskomplex überwinden wollenden Patriotismus, und islamistisch als Substitute zu den gescheiterten sozialistischen Versuchen der Baath-Partei und auch als Unterscheidungsmerkmal zu den Muslimbrüdern, vielleicht sogar als die Alternative.
Das sehe ich genauso. Wer in dieser Region heute Machtpolitik betreibt, der wird immer auch eine religiöse Komponente einbauen. Sogar der alte Atheist Saddam Hussein wurde ja fromm, ebenso Mubarak. Assad hat das Pech, nun einmal Alawit zu sein, sonst würde er vermutlich auch schon den Punkt des Vielbeters auf der Stirn tragen.
Zitat von C. im Beitrag #16 Vielleicht möchtest du noch einmal lesen, was die Politologin Svante E. Cornell dazu geschrieben hat?
Vieleicht stehe ich auf der Leitung, aber ich sehe zwischen den Aussagen Cornells und Cagaptays keine wesentlichen Untersched, Frau Cornell betont den islamistischen Hintergrund sogar noch mehr als Soner Cagaptay, der auf den oft übersehenen wirtschaftlichen Hintergrund verweist. Eindeutiger als die von Frau Cornells zitierte Sichtweise Davutoglus kann man es nicht ausdrücken.
Zitat von Ahmet DavutogluAll religions and civilizations before Islamic civilization had established a demigod category between god and man. In fact, civilizations except the Islamic civilization always regarded god, man, and nature on the same ontological level. I named this "ontological proximity."… Islam, on the other hand, rejects ontological proximity between god, nature and man and establishes an ontological hierarchy of Allah, man, and nature.[41]
Frau Cornell folgert daraus: Indeed, the tendency of the AKP government to side increasingly with Islamist causes, its growing attention to non-Western powers combined with its increasing criticism of the West, can be fully understood only if the ideological background of Turkey's top decision-makers is taken into account. This is not to say that the other factors previously cited are not useful in grasping changes in Turkish foreign policy. But it suggests that they are insufficient and that the ideological component must be factored in for a full understanding of Ankara's evolving policies.
Der Ideologische Hintergrund von Erdogan, Gul und Ahmet Davutoglu ist nun mal islamistisch und nicht nationalistisch. Die Türkei strebt schon eine führende Rolle an, aber nicht ein osmanisches Reich, sondern innerhalb des Kalifats, was sich auch mit den Theorien Gülens deckt. Ein osmanisches Reich hat zu viele Gegenspieler in der arabischen Welt, vorneweg Saudiarabien und Ägypten. Ein Kalifat erfordert keine nationale Identität sondern eine islamische Identität, insoweit herscht Konsens zwischen Saudiarabien, den Golfstaaten, der Muslimbruderschaft und auch dem Iran.
Zitat von ZettelAber die Motive der Politik sind auch in dieser Weltgegend machtpolitisch und nicht religiös
Sie sind dort machtpolitisch und religiös. Die Religion garantiert die Macht. George W. Bush mag zwar ein gläubiger Mensch sein, wir haben es hier aber mit ausgebildeten islamistischen Kadern zu tun.
Zitat von Rachel Sharon-KrespinIn 1999, Turkish television aired footage of Gülen delivering sermons to a crowd of followers in which he revealed his aspirations for an Islamist Turkey ruled by Shari‘a (Islamic law) as well as the methods that should be used to attain that goal. In the sermons, he said:
You must move in the arteries of the system without anyone noticing your existence until you reach all the power centers … until the conditions are ripe, they [the followers] must continue like this. If they do something prematurely, the world will crush our heads, and Muslims will suffer everywhere, like in the tragedies in Algeria, like in 1982 [in] Syria … like in the yearly disasters and tragedies in Egypt. The time is not yet right. You must wait for the time when you are complete and conditions are ripe, until we can shoulder the entire world and carry it … You must wait until such time as you have gotten all the state power, until you have brought to your side all the power of the constitutional institutions in Turkey
Der Riesling gehört zu Deutschland.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
06.11.2012 07:50
#21 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Generell teile ich die Auffassung nicht, daß die Religion in islamischen Ländern eine größere Rolle spielt als anderswo.
Lieber Zettel,
ich schätze Ihre Kommentare und Einwürfe sehr. Aber Ihre Bemerkungen zur Natur und Geschichte der islamischen Ideologie nehme ich mit großer Verwunderung zur Kenntnis. Oben genannte sogar mit sehr großer Verwunderung....
Der Islam ist eben keine reine spirituelle Religion. Er ist nach eigenem Selbstverständnis genauso eine sowohl die öffentlich "staatliche" Sphäre als auch den individuellen Alltag seiner Angehörigen dogmatisch regelnde und sanktionierende totalitäre Ideologie. Sie unterliegen in Ihrer Islamperzeption einem grundlegendem Mißverständnis, was den Charakter des Islam angeht.
Die von Ihnen immer wieder aufgeführte individuelle Interpretationsfähigkeit des Islam ist eine Schimäre. Es gibt nur "Gläubige" und "Nichtgläubige". Gruppierungen wie die Salafisten, Muslimbrüder, aber auch Al Qaida können mit Recht behaupten, sich orthodox, rechtgläubig zu verhalten.
Lesen Sie den Koran, lesen Sie Lewis, Spencer, Ibn Warraq...sehen Sie sich die Geschichte (nicht die aus 1001) und vor allem die aktuelle Realität in islamisch dominierten Gesellschaften an.
Bezüglich der Türkei verwechseln Sie meiner Überzeugung nach die Grundmotivation der AKP (die Reislamisierung)mit einem politisch taktischen Tool (dem Nationalismus).
ich schätze Ihre Kommentare und Einwürfe sehr. Aber Ihre Bemerkungen zur Natur und Geschichte der islamischen Ideologie nehme ich mit großer Verwunderung zur Kenntnis. Oben genannte sogar mit sehr großer Verwunderung....
Ich weiß, lieber ratloser. Wir sind da eben grundlegend verschiedener Auffassung. Let's agree to disagree.
Zitat von ratloser im Beitrag #21Der Islam ist eben keine reine spirituelle Religion. Er ist nach eigenem Selbstverständnis genauso eine sowohl die öffentlich "staatliche" Sphäre als auch den individuellen Alltag seiner Angehörigen dogmatisch regelnde und sanktionierende totalitäre Ideologie. Sie unterliegen in Ihrer Islamperzeption einem grundlegendem Mißverständnis, was den Charakter des Islam angeht.
Mit dieser Meinung - der ich zustimme - vertreten wir eine Mindermeinung.
Es ist einfach so, daß Zettel - wie eben die meisten Betrachter - den Islam für etwas ähnliches wie Christentum, Buddhismus, Hinduismus oder gar Judentum halten. Tatsächlich ist es aber eher so etwas wie Stalinismus. Insbesondere die ebenso abgestufte massiv gewalttätige Intoleranz gegenüber Abweichlern und Ungläubigen spiegelt sich hier.
Ich bezweifle allerdings ob die von Ihnen empfohlene Literatur (Koran, lesen Sie Lewis, Spencer, Ibn Warraq) oder die Sicht auf "die aktuelle Realität in islamisch dominierten Gesellschaften" diese - unsere - Erkenntnis wirklich fördern.
Es ist allerdings auch die Frage zu stellen ob es wirklich unsere Aufgabe ist, den Betreiber dieses Blogs von seine festgefügten Meinungen abzubringen. Abgesehen von der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens ist es ja auch ein Nebenkriegsschauplatz. Grundsätzlich profitieren wir ja in großem Ausmaß von der Prinzipientreue und dem Engagement von Zettel. Zumindest ich sehe das so, daß ich hier lerne und gleichzeitig exzellent unterhalten werde. Und wenn da in einem Detail mal der übliche Irrweg beschritten wird.... so what?
Wir beide könnten uns darüber austauschen, wie man andere zu unseren Erkenntnissen kommen läßt. Dieses "Anderssein" (als alle anderen Religionen) des Islam ist für die meisten Menschen nur schwer zu akzeptieren. Allerdings können wir das nicht auf der Ebene dieses Forums machen, weil das als mißbräuchlich angesehen würde.
Zitat von Zettel in 22Let's agree to disagree.
Das habe ich ja auch schon mehrfach bekommen. Es ist eben - wie gesagt - ein Nebenkriegsschauplatz und hier keinesfalls die Hauptkampflinie.
ratloser
(
gelöscht
)
Beiträge:
07.11.2012 10:36
#24 RE: Marginalie: Türkische Aktivitäten am Golf von Aden
Zitat von ratloser im Beitrag #21Der Islam ist eben keine reine spirituelle Religion. Er ist nach eigenem Selbstverständnis genauso eine sowohl die öffentlich "staatliche" Sphäre als auch den individuellen Alltag seiner Angehörigen dogmatisch regelnde und sanktionierende totalitäre Ideologie. Sie unterliegen in Ihrer Islamperzeption einem grundlegendem Mißverständnis, was den Charakter des Islam angeht.
Mit dieser Meinung - der ich zustimme - vertreten wir eine Mindermeinung.
Es ist einfach so, daß Zettel - wie eben die meisten Betrachter - den Islam für etwas ähnliches wie Christentum, Buddhismus, Hinduismus oder gar Judentum halten. Tatsächlich ist es aber eher so etwas wie Stalinismus. Insbesondere die ebenso abgestufte massiv gewalttätige Intoleranz gegenüber Abweichlern und Ungläubigen spiegelt sich hier.
Ich bezweifle allerdings ob die von Ihnen empfohlene Literatur (Koran, lesen Sie Lewis, Spencer, Ibn Warraq) oder die Sicht auf "die aktuelle Realität in islamisch dominierten Gesellschaften" diese - unsere - Erkenntnis wirklich fördern.
Es ist allerdings auch die Frage zu stellen ob es wirklich unsere Aufgabe ist, den Betreiber dieses Blogs von seine festgefügten Meinungen abzubringen. Abgesehen von der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens ist es ja auch ein Nebenkriegsschauplatz. Grundsätzlich profitieren wir ja in großem Ausmaß von der Prinzipientreue und dem Engagement von Zettel. Zumindest ich sehe das so, daß ich hier lerne und gleichzeitig exzellent unterhalten werde. Und wenn da in einem Detail mal der übliche Irrweg beschritten wird.... so what?
Wir beide könnten uns darüber austauschen, wie man andere zu unseren Erkenntnissen kommen läßt. Dieses "Anderssein" (als alle anderen Religionen) des Islam ist für die meisten Menschen nur schwer zu akzeptieren. Allerdings können wir das nicht auf der Ebene dieses Forums machen, weil das als mißbräuchlich angesehen würde.
Zitat von Zettel in 22Let's agree to disagree.
Das habe ich ja auch schon mehrfach bekommen. Es ist eben - wie gesagt - ein Nebenkriegsschauplatz und hier keinesfalls die Hauptkampflinie.
Lieber AldiOn,
ich hoffte, meine Wertschätzung der Arbeit Zettels eindeutig zum Ausdruck gebracht zu haben. Ebene gerade deshalb irritiert mich seine Islamperzeption, weil ich sie im Zusammenhang mit allem anderen, was ich von ihm lesen darf, als "Anomalie" erlebe. Dies anzumerken, wird Herr Zettel, so wie ich ihn einschätze, locker aushalten... ;-)
In Bezug auf Themen wie Türkei, Nahostpolitik, "arabischer Frühling" etc. handelt es sich bei der Frage, was die Natur und die konkreten soziokulturellen (und damit politischen und auch wirtschaftlichen) Determinierungen des Islam sind, um eine zentrale, keine nebensächliche. Denn je nach Standpunkt kommt man zu grundlegend unterschiedlichen Interpretationsvoraussetzungen der oben genannten Themenfelder.
Aber sei´s drum.
@ die Nachfrage von zettel:
Exemplarisch sind die Ereignisse, die sich in Indien nach Okkupation durch die Muslime ereigneten.
Bezüglich des imperialistischen Charakters des Islam:
"Islamic Imperialism": A History von Efraim Karsh /http://www.amazon.com/Islamic-Imperialism-History-Efraim-Karsh/dp/0300122632/ref=sr_1_fkmr2_1?ie=UTF8&qid=1352280569&sr=8-1-fkmr2&keywords=Islamic+Imperialism%3A+A+History+%5BEnglisch%5D+%5BGebundene+Ausgabe%5D+Efraim+Karsh
Zitat von ratloser im Beitrag #21Der Islam ist eben keine reine spirituelle Religion. Er ist nach eigenem Selbstverständnis genauso eine sowohl die öffentlich "staatliche" Sphäre als auch den individuellen Alltag seiner Angehörigen dogmatisch regelnde und sanktionierende totalitäre Ideologie. Sie unterliegen in Ihrer Islamperzeption einem grundlegendem Mißverständnis, was den Charakter des Islam angeht.
Mit dieser Meinung - der ich zustimme - vertreten wir eine Mindermeinung.
Es ist einfach so, daß Zettel - wie eben die meisten Betrachter - den Islam für etwas ähnliches wie Christentum, Buddhismus, Hinduismus oder gar Judentum halten. Tatsächlich ist es aber eher so etwas wie Stalinismus. Insbesondere die ebenso abgestufte massiv gewalttätige Intoleranz gegenüber Abweichlern und Ungläubigen spiegelt sich hier.
Es ist so und der Islam, dazu gibt es vielfältige Zeugnisse, sieht sich auch selber so. Ich will das hier nicht weiter ausführen. Wer es genauer wissen will gebe "Scharia" ein und erfährt dort, dass der Islam sowohl das religiöse als auch das staatliche Zusammenleben der Menschen verbindlich regelt.
Eine Anmerkung nocht: In die Aufzählung der Religionen passt das Judemtum m.E. nicht hinein, weil es eine Sonderstellung unter den Religionen einnimmt.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.