Wir alle machen immer wieder Fehler. Das Gehirn ist nicht dafür ausgelegt, fehlerfrei zu funktionieren. In diesem Gastbeitrag plädiert Andreas Doeding für mehr Fehlertoleranz.
Ich stimme dem Tenor des Blogbeitrags zu, habe aber noch eine kleine Ergänzung anzubringen:Das "Winnenden-Urteil" wurde gerade letzte Woche im Wesentlichen bestätigt.Der Richter empfahl dem Kläger gar, von weiteren Einsprüchen abzusehen, um den Familien der Opfer kein weiteres Leid mehr zuzufügen.Solche Anmerkungen sind vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass bei solchen Urteilen noch ganz andere Dinge im Spiel sind als nur die individuelle Schuldfrage.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von RaysonDas "Winnenden-Urteil" wurde gerade letzte Woche im Wesentlichen bestätigt.Der Richter empfahl dem Kläger gar, von weiteren Einsprüchen abzusehen, um den Familien der Opfer kein weiteres Leid mehr zuzufügen.Solche Anmerkungen sind vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass bei solchen Urteilen noch ganz andere Dinge im Spiel sind als nur die individuelle Schuldfrage.
Danke für den Hinweis. Das eigentliche Novum in diesem Urteil scheint aber die Auslegung von § 222 stgb zu sein. Demnach dürfte nur derjenige wg. fahrl. Tötung verurteilt werden, der das Endergebnis hätte vorhersehen können, so war die bisherige Rechtsprechung zumindest auf Welt online kommentiert worden. Von dieser Praxis ist hier anscheinend deutlich abgewichen worden. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Ja, ein guter Punkt. Dachte ja einige Absätze, dass dies ein Schavan-Artikel ist, bis es dann auf Winnenden kam.
Fehlerintoleranzkultur fasst, denke ich, vieles zusammen, was mich in letzten Jahren verstört hat.
Ob das bei den NSU-Morden war, wo die Ermittler den Fehler machten, die falschen Spuren für naheliegender zu halten und der Verfassungsschutz halt nicht so gut organisiert war. Aber wäre es wirklich besser, die Ermittler folgen jetzt zukünftig bevorzugt den vermeintlich weniger wahrscheinlichen Hinweisen oder Möglichkeiten? Und das ist sicher nicht das einzige Beispiel, wo von Leuten, die vor einem Problem stehen, erwartet wird, dass sie die Lösung schon vorher wissen, bevor sie das Problem gelöst haben.
Viele erwarten auch von anderen eine Sorgfalt und Exaktheit, die sie selbst nie akzeptieren würden und wo sie auch selbst scheitern würden. Ich denke hier v.a. an die armen Polizisten, denen die Medien und extrem viele Menschen immer mit einem Unverständnis begegnen, wenn sie in lebensgefährlichen Stresssituation nicht in Perfektion und höchster Höflichkeit agieren. Aber zurück zu Schavan, während Naturwissenschaften vor klassischen Zitierfehlern mangels Textorientiertheit recht gefeit scheinen, dürften einige Fehler, wie sei Schavan begangen hat, alltäglich sein. Es dürfte recht üblich sein, dass man ein Verfahren beschreibt, die Hauptquelle / die Erfinder zitiert und bekannte Ergebnisse erwähnt, die sich aber in der Hauptquelle so vielleicht noch gar nicht finden, dafür aber vielleicht in Lehrbüchern. Da man diese Ergebnisse oder Einordnungen für fachspezifisches Allgemeinwissen hält, ist da gar kein Problembewusstsein da, außer dass der kleinste plagiatsverdächtige Fehler mit 0% Toleranz bestraft gehört. Nur bei 0% Toleranz ist auch der weißeste Graubereich schwarz.
Zu diesem Thema, und da Ärzte kurz angesprochen wurden, fiel mir direkt eine Fallstudie aus dem Studium ein, in der ein kultureller Wandel hin zu einem neuen Umgang mit Fehlern in einem amerikanischen Krankenhaus-Verbund thematisiert wird. Kernpunkte sind z.B. "blameless reporting", Herleitung systemischer Faktoren von Fehlern und eine tatsächliche Offenlegung gegenüber den Angehörigen.
Die Studie hat mich damals sehr beeindruckt. Die Ergebnisse sprechen für sich: Der Krankenhaus-Verbund zählt heute zu den besten Kinderkrankenhäusern der USA. Und interessanterweise sind auch Klagen nicht mehr geworden...
Zitat von BlubViele erwarten auch von anderen eine Sorgfalt und Exaktheit, die sie selbst nie akzeptieren würden und wo sie auch selbst scheitern würden. Ich denke hier v.a. an die armen Polizisten, denen die Medien und extrem viele Menschen immer mit einem Unverständnis begegnen, wenn sie in lebensgefährlichen Stresssituation nicht in Perfektion und höchster Höflichkeit agieren
Volle Zustimmung. Ich würde sogar noch weiter gehen mit Blick auf unsere linkslastigen Medien. In linker Debatten"kultur" ist die Fehlerintoleranz Wesen des Diskurses, nur oft nochmals pervertiert: Zutreffende Aussagen (im Sinne von korrekter Wiedergabe des Forschungsstandes, siehe Sarrazin, siehe vermutlich Vahrenholt) werden zunächst zu falschen Aussagen deklariert, zu einem schweren Fehler (nämlich mit Blick auf die betreffende Ideologie Multikulturalismus bzw. CO2 bedingten Klimawandel) erklärt und dann der Urheber der Aussage mit einer bemerkenswerten Härte und Kälte der Berufstoleranten sarraziniert, persönlich niedergemacht und, soweit möglich, ihrer Existenzgrundlage beraubt. Schon von daher sollte man sich dem vehement entgegen stellen. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Lieber Andreas Doeding, ein interessantes Thema, ein interessanter Gesichtspunkt und eine gute Argumentationskette. Es ist ja bekannt, dass man manche Fehler erst "hinterher" aufgrund der unerwünschten Folgen erkennen kann.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Wir alle machen immer wieder Fehler. Das Gehirn ist nicht dafür ausgelegt, fehlerfrei zu funktionieren. In diesem Gastbeitrag plädiert Andreas Doeding für mehr Fehlertoleranz.
Mehr Fehlertoleranz setzt vielleicht auch einen anderen Blick auf Fehler vorraus, einen positiven. Fehler als, zumal jene welche sich "einschleichen", welche abweichend von der Norm auf einen anderen Lösungsweg deuten und nur zum Fehler werden, weil sie den Fortgang des gewohnter und verselbstständigter Abläufe blockieren. Das innovative Potential welches in Fehlern liegen kann, wird durch die Verknüpfung von Fehlern mit menschlichem Versagen unterbunden. Das Ergebnis ist mal wieder Angst. Ein gutes Fehlermanagement sieht Fehler auch immer im Zusammenhang mit der Höhe der parallel dazu eingegangenen Risikobereitschaft. Nicht das Streben nach einer Null-Fehler-Quote ist unbedingt erfolgsversprechend, viel mehr ist es auch das Verhältnis aus Risikobereitschaft und dabei auftretenden Fehlern. Dazu gehört natürlich die Aufgabe der menschlichen Anmaßung keine Fehler zu machen und die Erkenntnis, dass es immer mehrere Wege der Problemlösung gibt, auch welche die man nie finden wird. Welche sich aber oft nur nach der Ausschöpfung des positiven Fehlerpotentials zeigen.
Zitat von Erling PlaetheDazu gehört natürlich die Aufgabe der menschlichen Anmaßung keine Fehler zu machen und die Erkenntnis, dass es immer mehrere Wege der Problemlösung gibt, auch welche die man nie finden wird. Welche sich aber oft nur nach der Ausschöpfung des positiven Fehlerpotentials zeigen.
Völlig richtig, lieber Erling Plaethe. Interessanterweise ist diese Einsicht fast idealtypisch umgesetzt in einem Lebensbereich, in dem Fehler mit die fatalsten Konsequenzen haben können: in der zivilen Luftfahrt.
Zitat von Erling PlaetheDazu gehört natürlich die Aufgabe der menschlichen Anmaßung keine Fehler zu machen und die Erkenntnis, dass es immer mehrere Wege der Problemlösung gibt, auch welche die man nie finden wird. Welche sich aber oft nur nach der Ausschöpfung des positiven Fehlerpotentials zeigen.
Völlig richtig, lieber Erling Plaethe. Interessanterweise ist diese Einsicht fast idealtypisch umgesetzt in einem Lebensbereich, in dem Fehler mit die fatalsten Konsequenzen haben können: in der zivilen Luftfahrt.
Und genauso idealtypisch für die völlige Abwesenheit dessen: Die Energiewende. Und als Beispiel für einen extrem niedrigen Risikobereitschaft/Fehler-Faktor: Der Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Elbphilharmonie und was noch so kommen wird. In Berlin wird ja demnächst das Stadtschloss wieder aufgebaut und gerade wird die Staatsoper ausgebaut. Letztlich gehört das alles aber auch zum nicht ausgeschöpften positiven Fehlerpotential von Menschen die keine Fehler machen, einfach nur aus dem einen Grund, weil sie in einer öffentlichen Verwaltung sitzen.
Eine Waffe für jeden zugänglich im Kleiderschrank aufzubewahren, über längere Zeit, und das obwohl ein abschließbarer Tresor verfügbar ist: Das ist kein Fehler, und sollte IMHO auch bestraft werden.
Zitat von Alreech im Beitrag #12Eine Waffe für jeden zugänglich im Kleiderschrank aufzubewahren, über längere Zeit, und das obwohl ein abschließbarer Tresor verfügbar ist: Das ist kein Fehler, und sollte IMHO auch bestraft werden.
Gehören Küchenmesser auch in den Tresor? Immerhin gibt es in China immer wieder Amokläufe mit Küchenmessern.
Zitat von AlreechDas ist kein Fehler, und sollte IMHO auch bestraft werden.
Dafür ist der Mann aber nicht verurteilt worden. Wenn eine Kontrolle sowas feststellte, käme sicher keine Freiheitsstrafe dabei heraus. Er wurde so hoch bestraft, weil eben die bekannten Folgen eintraten.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von RaysonDafür ist der Mann aber nicht verurteilt worden. Wenn eine Kontrolle sowas feststellte, käme sicher keine Freiheitsstrafe dabei heraus. Er wurde so hoch bestraft, weil eben die bekannten Folgen eintraten.
So ist es. Für einen Verstoß gegen das Waffengesetz gehörte der Vater bestraft, das hat er höchstwahrscheinlich bewußt/vorsätzlich gemacht. Genau deshalb steht das unter Strafe, die Möglichkeit des Mißbrauchs einer ungesicherten Waffe durch eine andere Person ist in diesen Straftatbestand sozusagen "eingepreist", nur deshalb kann das Herumliegenlassen von Waffen eigentlich strafbar sein. Für die eigentliche Tat, ihre Vorbereitung, Planung, Durchführung war der Sohn allein verantwortlich. Er hat den Fehler seines Vaters ausgenutzt, die Waffe nicht ordentlich gesichert zu haben. Daher hätte der Vater mMn nur wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz belangt werden sollen. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von xanoposWarum gibt es für Ärzte keine Zwangsversicherung gegen Kunstfehler? Im Straßenverkehr funktioniert eine ähnliche Zwangsversicherung doch ganz gut.
Ich bin mir einigermaßen sicher, daß es die gibt, lieber xanopos. Der "Versicherungsfall" ist nicht das Problem, sondern eher der Verlust der Anstellung oder Zulassung, also die zukünftige Existenzgrundlage. Der Schadenersatz ist versichert, soweit ich weiß. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von AlreechDas ist kein Fehler, und sollte IMHO auch bestraft werden.
Dafür ist der Mann aber nicht verurteilt worden. Wenn eine Kontrolle sowas feststellte, käme sicher keine Freiheitsstrafe dabei heraus. Er wurde so hoch bestraft, weil eben die bekannten Folgen eintraten.
Natürlich ist er dafür verurteilt worden. Sein "schlampiges Herumliegenlassen" der Munition und der freie Zugang zur seiner Waffe sind kein Fehler sondern ein Gesetzesverstoß. Die fahrlässige Tötung sieht der Richter deshalb als gegeben an, weil der Vater die Tat seines Sohnes vorhersehen hätte können. Im ersten Verfahren wurde diese entscheidende Frage ob der Vater über die Tötungsabsichten seines Sohnes informiert war, durch eine Kriseninterventions-Helferin gestützt, welche die Familie K. seit dem Amoklauf betreute. Sie sagte, dass die Familie von den Mordfantasien des Sohnes wußte und eine den Sohn behandelnde Klinik ihnen von Äußerungen berichtete, er habe Hass auf die Welt und würde "am liebsten die ganze Menscheit umbringen". Die fahrlässige Tötung wird somit wohl nach meinem Verständnis damit begründet, dass der Vater mehr oder weniger dem Sohn Waffe und Munition überlassen hat und trotz der Warnungen von Therapeuten mit ihm zum Schießtraining ging. Obwohl er von der geäußerten Tötungsabsicht seines Sohnes wusste. Vermutlich dachte der Vater diese auf Schießscheiben kanalisieren zu können und der laxe Umgang mit Waffe und Munition sollte wohl ein Vetrauensbeweis gegenüber dem Sohn sein, was ein Fehler war, aber in einem Fall eben auch ein Gesetzesverstoß welcher die Tötung, wenn nicht Ermordung, von 15 Menschen zur Folge hatte. Ich muss sagen, dass ich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verstoß gegen das Waffengesetz und der Vorhersehbarkeit der Tat des Sohnes durchaus sehe. Nachtag: Sollte man allerdings argumentieren, was der BGH nicht tat, dass die Sorgfaltspflicht bei der Begründung der Fahrlässigkeit sich nur auf den Sohn beschränken kann, müßte dem Vater zumindest die Selbsttötung des Sohnes zum Vorwurf gemacht werden. Und dann stellt sich die Frage ob die anderen Tötungen nicht Teil einer Tat sind.
Zitat von xanoposWarum gibt es für Ärzte keine Zwangsversicherung gegen Kunstfehler? Im Straßenverkehr funktioniert eine ähnliche Zwangsversicherung doch ganz gut.
Ich bin mir einigermaßen sicher, daß es die gibt, lieber xanopos. Der "Versicherungsfall" ist nicht das Problem, sondern eher der Verlust der Anstellung oder Zulassung, also die zukünftige Existenzgrundlage. Der Schadenersatz ist versichert, soweit ich weiß. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Vielleicht hilft als Einstieg: http://de.wikipedia.org/wiki/Arzthaftung_%28Deutschland%29 Die Verfahren können sich sehr lange hinziehen. Wer aufgrund eines Behandlungsfehlers einen Schaden davongetragen hat, muss erst die Anerkennung durchfechten und dann in manchen Fällen noch über Jahre auf die Zahlungen der Haftpflichtversicherung warten.
Zitat von Erling PlaetheDie fahrlässige Tötung wird somit wohl nach meinem Verständnis damit begründet, dass der Vater mehr oder weniger dem Sohn Waffe und Munition überlassen und trotz der Warnungen von Therapeuten mit ihm zum Schießtraining ging. Obwohl er von der geäußerten Tötungsabsicht seines Sohnes wusste.
Er hat keine Tötungsabsicht geäußert, lieber Erling Plaethe, sondern diffusen "Haß auf die Welt" und "Tötungsphantasien". In dem entsprechenden Befundbericht war hiervon die Rede, aber die juristisch bindende Formulierung im gleichen Bericht lautete "keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung". Das ist der entscheidende Punkt. Wenn ich jeden Pat. der seinen "Chef umbringen könnte" oder jeden Jugendlichen, der äußert, "ich könnte meinen Lehrer erschiessen" und sich das auch mal ausmalt, via PsychKG in die Geschlossene verfrachten würde, wäre ich arbeitslos. Entscheidend ist der Psychopathologische Befund, und hier insbesondere die Passagen zu Selbst- und Fremdgefährdung. Hier galt er bis zum Schluss als unauffällig, lediglich in einem Zwischenbericht einmal kurz als "latent Suizidgefährdet". Übrigens lautete die Zuweisungsdiagnose Soziale Phobie (praktisch nie mit aggressivem Verhalten assoziiert)und Depression (extrem selten mit Fremdgefährdung assoziiert, wenn, dann in der Form des erweiterten Suizides wie hier der Fall). Wie sollte der Vater also etwas vorher sehen, was offenbar mehreren Fachleuten wiederholt entgangen war? Und mit "Kausalität" wäre ich in diesem Fall ganz besonders vorsichtig, lieber Erling Plaethe. Wenn das Auffinden einer geladenen Waffe ursächlich für einen Amoklauf wäre, dann würde ja jeder rumballern, der eine Waffe findet. Bestenfalls war dies eine begünstigende Nebenbedingung. Nein, die Ursache war der unentdeckte und offenbar von allen Beteiligten fehlerhaft eingeschätzte geistige, und v. a. motivationale Zustand von Tim K. Hier kann und muss man vieles kritisieren, aber vor allem, um für die Zukunft daraus zu lernen. Alles andere ist, buchstäblich, "Post-mortem- Klugschei@%#ei. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Interessant hierzu ist auch die amerikanische Startup-Kultur, wie sie etwa in diesem Artikel beschrieben wird.
Das Scheitern etwa einer Geschäftsidee wird nicht als persönlicher Fehlschlag oder Schande gesehen, sondern als völlig normal - immerhin hat er es ja versucht. So wird es überhaupt erst ermöglicht, aus seinen Fehlern zu lernen.
Zitat von Erling PlaetheDie fahrlässige Tötung wird somit wohl nach meinem Verständnis damit begründet, dass der Vater mehr oder weniger dem Sohn Waffe und Munition überlassen und trotz der Warnungen von Therapeuten mit ihm zum Schießtraining ging. Obwohl er von der geäußerten Tötungsabsicht seines Sohnes wusste.
Er hat keine Tötungsabsicht geäußert, lieber Erling Plaethe, sondern diffusen "Haß auf die Welt" und "Tötungsphantasien". In dem entsprechenden Befundbericht war hiervon die Rede, aber die juristisch bindende Formulierung im gleichen Bericht lautete "keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung". Das ist der entscheidende Punkt. Wenn ich jeden Pat. der seinen "Chef umbringen könnte" oder jeden Jugendlichen, der äußert, "ich könnte meinen Lehrer erschiessen" und sich das auch mal ausmalt, via PsychKG in die Geschlossene verfrachten würde, wäre ich arbeitslos. Entscheidend ist der Psychopathologische Befund, und hier insbesondere die Passagen zu Selbst- und Fremdgefährdung. Hier galt er bis zum Schluss als unauffällig, lediglich in einem Zwischenbericht einmal kurz als "latent Suizidgefährdet". Übrigens lautete die Zuweisungsdiagnose Soziale Phobie (praktisch nie mit aggressivem Verhalten assoziiert)und Depression (extrem selten mit Fremdgefährdung assoziiert, wenn, dann in der Form des erweiterten Suizides wie hier der Fall). Wie sollte der Vater also etwas vorher sehen, was offenbar mehreren Fachleuten wiederholt entgangen war? Und mit "Kausalität" wäre ich in diesem Fall ganz besonders vorsichtig, lieber Erling Plaethe. Wenn das Auffinden einer geladenen Waffe ursächlich für einen Amoklauf wäre, dann würde ja jeder rumballern, der eine Waffe findet. Bestenfalls war dies eine begünstigende Nebenbedingung. Nein, die Ursache war der unentdeckte und offenbar von allen Beteiligten fehlerhaft eingeschätzte geistige, und v. a. motivationale Zustand von Tim K. Hier kann und muss man vieles kritisieren, aber vor allem, um für die Zukunft daraus zu lernen. Alles andere ist, buchstäblich, "Post-mortem- Klugschei@%#ei. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Lieber Andreas Döring, was ich in Anführungszeichen setzte war die Aussage der wichtigsten Belastungszeugin.
Zitat von http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/11/1-359-11-1.phpDer Angeklagte hat sich darauf berufen, dass ihm die Intensität der Erkrankung seines Sohnes, insbesondere dessen Tötungsphantasien, unbekannt gewesen seien. Die Strafkammer hält diese Angabe aufgrund der Aussage der Zeugin L. für widerlegt.
Und zur Bedeutung der geäusserte, oder nicht geäusserten, Tötungsabsicht:
Zitat von http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/11/1-359-11-1.phpDie Strafkammer hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zutreffend neben den Verstößen gegen das Waffengesetz auch fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung bejaht. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte voraussehen können, dass sein Sohn als Folge der unzulänglichen Sicherung von Waffen und Munition auf Menschen schießen wird, nicht notwendig davon abhängig sein muss, wie präzise die Kenntnis des Angeklagten über das Maß der psychischen Erkrankung seines Sohnes war. 41 Schon diese unzulängliche Sicherung von Waffen und Munition unter Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten kann den Vorwurf der Fahrlässigkeit für Straftaten begründen, die vorhersehbare Folge einer ungesicherten Verwahrung sind. Für die Vorhersehbarkeit könnte hier zudem die - für sich gesehen bislang rechtsfehlerfrei getroffene - Feststellung sprechen, dass der Angeklagte entgegen dem Rat des Klinikums nicht für eine Weiterbehandlung seines Sohnes sorgte, dies selbst dann noch nicht, als sich dessen psychischer Zustand wieder deutlich verschlechterte. 42 Stattdessen ermöglichte der Angeklagte seinem, wie ihm jedenfalls bekannt war, psychisch sehr labilen Sohn, der seit Jahren in Computerspielen auf andere schoss, sich im Schützenverein im Umgang mit realen Schusswaffen zu üben.
Ich bin immer vorsichtig so etwas anzunehmen:
Zitat von Doeding im Beitrag #20"Post-mortem- Klugschei@%#ei.
Zitat von Erling PlaetheUnd zur Bedeutung der geäusserte, oder nicht geäusserten, Tötungsabsicht:
Zitat von http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/11/1-359-11-1.php -------------------------------------------------------------------------------- Die Strafkammer hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zutreffend neben den Verstößen gegen das Waffengesetz auch fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung bejaht.
Daß das Gericht so argumentiert, wundert mich nicht, aber das ist ja gerade Gegenstand meiner Kritik, lieber Erling Plaethe. Ein kurzer wahrscheinlichkeitsbezogener Einwand von mir. All die angeblichen "Prädiktoren" des Amoklaufes kommen in klinischen Kontexten extrem häufig vor, sie sind dort alltäglich, auch in dieser Kombination. Das, was sie aus Sicht des Gerichtes aber hätten erkennbar vorhersagen sollen (Amoklauf) ist dagegen extrem (!) selten. Ergo: die Prädiktoren sind keine Prädiktoren bzw. derart unspezifisch, daß man sie vergessen kann. Spezifische Prädiktoren sind dagegen nicht bekannt (abgesehen von direkten Ankündigungen, z. B. im Internet, unmittelbar vor der Tat, aber dann ist es meistens bereits zu spät).
Wenn man auf Basis der bekannten Informationen über Tim K., die angeblich Prädiktoren für die Tat sein sollten, z. B. zukünftig Zwangsunterbringungen veranlassen wollte, dann hätten wir von einen Tag auf den anderen hunterttausende "falsch positiv" Diagnostizierte in den Psychiatrien. Vielleicht wäre einer darunter, der seine Tat deshalb um ein paar Wochen verschieben müßte.
Solche Taten werden, leider, immer wieder passieren. Sie sind nicht vorherseh- und damit auch nicht verhinderbar. Wir müssen damit leben. Das Statuieren von "Exempeln" oder das "öffentliche Strafinteresse" helfen dabei wenig.
Zitat von Erling PlaetheUnd zur Bedeutung der geäusserte, oder nicht geäusserten, Tötungsabsicht:
Zitat von http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/11/1-359-11-1.php -------------------------------------------------------------------------------- Die Strafkammer hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zutreffend neben den Verstößen gegen das Waffengesetz auch fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung bejaht.
Daß das Gericht so argumentiert, wundert mich nicht, aber das ist ja gerade Gegenstand meiner Kritik, lieber Erling Plaethe. Ein kurzer wahrscheinlichkeitsbezogener Einwand von mir. All die angeblichen "Prädiktoren" des Amoklaufes kommen in klinischen Kontexten extrem häufig vor, sie sind dort alltäglich, auch in dieser Kombination. Das, was sie aus Sicht des Gerichtes aber hätten erkennbar vorhersagen sollen (Amoklauf) ist dagegen extrem (!) selten. Ergo: die Prädiktoren sind keine Prädiktoren bzw. derart unspezifisch, daß man sie vergessen kann. Spezifische Prädiktoren sind dagegen nicht bekannt (abgesehen von direkten Ankündigungen, z. B. im Internet, unmittelbar vor der Tat, aber dann ist es meistens bereits zu spät).
Das glaube ich Ihnen, lieber Andreas Döding, aufs Wort. Nur ist jemand mit einer psychischen Erkrankung nicht geeignet an einem Schießtraining teilzunehmen und die sowieso schon wichtige Sorgfaltspflicht im Umgang mit Waffen und Munition muss in solch einem Fall doch verstärkt werden. Der Vater selbst ist meiner Ansicht nach nicht befähigt Waffen zu Hause aufzubewahren, ja überhaupt zu nutzen. Es war ja kein einmaliges Vorkommnis, dass er Munition in der Wohnung hat herumliegen lassen.
Zitat von Doeding im Beitrag #23Wenn man auf Basis der bekannten Informationen über Tim K., die angeblich Prädiktoren für die Tat sein sollten, z. B. zukünftig Zwangsunterbringungen veranlassen wollte, dann hätten wir von einem Tag auf den anderen hunterttausende "falsch positiv" Diagnostizierte in den Psychiatrien. Vielleicht wäre einer darunter, der seine Tat deshalb um ein paar Wochen verschieben müßte.
Solche Taten werden, leider, immer wieder passieren. Sie sind nicht vorherseh- und damit auch nicht verhinderbar. Wir müssen damit leben. Das Statuieren von "Exempeln" oder das "öffentliche Strafinteresse" helfen dabei wenig.
Das sehe ich auch so und vermutlich selbst das Gericht. Es geht um den völlig unverantwortlichen Umgang des Vaters mit seinen Waffen und seiner Munition. Selbst für den Fall, dass sein Sohn völlig gesund gewesen wäre. Und zum anderen es geht um die Verbindung des Verhaltens mit dem seines Sohnes. Selbst die Schwester des Täters wußte was mit ihrem Bruder los ist und hatte Angst. Davon will der Vater nichts gewusst haben? M.E. lügt der Vater. Natürlich ist er genug bestraft und es kommt noch mehr. Er will die Reste seiner Existenz gegen Zivilrechtliche Klagen retten. Aber er scheint nicht zu verstehen, dass sein wiederholter Rechtsbruch Auslöser für die Zerstörung vieler anderer Existenzen war. Dass es Gründe gibt für die Regeln zur Aufbewahrung von Waffen und Munition. Und dass der Hauptgrund der ist, so etwas wie den Amoklauf seines Sohnes, präventiv mit diesen, seinen Waffen unmöglich zu machen. Nicht den Amoklauf selbst.
Zitat von Erling PlaetheNur ist jemand mit einer psychischen Erkrankung nicht geeignet an einem Schießtraining teilzunehmen
da wäre in dieser Allgemeinheit jetzt aber tatsächlich einmal mein Liberalismus davor. Wenn überhaupt, dann gälte das aus meiner Sicht für Selbst- und Fremdgefährdung, die im Einzelfall (!) nachzuweisen wäre.
Zitat und die sowieso schon wichtige Sorgfaltspflicht im Umgang mit Waffen und Munition muss in solch einem Fall doch verstärkt werden
.
In welchem Gesetz steht das? Und welche psychiatrisch-diagnostische Befähigung soll man beim Vater hierfür voraussetzen? Es gibt nur die Sorgfaltspflicht, und die hat der Vater wiederholt mißachtet. Dafür gehört er bestraft und ihm gerne auch die Waffe entzogen. Wäre toll gewesen, wenn der Zufall das bereits vor der Tat seines Sohnes so eingerichtet hätte. Ob es etwas verhindert hätte, bleibt offen. Hierin allein, lieber Erling Plaethe, liegt seine individuelle Schuld.
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