Je ähnlicher sich Menschen sind, desto eher erkennen sie die kleinen Unterschiede, die sie doch noch unterscheidet. Und deshalb macht es auch so viel Spass, die kleinen Unterschiede zwischen den deutschen Volksstämmen (die z.B. ein Engländer, für den wir alle einfach "Deutsche" sind, gar nicht erkennen würde) in tiefgreifende Vorurteile zu gießen.
Zur Erheiterung noch eine kleine Kolportage: Vor über 10 Jahren habe ich einmal im Zürcher Tagesanzeiger einen Artikel über die Vorurteile der Schweizer gelesen, den ich damals schier unglaublich fand. In irgendeiner (vielleicht nicht ganz professionellen, dafür aber sehr erheiternden) Umfrage wurden Schweizer nach ihren Vorurteilen befragt: welche Volksgruppen sehen sie positiv, welche negativ. Es gab dabei zwei Auswertungen: Vorurteile national (d.h. Schweiz intern) und international.
Bei den nationalen Vorurteilen "gewannen" mit großem Abstand die Aargauer, die anscheinend niemand mag. Nicht einmal sie sich selbst.
Bei den internationalen Vorurteilen landeten die Deutschen glaube ich irgendwo auf Platz 4 oder 5. Auf Platz 2 waren die Albaner. Und auf Platz 1 waren ... die Aargauer. Kein Volk weltweit findet der gemeine Schweizer also problembehafteter als die Aargauer. (Woran das nun genau liegt, wird man als nicht ortskundiger Deutscher wahrscheinlich gar nicht so genau nachvollziehen können).
Übrigens gab es auch sonst viele nette Vorurteile, die da seziert wurden. Die Großbasler glauben zum Beispiel von den Kleinbaslern, sie würden klauen. Die Kleinbasler glauben von den Großbaslern ebenfalls, sie würden klauen - nur im großen Stil. uvm...
Zitat von FlorianEs gibt einen ganz deutlichen Unterschied zwischen Badenern und Württembergern, den ja auch viele Mitforisten erkennen: Die Badener sind lebenslustig, feierfreudig und nett. Die Schwaben sind strebsam, unlustig und verbissen.
Meine persönliche Erklärung für dieses Phänomen: Die Badener sind Katholiken, die Württemberger Protestanten (und zwar sogar eine besonders ausgeprägte Subspezies. Teilweise auch Piätisten).
Das ist wahrscheinlich der dominierende Grund. Hinzufügen könnte man im Fall der Badener noch die Nähe zu Frankreich. Und überhaupt die Lage an einer der wichtigsten Verbindungslinien Deutschlands, der Oberrheinischen Tiefebene, was zwangsläufig viel Kontakt mit Menschen anderer Herkunft bedeutet.
Zitat von FlorianEs tut übrigens richtig gut, hier einmal alle seine Vorurteile in aller Plattheit ausleben zu können.
Und wie!
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Zettel im Beitrag #1Die Preußen. Es wird Zeit, daß man ihnen wieder ihren ehrlichen Namen gibt, den Berlinern und Brandenburgern. Vielleicht schaffen sie ja irgendwann doch noch die Wiedervereinigung zum Bundesland Preußen.
Da muss ich doch freundlich insistieren. Gemeinsames Bundesland hin oder her: das ist eine politische Frage. Aber Brandenburger kommen aus Brandenburg, Berliner von überall her. Berliner kann man mit der Zeit werden, Brandenburger? Schwerlich.
Und Preußen? Preußen halte ich eher für eine "Idee". Nicht für eine Landsmannschaft, jedenfalls in seiner späteren Entwicklung. Der bekannteste Fußballverein meiner Geburtsstadt Dortmund hat sich (damals, bei seiner Gründung) nicht umsonst "Borussia" als Beinamen gegeben. Davon sind heute in der Gegend allenfalls Fragmente geblieben, vom Preußentum.
Zitat von Reinhard im Beitrag #28Und Preußen? Preußen halte ich eher für eine "Idee". Nicht für eine Landsmannschaft, jedenfalls in seiner späteren Entwicklung.
Es war ja nicht nur Idee, sondern Realität.
Nach 1945 wurde Preußen herabgewürdigt und absurderweise für die Verbrechen des Österreichers Hitler, des Franken Himmler, des Rheinländers Goebbels in Haftung genommen. Preußen war aber liberal gewesen, und dann teils auch das "rote Preußen". Die Nazis, deren Hauptstädte München und Nürnberg waren, haben Preußen verabscheut.
Der Widerstand kam ganz wesentlich aus Kreisen des anständigen Preußen.
Ich räume gern ein, daß ich da voreingenommen bin. Ich bin philosophisch geprägt von Kant; ich bin ein Verehrer Fontanes. Ich schätze Friedrich II ungeheuer, seit ich mich mit seinem literarischen Werk befaßt habe. Ich sehe Preußen so wie Günther de Bruyn, der ihm sozusagen ein Denkmal nach dem anderen setzt.
Also mag ich Preußen; wie anders. Ich würde mich freuen, wenn es wieder ein Bundesland Preußen gäbt. Natürlich wird es das nicht geben.
Zitat von Reinhard im Beitrag #28Der bekannteste Fußballverein meiner Geburtsstadt Dortmund hat sich (damals, bei seiner Gründung) nicht umsonst "Borussia" als Beinamen gegeben.
Und mein Verein, die einst Unabsteigbaren, trägt das Jahr 1848 im Namen. Auch nicht schlecht.
Zitat von lepus im Beitrag #10Als gebürtiger Westfale wurmt es mich ein wenig, dass mein Stamm nur mit dem angeblich so fürchterlichen "Töttchen" Erwähnung findet (für alle, die damit keine kulinarische Erfahrung gemacht haben: Töttchen ist ein köstliches Kalbsragout!)
Ich habe, lieber Lepus, damit Erfahrungen gemacht.
Als ich mit meinem damaligen Prof und Arbeitgeber nach Münster gezogen war, wurde an einem der ersten Abende im Kleinen Kiepenkerl gefeiert (der nicht so hieß; eigentlich hieß nur der Große Kiepenkerl Kiepenkerl).
Ich wurde gedrängt, a) ein Alt zu trinken und b) ein Töttchen zu essen. Ich weiß nicht, was scheußlicher schmeckte; mir, dem Hessen, der gutes Essen und Trinken gewöhnt gewesen war.
Zitat von Zettel im Beitrag #30Ich weiß nicht, was scheußlicher schmeckte; mir, dem Hessen, der gutes Essen und Trinken gewöhnt gewesen war.
Spaßhafte Frage: Würden Sie aus einem gelegentlichen Temperaturwert in der Sahara (-10 °C) irgendwelche Schlüsse ziehen? Nach meiner Erfahrung sind kulinarische Einschätzungen oft durch lange familiäre und regionale Gewohnheiten und tradierte Vorurteile geprägt (was vermutlich stammesgeschichtlich zweckmäßig war). Ich versuche gelegentlich etwas gegenzusteuern mit der These: Was viele gern essen, kann so schlecht nicht sein.
Bezüglich dieses "Töttchens" also, was optisch an Gulaschsuppe erinnert, würde ich das gelegentlich mal an Ort und Stelle selber probieren. Allein von den Zutaten und der Zubereitung her dürfte es viele Varianten geben. (Dieses offene, experimentelle Vorgehen klappt natürlch nicht immer. Mit Labskaus zum Beispiel bin ich schon mehrfach gegen die Wand gelaufen.)
Allen Lesern & Schreibern ein gesundes und zufriedenes 2013!
Zitat Meine Eltern stammen beide aus dem Saarland (i.e. das Land, das es nicht wirklich gibt)...
Vor allem ist das Saarland ein Land, das von der eigenen Bevölkerung gering geschätzt wird. Die höchste Dichte an 3-Sterne-Köchen? Ach geh'. Den größten Waldanteil an der Landesfläche? Gab's doch schon immer. Mit der Saarbrücker Straßenbahn nach Frankreich auf einen Café au Lait? Morgens echte französische Baguettes aus Forbach? Die höchste KFZ-Dichte aller Flächenländer? Die wenigsten Studenten pro Dozent? Und wirtschaftlich geht es stetig bergauf, die ZF sucht derzeit für Saarbrücken 1.000 neue Mitarbeiter (davon 500 Ingenieure) usw.
Und dann diese Allensbacher-Umfrage: mehr Saarländer (46%) befürworten eine Fusion mit Rheinland-Pfalz, als die Eigenständigkeit zu verteidigen (42%). Aber: 78% wären für eine Fusion mit Luxemburg und Lothringen.
Trotzdem liebe ich dieses kleine Land mit seinen Leuten, die sich so wenig ernst nehmen...
so sehr ich Ihre Meinungen zu vielen anderen Themen auch schätze, aber mit dieser Aufstellung - und gerade mit der Darstellung der Norddeutschen - haben Sie sich meiner Meinung nach verrannt.
Obwohl die historisch unkorrekte Bezeichnung "Sachsen" für die Bewohner des gleichnamigen Bundeslandes heute sprachlich vollkommen akzeptiert ist, leb(t)en dort eigentlich Thüringer. Die Sachsen, also die tatsächlichen Namensgeber, der "deutsche Stamm" sozusagen, leb(t)en im Norden Deutschlands, in Niedersachsen (welches nach der Teilung des Herzogtums Sachsen durch Barbarossa der Name für das Kernland war), in Westphalen, in Teilen von Holstein und natürlich auch in Teilen von Sachsen-Anhalt und dem niederländischen Grenzgebiet (u.a. Gelderland).
Dieser Menschenschlag zeichnet sich durch große Sturheit aus ("Mit dem Kopf gegen die Wand laufen, bis diese bricht"), ein sehr traditionelles Leben und Religionsverständnis und durch eine sehr angenehme, dem Niederländischen ähnliche Sprache, die leider in der Vergangenheit staatlicherseits fast ausgerottet wurde. Diese Sachsen mit den Mecklenburgern oder gar Vorpommern in einen Topf zu schmeissen... - geht gar nicht. Es sind keine "Fischköppe".
Bezeichnenderweise sind es - nach den Sozialdemokraten und Kommunisten - auch die Sachsen aus dem Münsterland gewesen, die vom Nazi-Regime in die Konzentrationslager geworfen wurden. http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzkampf
Zitat Dieser Menschenschlag zeichnet sich durch große Sturheit aus ("Mit dem Kopf gegen die Wand laufen, bis diese bricht"
Passt perfekt zum Rest der deutschen Staemme. Das einzige, was sie alle jemals gemeinsam hatten. Deshalb gab's auch nie irgendwas zwischen verschwinden und Welteroberung... man kann nur eins machen.
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #34Das einzige, was sie alle jemals gemeinsam hatten. Deshalb gab's auch nie irgendwas zwischen verschwinden und Welteroberung... man kann nur eins machen.
Es wäre interessant zu erfahren, worauf Sie diese Einschätzung stützen. Meine eigenen historischen Kenntnisse sind bescheiden, jedoch scheint es mir im Gegenteil eher so zu sein, daß eine solche Kombination aus Pessimismus und Hang zum Vabanquespielen ("Weltherrschaft oder Untergang") etwas ist, das erstmals zur Zeit der Regierung des Kaisers Willem Zwo als Grundstimmung bestimmter Kreise der deutschen Gesellschaft (und selbst dann keineswegs der Deutschen schlechthin) sich breitzumachen begann. Also ein generationen- und schichtspezifisch begrenztes Phänomen, das ich in der Zeit vor 1900 nicht recht ausmachen kann. Wo in der deutschen Geschichte der vorangegangenen tausend Jahre sehen Sie diesen von Ihnen vermuteten Grundcharakterzug denn sich manifestieren?
Zu Thierse selbst: Ein WESTPOLE ist er (die Zeit und die Süddeutsche bezeichnen ja politisch korrekt das bajuwarische, deutschsprachige Südtirol als "norditalienisch"!)
Wolfgang Thierse wurde am 22. Oktober 1943 als Sohn eines Rechtsanwaltes in Breslau geboren. Nach der Vertreibung aus Breslau siedelte sich die Familie im thüringischen Eisfeld an, dort besuchte Thierse die Oberschule. Nach dem Abitur im südthüringischen Hildburghausen erlernte er den Beruf des Schriftsetzers beim Thüringer Tageblatt in Weimar.
>>>> Sit intra te concordia et publica felicitas >>>>
Ihr subjektiv wertendes Aufzeigen der lokalen Mentalitäten ist Ihnen nach meiner Meinung trefflich gelungen, d.h. ich teile die Einschätzung (mit Ausnahme der Bayern, denen Sie einen abschließenden Sonderrang einräumen) weitestgehend. Sehr schön Ihre Charakterisierung auch meiner eigenen "Landsmannschaft": Geboren und lebend am Schnittpunkt von Ruhrpott und Niederrhein (zwei Minutern nach Norden Niederrhein, zwei Minutern nach Süden Ruhrpott) schlägt sich sowohl die träge Düsternis der Seele als auch Toleranz und Offenheit nieder. Daß Ideologien jeglicher Couleur die Verwischung des "bodenstämmigen" Eigenen zu betreiben such(t)en - und meines Erachtens langfristig erfolglos - zeigt sich aktuell in nationaler als auch internationaler Hinsicht (EU). Eine Politik, die unterschiedliche Mentalitäten der Regierten (nach wie vor: Stämme)nicht berücksichtigt, ist zum Scheitern verurteilt und weckt nur Ressentiments. Montesquieu war bereits schlauer und hat nicht umsonst wesentliche Teile seines Hauptwerkes den Auswirkungen von Klima, Geogreaphie etc. auf die Gesetzgebung gewidmet. Daß der Fauxpas von Thierse solch eine kleine Diskussion hierüber anstößt, ist das einzig Erfreuliche, was dieser Mann in den letzten Jahren aufzuweisen hatte.
Kulturraum Hessen ... das könnte eventuell ein Widerspruch in sich sein.
Als Bewohner der "Metropolregion Rhein-Neckar" und gebürtiger Pfälzer mit langjähriger Auslandserfahrung im Hessischen sehe sehr wohl größere Unterschiede zwischen (Kur-)pfälzern und Hessen.
Zitat von Reinhard im Beitrag #28Und Preußen? Preußen halte ich eher für eine "Idee". Nicht für eine Landsmannschaft, jedenfalls in seiner späteren Entwicklung.
Es war ja nicht nur Idee, sondern Realität.
Kein Widerspruch von meiner Seite. Gelegentlich werden Ideen ja umgesetzt, genau das meinte ich...
Aber mein Wissen ist sehr beschränkt und entstammt im wesentlichen Haffners "Preußen ohne Legende", gelesen vor vielen Jahren. Und ein paar Zeitungsartikeln über das Preußentum im Westen.
Gerade gelesen, das Borussia Dortmund seinen Namen der damals nahegelegenen "Borussia-Brauerei" verdanken soll. Gut, das ist nicht belegt, aber ich glaube das sofort. So sind sie, die Dortmunder...
Zitat von Rayson im Beitrag #20Zwar wird von den Eingeborenen immer wieder behauptet, München sei nicht wie Bayern, aber die Unterschiede erschließen sich wohl nur dem Experten. Mir jedenfalls war es noch viel zu bayerisch da: Auch laut polternd, aber dazu noch mit einem Schuss Arroganz oder Größenwahn.Und abweisend gegen alles Fremde.
Lieber Rayson, die Unterschiede zwischen München und der oberbayerischen Provinz sind enorm: Wir auf dem Lande sind zwar auch (manchmal) laut polternd und (immer) abweisend gegen alles Fremde, aber nicht arrogant und größenwahnsinnig, sondern grantig und depressiv. Wenn man hingegen nette Menschen treffen möchte, sollte man nach Österreich hinüberfahren
In München ist das Bayerische bald über-, bald unterzeichnet. München ist m.E. für Bayern so repräsentativ wie Mailand für Italien.
So, und jetzt werfe ich ein paar Euro in mein Vorurteilsschwein
Ganz am Rande mein Hinweis auf eine interessante Grenzregion zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen: Das Eichsfeld. Die rauhe, abwechslungsreiche Landschaft ist sehr anziehend; das, sagen wir mal, katholische Ambiente eher Geschmackssache. Aber deutschlandweit unübertroffen sind die Schlachterzeugnisse, Gehacktes meinetwegen oder Feldkieker. Wer Gelegenheit hat, sollte es probieren!
In einem Punkt muss ich Ihnen, lieber Zettel, leider widersprechen.
Gewiss, führende Funktionäre der NSDAP stammten eher aus südlichen oder westlichen Gefilden als aus Altpreussen - von der preussischen Herrenschicht ganz zu schweigen, die ja auch kaum einen Grund hatte, sich einer ja durchaus nicht unrevolutionären Partei anzuschließen.
An der Wahlurne aber - und dort ist Hitler in erster Linie nach oben gespült worden - da lagen die braunen Hochburgen in den frühen dreißiger Jahren durchaus auch in der Mark Brandenburg und anderen ländlichen Gegenden Ostelbiens, und eben nicht in den katholischen Bastionen in Bayern oder Baden, im Münsterland oder an Rhein und Mosel. Das "rote Preussen", das eher ein "schwarz-rotes Preussen" war, hatte seine Färbung sicher eher aufgrund der SPD-treuen Bergleute und Stahlwerker an der Ruhr, oder den Zentrumswählern in Westfalen und der Rheinprovinz. Und das waren "Muss-Preussen", beim Wiener Kongress einem eher zögerlichen "Kern-Preussen" primär deshalb zugeschanzt, weil die antinapoleonische Koalition so nah der französischen Grenze keine von Paris beeinflussbaren Kleinstaaten, sondern eine zumindest Mittelmacht haben wollte.
Needless to say, heutzutage wird wohl kaum ein geborener Rheinländer dem Preussentum ernsthaft Tränen nachweinen, und von unseren westfälischen Nachbarn kann ich mir das auch nicht vorstellen.
Sicher war es aber, hier gebe ich Ihnen recht, ziemlich absurd, das Preussentum generell für den Nationalsozialismus in die Alleinverantwortung zu nehmen. Dadurch konnten sich andere mögliche Verantwortliche - m.E. z.B. bestimmte Tendenzen im deutschen Protestantismus - ein wenig aus der Verantwortung stehlen. Aber ich fürchte, damit könnte ich nun die nächste Debatte lostreten - die über konfessionelle Vorurteile...
Zitat Ein Unabhängiges Rheinland ist genau das, was ich noch erleben möchte.
Wobei ich dann nichts dagegen hätte, die uns sprachlich und mentalitätsmäßig verwandten Nachbarn aus den beiden Limburgs, den belgischen Ostkantonen und Luxemburg dann als Landsleute begrüßen zu dürfen... ;-)
Aber Spaß beiseite, man muß schon zugestehen, dass es den Rheinländer ebenso wenig gibt wie den Deutschen. Als ich - stolzer Kurkölner, gebürtiger Brühler gar - in der Vorweihnachtszeit einem stadtkölner Kollegen eröffnete, dass ich das kommende Wochenende in Düsseldorf zu verbringen gedachte, murmelte er was von "verbotener Stadt". Ich wies ihn dann darauf hin, dass es für mich kaum einen Unterschied zwischen den beiden Städten gibt, da sowohl die Stadt Köln als auch der Graf von Berg samt seinen Untertanen 1288 schändlichen Verrat an ihrem Oberherren, unserem lieben Kurfürsten, begangen hätten.
Ich fürchte, der Kollege konnte mangels Interesse an unserer Geschichte meinen Ausführungen nicht ganz folgen. Daher sparte ich mir dann auch den Hinweis, dass sein Veedel, Sülz, ja auch erst im 19. Jahrhundert zu Köln gelangte und streng genommen somit kurfürstliches Gebiet ist...
Ein paar Worte zu meiner Landsmannschaft, den Sachsen:
Wenn man in Sachsen eine Sache richtig gut und sauber über die Bühne gebracht hat, dann ist das höchste Lob eines Sachsen: "Nich schlecht!" oder "Ne verkehrt". Man ist sehr zurückhaltend mit Superlativen, vor allem, wenn es um die eigene Leistung geht. Gleichzeitig erntet man für völliges Fehlverhalten meist auch nur ein Schulterzucken, alles halb so wird.
Die Mentalität hier ist zudem auf bemerkenswerte Art und Weise konservativ, und das bei völliger Abstinenz des Religiösen. Sachsen ist eines der wenigen durchweg schwarz regierten Bundesländer in der Republik, die SPD erreicht hier bei Landtagswahlen einstellige Ergebnisse, hier wird immer noch 70-80% des Stroms aus Braunkohlekraftwerken gewonnen, sächsische Abgeordnete im Bundestag stimmten in der Vergangenheit überraschend oft gegen Dinge wie den ESM oder das Atom-Moratorium, die jungen Menschen hier entscheiden sich immer noch zu 40% für ein Ingenieurstudium, das Verhältnis zur Bundeswehr ist völlig unangespannt, im deutschlandweiten Vergleich ist hier der Bierkonsum pro Kopf am höchsten, die Schuldenquote am niedrigsten, die Städte werden künstlich re-historisiert usw. Ich habe an meinem Gymnasium in den 2000er Jahren noch selbstverständlich Skat gelernt, viele meiner Kommilitonen aus dem Westen können damit aber schon nichts mehr anfangen.
Ist glaube, dieser konservative Grundgeist ist die Hauptursache für die weiter oben beschriebene SED-Anfälligkeit vieler Sachsen. Die DDR war in vielerlei Hinsicht ein sehr konservativer Staat, den Sachsen kam dieser Zeitgeist sehr entgegen. Und hier liegt leider auch die Hauptursache für die starke Affinität zum Rechtsextremismus.
Ich persönlich unterscheide in Deutschland grob nach Weinländern, Bierländern und Schnapsländern. Sachsen ist ganz klar ein Bierland, zusammen mit Bayern und Thüringen. Südhessen, die Pfalz, BW und das Saarland, das sind Weinländer, halbe Franzosen ;). Und der Norden, das ist Schnapsland, dort gibt es Korn.
Zitat von Masu im Beitrag #45Wenn man in Sachsen eine Sache richtig gut und sauber über die Bühne gebracht hat, dann ist das höchste Lob eines Sachsen: "Nich schlecht!" oder "Ne verkehrt".
Kenne ich auch aus Franken so. Höchstes Lob: "Basst scho." Auch Wohlstand scheint die Franken peinlich zu berühren: "Mir ham uns neulich a glaans Wächala kaaft." (= neustes Modell der Oberklasse). Dazu kommt eine pessimistische Grundeinstellung, die dazu dient, den Franken vor bösen Überraschungen zu schützen. Beim Metzger: "Vo der Gelbworscht habts ihr bestimmt nix mehr, gell?"
Früher scheint man die Unterschiede zwischen den "Stämmen" noch deutlicher wahrgenommen zu haben. Mein Großonkel, gebürtig aus der Nähe von Leverkusen, war 1932 beruflich im Osnabrücker Raum. Und auch die Freude, in der Fremde jemanden aus der Heimat zu treffen. Er schreibt in einem Brief an seine Familie:
"... zumal der Westfale und Hannoveraner, überhaupt der Norddeutsche schwer zugänglich ist. Wenn man glaubt den Menschen richtig kennengelernt zu haben, dann hat man sich schwer in die Finger geschnitten. Man muß einen ganzen Pott Salz mit ihm gefressen haben. Das ist keine Hinterlist, hiervon keine Spur, das ist eben typisch für den Menschenschlag, wirklich schwerfällig. In der Beziehung habe ich hier manche, manche schöne Studien machen können, nicht daß ich irgendwie persönliche üble Erfahrungen gemacht habe, das passiert nicht so leicht ... Dieses „Herz auf der Zunge“ ist eben typisch für den Rheinländer, das ist eben seine Art, denn das finde ich hier auch oft bestätigt. Des öftern bin ich mit Rheinländern zusammengetroffen, die fallen nämlich direkt auf hier. Kam ich mit solchen Leuten zusammen, so ergoßen sich diese direkt in einem Redeschwall und sprachen wirklich aus dem Herzen. Ich traf vor einigen Wochen einen ältern Rechtsanwalt, ich merkte direkt an ihm einen Rheinländer, er erzählte direkt intime Dinge ohne Vorbehalt. Das ist immer eine Freude. In Burscheid [Bei Leverkusen] ist bereits ein Mischmasch von Rheinländer u. Bergischem, das erkenne ich jetzt erst recht. Der Bergische ist himmelweit entfernt vom Rheinländer. Denkt Euch einen echten Bergischen, doch nein es ist interessanter sich hierüber zu unterhalten. Vor 14 Tagen sitze ich abends im Hotel u. trinke ein Gläschen Bier, am nachbar Tisch sitzen 2 Herren und reden von Köln, Opladen, einer [von] Lützenkirchen u. Neukirchen, erwähnt die K.O.G. in Opladen, Kramm u. Pol von Opladen, ich drehe mich natürlich um, werde aufmerksam und gleich bald waren wir in angeregtem Gespräch, denn ich glaubte solche Namen doch auch schon einmal gehört zu haben als Burscheiderkind ---- Na ja das Ende dieser Unterhaltung und die Wirkung ---- ich glaube es erübrigt sich zu erwähnen --- ich war aber sehr früh zu Hause im Bett ----? wann, wie, unter welchen Umstände--?!?!?! Das waren nun 2 Herren, ein Reisender aus Westfalen, der in Köln studiert hatte und ein noch jüngerer, der für die K.O.G. gereist hatte. Und das freut einen dann auch."
Zitat von Masu im Beitrag #45 Ich persönlich unterscheide in Deutschland grob nach Weinländern, Bierländern und Schnapsländern. Sachsen ist ganz klar ein Bierland, zusammen mit Bayern und Thüringen. Südhessen, die Pfalz, BW und das Saarland, das sind Weinländer, halbe Franzosen ;). Und der Norden, das ist Schnapsland, dort gibt es Korn.
Danke für den aufschlussreichen Beitrag. Eine Frage habe ich: Ist Berlin/Brandenburg aus Ihrer Sicht Bier- oder Schnapsland? (Weinland fällt wohl aus, obwohl ein Freund in der Strasse um die Ecke auch Wein bereitet und ich meine Trauben durchaus geniesse.)
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #43An der Wahlurne aber - und dort ist Hitler in erster Linie nach oben gespült worden - da lagen die braunen Hochburgen in den frühen dreißiger Jahren durchaus auch in der Mark Brandenburg und anderen ländlichen Gegenden Ostelbiens, und eben nicht in den katholischen Bastionen
Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #43 Gewiss, führende Funktionäre der NSDAP stammten eher aus südlichen oder westlichen Gefilden als aus Altpreussen - von der preussischen Herrenschicht ganz zu schweigen, die ja auch kaum einen Grund hatte, sich einer ja durchaus nicht unrevolutionären Partei anzuschließen.
An der Wahlurne aber - und dort ist Hitler in erster Linie nach oben gespült worden - da lagen die braunen Hochburgen in den frühen dreißiger Jahren durchaus auch in der Mark Brandenburg und anderen ländlichen Gegenden Ostelbiens, und eben nicht in den katholischen Bastionen in Bayern oder Baden, im Münsterland oder an Rhein und Mosel.
Hier die Wahlergebnisse für die NSDAP: Preußen: 1932: 37,04 %, 1932: 32,85 %, 1933: 43,73 %
Lediglich für das Münsterland konnte ich ein deutlich stärkeres Zentrum bei den Wahlen 1932 feststellen. Haben Sie, lieber Carlo M Dimhofen noch andere Quellen welche Ihre These untermauern? Ich frage rein interessehalber.
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