Zitat von Frankenstein im Beitrag #23Im Übrigen hat sich die SPD keinen Gefallen damit getan, nicht mit dem mit den Sozialdemokraten sympathisierenden Teil der PDS zu vereinen
Gab es diesen Teil? Also in faßbarer, organisierter Form? M. W. war es ja überhaupt kein Problem für Ex-SED-Mitglieder, nach 1990 in der SPD mitzumachen. Was mehr hätte die SPD also machen sollen? Die PDS insgesamt war ja als Fusionspartner völlig disqualifiziert, weil sie a) am belasteten Personal festhielt (Gysi ist ja nur ein Beispiel von vielen) und b) nur wenige Aspekte der DDR-Diktatur formal kritisierte, ansonsten die DDR aber überwiegend positiv sah und sich aktiv für das Wohlergehen der alten Eliten einsetzte.
Das war schon ein deutlicher Kontrast zu den Blockparteien, bei denen m. W. a) das belastete Personal weitgehend ausgeschlossen wurde und b) ein klarer Bruch mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #23Im Übrigen hat sich die SPD keinen Gefallen damit getan, nicht mit dem mit den Sozialdemokraten sympathisierenden Teil der PDS zu vereinen
Gab es diesen Teil? Also in faßbarer, organisierter Form? M. W. war es ja überhaupt kein Problem für Ex-SED-Mitglieder, nach 1990 in der SPD mitzumachen. Was mehr hätte die SPD also machen sollen? Die PDS insgesamt war ja als Fusionspartner völlig disqualifiziert, weil sie a) am belasteten Personal festhielt (Gysi ist ja nur ein Beispiel von vielen) und b) nur wenige Aspekte der DDR-Diktatur formal kritisierte, ansonsten die DDR aber überwiegend positiv sah und sich aktiv für das Wohlergehen der alten Eliten einsetzte.
Das war schon ein deutlicher Kontrast zu den Blockparteien, bei denen m. W. a) das belastete Personal weitgehend ausgeschlossen wurde und b) ein klarer Bruch mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde.
In fassbarer und organisierter Form gab es keine sozialdemokratisch orientierte Gruppe in der SED. Aber es hätten möglicherweise einzelne SED-Genossen Interesse an einer Mitgliedschaft in der neuen Ost-SPD gehabt. Das wurde aber ausgeschlossen. Zumindest für Sachsen weiß ich, dass die SPD aus Prinzip keine ehemaligen SED-Genossen aufgenommen hat.
Ich habe bis 1989 nie in Erwägung gezogen, in die SED oder eine Blockpartei einzutreten. Ich möchte nur anmerken, dass es durchaus einzelne anständige SED-Genossen gab; auch dort, wo man sie aus Sicht des Westens nicht vermutet hätte. Beispiel: Etliche Lehrer, die vor allem für ihre Schüler und ihr Fach eintraten und dafür innerhalb des DDR-Systems persönliche Nachteile in Kauf nahmen.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #23Ich teile Ihre Einschätzung so jedenfalls nicht - ich glaube vielmehr, dass Gysi tatsächlich an den "demokratischen Sozialismus" glaubt und - ähnlich wie Lafontaine - in ökonomischen Fragen schlichtweg fehlgeleitet ist (was ja letztlich auch auf die grosse Mehrheit der Vertreter des christlich-liberalen Lagers zutrifft).
ich habe noch niemanden getroffen, der erklären konnte, wie denn ein "demokratischer Sozialismus" funktionieren soll.
Sollen in ihm konservative und liberale Parteien zugelassen sein? Wenn nicht, dann wird man ihn nicht demokratisch nennen dürfen. Wenn ja, was ist, wenn diese Wahlen gewinnen?
Und dann die verstaatlichten Unternehmen privatisieren? Wenn Sie dann private Medien zulassen, alle bürgerlichen Freiheiten wieder herstellen? Kurz, wenn sie den Sozialismus abschaffen?
Dann stellt sich die Machtfrage. Kommunisten haben immer die Machtfrage in den Mittelpunkt ihrer Strategie und auch ihrer Taktik gestellt. Gysi würde das ebens tun, meinen Sie nicht?
Herzlich, Zettel
PS: Ich habe den Prager Frühling sehr intensiv verfolgt. Da gab es anfangs diese Illusion vom demokratischen Sozialismus, ich hatte sie auch. Dubček, Jiří Pelikán, Eduard Goldstücker; das waren damals die Leute, auf die man Hoffnungen setzte. Die UdSSR griff ein, als es offensichtlich war, daß die Dynamik dieser Revolution nicht in einen "Demokratischen Sozialismus" führen würde, sondern in einen freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat.
Ich halte heute - damals sah ich es anders - eine solche Entwicklung für unvermeidlich. Demokratie und Sozialismus sind wie Feuer und Wasser.
Zitat von Zettel im Beitrag #30Lieber Frankenstein,
Zitat von Frankenstein im Beitrag #23Ich teile Ihre Einschätzung so jedenfalls nicht - ich glaube vielmehr, dass Gysi tatsächlich an den "demokratischen Sozialismus" glaubt und - ähnlich wie Lafontaine - in ökonomischen Fragen schlichtweg fehlgeleitet ist (was ja letztlich auch auf die grosse Mehrheit der Vertreter des christlich-liberalen Lagers zutrifft).
ich habe noch niemanden getroffen, der erklären konnte, wie denn ein "demokratischer Sozialismus" funktionieren soll.
Sollen in ihm konservative und liberale Parteien zugelassen sein? Wenn nicht, dann wird man ihn nicht demokratisch nennen dürfen. Wenn ja, was ist, wenn diese Wahlen gewinnen?
Und dann die verstaatlichten Unternehmen privatisieren? Wenn Sie dann private Medien zulassen, alle bürgerlichen Freiheiten wieder herstellen? Kurz, wenn sie den Sozialismus abschaffen?
Dann stellt sich die Machtfrage. Kommunisten haben immer die Machtfrage in den Mittelpunkt ihrer Strategie und auch ihrer Taktik gestellt. Gysi würde das ebens tun, meinen Sie nicht?
Herzlich, Zettel
PS: Ich habe den Prager Frühling sehr intensiv verfolgt. Da gab es anfangs diese Illusion vom demokratischen Sozialismus, ich hatte sie auch. Dubček, Jiří Pelikán, Eduard Goldstücker; das waren damals die Leute, auf die man Hoffnungen setzte. Die UdSSR griff ein, als es offensichtlich war, daß die Dynamik dieser Revolution nicht in einen "Demokratischen Sozialismus" führen würde, sondern in einen freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat.
Ich halte heute - damals sah ich es anders - eine solche Entwicklung für unvermeidlich. Demokratie und Sozialismus sind wie Feuer und Wasser.
Lieber Zettel,
ich glaube wir reden leider aneinander vorbei.
Als Beispiel für demokratischen Sozialismus würde ich beispielsweise die britische Labour-Party der Regierung vor Thatcher anführen anführen (in der sich auch eine Menge Linksradikale tummelten), als Gegenbeispiel Scargill und verbündete militante Gewerkschaftsfunktionäre.
Dass ich vom Sozialismus (demokratisch oder nicht) wenig halte, dürfte Ihnen hinlänglich bekannt sein, man sollte die Auseinandersetzung jedoch sachlich und inhaltlich führen, das ewige Wiederaufwärmen von Rote-Socke-Kampagnen gegen linke Parteien stärkt diese mehr als es sie schwächt, da man sich mit derartigen Vorwürfen nur selber lächerlich macht. Mit diesem Gisy-/PDS-Gebashe ist seinerzeit übrigens schon die taz gescheitert.
Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #24Sein Wirken hatte auf jedem Fall mit dem Unrechtssystem DDR zu tun, und niemand der nicht mindestens naiv ist, hätte in der DDR einem wie Gysi vertraut.
Da unterschätzen Sie m.E. die enorme Drucksituation, die ein Strafverfahren - noch dazu in einem Unrechtsregime - auf den Betroffenen ausübt.
Selbst in unserem freiheitlichen Rechtsstaat, in dem im Ermittlungsverfahren keine unzulässigen Methoden angewendet werden und der Beschuldigte umfassende Rechte genießt, kommt es nicht selten vor, dass Beschuldigte in Vernehmungssituationen zusammenbrechen und anfangen, in der Verhörsperson einen Freund zu sehen, sofern sie sich gütig und freundlich gibt. Das Verhör wird dann als Ventil gesehen, um den aufgestauten Druck zu entlassen.
Das ist der Moment, ab dem sich der Beschuldigte um Kopf und Kragen redet und das gegenüber einer Person, von der er sicher weiß, dass sie an seiner Überführung arbeitet.
Von seinem Anwalt wusste der Beschuldigte im DDR-Strafverfahren das nicht. Er ahnte es vielleicht, aber es ist naheliegend, das in so einer Situation hintanzustellen, auch ohne naiv zu sein.
Was ich sagen will: Theoretisch wussten viele politisch Verfolgte sicherlich, dass sie ihrem Anwalt nicht trauen durften. Aber wie sich das praktisch niederschlug, steht auf einem anderen Blatt.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #23Ich teile Ihre Einschätzung so jedenfalls nicht - ich glaube vielmehr, dass Gysi tatsächlich an den "demokratischen Sozialismus" glaubt und - ähnlich wie Lafontaine - in ökonomischen Fragen schlichtweg fehlgeleitet ist (was ja letztlich auch auf die grosse Mehrheit der Vertreter des christlich-liberalen Lagers zutrifft). Ich denke, dass Sie ihn auch etwas überschätzen.
Auch wenn Gysi in ökonomischen Fragen "nur" fehlgeleitet ist, macht das die Sache nicht besser. Im Übrigen glaube ich nicht, dass Zettel Gysi überschätzt. Wie es dieser geschafft hat, durch jovial-berlinernde Talkshow-Dauerpräsenz und (die Androhung von) Unterlassungsklagen seine Position im DDR-Regime schönzureden, ist schon eine beachtliche Leistung. Begünstigend ist natürlich der Umstand, dass weite Teile der Medienlandschaft die Linkspartei und deren Exponenten nicht zu hart anfassen möchten - denn immerhin könnte Gysis Partei das Zünglein an der Waage für eine linke Mehrheit sein.
Dass es Gysi geglückt ist, die SED über die Wiedervereinigung zu retten und ihr in den Nasen vieler Beobachter den Stallgeruch der einst regimetragenden Partei zu nehmen, ist ein weiteres Meisterstück.
Es mag sein, dass Gysis Ideologie weit weniger radikal ist als die z.B. Wagenknechts. Das Problem liegt vielmehr darin, dass Gysi mit seiner Brillanz Leuten wie Wagenknecht die Tore öffnet.
Zitat von Zettel im BeitragGregor Gysi, ein vor Umgänglichkeit sozusagen triefender Mann, kann richtig böse werden, wenn man ihn für einen einstigen popeligen Spitzel des MfS hält.
Nachvollziehbar. Auch Ulbricht und Honecker hätten sich das verbeten. Das wäre unter der Würde dieses Mannes aus kommunistischem Adel gewesen
Das ist m.E. nicht der Punkt. Gysi möchte nicht mit dem MfS in Verbindung gebracht werden, weil die Stasi in der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit die Rolle spielt, welche die SS jahrzehntelang bei der Beschäftigung mit dem NS-Regime eingenommen hatte. Es handelt sich in beiden Fällen um den Versuch, die Verbrechen einer Diktatur ausschließlich einer Teilorganisation des sie tragenden Apparats anzulasten und somit eine große Zahl der Mitwirkenden (die eben nicht in der SS bzw. bei der Stasi waren) reinzuwaschen.
Wie lange ein solches Narrativ nachwirken kann, zeigten die heftigen Reaktionen auf die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht".
Zitat von Frankenstein im Beitrag #23 Während hier überall Kommunisten und Stalinisten gesehen werden, wahrnimmt man am vermeintlich anderen Ufer nur Faschisten und eiskalte Neoliberale.
Aus langer Erfahrung heraus erscheint auch mir der "Kampf gegen Links" eher als gern gepflegter und beiderseitig nützlicher Popanz. Der Sozialismus / Etatismus / Illiberalismus / Opportunistenschleim ist längst dominierend in allen großen Parteien und ich halte eher eine generelle Verteidigung von Freiheit + Marktwirtschaft für wichtig.
Übrigens sind von den rund 2,3 Millionen SED-Mitgliedern nur sehr wenige bei der Stange geblieben. In der CDU (Ost) und den anderen Blockparteien / Karrieresprungbrettern sah es deutlich anders aus.
Zitat von augustin im Beitrag #32Was ich sagen will: Theoretisch wussten viele politisch Verfolgte sicherlich, dass sie ihrem Anwalt nicht trauen durften. Aber wie sich das praktisch niederschlug, steht auf einem anderen Blatt.
Da haben Sie sicher Recht. Übrigens, kürzlich war ein Verfolgter, kein Promi, in der Phönix-Sendung »Im Dialog«. Sehr sehenswert diese Sendung.
Zitat Ende der achtziger Jahre saß Mario Röllig wegen versuchter Republikflucht in Untersuchungshaft des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen. Er scheiterte damals bei seiner Flucht nach Jugoslawien, nachdem er das Angebot, bei der Stasi mitzuarbeiten, abgelehnt hatte.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #31Als Beispiel für demokratischen Sozialismus würde ich beispielsweise die britische Labour-Party der Regierung vor Thatcher anführen anführen (in der sich auch eine Menge Linksradikale tummelten), als Gegenbeispiel Scargill und verbündete militante Gewerkschaftsfunktionäre.
Meinen Sie, daß der Kommunist Gysi so etwas anstrebt, und nicht den Sozialismus und schließlich den Kommunismus, so wie Marx sie konzipiert hat?
Selbst unter Wilson war die Labour Party eine Partei, die nicht die Diktatur des Proleriats wollte, sondern den demokratischen Rechtsstaat. Daß Wilson mit seiner Politik das Land fast ruiniert hat, ist eine andere Frage.
Wenn ich etwas zu Ihrer Diskussion beitragen darf:
Selbstverstaendlich will Gysi nicht noch einmal die DDR (ausser man vermutet, dass er gerne absoluter Herrscher waere); der Witz dabei ist aber, dass letztendlich fast niemand der SED-Gruender eine DDR wollte, wie sie tatsaechlich war; die Realitaet mit all ihren Menschenrechtsverletzungen war die Folge des irrsinnigen Versuchs, millionen Menschen zu ihrem Glueck zu zwingen (und wie in jeder Diktatur haben sich schnell die Karrieristen gefunden, die das System tragen).
Gysi will den Sozialismus, sprich staatliche Kontrolle ueber die gesamte Wirtschaft. Und wenn man einen Gysi heute sagen hoert, er will den Sozialismus, aber keine Mauer, dann weiss man, dass er in den letzten 50 Jahren NICHTS gelernt hat. Die Mauer ist die zwingende Folge des Sozialismus. Juengstes Beispiel: Gérard Depardieu. Ein sozialistischer Staat ohne Mauer blutet langsam aus.
Gruesse, Fonzo
Skorpion
(
gelöscht
)
Beiträge:
11.02.2013 23:47
#39 Da wollen wir mal die Bilder wieder gerade hängen.
Zitat von stefanolix im Beitrag #27In fassbarer und organisierter Form gab es keine sozialdemokratisch orientierte Gruppe in der SED. Aber es hätten möglicherweise einzelne SED-Genossen Interesse an einer Mitgliedschaft in der neuen Ost-SPD gehabt. Das wurde aber ausgeschlossen. Zumindest für Sachsen weiß ich, dass die SPD aus Prinzip keine ehemaligen SED-Genossen aufgenommen hat.
Ich bin ja schon im Biedenkopfstrang kräftig gegen den Strom geschwommen. Interessanterweise zeigen die urban legends nicht nur im Hinblick auf den Querdenker und Visionär außerordentliche Zählebigkeit.
Zitat von stefanolix im Beitrag #27Aber es hätten möglicherweise einzelne SED-Genossen Interesse an einer Mitgliedschaft in der neuen Ost-SPD gehabt. Das wurde aber ausgeschlossen. Zumindest für Sachsen weiß ich, dass die SPD aus Prinzip keine ehemaligen SED-Genossen aufgenommen hat.
Ist wie bei Biedenkopf. Es gibt zwei Wahrheiten. Auf der einen Seite die Selbstdarstellung (und die der Claqueure), auf der anderen die Realität. Auf den einen Seite hat die SPD konsequent keine SED-Genossen aufgenommen. Auf der anderen Seite, der Realität, haben alle … zum Glück habe ich jetzt nicht Blockparteien gesagt … keine Probleme mit SED-Kadern, die CDU genauso wenig wie die SPD oder FDP.
Zitat von R.A. im Beitrag #26Die PDS insgesamt war ja als Fusionspartner völlig disqualifiziert, weil sie a) am belasteten Personal festhielt (Gysi ist ja nur ein Beispiel von vielen) und b) nur wenige Aspekte der DDR-Diktatur formal kritisierte, ansonsten die DDR aber überwiegend positiv sah und sich aktiv für das Wohlergehen der alten Eliten einsetzte.
Das war schon ein deutlicher Kontrast zu den Blockparteien, bei denen m. W. a) das belastete Personal weitgehend ausgeschlossen wurde und b) ein klarer Bruch mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde.
Wirklich? Die SED/PDS hat in durchaus nennenswertem Umfang Altlasten entsorgt. Die (hier darf ich das Wort ohne Hand vorm Mund aussprechen) Blockparteien haben sich in dieser Hinsicht eher zurückgehalten. Götting, Homann und Gerlach wurden gegangen. Vielleicht noch drei Greise. Das war es dann aber auch. In Sachen hat die CDU 1990 Klaus Reichenbach zum Landeschef gewählt. Und heute ist der in der DDR gestartete Nachwuchsfunktionär Tillich Ministerpräsident.
Wo der klare Bruch der Blockparteien mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde, das wüsste ich auch gern. Die Opportunisten haben seit 1990 getan, was die schon immer getan haben: Die Fahne in den Wind gehängt. Als sich der Wind gedreht hatte, zeigte logischerweise die Fahne in die andere Richtung. Wenn man will, kann man reininterpretieren, dass „ein klarer Bruch mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde“. Man muss das aber nicht.
Zitat von SkorpionWo der klare Bruch der Blockparteien mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde, das wüsste ich auch gern.
Ganz einfach: In den politischen Aussagen.
Die Diskussion geht da m.E. ganz gewaltig in die falsche Richtung. Es geht nicht darum, wer wen aufgenommen hat, sondern darum, wer welche Politik betreibt und welcher Geschichte sich die jeweiligen Parteien verhaftet fühlen. Man mag aus moralischen Gründen etwas gegen Wendehälse haben, aber im konkreten Fall des Wechsels von einer Diktatur zu einer parlamentarischen Demokratie sollten sie jedem Demokraten hochwillkommen sein. Wer also aus dem Ende der DDR den Schluss zieht, sozialistischen Experimenten zu entsagen und sich einer demokratischen Partei anschließt, der soll in dieser ungeachtet seiner politischen Vergangenheit hochwillkommen sein. Direkt Schuldige sind ausgenommen, aber auch da spricht die unterschiedliche Behandlung Bände. Können sich enttarnte IMs denn in einer der "Blockparteien" halten? Doch wohl nur in nennenswertem Umfang in der umbenannten SED, die auch als erste aufsteht, Praktiken des DDR-Regimes zu verteidigen.
Es ist nicht so schrecklich wichtig, wie die Leute sich geäußert haben, als es die DDR noch gab. Aber es ist enorm wichtig, wie sie sich jetzt äußern.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von stefanolix im Beitrag #27 Beispiel: Etliche Lehrer, die vor allem für ihre Schüler und ihr Fach eintraten und dafür innerhalb des DDR-Systems persönliche Nachteile in Kauf nahmen.
Lieber stefanolix, das ist richtig. Insgesamt waren es aber Ausnahmen.
Ich kenne einen Direktor auf den das zutraf. Auf Grund seines Verhaltens in der DDR wurde er sogar in der Bundesrepublik wieder Schuldirektor. In Berlin war er soweit ich weiss wohl der Einzige.
Die überwiegende Zahl der Lehrer war aber sehr systemkomform. Durch ein entsprechendes Auswahlverfahren bei der Vergabe von Studienplätzen galt dies insbesonders bei Juristen aber auch bei Journalisten.
Ohne eine gewisse Loyalität zum System der DDR oder mindestens deren Vortäuschung bekam man nach dem Mauerbau überhaupt keinen Studienplatz, ja nicht einmal die Zulassung zur Erweiterten Oberschule; konnte man also kein Abitur machen.
Es ist ja schön, dass sie die Sache mal ganz anders angehen, und nicht auf eine vermeintliche Spitzel-Tätigkeit insistieren. Auch mag es Herrn Gysi ehren, wenn sie Ihn auf eine Stufe mit allen großen deutschen Kommunisten heben. Aber: "Gregor Gysi gehörte an der Spitze der Nomenklatura zu den Herrschenden der DDR." Dieser Satz ist schlichter Unsinn. Die im nachfolgenden Satz beschriebene Funktion hat er nur ein Jahr kurz vor der Wende ausgeübt. Auch die übrigen Begründungen wirken ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Wäre Herr Gysi ein SED-Karrierist gewesen, so hätte man Ihn in ganz anderen Funktionen angetroffen, aber nicht mit dem heiklen Job DDR-Dissidenten zu vertreten. Bitte schauen sie sich einmal die Biographie von Egon Grenz an!
Eher trifft es wohl, wie die "Zeit" schreibt, dass Herr Gysi ein Grenzgänger war, ein linker Intellektueller, der den "herrschenden Genossen" durchaus suspekt war! Auch die Aussagen von seinen Mandanten sprechen Bände, zB der Sohn von Havemann.
Zitat von Skorpion im Beitrag #39Die SED/PDS hat in durchaus nennenswertem Umfang Altlasten entsorgt.
Im wesentlichen wurden doch nur Leute ausgeschlossen, die überhaupt nicht mehr zu halten waren (insbesondere solche, gegen die dann auch vor Gericht standen). Es haben ja selbst einige Politbüro-Mitglieder nach 1990 in der Partei weitermachen dürfen, mit hohen Parteifunktionen und Parlamentsmandaten. Auch in der zweiten und dritten Führungsebene, bei den ZK-Mitgliedern, den Bezirksvorsitzenden und den hohen StaSi-Führern durften die meisten weitermachen. Tätigkeit für die StaSi gilt bei der "Linken" ja auch nicht als Hindernis für ein Parlamentsmandat.
Bei den Blockparteien habe ich kein klares Bild, aber m. W. hat kein höherer Funktionär je wieder ein Führungsamt oder gar ein Parlamentsmandat bekommen.
Zitat In Sachen hat die CDU 1990 Klaus Reichenbach zum Landeschef gewählt. Und heute ist der in der DDR gestartete Nachwuchsfunktionär Tillich Ministerpräsident.
Reichenbach ist ein Punkt, der war schon vor 1990 im DDR-CDU-Vorstand. Aber Tillich war nur einfaches Parteimitglied, das ist ok.
Zitat Wo der klare Bruch der Blockparteien mit der DDR-Vergangenheit vollzogen wurde, das wüsste ich auch gern.
Alle DDR-Parteien (auch die SED) haben Beschlüsse gefaßt, die die DDR-Diktatur verurteilt haben. Aber nur bei den Blockparteien kann man das als glaubhaft werten - weil sie danach nichts gesagt oder gar beschlossen haben, das im Widerspruch zu diesen Erklärungen stand.
Bei der SED ist dagegen bis heute die Relativierung des DDR-Unrechts Standard. Der "Respekt vor DDR-Biographien" - wenn es die Rechtfertigung von StaSi-Tätigkeiten geht. Der Kampf für die "Ehrenrenten" für die Haupthelfer der Diktatur. Die Unterstützung von StaSi-Vereinen und ihrer Geschichtsklitterung.
Es gibt durchaus auch einen demokratischen Flügel bei der "Linken". Aber es gibt genauso und völlig akzeptiert die Fans der alten Diktatur.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #31Als Beispiel für demokratischen Sozialismus würde ich beispielsweise die britische Labour-Party der Regierung vor Thatcher anführen anführen (in der sich auch eine Menge Linksradikale tummelten), als Gegenbeispiel Scargill und verbündete militante Gewerkschaftsfunktionäre.
Meinen Sie, daß der Kommunist Gysi so etwas anstrebt, und nicht den Sozialismus und schließlich den Kommunismus, so wie Marx sie konzipiert hat?
Natürlich denkt Gysi so, lieber Zettel, mit den marxistischen Dogmatikern und Ideologen hat er auch nicht wirklich viel am Hut.
Er ist auch entgegen Ihrer fortwährenden Voranstellung kein "Kommunist". Gysi ist ein Sozialist (nennen Sie es linker Sozialdemokrat, wie viele andere europäische Sozialisten auch), von mir aus gerne Linkspopulist. Die flächendeckende Verunglimpfung linker Politiker als "Kommunisten" ist jedenfalls wenig hilfreich und so auch nicht zutreffend. Alle Kommunisten sind selbstredend Sozialisten, aber nicht alle Kommunisten sind Sozialisten (klassisches Beispiel zur Verdeutlichung wäre die NSDAP, aber auch in der Union ist der korporatistisch/kollektivistisch/sozialistische Flügel grösser als der liberale). Hayek stellte seinem Werk "Der Weg in die Knechtschaft" nicht umsonst ein "Den Sozialisten aller Parteien" voran, diese Addressierung ist heute leider aktueller denn je.
Gysis Problem ist sein (auch biographisch bedingtes) limitiertes ökonomisches Verständnis, genau wie bei Merkel, Schäuble, Kohl und Co. Die eurosozialistische Politik der (vermeintlich liberalkonservativen) amtierenden Bundesregierung ist gefährlicher für den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat als es die Linke in 100 Jahren sein könnte.
Dieses limitierte ökonmische Verständnis macht die Sollbruchstelle aus und genau hier müssen Sie ansetzen, um Gysi erfolgreich zu bekämpfen (Lindner hat das im NRW-Wahlkampf - zumindest einmal indirekt - erfolgreich getan).
Und wenn eine Gesine Lötzsch vom "richtigen" Kommunismus schwadroniert, so manifestiert sich darin weniger kommunistische Unterwanderung der Linken sondern eher ihre totale Naivität/Ahnungslosigkeit bezüglich dessen, worüber sie redet.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #44Er ist auch entgegen Ihrer fortwährenden Voranstellung kein "Kommunist".
Ich halte Gregor Gysi nicht nur für einen Kommunisten, lieber Frankenstein, sondern für einen lupenreinen Kommunisten.
Er ist nie ein Demokrat geworden; keine Spur davon. Er hat der SED gedient, und er dient heute ihrer Nachfolgepartei. Ein eitler, ungemein intelligenter Mann. Er glaubt vielleicht an Marx. Vielleicht tut er auch nur so.
Zitat von Abrafax im Beitrag #42Es ist ja schön, dass sie die Sache mal ganz anders angehen, und nicht auf eine vermeintliche Spitzel-Tätigkeit insistieren. Auch mag es Herrn Gysi ehren, wenn sie Ihn auf eine Stufe mit allen großen deutschen Kommunisten heben.
Hübsch, daß Sie "Ihn" groß geschrieben haben.
Ansonsten: In diesem Forum wird kein Unsinn geschrieben. Gell?
Zitat von Frankenstein im Beitrag #44Er ist auch entgegen Ihrer fortwährenden Voranstellung kein "Kommunist".
Ich halte Gregor Gysi nicht nur für einen Kommunisten, lieber Frankenstein, sondern für einen lupenreinen Kommunisten.
Er ist nie ein Demokrat geworden; keine Spur davon. Er hat der SED gedient, und er dient heute ihrer Nachfolgepartei. Ein eitler, ungemein intelligenter Mann. Er glaubt vielleicht an Marx. Vielleicht tut er auch nur so.
Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
es ist Ihr gutes Recht, Gysi für einen Kommunisten zu halten und für mich auch nicht kriegsentscheidend, wenn Sie diesbezüglich auf Ihr eigenes - mitnichten provokatives, spektakuläres oder originäres Narrativ - hereinfallen, es sei Ihnen von Herzen gegönnt.
Der Sache gerecht wird es jedoch nicht, man kann es durchaus damit vergleichen wie ehedem (und teilweise auch heute noch) Strauss in weiten Teilen der Bevölkerung im Falle der Kanzlerschaft als neuer Führer und die CSU als Inkarnation einer Art NSDAP light gefürchtet wurden.
Gysi als Kryptokommunisten zu sehen, der seine Gesinnung im Dienste der Weltrevolution subtil verbirgt, verzerrt die banale Wirklichkeit um die profane Person Gregor Gysi, derartige an Verschwörungstheorien grenzende Sichtweisen führen nichts weiter als auf die falsche Fährte bzw. in die Irre. Sie überschätzen diesen Politiker, der seinen Zenit längst überschritten hat.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #44Die flächendeckende Verunglimpfung linker Politiker als "Kommunisten" ist jedenfalls wenig hilfreich und so auch nicht zutreffend. Alle Kommunisten sind selbstredend Sozialisten, aber nicht alle Kommunisten sind Sozialisten (klassisches Beispiel zur Verdeutlichung wäre die NSDAP, aber auch in der Union ist der korporatistisch/kollektivistisch/sozialistische Flügel grösser als der liberale).
Es ist keine Verunglimpfung einen Anhänger des Marxismus/Leninismus oder einen von Karl Marx und Friedrich Engels, als Kommunisten zu bezeichnen, bloß weil im Namen des Kommunismus nur Diktaturen und Mörderbanden walteten. Ein Anhänger des Wirtschaftsliberalismus wird es nicht stören, wenn man ihn einen Kapitalisten nennt. Das muss er aushalten, auch wenn durch Kapitalisten anderen Unrecht angetan wurde. Nur die Kommunisten meinen, den doppelten Standard für sich ohne Reputationseinschnitte reklamieren zu können. Und damit dies deutlich wird, erspare auch ich mir die sinnlose Unterscheidung von Sozialismus und Kommunismus. Auch Karl Marx hat das so gesehen.
Unterscheidbar ist die Haltung zur parlamentarischen Demokratie, welche die deutsche Sozialdemokratie für nicht verhandelbar hält, und die Linke/SED "überwinden" will. Gysi selbst sagt ja auch, er wisse gar nicht so genau wie der demokratische Sozialismus aussehen solle und das sagten auch Karl Marx und Friedrich Engels über ihren Kommunismus.
Wenn also ein Sozialdemokrat vom demokratischem Sozialismus redet, kann ich davon ausgehen, dass er temporäre Verstaatlichungen oder Vergesellschaftungen im Sinn hat, weiß allerdings, dass damit keine Aktiengesellschaften gemeint sind. Wenn Gregor Gysi dasselbe sagt, kann ich davon ausgehen, dass er die Daseinsvorsorge dauerhaft vergesellschaften/verstaatlichen will und die parlamentarische Demokratie für ihn ein Zwischenstadium ist. Er unterscheidet nicht zwischen offenen und geschlossenen Gesellschaften, sondern wer herrscht. Und diese Frage wird mit der Klassenfrage beantwortet. Also herrscht die Klasse der im Besitz der Produktionsmittel befindenden oder die, welche keine Produktionsmittel besitzt. Ich will mich über die gesellschaftspolitische Praktikabilität dieser Unterscheidung gar nicht auslassen.
Der Punkt für mich ist, dass überhaupt eine Klasse herrscht. Damit dies vermieden wird, ist eine offenen Gesellschaft so angelegt, dass niemand dauerhaft herrscht. Keine Klasse, keine Schicht, keine Räte.
Hier in Zettels Zimmer und in ZR ist schon viel über den "Demokratischen Sozialismus" zitiert und belegt worden, nirgends fand sich ein Hinweis, der auf die uneingeschränkte Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie hinwies. Also geht es beim Sozialismus im Tarnmantel der Demokratie um Modelle wie der gelenkten Demokratie Russlands, des Sozialismus des 21.Jh. in Venezuela oder andere Hybridregime.
Nachtrag: Was die Sozialisten der NSDAP anbelangt haben Sie, lieber Frankenstein natürlich recht. Die bezeichnen sich in der Tat nicht als Kommunisten. Nur handelt es sich bei Gregor Gysi nicht um einen erklärten Gegner des Kommunismus, ihm gefällt lediglich die Bezeichnung nicht weil sie so negativ besetzt ist. Es liegt also am Ruf des Kommunismus, nicht an der Idee. Für die Sozialisten in der Union gilt das gleiche wie für die Sozialdemokraten. Sie sind keine Gegner der parlamentarischen Demokratie.
Frau Kipping reagiert in der erwartbaren Unverfrorenheit auf die Vorwürfe gegen Gysi:
Zitat von Welt OnlineDie Menschen im Osten würden "die Systematik hinter den Vorwürfen durchschauen", sagte Kipping der "Thüringer Allgemeinen". "Sie haben es einfach satt, dass ohne jede Ahnung vom Alltag in der DDR Urteile über ihr Leben gefällt werden."
Zitat von Frankenstein im Beitrag #47 ... für mich auch nicht kriegsentscheidend, wenn Sie diesbezüglich auf Ihr eigenes - mitnichten provokatives, spektakuläres oder originäres Narrativ - hereinfallen, es sei Ihnen von Herzen gegönnt.
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