Zitat von adder im Beitrag #25 Aber auch die EMNID-Umfrage macht ja Probleme bei der Bewertung - angefangen von der bis jetzt unklaren Fragestellung bis hin zum Schäm-Effekt, der sicher auch den einen oder die andere dazu gebracht hat, nicht zuzugeben, dass sie nicht denken, Brüderle müsse sich entschuldigen.
Man kann, lieber adder, natürlich nur das zur Kenntnis nehmen, was die Leute sagen. Warum sie es sagen, weiß man nie. Ich denke, es ist eine gute erste Annahme, daß sie sagen, was sie denken.
Zitat von adder im Beitrag #25EMNID befragt etwa 3000 Menschen, die aufgrund eines selbstgemachten Schemas zusammengesucht werden.
Waren es tatsächlich so viele? Üblich sind bei solchen Umfragen 1000 bis maximal 2000 Interviews. Das hat mathematische Gründe: Eine weitere Erhöhung des Stichprobenumfangs verringert den wahrscheinlichen Fehler nur noch unerheblich. Der zusätzliche Aufwand würde in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen.
Was die Zusammensetzung der Stichprobe angeht, ist heute die Random-Methode üblich; dh die Interviewten werden strikt nach Zufall ausgesucht. Sie sind damit aus demselben Grund repräsentativ für die Grundgesamtheit, aus dem eben eine zufällig gezogene Stichprobe der Verteilung in der Grundgesamtheit nahekommt.
Nehmen wir an, am Strand von Sylt liegen bunt durcheinander 80 Prozent weiße und 20 Prozent schwarze Muscheln. Sie lassen sich die Augen verbinden und bücken sich 1000 Mal, um eine Muschel nach Zufall aufzuheben. Sie tun sie in den Eimer und zählen dann nach. Sie werden ungefähr 800 weiße und 200 schwarze Muscheln aufgesammelt haben.
Da geht es also nicht um ein "selbstgemachtes Schema", sondern um angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. Diese nämlich sagt uns, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß wir nur, sagen wir, 750 oder gar nur 700 weiße Muscheln im Eimer haben. Das ist möglich, aber eben unwahrscheinlich.
Zitat von adder im Beitrag #25Zu den Panels: da völlig unklar ist, wie diese Panels überhaupt ausgewählt werden, kann ich nur annehmen, dass die gfk versucht, eine repräsentative Größe zu erreichen. Da sind aber durch die Zersplitterung des Medienmarktes und die Tatsache, dass sicher nicht jeder Teilnehmer auch zu jeder Zeit konsumieren will, meiner Ansicht nach noch größere Stichprobenumfänge nötig, als für die einfache "Ja/Nein"-Frage.
5000 ist eine üppige Größe, lieber adder. Aus den genannten rein mathematischen Gründen. Auch die Erfassung des Sehverhaltens ist meines Wissens inzwischen perfektioniert. Ich glaube, es werden Kameras eingesetzt, die das Gesicht jedes einzelnen Familienmitglieds mit ihrer Erkennungssoftware identifizieren und also genau registireren können, wer welches Programm sieht. Früher mußten die Panel-Leute einen Knopf drücken.
Zitat 90 Prozent der Deutschen verlangen laut der Umfrage für "Bild" eine Entschuldigung Brüderles.
Aus meiner Sicht ist von solcherart Umfragen wenig zu halten. Ich traue ihnen nicht. Zu viel hängt dabei von der Art der Fragestellung ab, die jedoch nur selten mit publiziert wird. Der "Confirmation Bias" schlägt hier gnadenlos zu.
Zitat von ZettelWas die Zusammensetzung der Stichprobe angeht, ist heute die Random-Methode üblich; dh die Interviewten werden strikt nach Zufall ausgesucht. Sie sind damit aus demselben Grund repräsentativ für die Grundgesamtheit, aus dem eben eine zufällig gezogene Stichprobe der Verteilung in der Grundgesamtheit nahekommt.
Interessant, vor 15 Jahren bevorzugte man, meiner Erinnerung nach, die geschichtete Stichprobe, die zwar etwas aufwendiger ist, aber meist genauer als eine echte Zufallsstichprobe. Dennoch habe ich, unabhängig von der konkreten Itemformulierung, kein Problem mit der Erhebung an sich. Das eigentliche Problem scheint mir aber zu sein: man erzeugt medial eine Woche lang eine Stimmung, die man anschließend demoskopisch einfängt und als Beleg nimmt, daß die zunächst erzeugte und dann eingefangene Stimmung einer irgendwie gearteten "Wahrheit" entspricht und die dann anschließend als Tatsache verkauft wird. So läuft das in aller Regel, und es ist unendlich unredlich. Viele Grüße, Andreas Döding
Zitat von ZettelWas die Zusammensetzung der Stichprobe angeht, ist heute die Random-Methode üblich; dh die Interviewten werden strikt nach Zufall ausgesucht. Sie sind damit aus demselben Grund repräsentativ für die Grundgesamtheit, aus dem eben eine zufällig gezogene Stichprobe der Verteilung in der Grundgesamtheit nahekommt.
Interessant, vor 15 Jahren bevorzugte man, meiner Erinnerung nach, die geschichtete Stichprobe, die zwar etwas aufwendiger ist, aber meist genauer als eine echte Zufallsstichprobe.
Das liegt vermutlich daran, daß es aus Kostengründen heute kaum noch face-to-face interviews gibt. Die Quotenmethode ist bei Telefonumfragen schwierig. Random sampling dagegen ganz einfach, in dem man jeweils denjenigen aus der Familie ans Telefon holen läßt, der zB als nächster Geburtstag hat.
Als ich in den sechziger Jahren als Student als Interviewer gejobbt habe, gab es fast nur das Quotenverfahren. Wenn man als Interviewer ehrlich war, dann war das sehr mühsam, vor allem gegen Ende. Da fehlte dann noch, sagen wir, eine Frau über sechzig, und man klingelte und klingelte. Und wenn dann endlich eine aufmachte, schmiß sie sofort die Tür wieder zu "Wir kaufen nix".
Zitat von Doeding im Beitrag #28 Das eigentliche Problem scheint mir aber zu sein: man erzeugt medial eine Woche lang eine Stimmung, die man anschließend demoskopisch einfängt und als Beleg nimmt, daß die zunächst erzeugte und dann eingefangene Stimmung einer irgendwie gearteten "Wahrheit" entspricht und die dann anschließend als Tatsache verkauft wird. So läuft das in aller Regel, und es ist unendlich unredlich.
Da stimme ich Ihnen völlig zu. Da werden keine attitudes gemessen, langfristige Einstellungen, sondern temporäre Stimmungen; wesentlich erzeugt durch die Rückkopplung, auf die ich schon hingewiesen habe.
Diese Stimmungen scheinen immer volatiler zu werden; vermutlich a), weil die meisten Menschen heute mehr außengeleitet sind als vor ein, zwei Generationen, b) weil durch die ständige Kommunikation per SMS, Twitter, Facebook usw. sie sich unaufhörlich austauschen und ihre Meinungen anpassen.
Das erinnert a bisserl an diese Schwärme von Strandläufern, die irgendwie miteinander kommunizieren mit dem Ergebenis, daß alle in derselben Sekunde kehrt machen und in Richtung Land oder See laufen.
Zitat von ZettelDiese Stimmungen scheinen immer volatiler zu werden; vermutlich a), weil die meisten Menschen heute mehr außengeleitet sind als vor ein, zwei Generationen, b) weil durch die ständige Kommunikation per SMS, Twitter, Facebook usw. sie sich unaufhörlich austauschen und ihre Meinungen anpassen.
Ich würde c.) vermuten: stärkeres mediales "pressing", was wiederum mit Ihrem vermuteten b.) zu tun haben mag, lieber Zettel: die Menschen sind, wohl über (fast) alle Schichten, besser und aktueller informiert als früher und reagieren wechselhaft auf die Wechselhaftigkeit der Medien. Über Ihr a.) denke ich noch nach. So richtig kann ich ein generell erhöhtes Außengeleitetsein noch nicht entdecken. Meinen Sie eine größere Abhängigkeit vieler von der Meinung anderer, oder etwas anderes? Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von Zettel im Beitrag #26 5000 ist eine üppige Größe, lieber adder. Aus den genannten rein mathematischen Gründen.
Ja, ich dachte mir so etwas schon. Die Stichproben-"Rechner", die allgemein angeboten werden, spucken auch immer so niedrige Werte aus. Und da sitze ich nun, nur mit gefährlichem Halbwissen über Statistik ausgestattet, und denke mir: wenn wir schon für so etwas so einfaches wie Überlebensraten bei Krebs ("einfach", da entweder Patient überlebt oder nicht - und wir wollen ja auch nur feststellen, ob der durchschnittliche Patient nun länger überlebt als früher...) Studiengrößen von bis zu einigen Tausend Patienten benötigen... - wie gut muss denn bitte eine so weiche Studie wie jede "geisteswissenschaftliche" Studie gepowert sein...
Aber wahrscheinlich bin ich da in eine statistische Falle getappt. Zum einen benötigen wir ja diese großen Studienpopulationen, weil der Unterschied so "klein" ist - und zum anderen mag es natürlich auch wichtiger sein zu wissen, dass ein neues Arzneimittel / eine neue Behandlungsmethode tatsächlich besser ist, als zu wissen, ob nun eine Mehrheit des Volkes lieber das Dschungelcamp oder lieber Streit um Drei schaut.
Zitat von Doeding im Beitrag #30 Über Ihr a.) denke ich noch nach. So richtig kann ich ein generell erhöhtes Außengeleitetsein noch nicht entdecken. Meinen Sie eine größere Abhängigkeit vieler von der Meinung anderer, oder etwas anderes?
Ich meinte es, lieber Andreas Doeding, im Sinn von David Riesman, der diese Unterscheidung zwischen inner-directed und other-directed erfunden, jedenfalls sie popularisiert hat. Aus der Wikipedia:
Zitat Riesman's 1950 book, The Lonely Crowd, a sociological study of modern conformity, which postulates the existence of the "inner-directed" and "other-directed" personalities. Riesman argues that the character of post-WWII American society impels individuals to "other-directedness", the preeminent example being modern suburbia, where individuals seek their neighbors' approval and fear being outcast from their community. This lifestyle has a coercive effect, which compels people to abandon "inner-direction" of their lives, and induces them to take on the goals, ideology, likes, and dislikes of their community. Ironically, this creates a tightly grouped crowd of people that is yet incapable of truly fulfilling each other's desire for sexual pleasure. The book is considered a landmark study of American character.
Ich habe dieses Buch als Schüler in deutscher Übersetzung gelesen ("Die einsame Masse" hieß es, glaube ich) und war sehr beeindruckt von der uns damals so fremden außengeleiteten US-Gesellschaft, in der Schulklassen zum Beispiel den "beliebtesten Mitschüler" wählen.
Heute hat, wie anders, unsere Gesellschaft viel Ähnlichkeit mit der damaligen amerikanischen. "Konformismus" ist ein vielleicht zu enger Begriff, denn es geht nicht nur um Meinungen, sondern um jeden Aspekt des Lebens. Was "in" ist, das wollen alle haben und sein; was "out" ist - igitt.
Übrigens scheint mir, daß auch der immense Erfolg der Klimareligion, des Biowahns, des Feminismus usw. viel mit dieser Außengeleitetheit zu tun hat. Das bürgerlicher Individuum, das auf seine eigene Meinung und seine Autonomie stolz war, wird abgelöst durch Menschen, die am glücklichsten sind, wenn sie genau im Trend liegen.
Zitat von ZettelIch meinte es, lieber Andreas Doeding, im Sinn von David Riesman, der diese Unterscheidung zwischen inner-directed und other-directed erfunden, jedenfalls sie popularisiert hat.
War mir nicht bekannt, kann ich jetzt sehen. Danke für die Erläuterung, lieber Zettel.
Das Konzept scheint übrigens große Übereinstimmungen mit dem Persönlichkeitsmerkmal Feldabhängigkeit/Feldunabhängigkeit zu haben: http://books.google.de/books?id=j_22jqy6...hologie&f=false Ürsprünglich als Besonderheit visueller Wahrnehmung erforscht, wird es heute verstanden als "the dimension (that) reflects the degree to which people function autonomously of the world around them. People at one extreme [...] are likely to have internal frames of reference available thet they use in articulating incoming information. [...] People on the opposite extreme are likely to use external frames of reference and are less active in processing incoming information [...]". Leider wird das m. W. heute kaum noch beforscht, was mir unverständlich ist.
Auch "Soziale Erwünschtheit" scheint ein verwandtes Konstrukt, das, Sie wissen das sicher bereits, auch als "response style" bei Befragungen zur Fehlerquelle werden kann, ebenso wie die "Zustimmungstendenz" (sog. Akquieszenz) oder die Tendenz mancher Menschen zu extremen Antworten oder auch "mittleren" Antworten (sofern die Antwortmöglichkeiten abgestuft sind). Fehlerquellen, die man in der Demoskopie aber natürlich durch geeignete Wahl der Stichprobengröße kontrollieren kann.
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