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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 99 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 12:00
PC und Psychologisieren Antworten

Der am meisten kommentierte Artikel in "Zeit-Online" ist seit gestern Abend nicht der über Brüderle und Himmelreich, sondern derjenige, mit dem ich mich in diesem Artikel befasse.

"Wäre Psychologie also ein Laster?" hat Nietzsche, wenn ich mich recht erinnere, einmal gefragt. Jedenfalls ist diese Psychologisiererei in der Politik nicht nur unproduktiv, sondern schädlich; denn sie lenkt von den relevanten Fragen ab.

Es geht darum, welche Gesellschaft wir in diesem Jahrhundert haben werden; eine freie oder eine formierte mit einer rotgrünen Staatsreligion. Welche Motive diejenigen haben, die das Erstere wollen, ist durchaus unerheblich. Abgesehen davon, daß die Art der beiden Autoren, überall Narzißmus zu wittern, a bisserl fad ist.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

25.01.2013 12:22
#2 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Abgesehen davon, daß die Art der beiden Autoren, überall Narzißmus zu wittern, a bisserl fad ist.

Ob sie schon beim morgendlichen Blick in den Spiegel gewissermaßen mit der Nase drauf gestoßen werden?

Aber im Ernst, der Aufbau einer gedanklichen Barriere im Hirn, die von jedem von uns neuerdings erwartet wird, ist unerträglich. "Eine Zensur findet nicht statt" steht im Grundgesetz aus gutem Grund, und das muß auch eine implizite, vorauseilend-gehorsame Selbstzensur mit einschließen.
Es geht natürlich nicht darum, unhöfliche Grobheiten zum allgemeinen Umgangston werden zu lassen; aber daß wir daran gewöhnt werden schon unsere Gedanken daraufhin abzuklopfen, ob sie etwa im Sinne des sich ausweitenden (und damit das Sprech- und Denkbare immer weiter einengenden) PC-Kodex anstößig sein könnten, und sie in diesem Falle nicht einmal zu denken, nimmt uns einen wesentlichen Teil der Menschlichkeit: nämlich die Fähigkeit, durch verbale Gedankenspiele Möglichkeiten zu untersuchen und auf diese Weise unser letztendliches Handeln zu optimieren (oder ggf. zu unterlassen). Am Ende bliebe nur noch die kläglichste Parodie von Denken übrig, ein stereotypes Vorurteil.

Im Vergleich mit dieser Selbstzensur wäre ja eine von außen durchgeführte Zensur, die zwar Textpassagen schwärzt oder ausschneidet, dem Schreiber aber immerhin die Freiheit beläßt, diese Passagen vorher zu schreiben oder wenigstens zu denken, noch besser.

Wie sagt der Marquis de Posa so schön: "Gebt Gedankenfreiheit, Sire!" --- Und was ist nur in unserer Zeit aus dem bewährten Prinzip "Sticks & stones may break my bones, but WORDS will never hurt me" geworden?

Karl Offline



Beiträge: 26

25.01.2013 13:09
#3 RE: PC und Psychologisieren Antworten

"In der Klage über Tugendterror zeigt sich auch das liberale, weiße Individuum, das um seine Kompetenzen fürchtet."

DIE ZEIT mal wieder. WAs nur aus diesem Blatt geworden ist. Das Böse ist weiß, liberal und individualistisch. Erstaunlich geradezu, daß die Adjektive "männlich" und "heterosexuell" fehlen. Und "katholisch" natürlich.


Karl

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 13:33
#4 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #2
Aber im Ernst, der Aufbau einer gedanklichen Barriere im Hirn, die von jedem von uns neuerdings erwartet wird, ist unerträglich.

Ich habe heute früh zweimal kurz ins Morgenmagazin des ZDF gezappt. Einmal lief ein Bericht zu der Frage, ob man eigentlich noch in den Alpen Ski fahren dürfe, angesichts der Umweltbelastung durch die Erzeugung von Kunstschnee. Das andere Mal ging es darum, ob man wieder Pelz tragen dürfe.

Die PC-Sprachregelungen sind ja nicht isoliert; dann könnte man sie vielleicht ertragen. Sie sind Teil eines gesellschaftlichen Klimas, das durch ein schlimmeres Moralisieren als im viktorianischen Zeitalter gekennzeichnet ist.

Daß es die Sache jedes Einzelnen ist, ob er in den Alpen Ski fährt oder nicht, ob er sich einen Pelz kauft oder nicht, das kommt den medialen Hohepriestern dieser Staatsreligion gar nicht in den Sinn. Selbstverständlich hat es dafür gesellschaftliche Normen zu geben.

Um den Bogen zu dem Thema zu schlagen, das gestern hier die Gemüter bewegt hat: Der Haß auf die FDP speist sich aus meiner Sicht aus der richtigen Erkenntnis, daß sie ein Fremdkörper in dieser Gesellschaft ist, an der man baut.

Liberale sind für die Hohepriester und Gläubigen keine Andersdenkenden, sondern sie sind Ketzer. Und gegen Ketzerei ist jedes Mittel recht, wie beispielsweise die Diffamierung ihres Spitzenkandidaten.

Herzlich, Zettel

Skipper ( gelöscht )
Beiträge:

25.01.2013 13:50
#5 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #4
Um den Bogen zu dem Thema zu schlagen, das gestern hier die Gemüter bewegt hat: Der Haß auf die FDP speist sich aus meiner Sicht aus der richtigen Erkenntnis, daß sie ein Fremdkörper in dieser Gesellschaft ist, an der man baut.

Liberale sind für die Hohepriester und Gläubigen keine Andersdenkenden, sondern sie sind Ketzer. Und gegen Ketzerei ist jedes Mittel recht, wie beispielsweise die Diffamierung ihres Spitzenkandidaten.


Dazu muss ich sagen, dass ich mit der politischen Verortung der FDP als "liberal" im Hinblick auf die politische Praxis dieser Partei so meine Schwierigkeiten habe. Klar träumt das grünlinke Medienkartell primär von einer grünlinken (=rotgrünen) Regierung auch im Bund; da könnte die FDP im Wege sein, deswegen der Ärger. Hinzu kommt m.E. eine gewisse Gewohnheit: Wer lässt schon gerne von seinen Lieblingsfeinden?

Einen tiefergehenden Antagonismus zwischen der FDP und den anderen Blockparteien sehe ich aber derzeit eher nicht.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

25.01.2013 13:58
#6 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Ganz ehrlich, ich habe den Artikel auf Zeit Online nicht verstanden. Mehr noch, ich hatte beim Lesen den Eindruck, daß die Autoren am Ende weitschweifig für sich behalten haben, was sie eigentlich und überhaupt hatten sagen wollen. Die Kommentarlage unter dem Artikel scheint zu zeigen, daß es nicht nur mir so geht; es wird zwar erbittert über PC gestritten, auf das von den Autoren geschriebene aber geht so gut wie niemand ein.
Das ist reine Laberpsychologie. Was nicht paßt, wird passend gemacht. Es stimmt immer alles, aber natürlich auch das Gegenteil. Und dann diese ungehemmte Pathologisierung: wir alle sind narzißtisch gestört. Entweder gerade gekränkt, oder wütend, oder in der narzißtischen Abwehr gefangen, überkompensierend, oder narzißtische Zufuhr genießend (wenn man z. B. Erfolge feiert). Ach ja, und wenn wir dennoch gesund und gesellschaftlich gut integriert "erscheinen", dann sind wir "Normopathen".

Leider geht der gesellschaftliche Veränderungsanspruch mancher Psychologisierer wohl tatsächlich auf S. Freud zurück, der sich, und das sollte man ihm im Kontext seiner Zeit auch nicht absprechen, als Befreier in der Tradition der Aufklärung gesehen haben wird und aus seinen "gesamtgesellschaftlichen Ambitionen" nie einen Hehl gemacht hat. Die Neigung zur politischen Psychologisierung scheint mir aber auf die 68er zurückzugehen, die Freuds Ideen in ihre "Theorien" zur gesellschaftlichen Befreiung munter und eklektisch eingebaut haben. Nicht zufällig, wenn ich das richtig erinnere, hat Bossi auch in jener Zeit im Fall Bartsch die Berücksichtigung psychiatrischer Gutachten und schlimme Kindheiten in der Rechtsprechung präzedenzfallhaft durchgesetzt (was richtig war). Heute sprechen im Jugendstrafrecht Pädagogen in Richterroben Recht (was grundfalsch ist).

In sofern halte ich diese Tendenz zur politischen Psychologisierung, die Sie, lieber Zettel, so schön aufs Korn nehmen, lediglich für eine erwartbare Fortsetzung dieser Entwicklung. Und aus Sicht der Ideologen nur für folgerichtig. Und da sind wir noch längst nicht am Ende der Fahnenstange, fürchte ich. Mal sehen, wann das erste "Psychogramm" über Rainer Brüderle zu seiner polymorph-perversen, libidinös-narzißtischen Überkompensation seiner durch orale Frustration entstandenen Fixierung auf die weibliche Brust erscheint.
Viele Grüße,
Andreas Döding

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

25.01.2013 13:58
#7 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Skipper
Dazu muss ich sagen, dass ich mit der politischen Verortung der FDP als "liberal" im Hinblick auf die politische Praxis dieser Partei so meine Schwierigkeiten habe.

Relativ gesehen ist die FDP ja "marktradikal".

Wie immer, wenn Menschen im Namen einer Religion Herrschaft für sich beanspruchen, müssen natürlich schon kleinste Verfehlungen zur Anklage der Häresie führen.Denn Zweifel ist wie ein Virus.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 14:04
#8 "Blockparteien" Antworten

Zitat von Skipper im Beitrag #5
Einen tiefergehenden Antagonismus zwischen der FDP und den anderen Blockparteien sehe ich aber derzeit eher nicht.

Blockparteien, lieber Skipper, gab es in der DDR. Es waren die Parteien der Nationalen Front.

Die Parteien und Massenorganisationen, die in der Nationalen Front zusammengeschlossen waren, wurden, bevor überhaupt gewählt wurde, von der SED mit ihren Listenplätzen versorgt. Bei der "Wahl" konnte darüber dann nur noch als Block "abgestimmt" werden; dh man warf den Stimmzettel so, wie er war, in die Wahlurne. Am besten offen; damit zeigte man seine Zustimmung zum Sozialismus. Wahlzellen waren, wenn ich das recht weiß, pro forma vorhanden.

Die Blockparteien wurden so genannt, weil sie einen Einheitsblock bildeten und nicht, wie in demokratischen Staaten, miteinander konkurrierten.

Mit den Verhältnissen in dem demokratischen Rechtsstaat Deutschland hat das nichts zu tun. In Bezug auf die Bundesrepublik von "Blockparteien" zu sprechen ist ebenso abwegig, wie auf unsere Medien den Begriff der "Gleichschaltung" anzuwenden; oder die EU als "EUdSSR" zu verunglimpfen.

Wer eine derartige Terminologie verwendet, der hat entweder - was ich Ihnen jetzt einmal zugutehalte - keinen Begriff vom Unterschied zwischen einer totalitären Diktatur und einem demokratischen Rechtsstaat, oder er ist ein Feind des demokratischen Rechtsstaats und will ihn diffamieren.

Bitte verzichten Sie künftig darauf, in diesem Forum derartige Begriffe zu verwenden.

Herzlich, Zettel

Karl Offline



Beiträge: 26

25.01.2013 14:11
#9 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Skipper im Beitrag #5
Zitat von Zettel im Beitrag #4
Um den Bogen zu dem Thema zu schlagen, das gestern hier die Gemüter bewegt hat: Der Haß auf die FDP speist sich aus meiner Sicht aus der richtigen Erkenntnis, daß sie ein Fremdkörper in dieser Gesellschaft ist, an der man baut.

Liberale sind für die Hohepriester und Gläubigen keine Andersdenkenden, sondern sie sind Ketzer. Und gegen Ketzerei ist jedes Mittel recht, wie beispielsweise die Diffamierung ihres Spitzenkandidaten.


Dazu muss ich sagen, dass ich mit der politischen Verortung der FDP als "liberal" im Hinblick auf die politische Praxis dieser Partei so meine Schwierigkeiten habe. ....


Die FDP ist sicher kein Fremdkörper in der projektierten Gesellschaft, dafür hat sie viel zu lange und viel zu oft gezeigt, daß sie nur allzugern dazugehören möchte. Liberale hingegen sind in der Tat als Ketzer anzusehen, deswegen stellt man sie auch stets in die rechte Ecke der Bösen. Liberale gibt es aber in der FDP kaum bzw. nicht genug, oder sie haben in dieser Partei nichts zu sagen. Brüderle, um auch an die gestrige Debatte zu erinnern, zähle ich jedenfalls nicht zu den Liberalen.

Karl

Xälsbär ( gelöscht )
Beiträge:

25.01.2013 14:13
#10 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Sowohl das Psychologisieren als auch die Political-Correctness stammen von den Neomarxisten der Frankfurter Schule, die statt dem Kapitalismus die bürgerliche Gesellschaft überwinden will. Mit dem Psychologisieren der Political-Correctness argumentiert die Zeit ganz im Dunstkreis dieser Zivilisationsfeinde.



„Demokratisierung impliziert [...] eine Zunahme der für bedrohliche Aktivitäten gesellschaftlich aufgewendeten Zeit; und sie ist ein Vorgang, der naturgemäß auch die sozialen Aufwendungen an Zeit erhöht, die zur Abwehr solcher zunehmenden bedrohlichen Aktionen auf sich genommen werden müssen.“ -- Hans-Hermann Hoppe

Karl Offline



Beiträge: 26

25.01.2013 14:21
#11 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #8
Thema "Blockparteien"

Wer eine derartige Terminologie verwendet, der hat entwder - was ich Ihnen jetzt einmal zugutehalte - keinen Begriff vom Unterschied zwischen einer totalitären Diktatur und einem demokratischen Rechtsstaat, oder er ist ein Feind des demokratischen Rechtsstaats und will ihn diffamieren.




Lieber Zettel,

es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Er befürchtet, daß sich unser demokratischer Rechtsstaat schleichend zu einer totalitären Diktatur entwickeln könnte; und dazu könnte der, nennen wir es: "Meinungsblock" der etablierten Parteien wesentlich beitragen. Diese Befürchtung ist angesichts der Euro-Rettungspolitik, des Demokratiedefizits der EU und der immer weitergehenden Zentralisierung m.E. nicht unbegründet.

Karl

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 14:26
#12 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Karl im Beitrag #11
Zitat von Zettel im Beitrag #8
Thema "Blockparteien"

Wer eine derartige Terminologie verwendet, der hat entwder - was ich Ihnen jetzt einmal zugutehalte - keinen Begriff vom Unterschied zwischen einer totalitären Diktatur und einem demokratischen Rechtsstaat, oder er ist ein Feind des demokratischen Rechtsstaats und will ihn diffamieren.




Lieber Zettel,

es gibt noch eine weitere Möglichkeit: Er befürchtet, daß sich unser demokratischer Rechtsstaat schleichend zu einer totalitären Diktatur entwickeln könnte; und dazu könnte der, nennen wir es: "Meinungsblock" der etablierten Parteien wesentlich beitragen. Diese Befürchtung ist angesichts der Euro-Rettungspolitik, des Demokratiedefizits der EU und der immer weitergehenden Zentralisierung m.E. nicht unbegründet.

Sie ist vollkommen abwegig, lieber Karl.

Noch einmal: Wer diesen Staat in die Nähe einer totalitären Diktatur rückt, der hat keinen Begriff vom Unterschied zwischen einer totalitären Diktatur und einem demokratischen Rechtsstaat.

Es gibt in diesem Land nicht das geringeste Anzeichen für eine Entwicklung in Richtung auf eine totalitäre Diktatur. Null. Wer das behauptet, der ist entweder ohne Kenntnisse, oder er bekämpft diesen Staat.

Herzlich, Zettel

crithir Offline



Beiträge: 9

25.01.2013 14:50
#13 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Den Ansatz finde ich aber sehr interessant: Wer etwas möchte, deklariert sich als erstes als Opfer(gruppe), damit er auch ja zu seinem vermeintlichen Recht kommt. Und der moderne Mitbürger wälzt jegliche Individualschuld oder -pflicht, sei es beim Thema Gesundheit, Integration oder sonst was, erstmal auf die Gesellschaft oder den Staat ab und wundert sich anschließend, warum eben jener Staat es nicht schafft, endlich mal für Vernunft zu sorgen. Grade die Grünen sind ganz groß in diesem Thema: Alles, was dick macht, gehört doch eigentlich verboten. Oder was mehr Strom verbraucht als eine Energiesparlampe. Und natürlich ist es nicht einfach für Einwanderer, in einer geradezu feindlichen Gesellschaft um Anerkennung zu kämpfen - selbst wenn man eigentlich zur dritten Generation in Deutschland gehört und das vermeintliche Heimatland nur von Fotos und dem Urlaub kennt. Schuld ist die gemeine deutsche Gesellschaft, und gegen den typischen deutschen Schrebergartenspießer hilft nur: Der Staat. Funktioniert nicht? Dann hat der Staat eben noch nicht genug getan.

Sehr amüsant und natürlich weitaus besser formuliert und durchdacht hat das übrigens Jan Fleischhauer in seinem Buch "Unter Linken" beschrieben, passt bestimmt auch sehr gut zu diesem Buch aus Wien. Sehr zu empfehlen!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 15:02
#14 Narzißmus; Freud Antworten

Lieber Andreas Doeding,

Zitat von Doeding im Beitrag #6
Ganz ehrlich, ich habe den Artikel auf Zeit Online nicht verstanden. Mehr noch, ich hatte beim Lesen den Eindruck, daß die Autoren am Ende weitschweifig für sich behalten haben, was sie eigentlich und überhaupt hatten sagen wollen.

Sie schreiben einen zierlichen, aus meiner Sicht aber durchaus amüsanten Stil. Wie bei allen, die so schreiben - ich erwähne immer wieder einmal gern Adorno -, kann man den Text erheblich eindampfen, ohne daß Inhalt verlorengeht. Hier scheint er mir in diesen vier Behauptungen zu bestehen:

1. Kinder, die PC erzogen werden, toben sich außerhalb des Elternhauses erste recht lustvoll-narzißtisch aus.

2. Die Eltern empfinden das als eine narzißstische Kränkung.

3. Der Ruf nach PC ist wesentlich dem Narzißmus derer geschuldet, die ihn ertönen lassen. Sie möchten nämlich mehr zur Geltung kommen.

4. PC wiederum empfinden desse Kritiker als narzißtische Kränkung; nämlich Bedrohung ihres Gefühls der Überlegenheit.

Das isses dann auch schon. Ziemlich viel Narzißmus. Der Rest ist Art Déco à l'Ancienne.

Zitat von Doeding im Beitrag #6
Leider geht der gesellschaftliche Veränderungsanspruch mancher Psychologisierer wohl tatsächlich auf S. Freud zurück, der sich, und das sollte man ihm im Kontext seiner Zeit auch nicht absprechen, als Befreier in der Tradition der Aufklärung gesehen haben wird und aus seinen "gesamtgesellschaftlichen Ambitionen" nie einen Hehl gemacht hat.

Ja, er sah sich als Aufklärer; und er war es ja in gewisser Weise auch.

Seine Therapie war - nachdem er die Hypnose und die Karthasis-Theorie der "Studien über Hysterie" hinter sich gelassen hatte - eine auf Auklärung des Patienten über sich selbst gerichtete Therapie. "Wo Es war, soll Ich werden". "Trockenlegung der Pontinischen Sümpfe" als Metapher für die "Psychoanalytische Kur".

Aus meiner Sicht ist hinsichtlich dieser aufklärerischen Absicht von den modernen Therapien die Rational-Emotive Therapie von Albert Ellis, die Sie ja schon gelegentlich erwähnt haben, der Analyse am ähnlichsten. Vom Ziel her, nicht der Methode.

Zweitens hatte Freud ja die sokratische Absicht, uns Menschen über uns selbst aufzuklären. Kopernikus, hat er sinngemäß geschrieben, hat den Menschen aus dem Mittelpunkt der Welt genommen. Darwin hat ihn in die Tierreihe gestellt. Und jetzt zeigt er, Freud, daß das Ich nicht "Herr im eigenen Haus" ist. Die dritte Kränkung.



Also, ich sehe das auch so, daß Freud sich zuvorderst als Aufklärer verstanden hat. Was das Gesellschaftliche angeht, scheint mir seine Position sehr differenziert zu sein.

Ein Gesellschaftsveränderer war er gewiß nicht. Er sah in der Gesellschaft vor allem eine Institution, die Triebverzicht erzwingt. Das hat ihn immer wieder beschäftigt; von den komplizierten Tabus der australischen Ureinwohner in "Totem und Tabu" bis in "Das Unbehagen in der Kultur".

Anders als dann die Freudomarxisten, als Adler oder gar Reich glaubte Freud, soweit ich sehe, nicht an eine "bessere Gesellschaft". Er wollte als Arzt den einzelnen Patienten heilen, nicht die Gesellschaft.

Er wollte - so ähnlich hat er es einmal formuliert - das Leid des Neurotikers so weit lindern, daß es nur noch das allgemeine Leid des zivilisierten Menschen ist, dem die Zivilisation nun einmal Triebverzicht abverlangt.

Ich habe vor Jahren einmal eine kleine Serie über Freud schreiben wollen, die aber (Widerstand? ) nicht über die erste Folge hinausgekommen ist. Vielleicht sollte ich sie doch noch aufgreifen.

Später habe ich mich in einer dreiteiligen Serie nur mit einem Aspekt der Psychoanalyse befaßt; der Theorie der Fehlleistungen.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

25.01.2013 15:49
#15 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Karl
Die FDP ist sicher kein Fremdkörper in der projektierten Gesellschaft, dafür hat sie viel zu lange und viel zu oft gezeigt, daß sie nur allzugern dazugehören möchte. Liberale hingegen sind in der Tat als Ketzer anzusehen, deswegen stellt man sie auch stets in die rechte Ecke der Bösen. Liberale gibt es aber in der FDP kaum bzw. nicht genug, oder sie haben in dieser Partei nichts zu sagen. Brüderle, um auch an die gestrige Debatte zu erinnern, zähle ich jedenfalls nicht zu den Liberalen.

Für die Gegner der FDP und Brüderles sind es aber auf jeden Fall Liberale, sogar "radikale". Und nur darauf kommt es an, nicht auf die Reinheitsgebote von virtuellen Überliberalen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

roth Offline



Beiträge: 35

25.01.2013 16:19
#16 RE: Narzißmus; Freud Antworten

Sind die Autoren nun denn gegen den Tugendterror aus Brüssel oder sind sie der Meinung, dass jeder, der sich bevormundet fühlt, falsche Ansichten hat und nicht weiss, was gut für ihn ist?

C. Offline




Beiträge: 2.639

25.01.2013 16:23
#17 RE: PC und Psychologisieren Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #4
Die PC-Sprachregelungen sind ja nicht isoliert; dann könnte man sie vielleicht ertragen. Sie sind Teil eines gesellschaftlichen Klimas, das durch ein schlimmeres Moralisieren als im viktorianischen Zeitalter gekennzeichnet ist.


Sie sind ein Teil eines gewünschten gesellschaftlichen Klimas, das von einer noch näher zu bestimmenden, aber nicht demokratisch legitimierten Elite zum Maßstab genommen wird. Für diese Elite sind die deutschen Zustände geprägt vom "Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft". Rassismus, Sexismus, Xenophobie, Chauvinismus, Islamophobie und Demokratiefeindlichkeit. Mit einer hohen Anzahl von Studien gefördert von Stiftungen (partei- oder wirtschaftsnah) wird diese These als "wahr" bestätigt und Handlungsbedarf reklamiert und damit sich die Pfünde gesichert.

Ich erlebe das als schleichende Kulturrevolution, gegen die als einzige Gegenwehr der Rückzug ins Private bleibt, da die Sanktionsmechanismen nicht nur extralegal, sondern auch unberechenbar sind.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

25.01.2013 16:56
#18 RE: Narzißmus; Freud Antworten

Vielen Dank für die ausführliche Antwort, lieber Zettel.
Zwei kurze Anmerkungen noch.

Zitat
Aus meiner Sicht ist hinsichtlich dieser aufklärerischen Absicht von den modernen Therapien die Rational-Emotive Therapie von Albert Ellis, die Sie ja schon gelegentlich erwähnt haben, der Analyse am ähnlichsten. Vom Ziel her, nicht der Methode.



Damit haben Sie natürlich recht. Ich vermute, Sie wissen es bereits: Ellis war als junger Mann zunächst Psychoanalytiker und hat auch einige Jahre als solcher praktiziert, übrigens genau wie Aaron Beck, der andere "große" kognitive Therapeut. Beide haben sich in den 50ern, etwa zeitgleich, aber unabhängig voneinander, enttäuscht von der Analyse abgewandt. Ellis hat aber immer für sich reklamiert, daß sein Ansatz, im eigentlichen Wortsinne "tiefenpsychologisch" sei, aber eben mit Blick auf tiefe, handlungsleitende Überzeugungen.

Zitat
Zweitens hatte Freud ja die sokratische Absicht, uns Menschen über uns selbst aufzuklären.



Auch dies ein verbindenes Moment zwischen beiden Ansätzen, wie mir scheint. Aber wie Sie schreiben, methodisch äußerst unterschiedlich. "Sokratischer Dialog" oder "geleitetes Entdecken", wie bei Ellis oder Beck, war Freuds Sache freilich nicht. Mir persönlich steht der Ansatz Ellis`, auch wegen seiner z. T. sehr eleganten Bezüge zur stoischen Philosophie, sehr nahe.

Zitat
Anders als dann die Freudomarxisten, als Adler oder gar Reich glaubte Freud, soweit ich sehe, nicht an eine "bessere Gesellschaft". Er wollte als Arzt den einzelnen Patienten heilen, nicht die Gesellschaft.



Da haben Sie wohl ebenfalls recht (hab nochmal kurz recherchiert). Das ist, wieder einmal, die Ungnade der späten Geburt in meinem Fall: mein Freudbild ist wohl nicht so unabhängig von seiner Rezeption durch die 68er wie ich es mir wünschen würde. Er wurde und wird halt doch sehr vereinnahmt, womit wir wieder beim unerfreulichen Ausgangsthema wären.

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

Skipper ( gelöscht )
Beiträge:

25.01.2013 17:44
#19 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Karl im Beitrag #11
Er befürchtet, daß sich unser demokratischer Rechtsstaat schleichend zu einer totalitären Diktatur entwickeln könnte; und dazu könnte der, nennen wir es: "Meinungsblock" der etablierten Parteien wesentlich beitragen. Diese Befürchtung ist angesichts der Euro-Rettungspolitik, des Demokratiedefizits der EU und der immer weitergehenden Zentralisierung m.E. nicht unbegründet.


Ich kann dazu nur feststellen, dass in den für unser Land aus meiner Sicht wesentlichen Zukunftsfragen von der Energiepolitik über die Immigration bis zur Währungsunion offensichtlich ein Block sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien besteht, die dazu im wesentlichen gleiche Positionen vertreten. Das halte ich für ziemlich bedenklich. Natürlich ist mir bewusst, dass hier (noch) niemand frühmorgens von der Stasi abgeholt wird. Insofern besteht freilich ein Unterschied zur DDR: Das ist aber eine recht triviale Feststellung, die mir natürlich sehr wohl bewusst ist.

Andererseits drohen Abweichlern auch hier schon nicht unempfindliche extralegale Sanktionen, gegen die regelmäßig ein Rechtsweg nicht gegeben ist. Irgendeinen Grund wird es ja wohl auch haben, dass in diesem Blog fast alle Gäste die Anonymität vorziehen.

Andererseits: Wenn der Ausdruck "Blockparteien" hier nicht erlaubt ist, ist das natürlich zu respektieren. Der Hausherr kann das bestimmen.

Fellsen Offline



Beiträge: 28

25.01.2013 19:05
#20 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Skipper im Beitrag #19
Andererseits drohen Abweichlern auch hier schon nicht unempfindliche extralegale Sanktionen, gegen die regelmäßig ein Rechtsweg nicht gegeben ist. Irgendeinen Grund wird es ja wohl auch haben, dass in diesem Blog fast alle Gäste die Anonymität vorziehen.


Meinen Sie also, die Meisten hier verwenden Pseudonyme statt Klarnamen, um sich "extralegalen Sanktionen", was auch immer sie in diesem Fall sein sollen, zu entziehen? Was für eine steile These.

Skipper ( gelöscht )
Beiträge:

25.01.2013 19:20
#21 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Fellsen im Beitrag #20
Meinen Sie also, die Meisten hier verwenden Pseudonyme statt Klarnamen, um sich "extralegalen Sanktionen", was auch immer sie in diesem Fall sein sollen, zu entziehen? Was für eine steile These.


Gut, für mich gilt das.

Hinsichtlich anderer Teilnehmer weiß ich das natürlich ebensowenig wie Sie.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.01.2013 19:26
#22 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Skipper im Beitrag #21
Zitat von Fellsen im Beitrag #20
Meinen Sie also, die Meisten hier verwenden Pseudonyme statt Klarnamen, um sich "extralegalen Sanktionen", was auch immer sie in diesem Fall sein sollen, zu entziehen? Was für eine steile These.


Gut, für mich gilt das.

Hinsichtlich anderer Teilnehmer weiß ich das natürlich ebensowenig wie Sie.

Ich habe noch nie davon erfahen, und halte es auch für extrem unwahrscheinlich, daß irgendwer, der hier schreibt, dafür irgendwelchen "extralegalen Sanktionen" ausgesetzt worden wäre, was immer Sie damit meinen.

In Foren und Kommentarspalten wird bekanntlich überwiegend unter einem Nick geschrieben. Warum auch ich das tue, habe ich in dem Interview mit Cora Stephan erläutert. Mit "Sanktionen" hat das nichts zu tun.

Und nochmals: Wenn Sie der Meinung sind, daß die Bundesrepublik eine Diktatur sei, diktaturähnliche Züge trage oder sich auf eine Diktatur zubewege, dann können Sie diese Meinung, die aus meiner Sicht absurd ist, gern vertreten. Aber nicht in diesem Forum. In den Forumsregeln steht, daß Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat nicht erlaubt sind.

Gruß, Zettel

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

25.01.2013 19:27
#23 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat
Hinsichtlich anderer Teilnehmer weiß ich das natürlich ebensowenig wie Sie.



Lieber Skipper, zumindest kann ich umgekehrt sagen, daß meine Entscheidung, hier mit Klarnamen zu schreiben kein Ausdruck besonderer Risikofreude oder gar Mutes ist.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

C. Offline




Beiträge: 2.639

25.01.2013 19:39
#24 RE: "Blockparteien" Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #22
Ich habe noch nie davon erfahen, und halte es auch für extrem unwahrscheinlich, daß irgendwer, der hier schreibt, dafür irgendwelchen "extralegalen Sanktionen" ausgesetzt worden wäre, was immer Sie damit meinen.


Das liegt daran, weil wir Pseudonyme haben . Ich glaube, das die Gefahr in Zettels kleinem Zimmer nicht sehr groß ist, aber Du weißt , dass das nicht überall so ist (Station13). Ich möchte so eine Zeit auf keinen Fall mehr erleben.

Ein Beispiel für extralegale Sanktionen in einem anderen Fall sieht so aus:

Zitat
Gleich zu Beginn: Sarrazin-Gegner hielten Transparente hoch („Halt die Fresse, alter Mann“, „Rassismus ist Verbrechen“). Chaoten warfen Beutel mit Kot auf den Boden, zerbrachen kleine Flaschen mit Back-Aroma.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Yossarian Offline




Beiträge: 99

25.01.2013 19:39
#25 RE: "Blockparteien" Antworten

Skipper schrieb

Zitat
Ich kann dazu nur feststellen, dass in den für unser Land aus meiner Sicht wesentlichen Zukunftsfragen von der Energiepolitik über die Immigration bis zur Währungsunion offensichtlich ein Block sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien besteht, die dazu im wesentlichen gleiche Positionen vertreten. Das halte ich für ziemlich bedenklich. Natürlich ist mir bewusst, dass hier (noch) niemand frühmorgens von der Stasi abgeholt wird. Insofern besteht freilich ein Unterschied zur DDR: Das ist aber eine recht triviale Feststellung, die mir natürlich sehr wohl bewusst ist.



Ich kann die Gefühle von Skipper wohl nachvollziehen, ich lese auch nicht aus den Beiträgen, dass er an der Grundordnung der Bundesrepublik zweifelt. Das ein freiheitlich demokratisches System auch unguten Entwicklungen ausgesetzt sein kann, die genau dieses in Frage stellen, ist mMn erwiesen. Eine Demokratie sollte auf einem gesundne Pluralismus fussen. Vielleicht sieht Skipper den Pluralismus in Gefahr, wenn es eben nur noch eine "geduldete" Meinungsfreiheit geben würde.

@Zettel: sehen Sie möglicherweise auch Anzeichen dafür, dass die Meinungsfreiheit, der Puralismus (wenn auch nur gefühlt) sich mit der Zeit geändert haben?

Ich stimme Zettel zu, dass ein Anzweiflung der demokratischen Rechtsordnung hier nichts zu suchen hat. Aber vielleicht treibt Skipper genau die Angst vor einem Verlust eben jener Grundordnung?

Yossarian

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