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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 97 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3 | 4
Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.02.2013 13:45
#51 RE: Teil 3: Schamkultur und fehlende Pressefreiheit Antworten

Zitat von Sieben Jahre als Deutscher in Mali – Erfahrungen und Folgerungen (3): Die Schamkultur und das Fehlen einer freien Presse / Ein Gastbeitrag von Diarra
Der Kommunismus ist nicht zuletzt daran gescheitert, dass er diesen inneren Prozess der kritischen und öffentlichen Selbstanalyse nicht zugelassen hat.


Für einen Staat welcher sich als Demokratie versteht und seine demokratischen Strukturen ausbaut und festigt ist das natürlich zutreffend. Für eine Diktatur welche der Kommunismus zur Folge hat, ist das genaue Gegenteil m.E. der Fall. Seine Stabilität hängt ganz entscheidend von der Unterdrückung und Verhinderung jeglicher Pressefreiheit ab. Sein Scheitern ist das Unvermögen der freiheitlichen Entwicklung im Land Einhalt zu gebieten - und diese beginnt mit einer illegalen und freien Presse.

Lieber Diarra, auch ich möchte mich bedanken für Ihre außerordentlich interessanten und lehrreichen Beiträge.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Diarra Offline



Beiträge: 19

03.02.2013 18:32
#52 RE: Teil 4: Gescheiterte Entwicklungshilfe Antworten

Lieber Scorpion,

ich verstehe Ihr Unbehagen und Ihren Widerspruch. Warum habe ich das Beispiel trotzdem gewählt? Weil es besonders deutlich zeigt, dass die Folgen von Schuld durchaus weiterbestehen, auch wenn deren Ursachen beendet sind.
Ich habe ein Jahr in Belgien gelebt und studiert und hatte, als Vorbereitung auf meine Arbeit in Mali, viel mit Belgiern und mit Kongolesen zu tun. Mein Eindruck war: beide Seiten leiden bis heute unter den Folgen der "Leopold-Zeit". Diese Schuld ist mitnichten "temporär", sondern lastet auf beiden Seiten und steht bis heute zwischen den Kulturen. Schuld kann nicht vererbt werden, sie ist individuell, aber die Folgen von Schuld können auch die betreffen, die gar nicht selbst direkt beteiligt waren.
Wenn ich einmal ein Beispiel aus Deutschland dazu geben darf: vor genau 70 Jahren hat Goebbels seine berüchtigte "Sportpalast"-Rede gehalten. Von ihr ist viel Unheil ausgegangen. Dieses Unheil ist nicht einfach dadurch gebannt, dass der Krieg nun fast genauso lange vorbei ist, sondern da ging etwas weiter in den Herzen und Köpfen der Menschen, die sich von diesem Ungeist haben vereinnahmen lassen. Ich schreibe hier sicher auch aus Sicht eines Christen, aber denken sie nur daran, was Kinder alles tun, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen und ihren Fehler zu verbergen. Statt ehrlich die Wahrheit zu sagen, lügen sie so lange wie möglich. Franzosen, Belgier, Briten, auch die Deutschen, beruhigen ihr schlechtes Gewissen mit Millionen von Euro an Entwicklungshilfe. Stattdessen wäre mal ein ehrliches Innehalten angesagt, echtes Schuldeingeständnis (und nicht dieses verschwurbelte und ritualisierte Bla Bla, z.B. den Hereros in Namibia gegenüber) und dann die Bitte um Vergebung. Danach wäre man freier auch mal "Nein" zu sagen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

04.02.2013 07:11
#53 RE: Teil 4: Gescheiterte Entwicklungshilfe Antworten

Lieber Diarra,

Auch von mir herzlichen Dank für Ihre Serie. Ganz besonders gut gefallen hat mir Ihr Beitrag über Korruption.
Ich war vor einigen Jahren einmal urlaubsbedingt in Kenia. Damals haben sich mir zwei Eindrücke bleibend eingeprägt. Zum einen der Müll und Dreck, in dem Mombasa buchstäblich versinkt. Ich habe mich damals, westlich-überheblich, gefragt: " Warum schaffen es diese sympathischen, humorvollen und improvisationstalentierten Menschen nicht, sich aus ihrem Müll und Unrat zu erheben?" Der zweite Eindruck bestand in den zahlreichen Holzbriefkästen mit der Aufschrift "Anti Corruption Suggestion Box", die dort überall aufgehängt waren. Damals war meine Vermutung, daß man, außer Fussel, in diesen Kästen wohl nichts finden würde. Beide Eindrücke habe ich damals intuitiv in Zusammenhang gesehen, und dieser intuitive Zusammenhang hat durch Ihren Beitrag eine sachliche Fundierung und Erklärung bekommen, und dafür danke ich Ihnen.

Ich hatte übrigens nie wieder das Bedürfnis, dorthin zu reisen. Zu groß, für einen Urlaub, erschienen mir die sozialen Spannungen und Verwerfungen. Kurze Zeit später kam es dann ja auch zu schweren Unruhen in Kenia.

Aber etwas anderes ist seitdem passiert: mein Frieden mit dem manchmal etwas gartenzwerghaft daherkommenden deutschen Gemeinwesen hat sich vergrößert und vertieft. Vor einigen Wochen bekam ich einen, übrigens ausnehmend freundlich formulierten, Brief vom Ordnungsamt der ländlichen Kleinstadt, in der ich lebe. Er enthielt die Bitte, meine Mülltonnen zukünftig bitte etwas weiter oberhalb an die Straße zu stellen, der Fahrer des Müllabfuhrwagens habe sich mehrfach beschwert, daß er die Tonnen mit seinem Greifarm schlecht erreichen könne.
Dieser Bitte komme ich seitdem sehr gerne und mit großem inneren Einverständnis nach.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

04.02.2013 09:05
#54 Teil 5: Ein katastrophales Schulsystem Antworten

Eine Alphabetisierungsrate von 22 Prozent, aber überall Koranschulen - das sind zwei Merkmale des malischen Schulsytems, die Diarra in dieser Folge beschreibt.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

04.02.2013 12:41
#55 Ressourchenfluch Bildung Antworten

In anderem Zusammenhang geschrieben, aber auch hier passend:

http://www.antibuerokratieteam.net/2010/...olitik-der-fdp/

Was nutzt Bildung, Ausbildung, wenn es keine Rechtssicherheit fuer Unternehmertum gibt?

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

04.02.2013 13:41
#56 RE: Teil 4: Gescheiterte Entwicklungshilfe Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #49

Zitat von Diarra im Beitrag #43
Die Kolonialzeit war daher meiner Überzeugung nach keine gute Zeit für Mali.

Ja, das denke ich auch. Man ging teilweise barbarisch mit den "Eingeborenen" um; ihre Menschenwürde wurde oft mit Füßen getreten. Das war das 19. Jahrhundert. Aber im 20. Jahrhundert begann sich ja vieles zu ändern. Vor allem die Franzosen und die Engländer - weniger die Portugiesen und Holländer, gar nicht die Belgier - entwickelten die Infrastruktur in den Kolonien und förderten die einheimische Elite.



Das hängt, wie Sie andeuten, lieber Zettel, wahrscheinlich wirklich vom Kolonialherrn ab. Insbesondere die Belgier haben wenig hinterlassen und bis zum Ende nicht so gewirkt, als dass eine längere Kolonialherrschaft eindeutig erstrebenswert im Interesse der Koloniesierten schiene. Ich glaube, das spiegelt sich in diesem speziellen Fall mit den tendenziell spannungsgeladenen Beziehungen zwischen Mutterland und Kolonie wieder.

P.S. Vielen Dank an Diarra für diese sehr interessante Serie!

Nobby Offline



Beiträge: 110

04.02.2013 14:38
#57 RE: Sieben Jahre in Mali Antworten

Ich möchte mich auch bei Diarra für diesen Berichte bedanken.

Zur Ergänzung, heute steht eine ausführlicher Bericht zur derzeitigen Lage der Tuareg in Mali
bei der Stuttgarter Zeitung:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt...f2ebb8e5d4.html

Auszug:

Seit Malis Unabhängigkeit anno 1960 gab es in Mali viele Tuareg-Aufstände. Der erste in den sechziger Jahren wurde blutig niedergeschlagen. Erst die zweite Revolte Anfang der Neunziger habe, so Ossade, „wirklich etwas verändert“. Am Ende stand ein „nationaler Pakt“. „Es ging um Integration, nicht um Unabhängigkeit.“ Das Militär lockerte seinen Griff auf den Norden. Im Süden machten Tuareg Karriere als Minister und Direktoren. „Das ist ein demokratisches Land. Wir sind eine Minderheit, selbst im Norden. Wir sind Malier“, sagt Ossade und setzt mit großen Augen nach: „Ich werde als Malier sterben.“

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.02.2013 15:53
#58 RE: Ressourchenfluch Bildung Antworten

Zitat von Dagny im Beitrag #55
In anderem Zusammenhang geschrieben, aber auch hier passend:

http://www.antibuerokratieteam.net/2010/...olitik-der-fdp/

Was nutzt Bildung, Ausbildung, wenn es keine Rechtssicherheit fuer Unternehmertum gibt?


So ist es. Das ist der Punkt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.02.2013 12:47
#59 Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Das ist der erste Beitrag aus Diarras hervorragender Reihe, bei dem ich Widerspruch einlegen muß.
Es ist NICHT so wie von ihm vermutet, daß die Globalisierung die Entwicklung in Mali ersticken würde. Sondern im Gegenteil bietet die Globalisierung die wesentliche Chance, die überwiegend hausgemachten Probleme zu überwinden.

Zitat
Er sagte mir einmal, dass die Malier zwar alle zwei bis drei Handys besitzen, aber keines dieser Handys in Mali hergestellt wird.


Das ist normal. Auch in Deutschland werden m. W. keine Handys mehr hergestellt. Es gibt überhaupt nur ein halbes Dutzend Länder, in denen fast die komplette Weltproduktion an Handys hergestellt wird.
Es ist ein Irrtum zu glauben, man müsse alle möglichen Produkte im eigenen Land herstellen. Spezialisierung und Arbeitsteilung sind wesentlich für den Erfolg. Mali soll nicht seine Handys selber produzieren, sondern herausfinden, bei welchen Produkten es relative Vorteile gegenüber anderen Ländern ausspielen kann.

Zitat
Reis ist neben der Hirse das Hauptnahrungsmittel in Mali und könnte im geringen Maße auch exportiert werden. Doch diese Möglichkeit wird dadurch unterlaufen, dass es Reis aus Vietnam um ein Vielfaches billiger zu kaufen gibt, als der vor der Tür wachsende einheimische Reis kostet.


Die Exportmöglichkeit wird nicht durch die vietnamesischen Importe unterlaufen. Sondern ganz offensichtlich ist die malische Produktion völlig ineffizient und damit nicht marktfähig.
An den Arbeitskosten wird es wohl eher nicht liegen. Also sind entweder die klimatischen und geographischen Bedingungen doch nicht so günstig für Reisanbau, oder aber die Anbaumethoden sind völlig ungeeignet.

Zitat
Welcher Malier mit knappen Mitteln soll guten Reis aus Mali kaufen, wenn es auch billigeren Reis aus Vietnam gibt?


Eine völlig richtige Entscheidung. WENN die Vietnamesen das mit dem Reisanbau besser hinkriegen - dann sollten die Malier auch nicht ihr gutes Geld verschwenden, um vergleichsweise ineffiziente einheimische Produzenten zu fördern.

Zitat
Dort, wo es keine Nachfrage gibt, kann keine wirtschaftliche Entwicklung entstehen


Aber die Nachfrage ist doch da! Sonst würde sich der vietnamesische Reis nicht verkaufen.
Nur sind die malischen Reisproduzenten nicht in der Lage, diese angemessen zu bedienen. Bei denen liegt also das Problem, das zu lösen ist.

Zitat
Einheimische Produkte haben keine Chance, sich in einem globalisierten Wettbewerb zu behaupten.


Aus der Darstellung läßt sich nicht schließen, daß die einheimischen Produkte in irgendeiner Weise benachteiligt würden. Sie sind offenbar nicht gut genug - die Produzenten haben also sehr wohl die Chance, sind aber nicht in der Lage, diese zu nutzen.

Zitat
Es gibt eine einzige Firma im Raum Ségou, die im großen Stil Baumwolle zu guten Stoffen verarbeitet, und das zu weltmarktfähigen Preisen. Diese Firma ist aber bezeichnender Weise nicht in malischer, sondern in chinesischer Hand, ...


Also - geht doch.
Mali braucht also mehr Firmen dieser Art. Dabei ist zweitrangig, ob die von chinesischen oder malischen Investoren betrieben werden.

Zitat
Ausländische Investoren kommen nicht nach Mali, um das Land zu entwickeln, sondern um dort Gewinne zu machen.


Ja selbstverständlich. Das ist weltweit so, und auch völlig legitim. Und diverse Länder - die vor zwei Generationen ähnlich arm waren wie Mali - haben ihren Erfolg im wesentlichen dadurch erzielt, daß sie diesen Investoren den roten Teppich ausgerollt haben und ihnen Gewinne ermöglicht haben.

Zitat
Das Know How verbleibt bei ihnen (den Investoren), und den Maliern bleiben nur die Brosamen.


Das hängt ganz von den Maliern ab. Natürlich drängen die Investoren den einheimischen Arbeitern ihr Know-How nicht auf. Aber eine Fabrik vor Ort betreibt man am besten immer mit lokalem Personal. Beste Chancen für leistungs- und lernwillige Malier. Braucht natürlich seine Zeit.

Es ist völlig normal, daß in einem unterentwickelten Land die eigene Wirtschaft schwach startet, daß nur ausländische Investoren größere Projekte stemmen können.
Trotzdem sind diese Investoren absolut notwendig, je mehr von ihnen kommen, desto besser. Und um diesen Kern herum kann dann die eigene Wirtschaft wachsen.

Und wenn das nicht geschieht - dann liegt es eben an den bekannten internen Faktoren wie Korruption und politischen Fehlentscheidungen.

vivendi Offline



Beiträge: 663

05.02.2013 14:49
#60 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #59
Es ist völlig normal, daß in einem unterentwickelten Land die eigene Wirtschaft schwach startet, daß nur ausländische Investoren größere Projekte stemmen können.
Trotzdem sind diese Investoren absolut notwendig, je mehr von ihnen kommen, desto besser. Und um diesen Kern herum kann dann die eigene Wirtschaft wachsen.
Und wenn das nicht geschieht - dann liegt es eben an den bekannten internen Faktoren wie Korruption und politischen Fehlentscheidungen.

Ich schliesse mich dieser Analyse uneingeschränkt an. Es gibt zahllose Beispiele dafür, dass erst die Schaffung nachhaltiger politischer und ökonomischer Grundlagen, möglicherweise mit fremder Hilfe, eine lokale Entwicklung ermöglicht und fördert: Australien, China, Südkorea, Taiwan, DDR, ...

Thanatos Offline



Beiträge: 232

05.02.2013 16:22
#61 Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Diarra
Dies alles zeigt: Mali ist nicht Herr im eigenen Hause. Die Wirtschaft ist viel zu schwach und unterentwickelt, um international konkurrenzfähig zu sein. Das, was Gewinn abwirft, ist in internationaler Hand.

Ein Wissens- und Technologietransfer findet nicht statt, Eigeninitiativen werden oft durch Korruption und Vettern­wirtschaft abgewürgt. Der staatliche Sektor ist aufgebläht, der private Sektor dagegen völlig unterentwickelt.



Ich zitiere obige Zeilen stellvertretend für die gesamte Beschreibung der afrikanischen Misere. Es wird nunmehr seit vielen Jahrzehnten und mit allen möglichen Rezepten am "Patienten" Afrika herumgedoktert - Ergebnis nahezu null. Jeder, der sich längere Zeit in afrikanischen Ländern aufhält und das Leben dort kennt, schüttelt nur noch den Kopf über das in Europa vermittelte Wunschbild und die naiven Hoffnungen, man könne dort "Transformationen" einleiten, hervorrufen, anschieben, "Entwicklungshilfe" leisten usw.

Ich möchte mal einen ganz simplen Gedanken hier in den Raum stellen. Er ist wirklich echt simpel, auch rein hypothetisch. Ich doppele ihn aber trotzdem mal.

"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würder, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"

"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"


What would happen?

(Nun, vielleicht gibt es historische Analogien, aus denen man etwas schließen könnte: z.B. die Besiedelung Nordamerikas oder die jüdische Landnahme im sogenannten Palästina).

Ich glaube, diese Fragestellung kann einige Denkanstöße geben.

MfG

Thanatos

[Nachträgliche Ergänzung: von mir aus dürfen es auch Norweger, Australier, Briten, Chinesen oder Mormonen (äh, was paßt hier nicht in die Systematik?) sein, die sich ansiedeln.]

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.02.2013 16:53
#62 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Thanatos im Beitrag #61
Ich zitiere obige Zeilen stellvertretend für die gesamte Beschreibung der afrikanischen Misere.

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich allgemein gilt. Es gibt in der Tat weitere Staaten, in denen es ähnlich schlecht läuft.

Andererseits habe ich aber auch ernst zu nehmende Beiträge gelesen, daß es in einer Reihe von afrikanischen Staaten ganz respektable Entwicklungen gegeben hat. Das wird halt hierzulande nicht berichtet, weil es nicht zum gängigen Klisché paßt. Und weil manche afrikanischen Regierungen gar nicht daran interessiert sind, Fortschritte publik zu machen - dann bekommen sie ja weniger Geld.

Ein Beispiel soll Ghana sein. Dort hat man wohl mal mit entsprechend Aufwand eine seriöse Berechnung des Bruttosozialprodukts vorgenommen. Und plötzlich stellte sich heraus, daß Ghana schon längst doppelt so reich ist wie lange Zeit angenommen. Und jetzt guter Durchschnitt unter den Staaten dieser Welt ist.
Was prompt dazu geführt hat, daß Ghana eine Reihe von Begünstigungen verloren hat.

Zitat
man könne dort "Transformationen" einleiten, hervorrufen, anschieben, "Entwicklungshilfe" leisten usw.


Es kann dort in der Tat fast nichts von außen angeschoben werden. Aber ansonsten sind die Leute ja nicht dümmer als anderswo. Wenn die richtigen Strukturen installiert werden, geht viel.

Zitat
"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würder, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"


Wenn sie jeweils ein abgetrenntes eigenes Gebiet bekommen, in dem sie autonom wirtschaften und sich regieren können - dann könnte sich da etwas entwickeln. Sie würden aber heftiges Lehrgeld zahlen, weil sie mit den lokalen Gegebenheiten (insbesondere Klima und Landwirtschaft) nicht vertraut sind. Ohne heftige Starthilfe ginge da nichts.

Wenn sie dagegen vereinzelt unter die normale Bevölkerung gemischt würden, und mit genau denselben strukturellen Problemen fertig werden müßten wie die Einheimischen - dann würden sie wohl eher noch schlechter abschneiden.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

05.02.2013 17:06
#63 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Thanatos im Beitrag #61
[i]"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würder, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"



Die Frage braucht nicht im Konjunktiv betrachtet zu werden, um historisch gewichtet werden zu können. Genau diese Experimente hat es ja gegeben: in Shanghai, Singapur, Hongkong, und Macao beispielsweise - freilich liefen diese Experimente über einen etwas längeren Zeitraum.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

05.02.2013 17:28
#64 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #63
Genau diese Experimente hat es ja gegeben: in Shanghai, Singapur, Hongkong, und Macao beispielsweise

Ich halte das nicht für vergleichbar. Nicht nur, weil dort keine Schwaben angesiedelt wurden ;-)
Der Knackpunkt ist m. E., daß es in diesen Städten von Anfang an eine funktionierende Justiz gab. Gerade in Hongkong war es ja so, daß die englische Verwaltung sich strikt auf die Einhaltung der Rechtsordnung beschränkt hat, und ansonsten die Einwohner beliebig wirtschaften konnten.
Und genau das fehlt in Ländern wie Mali.

TF Offline



Beiträge: 281

05.02.2013 17:55
#65 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

RA ja großteils schon gesagt, was ich schreibe wollte. Globailisierung ist Chance und nicht Bedrohung für Mali und andere Länder.

Wo, wenn nicht von ausländischen Investoren, soll denn ein Anstoß zur Veränderung bringen? Das Land hat außer billigen Arbeitskräften derzeit ja nichts zu bieten. Die wenigen Einheimischen, die genug Geld hätten, schaffen ihr Geld offenbar woanders hin.

Diarra hat ja selbst geschrieben, dass Erfolg sich für einzelne nicht lohnt, weil dann gleich die ganze Verwandtschaft den ihnen « zustehenden » Anteil will. Das ist ein grundlegender Unterschied zu asiatischen Tigerstaaten, deren Gesellschaften offenbar sehr viel zuträglicher für wirtschaftlichen Fortschritt sind als afrikanische. Man muss nebenbei lange nachdenken, um auf nicht-fernöstliche, ehemals arme Länder zu kommen, die in den letzten Jahrzehnten einen großen Aufschwung ohne massive Rohstofförderung hinbekommen haben. Noch schlimmer, afrikanische Staaten bleiben oft selbst dann bettelarm (abgesehen von einer sehr dünnen Oberschicht), wenn massive Rohstoffvorkommen ausgebeutet werden. Hier kann, wenn überhaupt, nur jemand Veränderung bwirken, der von außen kommt, und das wahrscheinlich nur sehr langfristig.

Mali hat es als Binnenland mindestens einige Hundert Kilometer weg von der Küste, umgeben von selbst unterentwickelten und z. T. instabilen Ländern sicher auch abgesehen von hausgemachten Problemen vorerst nicht gerade günstige Voraussetzungen für Industrie. Wie soll sich da ein Handywerk rechnen? Da muss sich Mali andere Nischen suchen.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

05.02.2013 18:56
#66 RE: Teil 4: Gescheiterte Entwicklungshilfe Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #59
Das ist der erste Beitrag aus Diarras hervorragender Reihe, bei dem ich Widerspruch einlegen muß.
Es ist NICHT so wie von ihm vermutet, daß die Globalisierung die Entwicklung in Mali ersticken würde. Sondern im Gegenteil bietet die Globalisierung die wesentliche Chance, die überwiegend hausgemachten Probleme zu überwinden.]

Richtig.

Es gibt übrigens kaum ein Wirtschaftsthema, bei dem die Beurteilung der ökonomischen Fachleute so stark vom "Bauchgefühl" des Laien abweicht wie gerade bei der Globalisierung.
Ich kenne sehr viele Nicht-Ökonomen, die die Globaliserung für viele Übel der Welt verantwortlich machen: Armut in Entwicklungsländern, Arbeitslosigkeit in Industrieländern, etc. etc.: es gibt fast nichts, für was nicht die Globalisierung verantwortlich sein soll.
Gleichzeitig sind praktisch alle Ökonomen vom Vorteil des internationalen Handels überzeugt (und zwar vom Vorteil für ALLE Beteiligten). Diese weitgehende Einigkeit ist umso beachtlicher, weil sonst ja häufig Ökonomen sich auch gerne mal nicht einig sind.


[quote="R.A."|p89295]
Zitat:Reis ist neben der Hirse das Hauptnahrungsmittel in Mali und könnte im geringen Maße auch exportiert werden. Doch diese Möglichkeit wird dadurch unterlaufen, dass es Reis aus Vietnam um ein Vielfaches billiger zu kaufen gibt, als der vor der Tür wachsende einheimische Reis kostet.

Die Exportmöglichkeit wird nicht durch die vietnamesischen Importe unterlaufen. Sondern ganz offensichtlich ist die malische Produktion völlig ineffizient und damit nicht marktfähig.
An den Arbeitskosten wird es wohl eher nicht liegen. Also sind entweder die klimatischen und geographischen Bedingungen doch nicht so günstig für Reisanbau, oder aber die Anbaumethoden sind völlig ungeeignet.]

Richtig.
Aber um das noch etwas weiter zu fassen:

Mali muss langfristig eine ausgeglichene Außenbilanz haben.
Denn mit irgendetwas muss der vietnamesische Reis ja bezahlt werden.
Dass Mali mit NICHTS wettbewerbsfähig wäre, kann daher nicht sein.
Wenn Mali eine sehr geringe Produktivität hat, dann wird seine Währung so lange abwerten, bis die Außenbilanz wieder ausgelichen ist.

Wenn nun Reis tatsächlich nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen in Mali angebaut werden kann, dann liegt das daran, dass es irgendwelche anderen Sektoren in Mali geben muss, die effizienter arbeiten als die Reisbauern.
Und dieser Sektor ist vermutlich der Bergbau.

Letzten Endes kann man Diarras (hervorragenden) Bericht im Wirtschaftsbereich mit einem Wort zusammenfassen:
Ressourcenfluch (http://de.wikipedia.org/wiki/Ressourcenfluch)
Es lohnt sich, den Wikipedia-Artikel zu lesen.

Noch ein Aspekt, der bei Wikipedia etwas zu kurz kommt:
Die Regierung eines Landes mit vielen Rohstoffen ist NICHT auf eine gute Ausbildung ihrer Bevölkerung angewiesen. Und auch nicht darauf, dass die Bevölkerung unabhängig denkt, unternehmerisch aktiv ist, etc.
Viele der von Diarra angesprochenen Probleme z.B. bei der Schulbildung, bei den "staatsbürgerlichen Tugenden" etc. sind auch darauf zurück zu führen, dass die Regierung auf eine breite ökonomische Basis in ihrer Bevölkerung gar nicht angewiesen ist.

Diarra Offline



Beiträge: 19

05.02.2013 19:03
#67 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Sie werden es nicht glauben, aber es gibt in diesem bettelarmen Land tatsächlich einen Markt für Handys.
Sie sind Statussymbole und sie sind auch nötig, um in diesem Flächenstaat mit maroder Infrastruktur zu kommunizieren.
Aber Konsum alleine reicht nicht, es muss auch eine nachhaltige Produktion geben. Das wollte mir mein Nachbar damals sagen und ich finde, er hat Recht. Sicher, in Deutschland werden auch keine Handys zusammengeschraubt, dafür aber andere Produkte, die weltweit nachgefragt werden. Deutschland hat einen Exportüberschuss, da fällt eine eigene fehlende Handyfirma nicht so sehr ins Gewicht. Für eine starke Wirtschaft wie die deutsche ist die Globalisierung eine Chance. Ein schwaches Land wie Mali wird dagegen durch globalisierte Strukturen ausgenutzt. Wenn es ums Geschäft geht, gibt keiner freiwillig etwas ab. Mali braucht lokale Märkte, um sich zu entwickeln, nicht globalisierte Märkte.

Michel Offline



Beiträge: 265

05.02.2013 19:09
#68 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Was sie beschreiben, Diarras, ist nicht die Folge der niedrigen Produktivität, sondern die Folge der hohen Transfers nach Mali. Wenn das Problem die niedrige Produktivität wäre, könnte man es durch niedrigere Einkommen lösen. Was wir hier haben ist, dass Mali offenbar sehr viel mehr Importiert als Exportiert oder als in Mali Investiert wird. Die Differenz muss durch Transfers beglichen werden. Es ist sogar so, dass Transfers die Exportdefizite regelrecht verursachen.

Der tiefere Grund ist, dass die Zahlungsbilanz eines Landes stets ausgeglichen sein muss. Die Zahlungsbilanz setzt sich in der Regel aus Leistungsbilanz und Kapitalbilanz zusammen. Die Leistungsbilanz ist das Saldo aus Exporten und Importen. Kapitalbilanz das Saldo aus von Ausländern im Inland investierten Geldern und den von Inländern im Ausland investierte Geld. Im Fall von Staaten wie Mali spielen zusätzlich Transfers eine Rolle.

Geld das Mali durch Transfers zukommt, muss entweder für Investitionen genutzt werden oder es wird für Importe verwendet. Da es in Mali nach ihren Schilderungen so gut wie keine Investitionen geben wird, fließen die Transfers sofort wieder in den Import. Die Folge ist, dass fast alle Güter importiert werden und die heimische Produktion darniederliegt.

Michel Offline



Beiträge: 265

05.02.2013 19:25
#69 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Zitat von Diarra
Für eine starke Wirtschaft wie die deutsche ist die Globalisierung eine Chance.



Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass die Länder mit Exportüberschuss von der Globalisierung stärker profitieren als die Nettoimporteure. Wenn überhaupt dann ist es anders herum, weil die Nettoimporteure auf den Weltmärkten Kapital aufnehmen, das für zusätzliche Investitionen zur Verfügung steht. Nettoexporteure leiden unter ihrem Kapitalabfluss.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

05.02.2013 19:43
#70 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #64
Der Knackpunkt ist m. E., daß es in diesen Städten von Anfang an eine funktionierende Justiz gab. Gerade in Hongkong war es ja so, daß die englische Verwaltung sich strikt auf die Einhaltung der Rechtsordnung beschränkt hat, und ansonsten die Einwohner beliebig wirtschaften konnten.
Und genau das fehlt in Ländern wie Mali.



D'accord. Für Hongkong & Shanghai; Macao war stets eine "vergessene Kolonie", die nie eine größere Expansion durchmachte. Für Shanghai galt das nur für die Internationalen Concessions (die französische, die russische, die englisch/i, ab 1895 für die japanische) & deren Handels- & Verwaltungsbeziehungen zum Rest. Ansonsten galt Shanghai nicht zu Unrecht als ein wahres Höllenloch (das Verb "shanghaien" weist die Richtung).

"The old town, meanwhile, remained under Shanghai-nese jurisdiction.
This complicated political situation was a boon to the criminal underworld, and colonial-era Shanghai was notorious as the playground of powerful triads. All manner of illegal activity thrived, most famously prostitution and opium smuggling. Shanghai was referred to as "the greatest brothel in the world", and a common joke among visiting missionaries was that "If God allows Shanghai to endure, He'll owe Sodom and Gomorrah an apology." When Chiang Kai-Shek marched into the city in 1927, the most powerful man in the city was crime lord Du "Big Ears" Yuesheng, leader of the 'Green Gang'." - Ähnliches galt auch für Kuala Lumpur, von Andre Gide zu "Koula l'impure" umgetauft.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

05.02.2013 21:27
#71 RE: Teil 6: Globalisierung und Entwicklung Antworten

Zitat von Diarra im Beitrag #67
Für eine starke Wirtschaft wie die deutsche ist die Globalisierung eine Chance. Ein schwaches Land wie Mali wird dagegen durch globalisierte Strukturen ausgenutzt.


Nein, nein, nein.
Sie sitzen hier einem sehr weit verbreiteten Irrglauben auf.

Würde man in einem Gedankenexperiment Mali von den "globalen Strukturen" abkoppeln (also: Grenzen dicht. Alles was im Land komsumiert wird muss auch im Land produziert werden), dann ginge es Mali wesentlich schlechter als dies aktuell der Fall ist.

1. empirische Begründung:
Schauen Sie sich die Welt an. Länder, die sich den "globalisierten Strukturen" verschließen, leiden darunter. Südkorea ist eines der wohlhabendsten und dynamischsten Länder der Welt. Das abgeschnittene Nordkorea (mit einer eigentlich ja gleich talentierten Bevölkerung) ist eines der ärmsten Länder.

2. logische Herleitung:
Globalisierung bedeutet eine Verstärkung des internationalen Handels.
JEDER einzelne Handel ist allerdings IMMER für beide Seiten profitabel. Sonst würde er nämlich schlicht nicht stattfinden.
Wenn malischer Reis teurer ist als vietnamesischer Reis und man (durch Abschottung vom Welthandel) die malische Bevölkerung zum Kauf von malischen Reis zwingt, wird die Bevölkerung dadurch schlechter gestellt.

Störoperator Offline




Beiträge: 88

05.02.2013 21:50
#72 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #62

Zitat von Thanatos
"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würder, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"

Wenn sie jeweils ein abgetrenntes eigenes Gebiet bekommen, in dem sie autonom wirtschaften und sich regieren können - dann könnte sich da etwas entwickeln. Sie würden aber heftiges Lehrgeld zahlen, weil sie mit den lokalen Gegebenheiten (insbesondere Klima und Landwirtschaft) nicht vertraut sind. Ohne heftige Starthilfe ginge da nichts.


Gegenthese: Sie würden zwar „Lehrgeld zahlen“ und einige Jahre lang weniger erwirtschaften als vorher und dafür mehr arbeiten müssen, aber auch ohne äußere Hilfe würden sie ihr Siedlungsgebiet wirtschaftlich entwickeln und konkurrenzfähig sein. Vorraussetzung ist natürlich, dass die Siedler wirtschaftliche Freiheit bekämen. Selbst Rechtssicherheit nach westlichem Standard wäre nicht zwingend erforderlich (Rechtsunsicherheit würde im Wesentlichen den Maliern schaden, die dann umso stärker von der Siedler-Wirtschaft ausgeschlossen werden würden).
Wie ich darauf komme? Thanatos' Beispiele dürften genügend parallelen aufweisen. Außerdem Südafrika, Simbabwe, Brasilien (teilweise), Kanada, Australien, Neuseeland, Paraguay, …

Zitat von R.A. im Beitrag #62
Wenn sie dagegen vereinzelt unter die normale Bevölkerung gemischt würden, und mit genau denselben strukturellen Problemen fertig werden müßten wie die Einheimischen - dann würden sie wohl eher noch schlechter abschneiden.


Hierzu volle Zustimmung.

Freundlichst,
Störoperator

Skorpion ( gelöscht )
Beiträge:

05.02.2013 22:28
#73 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Thanatos im Beitrag #61
"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"
Was wäre, wenn man 2 Millionen Chinesen auf einer fast unbewohnten Insel, z.B. Taiwan, ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?

Was wäre, wenn man 6 Millionen Juden auf einem Rest des runtergewirtschafteten osmanischen Reichs ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?

Was wäre, wenn man eine halbe Million Afrikaner auf einem Drittel der Insel Hispaniola ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?

Was wäre, wenn man Millionen Muslime in bestimmten Gebieten (Berlin-Neukölln, Nürnberg Gostenhof, Düsseldorf Marxloh, München Neuperlach, ...) ansiedeln würde, die diese Gebiete dauerhaft bewohnen?

AldiOn Offline




Beiträge: 983

05.02.2013 23:03
#74 RE: Zum Kapitel sechs der Serie Antworten

Zitat von Skorpion im Beitrag #73
Zitat von Thanatos im Beitrag #61
"Was wäre, wenn man in einem Viertel des Staates Mali über 5 Jahre hinweg 50.000 Baden-Württemberger, 50.000 Sachsen, 50.000 Niederländer und 50.000 evangelikale Amerikaner ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?"
Was wäre, wenn man 2 Millionen Chinesen .... Juden ....Aufrikaner auf einem Drittel der Insel Hispaniola ansiedeln würde, die dieses Gebiet dauerhaft bewohnen?

Was wäre, wenn man Millionen Muslime ....
Auf die Frage(n) gibt es sogar eine Antwort warum das so ist.
Eurozine - Kulturelle Grundlagen wirtschaftlichen Erfolgs - Siegfried Kohlhammer

Zitat
Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt im Jahre 2004 im Mittleren Osten und Nordafrika 2000 Dollar, in Schwarzafrika 600. Im Fall der lateinamerikanischen Länder sind es 3600 Dollar, in den Euroländern 28 000. Ägypten und Ghana hatten zu Beginn der sechziger Jahre das gleiche Pro-Kopf-Einkommen wie Südkorea und Taiwan; die einen sind arme Entwicklungsländer geblieben, die anderen bedeutende Industrieländer geworden. Die wirtschaftliche Leistung des Nahen Ostens hat wie in Afrika in den letzten fünfundzwanzig Jahren nachgelassen, wenn auch nicht im selben Maße. Extrapoliert man jedoch die Einnahmen aus dem Erdöl, nähern sich die Wirtschaftsdaten dieser Region denen Schwarzafrikas an.
...
Fast alle Staaten, die mehrere ethnisch verschiedene Gruppen von Einwanderern aufgenommen haben, kennen das Phänomen des unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolgs dieser Gruppen. Die ungelernten chinesischen Arbeiter auf den Kautschukplantagen des kolonialen Malaysia waren doppelt so produktiv wie die einheimischen Arbeiter und verdienten auch mehr als das Doppelte; hundert Jahre später berichtet die französische Zeitung Libération aus Gabun, daß dort chinesische Arbeiter und Ingenieure die großen Bauprojekte der Regierung realisieren. Die etwa 100 chinesischen Arbeiter, die aus China herantransportiert werden und untergebracht werden müssen, was zusätzliche Kosten verursacht, erhalten einen mehr als doppelt so hohen Lohn wie die etwa 50 afrikanischen Arbeiter. Warum? Weil sie dreimal so schnell und außerdem zuverlässiger arbeiten, erklärt eine Chinesin. Eine europäische Architektin vor Ort bestätigt das: "Sie sind superschnell! Wir haben ihnen einmal einen Auftrag erteilt, den sie in weniger als acht Tagen erledigt haben. Unser europäisches Team hätte dafür dreimal so lange gebraucht."

Die Chinesen gehören zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Einwanderern auf der Welt – in Indonesien wie in den USA, in Singapur wie in Jamaika, einzig die indischen, japanischen und koreanischen Einwanderer können da mithalten. Sie haben gewöhnlich ein erheblich höheres Einkommen als die anderen Bevölkerungsteile. In Indonesien, wo sie weniger als 5 Prozent der Bevölkerung stellen, verfügen sie über etwa 70 Prozent des privaten Kapitals und besitzen 150 der 200 größten Unternehmen. In den USA hatten chinesisch-amerikanische Familien bereits 1969 ein 12 Prozent höheres Einkommen als die amerikanische Durchschnittsfamilie, 1990 war es 60 Prozent höher als das anderer amerikanischer Familien.



Die Europäische Kultur liegt bei Tüchtigkeit gar nicht mal in der Spitzengruppe sondern im oberen Mittelfeld.
Und die Gruppe, die auch sonst jeden erdenklichen Streß macht, liegt völlig unten.

dirk Offline



Beiträge: 1.538

05.02.2013 23:07
#75 RE: Teil 4: Gescheiterte Entwicklungshilfe Antworten

Zitat von Florian
Die Exportmöglichkeit wird nicht durch die vietnamesischen Importe unterlaufen. Sondern ganz offensichtlich ist die malische Produktion völlig ineffizient und damit nicht marktfähig.
An den Arbeitskosten wird es wohl eher nicht liegen. Also sind entweder die klimatischen und geographischen Bedingungen doch nicht so günstig für Reisanbau, oder aber die Anbaumethoden sind völlig ungeeignet.]

Richtig.
Aber um das noch etwas weiter zu fassen:

Mali muss langfristig eine ausgeglichene Außenbilanz haben.
Denn mit irgendetwas muss der vietnamesische Reis ja bezahlt werden.
Dass Mali mit NICHTS wettbewerbsfähig wäre, kann daher nicht sein.
Wenn Mali eine sehr geringe Produktivität hat, dann wird seine Währung so lange abwerten, bis die Außenbilanz wieder ausgelichen ist.



Sehr richtig. Das wollte ich auch gerade schreiben.

Allerdings moechte ich, dass der Reis aus Vietnam auch mit Entwicklungshilfe bezahlt werden kann bzw mit den Geldtransfers aus Frankreich. Im Grunde kann man sich das (abstrakt) so vorstellen, dass die Malier ein abstraktes Gut produzieren (Nichts oder Armut) das sie exportieren. Die Entwicklungshilfe oder die Transfers sind quasi die Bezahlungen fuer dieses "Exportgut".
Zweck dieser Betrachtung ist es nicht die Malier zu veraeppeln, sondern aufzuzeigen, dass Entwicklungshilfe und Geldtransfers mit dem Malischen Exportsektor konkurrieren. Es ist also keinesfalls klar, dass Entwicklunshilfe foerderlich ist!

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