Zitat von Zettel im Beitrag #1Jetzt ist der Weg frei für eine istlamistische Republik Ägypten.
Schön, dass ich u.a. Ägypten noch bereist habe, bevor die Islamisten überall Fuß fassten. Schade nur, dass ich keine Chance mehr hatte Persien zu besuchen.
---------------------------------------------------- Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.
Jetzt ist der Weg frei für eine istlamistische Republik Ägypten.
Nicht überraschend, nicht wahr? Es ist allerdings erst der Anfang auf dem Weg zum Kalifat, aber das habe ich bereits erwähnt. Warum sollte sich die Muslimbruderschaft, endlich an die Macht gekommen, verhalten als wäre sie eine politische Partei? Es verläuft alles nach Plan.
Es gibt allerdings auch massive Proteste. Sind die Revolutionäre von gestern die Konterrevolutionäre von heute?
Zitat von AJEMorsi framed his decisions as necessary to protect the revolution that ousted Mubarak nearly two years ago and to cement the nation's transition to democratic rule.
Zitat von Der AußenministerWir haben ein großes Interesse daran, dass sich das Leitbild islamisch-demokratischer Parteien verfestigt. Deshalb sollten wir es nach Kräften unterstützen.... "Islamische Orientierung bedeutet nicht per se rückwärts gewandte, anti-moderne, anti-demokratische und unfreiheitliche Gesinnung."
Jetzt ist der Weg frei für eine istlamistische Republik Ägypten.
Nicht überraschend, nicht wahr?
Überraschend für mich war im August, daß es keine erkennbare Gegenwehr vom SCAF gegeben hat. Das Militär hatte bis dahin das Land weitgehend beherrscht; nicht nur durch die Sicherheitskräfte, sondern auch sein Wirtschaftsimperium. Der SCAF hatte sich bis dahin entscheidende Rechte vorbehalten wie ein Veto bei Bestimmungen der Verfassung und die Entscheidung über den Einsatz der Armee.
Morsi hatte ja kaum mehr Stimmen bekommen als Shafiq. Er hat also halb Ägypten gegen sich.
Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Gegenwehr es gegen die Machtergreifung bisher gegeben hat. Aber vielleicht ändert sich das ja in diesen Stunden.
Zitat von Zettel im Beitrag #4Gegenwehr vom SCAF gegeben hat. Das Militär hatte bis dahin das Land weitgehend beherrscht; nicht nur durch die Sicherheitskräfte, sondern auch sein Wirtschaftsimperium. Der SCAF hatte sich bis dahin entscheidende Rechte vorbehalten wie ein Veto bei Bestimmungen der Verfassung und die Entscheidung über den Einsatz der Armee.
Zitat von Daniel Pipes und Cynthia FarahatThey missed one hidden factor: Muslim Brotherhood-oriented military officers turn out to have been far more numerous and powerful than previously realized. They knew about the Aug. 24 plot and helped Mr. Morsi beat it. If it was long apparent that some officers had a sympathetic outlook toward the Brotherhood, the extent of their network has only just come out in the three months since the coup.... The Muslim Brotherhood infiltrated the military in the 1940s, standing behind the Free Officers movement that overthrew King Farouq in 1952. After having been shut out in the period 1954 through 1974, the Muslim Brotherhood then rebuilt its network of officers in ways invisible and unknown to outside observers, including ourselves. One top Muslim Brotherhood figure, Tharwat al-Kharabawi, now acknowledges that some of the organization’s members “became high-ranking leaders in the military.”
Zitat Morsi hatte ja kaum mehr Stimmen bekommen als Shafiq. Er hat also halb Ägypten gegen sich.
Bei einer Wahlbeteiligung von 52%. Viel entscheidender ist die hohe Disziplin und Mobilisierungsfähigkeit der Muslimbruderschaft, dann reichen ein paar hunderttausend aus.
Zitat Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Gegenwehr es gegen die Machtergreifung bisher gegeben hat. Aber vielleicht ändert sich das ja in diesen Stunden.
Es kann allerdings auch dazu führen, dass die Opposition ganz ausgeschaltet wird. Ich halte die Muslimbruderschaft für völlig skrupellos. Mursi würde nicht so einen Schritt wagen, wenn er nicht seiner Sache völlig sicher wäre.
Von der theokratischen Unterfütterung einmal abgesehen: Aber entspricht diese Art der Machtergreifung (v.a. die geduldige Unterwanderung des Militärs) nicht genau den Vorstellungen der Kommunisten, jedenfalls der Leninschen Schiene (bei den Maoisten scheint man dann später eher auf die Wildwestvariante gesetzt zu haben: Dschungelkampf, Partisanen pp., bis hin zu den Khmer Rouge & dem Sendero luminoso)? Der Staatsstreich im November 1917 war ja den besonderen Zeitumständen geschuldet; und nach dem 2. Weltkrieg verlief das in Osteuropa ja recht genau nach diesem Fahrplan. Hat man bei den Brüdern also aus dieser Quelle getrunken?
Jetzt ist der Weg frei für eine istlamistische Republik Ägypten.
Nicht überraschend, nicht wahr?
Überraschend für mich war im August, daß es keine erkennbare Gegenwehr vom SCAF gegeben hat. Das Militär hatte bis dahin das Land weitgehend beherrscht; nicht nur durch die Sicherheitskräfte, sondern auch sein Wirtschaftsimperium. Der SCAF hatte sich bis dahin entscheidende Rechte vorbehalten wie ein Veto bei Bestimmungen der Verfassung und die Entscheidung über den Einsatz der Armee.
Morsi hatte ja kaum mehr Stimmen bekommen als Shafiq. Er hat also halb Ägypten gegen sich.
Es ist schon bemerkenswert, wie wenig Gegenwehr es gegen die Machtergreifung bisher gegeben hat. Aber vielleicht ändert sich das ja in diesen Stunden.
Herzlich, Zettel
Überraschend ist die entwicklung nur für den, lieber zettel, der das wesen der ideologie islam nicht erkennen mag oder will. ;-)
Zitat von ratloser im Beitrag #7Überraschend ist die entwicklung nur für den, lieber zettel, der das wesen der ideologie islam nicht erkennen mag oder will. ;-)
Wesensschau ersetzt leider nicht die Analyse.
Wie der jetzige Machtkampf ausgeht, ist offen. Das Militär wird vermutlich nur so lange stillhalten, wie seine Pfründe nicht gefährdet sind. Die fast 50 Prozent der Ägypter, die Shafiq gewählt haben, werden wahrscheinlich nicht stillhalten.
Morsi folgt dem Muster kommunistischer Machtergreifungen; wie ja überhaupt die Moslembrüder von den Kommunisten viel gelernt haben. Aber die Kommunisten haben immer dafür gesorgt, sich vorrangig die Kontrolle über die Polizei und das Militär zu sichern. Das haben die Moslembrüder bisher nicht hinbekommen.
Der Sturz Mubaraks ging wesentlich auf Unzufriedenheit in den Obristenrängen zurück, deren Karriere durch die alten Generäle blockiert wurde. Nun die Macht an die Moslembrüder abzugeben, war natürlich nicht vorgesehen. Und die Macht kommt bekanntlich immer noch aus den Gewehrläufen.
Wie diese Revolution ausgeht, weiß noch niemand. Außer Ihnen natürlich, lieber ratloser.
Zitat von C. im Beitrag #3Nicht überraschend, nicht wahr? Es ist allerdings erst der Anfang auf dem Weg zum Kalifat, aber das habe ich bereits erwähnt. Warum sollte sich die Muslimbruderschaft, endlich an die Macht gekommen, verhalten als wäre sie eine politische Partei? Es verläuft alles nach Plan.
Tja, was an Thanksgiving so alles über die Bühne geht - einen Tag, nachdem sich Hillary eilig auf den Weg nach Hause aufgemacht hat. Hat man schon irgendwelche heftigen Reaktionen unserer Freunde der Demokratie gehört oder gelesen? Westerwelle? Oder konnten sie sich noch nicht mit Hillary synchronisieren?
Im Übrigen scheint Erdogan sich seinen Weg durch die Instanzen etwas subtiler zu bahnen. Das Ziel dürfte aber das gleiche sein.
Gestützt hauptsächlich auf eine gestrige Analyse von Stratfor, untersuche ich in dieser Folge der Serie, warum Morsi sich schon jetzt zu dem riskanten Schritt entschloß, alle Macht an sich zu reißen.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Jetzt ist der Weg frei für eine istlamistische Republik Ägypten.
Wenn nicht das Militär eingreift. Wobei die Reaktion im Westen vorhersehbar wäre: Ein solches Eingreifen gegen einen "demokratisch gewählten Präsidenten" würde heftige Kritik ernten, vielleicht sogar zu Sanktionen führen. Während die Machtübernahme der Islamisten unkritisch hingenommen würde.
Es ist bemerkenswert, daß der Widerstand gegen die Machtergreifung der Scharia-Fraktion so stark ist.
Doch wie sieht das langfristig aus ?
Entschieden wird der Machtkampf um die Ausrichtung der ägyptischen Gesellschaft von den Faktoren
- wessen Anhängerschaft ist zahlenmässig größer - noch wichtiger: Wie entschlossen sind die jeweiligen Anhänger, zu welchem Engagement und Opfern sind sie bereit - wie gut organisiert sind sie - welche Vision treibt sie an, und wie stark ist die daraus bezogene Motivation - wie groß ist der Einfluß auf Sozialisationsinstanzen Medien, Schulen, Universiätäten, Moscheen
Unterscheidet man die rivalisierenden Gruppen grob schematisiert in moderat Religiöse und Säkulare, und fundamental Religiöse, sieht es ungefähr so aus:
Zahlenverhältnis: Vielleicht ungefähr halb und halb Engagement: Bei den Säkularen professionell organisiert beim Militär und der Justiz, Basisengagement bei der "Twitter-Jugend". Bei den Fundamentalisten über die politischen Organisationen hinaus sehr präsent in karikativen Organisationen. In der Vergangenheit war man bereit auch massive Verfolgung hinzunehmen für seine Überzeugungen. Organisation: Bei den Säkularen in ihren Berufsinstanzen und über das Internet, bei den Religiösen über Jahrzehnte gewachsene Zusammenschlüsse mit straffer Hierarchie und etablierten Autoritäten besonders im Klerus. Vision: Westlich-postsozialistisch ausgerichtet, relativ unscharf in den Konturen bei den Säkularen, die Fundamentalisten berufen sich auf das glasklare gesamtgesellschaftliche Konzept des Islam, das auch von den Säkularen nicht gänzlich in Frage gestellt werden kann. Sozialisation: Medien und Internet stehen gegen Medien, Internet und Moscheen. In den Moscheen begegnen sich jedoch die Menschen regelmässig und erleben sich als Gemeinschaft, die theoretisch jederzeit zur Handlung schreiten kann.
Klar ist, die Fundamentalreligiösen sind von ihrem Konzept überzeugt und zu hohen Opfern bereit falls nötig. Die Säkularen werden ab einem bestimmten Druck einfach aufgeben.
Blickt man auf Ägypten etwa 40 Jahre zurück, erkannt man sofort in welche Richtung das Land sich entwickelt hat, und es gibt keine Anzeichen dafür, daß sich dies ändern wird.
Article 1 The Arab Republic of Egypt is an independent state with sovereignty. It is unified and indivisible and its system is democratic. The Egyptian People are part of the Arab and Islamic nations, proud of belonging to the Nile Basin, Africa and Asia, and contribute positively to the human civilization.
Article 2 Islam is the religion of the State, Arabic is its official language and the principles of the Islamic Sharia* are the main source of legislation.
Article 3 The principles of Christian and Jewish doctrines are the main source of legislations to the followers of Christianity and Judaism in their personal status, the practice of their religious affairs and the choice of their spiritual leaders.
Article 4
Al-Azhar is an independent Islamic institution, its headquarters in Cairo and its domain is the Islamic nation, and the whole world. It shall be responsible for spreading the Islamic call and the religious scholarship. The State shall ensure all the sufficient financial allocations for the achievement of its objectives and the law shall determine the section of the Rector of Al-Azhar, who shall be independent and impeachable.
The Council of Al-Azhar’s Senior Scholars shall be consulted on issued related to Islamic Sharia.
...
Article 221* The principles of the Islamic Shari'a include its [Sharia's] general sources [Qur'an, Prophet's Sunna/sayings and actions, consensus, reasoning from analogy], the principles and maxims of its [Sharia's] theoretical and practical jurisprudence, and its reliable and authoritative sources in Sunni [orthodox] legal and theological reasoning.
An die Mädels wurde auch gedacht:
Article 9 Family is the basis of society and is founded on religion, ethics and patriotism.
The State and the society have to maintain the authentic character of the Egyptian family, and to work on its cohesion, stability and protection of its traditions and moral values
...
Article 68 The State is committed to taking all measures to establish equality between women and men in political, cultural, economic and social life and all other fields without prejudice to the provisions of Islamic Sharia.
The State provides mother and child services for free and guarantees for women health, social, and economic care, inheritance right and adjustment between her family duties and work in society.
The State pays special protection and care of breadwinners, divorced, widowed women and other women most in need.
Article 4 Al-Azhar is an independent Islamic institution, its headquarters in Cairo and its domain is the Islamic nation, and the whole world. It shall be responsible for spreading the Islamic call and the religious scholarship. The State shall ensure all the sufficient financial allocations for the achievement of its objectives and the law shall determine the section of the Rector of Al-Azhar, who shall be independent and impeachable.
The Council of Al-Azhar’s Senior Scholars shall be consulted on issued related to Islamic Sharia.
Danke der Klärung. Ein Seitenstück, aber immerhin:
Auch vielleicht distanzierten Betrachtern stellen sich da ja Fragen: - Wieso fällt es in den Zuständigkeitsbereich der Universität, zur kulturellen Bereicherung durch die Errichtung einer Moschee im innersten Stadtzentrum, 300 m vom Dom entfernt, beizutragen? - und wieso wird die Universität (immerhin mit Billigung der Rektorin) in diesem Fall (über die Anbindung das Zentrum für Islamische Theologie *) zur Außenstelle der Kairoer Al-Azhar Universität? * Die "Entsorgung" des Plans einer historisch-kritischen Ausgabe/Übersetzung des Koran durch Sven Kallisch an eben diesem Institut läßt da wenig Freude aufkommen.
Die Uni Münster kann sich also ganz offiziell ins Programm schreiben, daß sie zu ihren Aufgaben die Verbreitung der Scharia in der Stadt Münster zählt.
Zitat von ASta laut WNDie Angst vor Einflussnahme von Geldgebern und somit vor einer Abhängigkeit der Wissenschaft dürfe nicht „zur Bedienung rechtsgerichteter Ressentiments“ verwendet werden.
Warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und Münster in Masdschid umbennen um ein deutliches Zeichen gegen den Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft setzen.
In dieser illustren Runde darf der AStA Münster natürlich nicht fehlen.
Aber zurück zu Mursi, der ist doch nicht echt, oder? Er wirkt auf mich als ob sich Muhammed Saeed al-Sahaf, auch bekannt als der irakische Informationsminister, noch ein paar ägyptische Pfund dazuverdienen will, bevor er die Rente einreicht.
Die vom Verfassungsrat vorgeschlagene Abstimmung entspricht ganz sicher nicht den Standards, die man an einen liberalen, religiös neutralen und demokratischen Staat stellen muss. Und wäre ich Ägypter, stünde ich ganz sicher auch auf der Straße um dagegen zu protestieren.
Aus der Außensicht sehe ich die Lage aber deutlich gelassener als anscheinend die meisten hier. Sicherlich nicht, weil ich ein Anhänger der Muslimbrüderschaft bin oder Mursis demokratischen Äußerungen vertraue, sonder weil ich weiß, dass auch die Muslimbrüder realpolitischen Zwängen ausgeliefert sind. Und im Gegensatz zu den Salafisten handelt es sich bei den Muslimbrüdern größtenteils um Realisten, wenn auch natürlich machtbewusste.
Ich schätze die aktuelle Situation in Ägypten so ein, dass Mursi und die Muslimbrüder das momentane Machtvakuum auszunutzen, welches durch die gegenseitge Blockade der Staatsorgane entstanden ist, um eine ihnen möglichst genehme Verfassung durchzudrücken. Ich habe aber auch den Eindruck, dass sie ihre Stärke und ihren Rückhalt in der Bevölkerung überschätzen.
Hehre Worte in der Verfassung sind schön und gut, aber Papier ist geduldig und entscheidend ist deshalb letztlich in erster Linie die politische Praxis. Dass der Staat mit religiöser Begründung ins Privatleben der Bürger hineinregieren will muss für jeden aufgeklärten Menschen ein Unding sein, aber viel wichtiger ist, ob Ägyptens Bevölkerung in Zukunft die Möglichkeit hat, die Regierung friedlich über die Wahlurnen auszutauschen.
Die Ähnlichkeiten mit kommunistischen Machtergreifungen oder mit der Kaperung der iranischen Revolution durch die Ayatollahs lassen zwar auch für diesen Punkt Sorgen aufkommen, allerdings ist Ägypten in einer völlig anderen Situation. Kommunistische Regime hatten mit der Sowjetunion einen starken Partner, auf dessen wirtschaftliche und militärische Unterstützung sie sich verlassen konnten. Für Russland selber galt dies natürlich nicht, aber Russland ist eines der wenigen Länder der Welt, die groß genug sind, um eine weitgehend autarke Wirtschaft zu unterhalten. Und auch die Installation der Islamischen Republik im Iran fand selbstverständlich unter dem Hintergrund des kalten Krieges statt, welcher die Einflussmöglichkeiten der USA zumindest teilweise begrenzt hat.
Heute hingegen leben wir aber – vielen voreiligen Nachrufen auf die Supermachtstellung der USA zum Trotz – in einer von der USA als Hegemonialmacht dominierten Welt, wobei Ägypten ganz besonders auf die (wirtschaftliche) Unterstützung der USA angewiesen ist. Die Handlungsmöglichkeiten der Islamisten sind dadurch in vielen Bereichen beschränkt. Zwar haben die Vereinigten Staaten ein starkes Interesse an Stabilität im Mittleren Osten – was für Ägypten als einer der größten und stärksten Staaten dieser Region ganz besonders gilt – weshalb sie Mursi wegen seiner bisherigen Aktionen noch nicht den Geldhahn abdrehen werden. Ob dies auch für die Einrichtung einer islamischen Diktatur gelten würde, bezweifle ich jedoch stark.
Ohne amerikanische Finanzhilfen aber würde Ägyptens Wirtschaft zusammenbrechen. Und auch die Muslimbrüder wissen, dass die wirtschaftliche Entwicklung für den allergrößten Teil der Ägypter ein viel wichtigerer Punkt ist, als Bürgerrechte oder Religion. Schließlich war die Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Stagnation stärkster Auslöser für den arabischen Frühling, und nicht in erster Linie der Wunsch nach bürgerlichen Freiheiten, auf den wir uns im Westen auf Grund unserer kulturellen und historischen Prägung manchmal vorschnell fokussieren.
Der wichtigste Punkt ist aber, dass ich glaube, dass die Muslimbrüder momentan in demokratischen Wahlen für sich keine große Gefahr sehen. Zwar geben die Wahlergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen keine absolute Mehrheit für die Islamisten in der Bevölkerung her, aber wer glaubt im Besitz der allein selig machenden Wahrheit zu sein, redet sich leicht ein, dass es ihm gelingen wird, auch den Rest der Bevölkerung davon zu überzeugen, wenn man ihm nur die Möglichkeit dazu gibt. Dazu kommt, dass die Muslimbrüderschaft zumindest kurzzeitig von den inneren Kämpfen unter den Salafisten profitieren wird.
Wer sich aber die wirtschaftlichen Vorstellungen der Muslimbrüderschaft anschaut, erkennt schnell, dass auf diese Art und Weise der wirtschaftliche Aufschwung nicht zu erreichen sein wird. Ohne diesen wird jedoch der derzeit noch vorhandene Rückhalt der Islamisten in der Bevölkerung zusammenschmelzen, was einer geeinten Opposition aus Anhängern des alten Regimes und Liberalen bzw. Säkularen eine realistische Chance gibt, spätestens nach einer Legislaturperiode eine Mehrheit zu holen. Zumal das Beispiel Iran zeigt, dass die Menschen den vermeintlichen Segnungen eines islamischen Staates wesentlich kritischer gegenüberstehen, wenn sie diese erst Mal real erfahren haben. Und auch die islamistischen Einschränkungen in der derzeitigen Verfassung werden in diesem Fall nicht viel bewirken. Denn dadurch, dass sie jetzt die Verfassung durchpauken, sorgen die Islamisten gleichzeitig dafür, dass dieser Verfassung die nötige Legitimität fehlt um solche Punkte dauerhaft unangreifbar zu machen.
Wie immer in der Politik handelt es sich bei meinem Geschrieben natürlich nur um begründete Spekulationen und nicht um Ereignisse, von denen ich weiß, dass sie zweifelsfrei eintreffen werden. Schließlich bin ich kein Hellseher. Aber für mich sind das gute Gründe um für übermäßigen Pessimismus in Bezug auf Ägypten und den Nahen Osten noch keinen Anlass zu sehen.
Zitat von LD im Beitrag #16Die vom Verfassungsrat vorgeschlagene Abstimmung entspricht ganz sicher nicht den Standards, die man an einen liberalen, religiös neutralen und demokratischen Staat stellen muss. Und wäre ich Ägypter, stünde ich ganz sicher auch auf der Straße um dagegen zu protestieren.
Aus der Außensicht sehe ich die Lage aber deutlich gelassener als anscheinend die meisten hier. Sicherlich nicht, weil ich ein Anhänger der Muslimbrüderschaft bin oder Mursis demokratischen Äußerungen vertraue, sonder weil ich weiß, dass auch die Muslimbrüder realpolitischen Zwängen ausgeliefert sind. Und im Gegensatz zu den Salafisten handelt es sich bei den Muslimbrüdern größtenteils um Realisten, wenn auch natürlich machtbewusste.
Ich stimme Ihnen weitgehend zu, lieber LD, und danke Ihnen für diesen lesenswerten Beitrag. Ich halte allerdings die Lage für offener, als Sie es, glaube ich, tun.
Daß die Moslembrüder wie die Salafisten ein von der Scharia bestimmtes Ägypten wollen, ist eindeutig. Man kann das hier nachlesen; und in der kaum vier Wochen alten Erklärung, die ich hier zitiere.
Die Frage - die Sie zu Recht aufwerfen - ist, wieweit sich gegenüber diesen Zielen unter dem Druck der Verhältnisse eine pragmatische Politik durchsetzt.
Ich weiß das nicht. Ich halte die Entwicklung für völlig offen. Es gibt historische Beispiele für beides: Auch bei Hitler dachten viele, man werde ihn "einrahmen" können, er werde unter dem Druck der Gegebenheiten seine Ziele aus "Mein Kampf" aufgeben usw. Nach 1945 glaubten viele an Demokratien auch in Osteuropa, die ja auch ein paar Jahre lang existierten. Als Castro die Macht übernahm, war er in den USA populär, weil die meisten keine kommunistische Diktatur, sondern einen linksliberalen Staat erwarteten. - Andererseits gibt es Fälle von Radikalen, die an der Macht gemäßigter wurden. Im Augenblick fällt mir allerdings nur Ortega ein. Vielleicht noch einige Führer afrikanischer Länder wie Touré und Nkrumah.
Zitat von LD im Beitrag #16Heute hingegen leben wir aber – vielen voreiligen Nachrufen auf die Supermachtstellung der USA zum Trotz – in einer von der USA als Hegemonialmacht dominierten Welt, wobei Ägypten ganz besonders auf die (wirtschaftliche) Unterstützung der USA angewiesen ist. Die Handlungsmöglichkeiten der Islamisten sind dadurch in vielen Bereichen beschränkt. Zwar haben die Vereinigten Staaten ein starkes Interesse an Stabilität im Mittleren Osten – was für Ägypten als einer der größten und stärksten Staaten dieser Region ganz besonders gilt – weshalb sie Mursi wegen seiner bisherigen Aktionen noch nicht den Geldhahn abdrehen werden. Ob dies auch für die Einrichtung einer islamischen Diktatur gelten würde, bezweifle ich jedoch stark.
Auch da bin ich nicht sicher. Die USA haben früher Diktaturen unterstützt; warum soll das Obama nicht jetzt auch tun? Ich fand es sehr beunruhigend, daß Hillary Clinton Morsi ostentativ gelobt und die Feuerpause gemeinsam mit ihm verkündet hat. Daß ihn das innenpolitisch aufwerten würde, liegt ja auf der Hand.
Zitat von LD im Beitrag #16Und auch die Muslimbrüder wissen, dass die wirtschaftliche Entwicklung für den allergrößten Teil der Ägypter ein viel wichtigerer Punkt ist, als Bürgerrechte oder Religion. Schließlich war die Unzufriedenheit über die wirtschaftliche Stagnation stärkster Auslöser für den arabischen Frühling, und nicht in erster Linie der Wunsch nach bürgerlichen Freiheiten, auf den wir uns im Westen auf Grund unserer kulturellen und historischen Prägung manchmal vorschnell fokussieren.
Das entspricht auch meinem Informationsstand. Ich glaube auch, daß es mit einer islamistischen Republik Ägypten wirtschaftlich weiter bergab gehen würde. Aber bis die Bevölkerung das merkt, könnte es für einen demokratischen Wechsel schon zu spät sein. Es bliebe dann nur eine erneute Revolution, wie sie im Iran im Sommer 2009 versucht worden ist.
Zitat von LD im Beitrag #16 Zumal das Beispiel Iran zeigt, dass die Menschen den vermeintlichen Segnungen eines islamischen Staates wesentlich kritischer gegenüberstehen, wenn sie diese erst Mal real erfahren haben.
Dieses Beispiel, lieber LD, zeigt aber auch, daß ihnen das nicht viel hilft. Wenn die Moslembrüder erst einmal fest im Sattel sitzen, dürfte ein demokratischer Machtwechsel ausgeschlossen sein. Eine islamistische Republik kann nicht von Säkularen regiert werden.
In der Berichterstattung der Medien, beispielsweise bei "Spiegel-Online", dominieren die Demonstrationen gestern und heute.
In dieser Marginalie mache ich darauf aufmerksam, daß die machtpolitische Weichenstelleung aber in den kommenden Tagen aus der Auseinandersetzung zwischen Islamisten und Justiz, mit dem Militär als Machtfaktor im Hintergrund, hervorgehen wird.
Zitat von Zettel im Beitrag #18 In dieser Marginalie mache ich darauf aufmerksam, daß die machtpolitische Weichenstelleung aber in den kommenden Tagen aus der Auseinandersetzung zwischen Islamisten und Justiz, mit dem Militär als Machtfaktor im Hintergrund, hervorgehen wird.
Das Militär mit Muslimbrüdern in den eigenen Reihen wird es sich dreimal überlegen sich die Bruderschaft, Saudiarabien und die Golfstaaten zum Feind zumachen, sonst könnte Ägypten ein zweites Syrien werden. Dann lieber mit Morsi in die islamische Republik, zumal die USA ebenfals keine Anstalten macht Partei gegen die Muslimbruderschaft zu ergeifen und Morsi zudem schon den Staatsbesuch in Deutschland im Januar plant.
Zitat von Zettel im Beitrag #18In der Berichterstattung der Medien, beispielsweise bei "Spiegel-Online", dominieren die Demonstrationen gestern und heute.
In dieser Marginalie mache ich darauf aufmerksam, daß die machtpolitische Weichenstelleung aber in den kommenden Tagen aus der Auseinandersetzung zwischen Islamisten und Justiz, mit dem Militär als Machtfaktor im Hintergrund, hervorgehen wird.
Die letzte Hoffnung westlicher Tagträumer ist dann doch immer das Militär. Im Iran war das so. In Pakistan war das so. In der Türkei war das so. In Ägypten ist das so.
Diese Hoffnung stirbt zu letzt, aber doch zuverlässig.
Die die Hirne der Einwohner prägende Ideologie in den islamisch dominierten Ländern ist die des nach Dominanz strebenden Islams. Die MB wird von den islamischen Massen als Avantgarde dieser Ideologie angesehen und entsprechend unterstützt.
In einem Land mit 80 000 000 Millionen Einwohnern mögen die eher säkularen (zumeist dezidiert linken) Dissidenten absolut viel erscheinen, relativ handelt es sich aber um eine eindeutige Minorität. Die Annahme, die MB würde nur ein "Machtvakuum" auszunutzen versuchen, das durch "gegenseitige Blockade der Staatsorgane und Oppositionsgruppen" entstanden ist, verfüge aber selber über keine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung, ist pures Wunschdenken.
Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung unterstützt die Transformation Ägyptens in ein islamistisches Totenhaus.
Morsi ist dabei nur der Statthalter, der den demokratischen Übergang hin zur zutiefst undemokratischen sharaiakonformen Diktatur managen soll. Das hat er mit einiger taktischer Kompetenz geschafft. Die treibende Kraft hinter Morsi ist aber die MB-Ikone Khairat al-Shater, dessen Teilnahme an der Präsidentenwahl das Militär noch zu verhindern wusste.
Shater über die Ziele der MB (aus einer Rede im April 2011, kurz nach Annahme des Referendums im Sinne der MB im März 2011 mit 78 zu 22 % der Stimmen gegen den Widerstand der säkularen Opposition und der christlichen Gruppierungen, die realistischer waren, als die vom "arabischen Frühling" betörten westlichen Intellektuellen):
Zitat You all know that our main and overall mission as Muslim Brothers is to empower God’s religion on earth, to organize our life and the lives of the people on the basis of Islam, to establish the Nahda [i.e., the Renaissance] of the ummah [i.e., the notional global Muslim nation] and its civilization on the basis of Islam, and to subjugate people to God on earth
Mittlerweile ist diese Transformation soweit vorangeschritten, dass es ohne großen Protest möglich ist, einfach das Verfassungsgericht durch einen islamistischen Mob an der Versammlung zu hindern. Im Gegensatz zur Türkei, in der Erdogan die Justiz nach und nach "shariakonform" umpersonalisierte, besteht die Justiz in Ägypten nämlich noch zu großen Teilen aus Propagandisten der ungenügend "shariakonformen" Mubarak-Ära. Deshalb fällt es Morsi auch leicht, die einzige relevante Opposition gegenüber einer islamistischen Transformation zu delegitimieren.
Der Weg der MB an die Macht war begleitet von unzähligen Lügen und falschen Versprechungen, um während der vulnerablen Anfangsphase den (in die MB als "moderate Islamisten" eh schon verliebten) Westen nicht zu überstrapazieren. Den Versprechungen von Islamisten Glauben zu schenken, war naiv, ist naiv und bleibt naiv.
Wie in den anfangs erwähnten Transformationen zwischenzeitlich säkularer Gesellschaften in islamistische Diktaturen, werden die westlichen Islamapologeten bis zuletzt am Bild eines gesellschaftlichen Pluralismus festhalten, um nach nicht mehr zu leugnender Manifestation der islamisch totalitären Gesellschaftsform ("shariakonform" ist ein schöner Euphemismus) auf den Pragmatismus-Modus umzuschalten.
Zwischenzeitlich hat Morsi die Islamgelehrten der al-Azhar Universität zu offiziellen Beratern der Regierung in Sachen Shariakonformität berufen..de facto also als oberste Machtinstanz im Staate Ägyptens. Diese Autoritäten umfassen djihadistische Eiferer wie Sheikh Qaradawi und den "Blind Sheikh". Deren Auffassung von "shariakonform" ist eindeutig: "death to apostates from Islam; “charitable” contributions to those fighting jihad (expressly defined as “war against non-Muslims”); discrimination against women; discrimination against non-Muslims; death to homosexuals; death to those who spy against Muslims; death by stoning for adulterers"
Ägypten wird die shiitische Version des iranischen Totalitarismus...aber die westlichen Intellektuellen träumen weiter.
Zitat von uniquolol im Beitrag #24@zettel: War dies wirklich Ihre Antwort auf diesen Beitrag von "ratloser"? Ist irgendwie gar nicht "zettel-like"...
EDIT - (gelernt ist gelernt): Gruß
Antwort? Der Beitrag sagt unterm Strich, dass alle außer dem Autor naiv sind. Erwarten Sie ein Dementi?
Zettel versucht dankenswerterweise auf dem Stand der Fakten zu halten, und ich behalte mir beispielsweise vor, diese selbst zu interpretieren. Wer Nachhilfe braucht, bitte.
Wer Sorge hat vor den Umtrieben von Islamisten, der sollte sich für die geeigneten Maßnahmen hierzulande interessieren. Wenn die Abwehrdienste ihre ganzen Resourcen auf den Rechtsextremismus konzentrieren, fehlt es an anderer Stelle. Vielleicht ist es auch bequemer als das Studium nahöstlicher Sprachen.
An den Abläufen in Ägypten werden wir wenig ändern können, so interessant sie auch sein mögen. Allerdings wäre so manches in dem letzten Jahr im nahen Osten wohl anders verlaufen, wenn nicht ein Herr Sarkozy im Wettbewerb mit einem Herrn Bernard Henry Levy in Libyen gezündelt hätten. Deutschland hat damals noch versucht, sich zurückzuhalten. Seither hat aber Westerwelle wohl Kreide gefressen.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.