Zitat von ZREs gibt kaum eine unwichtigere, keine nebensächlichere Frage in der deutschen Politik als die nach der Beziehung oder Nichtbeziehung von Gregor Gysi zum Ministerium für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik; auch wenn das durch die Aufhebung seiner Immunität und die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn jetzt wieder thematisiert wird. Das ist das falsche Narrativ.
Es ist für Sie, lieber Zettel, unwichtig und für jeden politisch Informierten, der nicht die Maßstäbe eines demokratischen Rechtsstaates in der ehemaligen DDR zuhause wähnt. Leider ist diese Ansicht seltener als man annehmen sollte. Und der Knackpunkt ist das MfS. Dieser Behörde wurden alle Verbrechen des SED-Regimes überantwortet, damit die SED unter Gregor Gysi weiterarbeiten konnte.
Zitat von ZRWas aus seiner Kanzlei beim MfS ankam oder auch nicht (ich bin da vorsichtig), das ist eine andere Sache.
Um klarzustellen, oder besser, zu beweisen, dass die DDR kein Rechtsstaat war, sondern Anwälte ihre Mandanten verrieten, verraten mussten und dies ganz selbstverständlich war, ist dieses Verfahren gegen Gysi wichtig. Er ist der Vater der Legende dass das MfS ein Eigenleben abseits der SED-Parteiführung geführt hätte. Diese Legende und sein persönlicher Fall hängen direkt miteinander zusammen. Deshalb ist es keineswegs etwas anderes, sondern ein und dasselbe.
Die Frage der möglichen IM-Tätigkeit ist nebensächlich, wenn man die Entwicklung der Partei »SED.PDS.Die_LINKE« seit Herbst 1989 betrachtet. Im Verlaufe dieser Entwicklung hat Gysi sehr viel geleistet und man kann sich in der Tat fragen, wo die Linkspartei heute ohne ihn stünde. Aber die Kommunisten behaupten ja gern, dass Personen nicht relevant sind, wenn sich die gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend den Gesetzmäßigkeiten des Marxismus-Leninismus vollziehen.
Die mögliche IM-Tätigkeit von Politikern ist dagegen nicht nebensächlich, wenn man an den Wahlkampf 2013 denkt. Ich halte es sogar für möglich, dass sich daran der Wiedereinzug der Linkspartei in den Bundestag entscheidet. Wenn es ein öffentliches Verfahren über die Position der Linkspartei zur SED/MfS-Vergangenheit geben würde, dann wäre die Linkspartei gezwungen, sich entweder von den alten Kadern zu distanzieren – oder sich zu ihnen zu bekennen. Beides könnte sie unter die Fünf-Prozent-Grenze drücken.
Ich halte es zwar für falsch, noch Ressourcen für Diskussionen über diese Vergangenheit zu verwenden. Aber die Öffentlichkeit bevorzugt offenbar solche Themen: Sie bieten schnelle Erregung, sie scheinen relativ einfach verständlich – und man muss sich nicht mit wichtigen Zukunftsthemen wie Wirtschaftspolitik oder der Stabilität des Euro befassen. Man sieht es ja an den Diskussionen über den Rücktritt Annette Schavans, über Rainer Brüderles plump-ironischen Flirtversuch oder über die unglücklich formulierte Fragestellung von Jörg-Uwe Hahn.
Zitat von stefanolix im Beitrag #3..Wenn es ein öffentliches Verfahren über die Position der Linkspartei zur SED/MfS-Vergangenheit geben würde, dann wäre die Linkspartei gezwungen, sich entweder von den alten Kadern zu distanzieren – oder sich zu ihnen zu bekennen. Beides könnte sie unter die Fünf-Prozent-Grenze drücken.
Die Linkspartei braucht die Fünf-Prozent-Hürde nicht zu fürchten. Es reichen ja drei Direktmandate...2009 hatte sie 16 Direktmandate!
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2 Er ist der Vater der Legende dass das MfS ein Eigenleben abseits der SED-Parteiführung geführt hätte. Diese Legende und sein persönlicher Fall hängen direkt miteinander zusammen. Deshalb ist es keineswegs etwas anderes, sondern ein und dasselbe.
Ja, das sehe ich auch so, lieber Erling Plaethe.
Die Strategie ist dieselbe wie beim "Stalinismus": Die Verbrechen der Kommunisten werden von der Agitprop darunter rubriziert. Und den Stalinismus hat man ja überwunden, also ist man exkulpiert.
Das MfS wird analog so dargestellt, als sei es eine unerfreuliche Erscheinung in der sonst so erfreulichen DDR gewesen. Es war aber das Zentrum des Machtapparats, Schwert und Schild der Partei.
Ob und ggf. wie Gysi mit dem MfS zusammengearbeitet hat, wird sich möglicherweise nie klären lassen; die Akte "Notar" wurde ja offenbar geschreddert. Daß er in einer hohen Position Teil dieses Machtapparats war, daß er die SED 1989/90 gerettet hat, ist aber kaum zu bestreiten. Und das, lieber Erling Plaethe, ist aus meiner Sicht im öffentlichen Bewußtsein viel zu wenig präsent.
Der charmante Plauderer mag mit dem MfS zusammengearbeitet haben oder auch nicht. Mit dem ZK der SED hat er jedenfalls zusammengearbeitet.
Zitat von stefanolix im Beitrag #3 Ich halte es zwar für falsch, noch Ressourcen für Diskussionen über diese Vergangenheit zu verwenden.
Und weil nicht nur Sie, lieber stefanolix, dies für falsch halten, sondern fast alle politisch denkenden Menschen in Deutschland, haben die Linken in diesem Land solch ein leichtes Spiel. Die Liberalen und Konservativen beklagen den Einfluss der Linkspartei auf die Politik und verkennen völlig ihren eigenen Beitrag dazu. Es tut mir etwas leid das so drastisch darzustellen, aber ich sehe das nun einmal so: All denen politisch Interessierten welche den Kommunismus nie von innen her kennengelernt haben, betrachten oft lieber die Renegaten als wankelmütige Zeitgenossen und ignorieren ihre Kenntnis. Diese Ignoranz versperrt ihnen den Blick auf die Techniken, welche Kommunisten anwenden um die öffentliche Meinung weit stärker zu beeinflussen, als es ihre parlamentarische Präsenz erwarten lassen sollte.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2 Er ist der Vater der Legende dass das MfS ein Eigenleben abseits der SED-Parteiführung geführt hätte. Diese Legende und sein persönlicher Fall hängen direkt miteinander zusammen. Deshalb ist es keineswegs etwas anderes, sondern ein und dasselbe.
Ja, das sehe ich auch so, …
Das freut mich, denn es wäre auch für den Rechtsstaat Bundesrepublik wichtig, an dem Beispiel Gysi aufzuzeigen, wo die Diktatur beginnt. Wenn ein Anwalt dem Staat* oder der Staatsanwaltschaft zur Auskunft verpflichtet oder auch nur bereit ist, dann hat der Angeklagte keinen Anwalt mehr. Und er hat keine Verteidigung mehr, und eben auch keine Grundrechte. Und davon abgesehen, der Anwalt Gysi keine persönliche Integrität. Aber das ist auch für mich nebensächlich. *"dem Staat" ist missverständlich. Ich meinte die Anklage und im Fall der DDR, die Regierung. Was dort ein und dasselbe war, möchte ich selbstverständlich in der Bundesrepublik getrennt wissen.
Ich denke inzwischen, dass die sich mittelfristig selbst unter die 5% druecken. In einer hochdifferenzierten Gesellschaft wie der Deutschen gibts halt dieses Protest-Waehler Potential von je nach Konjunktur 5 bis 15%, die Piraten oder LINKE waehlen. Aber wie bedeutend ist das wirklich fuer die Republik? Im Osten werden die ja insbesondere von vielen aelteren Landsleuten gewaehlt. Die Partei ist jedenfalls auf lange Sicht kein akzeptabler Koalitionspartner der SPD. Und so werden die im Protest-Loch langsam aber sicher austrocknen. Ich seh die oekonomischen Aussichten Deutschlands ueber die naechsten 10 Jahre relativ positiv. Ohne massiven Konjunktur-Einbruch werden die immer weiter Waehler verlieren. Gisy ist die Modernisierung eben genau nicht gelungen. Kann man diese Maschine vermutlich auch gar nicht.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2Um klarzustellen, oder besser, zu beweisen, dass die DDR kein Rechtsstaat war, sondern Anwälte ihre Mandanten verrieten, verraten mussten und dies ganz selbstverständlich war, ist dieses Verfahren gegen Gysi wichtig. Er ist der Vater der Legende dass das MfS ein Eigenleben abseits der SED-Parteiführung geführt hätte. Diese Legende und sein persönlicher Fall hängen direkt miteinander zusammen. Deshalb ist es keineswegs etwas anderes, sondern ein und dasselbe.
Da stimme ich Ihnen zu, lieber Erling Plaethe. Leute wie Gysi oder Wagenknecht werden heute doch schon teilweise als harmlose Exoten betrachtet, die einer durch die Geschichte auf sinnfällige Weise falsifizierten Ideologie anhängen; teilweise wird ihnen der Ruf zuteil, die besseren Sozialdemokraten zu sein. Als mögliches Zünglein an der Waage für eine linke Mehrheit werden sie von bestimmten Medienvertretern in Watte gepackt.
Dass es zwischen der SED und der Partei "Die Linke" eine ungebrochene Kontinuität gibt; dass diese Partei sich nie wirklich von den Verbrechen des Unrechtsstaats DDR distanziert hat; dass ihr älteres Personal 1989/90 nicht ex nihilo aufgetaucht ist - für die Erinnerung an diese Tatsachen ist das Verfahren gegen Gysi wichtig.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Mir scheint, daß die außerordentliche Leistung Gregor Gysis für den deutchen Kommunismus immer noch unterschätzt wird.
Ich habe den Artikel jetzt um einen Hinweis auf eine (nicht erfolgreiche) "Rückführungsaktion" durch Gregor Gysi ergänzt. Diese Geschichte zeigt vielleicht besser als alles Andere, wo Gysi in der Hierarchie der SED stand.
Zitat von Zettel im Beitrag #5Das MfS wird analog so dargestellt, als sei es eine unerfreuliche Erscheinung in der sonst so erfreulichen DDR gewesen. Es war aber das Zentrum des Machtapparats, Schwert und Schild der Partei.
Danke für diese nüchterne Würdigung. Gysi halte ich für einer der wenigen begabten deutschen Vollblutpolitiker, die einen vollen Saal, einen großen Platz "fesseln" können (selbst erlebt) - unabhängig davon, was man von dieser Politik hält. Zur Heiligsprechung fehlt eigentlich nur noch ... naja, lassen wir das.
Die politische Führung der DDR lag beim Politbüro der SED; das MfS war wichtiger Teil seines Machtapparates. Insofern hat der Hinweis von Gysi, daß er nicht unbedingt mit den Geheimdienstleuten reden mußte, eine gewisse innere Logik.
Ich würde es sehr bedauern, wenn er über die angesprochenen juristischen Feinheiten zu Fall käme. Viel lieber wäre mir ein entsprechendes Votum des Wählers.
Zitat von Zettel im Beitrag #5Das MfS wird analog so dargestellt, als sei es eine unerfreuliche Erscheinung in der sonst so erfreulichen DDR gewesen. Es war aber das Zentrum des Machtapparats, Schwert und Schild der Partei.
Danke für diese nüchterne Würdigung. Gysi halte ich für einer der wenigen begabten deutschen Vollblutpolitiker, die einen vollen Saal, einen großen Platz "fesseln" können (selbst erlebt) - unabhängig davon, was man von dieser Politik hält.
Ja. Was ich von dieser Politik halte, ist ja bekannt. Ich sehe nicht, daß Gysi sich zum Demokraten gewandelt hätte. Mir scheint, daß er nichts von den Zielen aufgegeben hat, die er als Mitglied der DDR-Nomenklatura verfolgte.
Zitat von Hausmann im Beitrag #11Gysi halte ich für einer der wenigen begabten deutschen Vollblutpolitiker, die einen vollen Saal, einen großen Platz "fesseln" können (selbst erlebt) - unabhängig davon, was man von dieser Politik hält.
Mal abgesehen von seinen Begabungen als Demagoge, was kennzeichnet einen Politiker?
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/PolitikerPolitiker haben das Ziel, durch ihr Denken Probleme der Gesellschaft zu lösen und durch ihr Handeln Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.
Die Gedanken sind frei, frei für Spekulationen. Aber sein Handeln als Politiker in Verantwortung, kann beurteilt werden:
Zitat von http://www.n-tv.de/politik/Gysi-geht-von...icle124136.html"Der Rücktritt überrascht mich nicht. Herr Gysi hatte von Anfang an keine Lust, diese harte und anspruchsvolle Aufgabe zu übernehmen", sagte CDU-Fraktionschef Frank Steffel. Die Märtyrerrolle passe nicht zu Gysi, urteilte Sybill Klotz, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Gysi habe sich wohl auch dem zusätzlichen Ärger einer Stasi-Überprüfung nicht mehr stellen wollen.
Ein Parteifreund über ihn:
Zitat von http://www.spiegel.de/politik/deutschlan...k-a-207612.html"Persönlich war er immer ein Schlamper. Oft habe ich sein Hotelzimmer mitbezahlt und musste ihn dann Wochen später daran erinnern", so Gehrcke. Gysi habe so für die Politik gelebt, dass er das "gesellschaftliche Umfeld nicht immer im Blick hatte".
Gysi über sich selbst:
Zitat von http://www.handelsblatt.com/archiv/bunde...ck/2186730.html"Ich habe begonnen, Privilegien als Selbstverständlichkeit hinzunehmen", und "bin dabei, so zu werden, wie ich nie werden wollte." Mit diesen Worten begründete der Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi (PDS) gestern schriftlich seinen Rücktritt. Anfang der Woche hatte Gysi eingeräumt, Bonusmeilen, die er sich als Bundestagsabgeordneter erworben habe, privat genutzt zu haben.
Zitat von http://www.berliner-zeitung.de/archiv/gr...0,10016374.htmlGysi räumte ein, bei der Nutzung der Bonusmeilen "kein Unrechtsbewusstsein" gehabt zu haben. Jemand - den er nicht nennen wolle - habe ihm damals gesagt, das private Abfliegen der Meilen sei jetzt erlaubt. "Das habe ich ungeprüft geglaubt. Genau das ist es, was ich mir vorwerfe."
Zitat von http://www.welt.de/print-welt/article403...ckgetreten.htmlDie Tatsache, dass nicht einmal Vertreter der Berliner Opposition seinen Rücktritt forderten, habe ihm erleichtert, eine "selbstbestimmte Entscheidung" zu treffen. Sein Entschluss vom vergangenen Jahr, aus der Politik auszuscheiden, sei richtig gewesen, die kurzfristige Revision ein Fehler. Deshalb habe er seine politischen Ämter niedergelegt.
Gysi hat überhaupt kein Unrechtsbewußtsein. Nicht nur in Bezug auf Bonusmeilen, sondern auch für sein anwaltliches Handeln in der DDR fehlt ihm jedes Unrechtsbewußtsein. Abgesehen davon, dass auf Grund der Rechtsauffassung in der DDR ("Die Partei, die Partei, die hat immer Recht.") alle Anwälte einen sehr begrenzten Handlungsspielraum zu Gunsten ihrer Mandanten hatten, hat Gysi selbst diesen Spielraum nicht genutzt. Bei politischen Prozessen wurde nichts dem Zufall oder der Eigeninitiative überlassen, sondern alles von "Oben" gelenkt. Das galt bei Strafe des eigenen Untergangs.
Auch wenn Gysi nicht die formalen Voraussetzungen für einen IM erfüllt haben mag, war er willfähriger Handlanger des Systems. Ja mehr noch. Nicht nur Handlanger sondern Gestalter. Er verkörperte also Regierungshandeln und Stasiaktivität in einer Symbiose.
Es scheint unser Schicksal zu sein, dass wir in Deutschland bei einem Systemwechsel keine vollkommene Abrechnung mit der Vergangenheit zu stande bringen. Das galt 1945. Einige Systemträger haben es verstanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR zu überleben. Das gilt auch für 1989. Gysi hat genügend anwaltliches Geschick gehabt, um auch im wiedervereinigten Deutschland eine bedeutende politische Rolle zu übernehmen. Meine Oma würde sagen, dass er ein richtiges Stehaufmännchen ist. Er ist ein "Fettauge", das auf jeder Suppe oben schwimmen wird. Damit müssen wir, die wir diese Fähigkeit nicht haben, uns abfinden.
Zitat von PaulEs scheint unser Schicksal zu sein, dass wir in Deutschland bei einem Systemwechsel keine vollkommene Abrechnung mit der Vergangenheit zu stande bringen. Das galt 1945. Einige Systemträger haben es verstanden sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR zu überleben. Das gilt auch für 1989. Gysi hat genügend anwaltliches Geschick gehabt, um auch im wiedervereinigten Deutschland eine bedeutende politische Rolle zu übernehmen
Lieber Paul, ich glaube, 1945 gab es einen "mildernen Umstand", den es 1990 so nicht gab. Wo sollte man nach WK 2 überhaupt unbelastete Beamte hernehmen, die Erfahrung mit öffentlicher Verwaltung hatten und dieses Land wieder mit aufbauen konnten? Daß man damals nicht so genau hingeschaut hat, mag man vom Rechtsempfinden her bedauern, aber politisch wirklich viele Alternativen gab es wohl nicht. So hatte dann eben manch Adenauer seinen Globke. Andererseits konnte man realpolitisch auch 1990 nicht den kompletten Apparat durch "unbelastete",am besten noch aus dem Westen importierte, Beamte, austauschen, die Bürger der neuen Länder hätten sich vermutlich bedankt. War ja so schon heftig genug, mit dem "Systemtransfer". Mir scheint, daß ein Systemwechsel rumpelig und unsauber läuft, liegt in der Natur der Sache. Das war jetzt ein allgemeiner Gedanke, der mit dem konkreten Fall Gysi nix zu tun hat. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von http://www.welt.de/politik/deutschland/a...den-lauter.htmlDer Vorsitzende des Beirates der Stasi-Unterlagen-Behörde, Richard Schröder, verteidigte Gysi. "Mit dem Vorgang hat er nicht gegen seine eidesstattliche Versicherung verstoßen", sagte er der "Berliner Zeitung". "Das bringt ihm keine Falschaussage ein." Schröder fügte hinzu: "Nicht jeder Verdacht, der heute geäußert wird, hat Substanz."
Richard Schröder, der in den Kommunisten der ehemaligen SED keine Gefahr für die Demokratie sah und wohl auch nicht sieht, sollte gerade als Beiratsmitglied der BStU, sich seine prophetischen Ahnungen für die SPD-Gremien aufsparen.
Zitat von http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13855502.htmlDoch Richard Schröder feuerte nach. "Ich will mal festhalten", so der Mentor der ostdeutschen SPD, der dank eines sicheren Listenplatzes dem nächsten Bundestag angehören wird, "daß die Wahrnehmung der PDS in Ost und West ganz unterschiedlich ist." Schröders energisch vorgetragene Bitte: "Rudolf, nenn die PDS nicht mehr undemokratisch, nenn sie meinetwegen unsolide."
Und mal darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre die Grundsätze des Behördenchefs zu verinnerlichen.
Zitat von Doeding im Beitrag #15War ja so schon heftig genug, mit dem "Systemtransfer".
Für diesen sind Millionen auf die Strasse gegangen und haben in Leipzig '89 sogar ihr Leben riskiert. Es gab auch welche, die gern etwas mehr Marktwirtschaft gehabt hätten, in Form von Sonderwirtschaftszonen z.B., mit steuerrechtlichen Ausnahmen. Nur haben die, wie auch heutzutage, nicht am lautesten geschrien. Das waren und sind die Anhänger des vorsorgenden Sozialstaats. Deshalb ist die Ansicht im Osten von der Deindustrialisierung nur auf den ersten Blick Propaganda der Linken. Viel vom unternehmerischen Aufbruch im Osten der Nachwendezeit ist von der Bürokratie erstickt worden. Das ist in den neuen Bundesländern immer wieder zu hören.
Zitat von Erling PlaetheFür diesen sind Millionen auf die Strasse gegangen und haben in Leipzig '89 sogar ihr Leben riskiert. Es gab auch welche, die gern etwas mehr Marktwirtschaft gehabt hätten, in Form von Sonderwirtschaftszonen z.B., mit steuerrechtlichen Ausnahmen. Nur haben die, wie auch heutzutage, nicht am lautesten geschrien. Das waren und sind die Anhänger des vorsorgenden Sozialstaats. Deshalb ist die Ansicht im Osten von der Deindustrialisierung nur auf den ersten Blick Propaganda der Linken. Viel vom unternehmerischen Aufbruch im Osten der Nachwendezeit ist von der Bürokratie erstickt worden. Das ist in den neuen Bundesländern immer wieder zu hören.
Das sehen Sie mit Sicherheit um ein Vielfaches klarer als ich, lieber Erling Plaethe. Ich kann nur schildern, was damals, als noch sehr junger Mensch, meine Eindrücke (im Westen) waren. Mit "heftigem Systemtransfer" meinte ich oben jene Prozesse, die zu einer doch recht schnell formulierten Unzufriedenheit vieler Bürger in den neuen Ländern führten, einem Gefühl des Abgezocktwerdens durch die "Wessis". Das schien mir einer der Nährböden des Pendelschwungs Richtung Hoyerswerda zu sein. Die Beispiele waren damals ja Legion. Mein Eindruck war (und ist es eigentlich auch noch heute), daß man den Menschen einfach nicht früh genug reinen Wein eingeschenkt hatte. Nicht "Blühende Landschaften" hätte es damals in Reden gebraucht, sondern "Blut, Schweiß und Tränen". Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von Doeding im Beitrag #18 Das sehen Sie mit Sicherheit um ein Vielfaches klarer als ich, lieber Erling Plaethe. Ich kann nur schildern, was damals, als noch sehr junger Mensch, meine Eindrücke (im Westen) waren. Mit "heftigem Systemtransfer" meinte ich oben jene Prozesse, die zu einer doch recht schnell formulierten Unzufriedenheit vieler Bürger in den neuen Länder führte, einem Gefühl des Abgezocktwerdens durch die "Wessis". Das schien mir einer der Nährböden des Pendelschwungs Richtung Hoyerswerda zu sein. Die Beispiele waren damals ja Legion. Mein Eindruck war (und ist es eigentlich auch noch heute), daß man den Menschen einfach nicht früh genug reinen Wein eingeschenkt hatte. Nicht "Blühende Landschaften" hätte es damals in Reden gebraucht, sondern "Blut, Schweiß und Tränen".
Viele Neonazis im Osten entstammten sozialistischen, wenn nicht MfS-Elternhäusern. Nationalsozialisten sind vor allem erst mal Sozialisten. http://www.welt.de/debatte/kommentare/ar...Elternhaus.html Die harte Realität der Zeit nach dem Mauerfall war vor allem dem Anarchismus in dieser Zeit geschuldet und natürlich der hohen Arbeitslosigkeit, welche aber durch sozialstaatliche Maßnahmen abgefedert wurden und nicht durch wirtschaftsliberale Anreize. Die Ostdeutschen wussten schon, dass es hart werden kann, aber sie hofften auf Chancen unternehmerischer Art. Viele waren ja durch den blühenden Schwarzmarkt in der DDR längst mit der Marktwirtschaft vertraut. Nur eben nicht mit der sozialen Marktwirtschaft. Das war der Systemtransfer.
Zitat von Erling PlaetheViele waren ja durch den blühenden Schwarzmarkt in der DDR längst mit der Marktwirtschaft vertraut. Nur eben nicht mit der sozialen Marktwirtschaft. Das war der Systemtransfer.
So habe ich das noch nicht gesehen. Interessant, vielen Dank. Herzlichen Gruß, Andreas Döding
Zitat von Paul im Beitrag #14Es scheint unser Schicksal zu sein, dass wir in Deutschland bei einem Systemwechsel keine vollkommene Abrechnung mit der Vergangenheit zu stande bringen.
Das ist keine deutsche Spezialität, das geht offenbar nie. Auch nach der französischen Revolution oder später der Rückkehr des Ancien Régime, auch in den übrigen Ostblockstaaten nach 1990, auch nach dem Ende der Apartheid in Südafrika: die Fachkräfte der alten Ordnung werden immer gebraucht, man kann eigentlich immer nur die austauschen, die das alte Regime sehr engagiert unterstützt haben oder in Verbrechen verwickelt waren.
Bemerkenswert ist aber, daß der Neuanfang nach 1945 besser funktioniert hat als nach 1990 - obwohl der von den Linken etablierte Mythos das Gegenteil behauptet.
Die oft zitierten Beispiele für "alte Nazis in hohen Funktionen" betreffen fast ausschließlich Leute, die nur einfache Mitglieder NSdAP waren. Von den höheren Parteifunktionären hat es fast keiner mehr geschafft, nach dem Krieg in politische Ämter zu kommen (die einzige mir bekannte Ausnahme ist Erich Mix).
Bei der SED-Linken dagegen wurden nur die ZK-Mitglieder demonstrativ ausgeschlossen, ansonsten durfte jeder weiter in der Partei mitmachen, auch in hohe Ämter gewählt werden. Es war ja nie die Frage, daß einfache SED-Mitglieder (oder einfache Mitglieder der Blockparteien) sich nach 1990 in demokratischen Parteien engagieren dürfen, ja sollen. Kritisch sind nur hohe Funktionäre wie eben Gysi oder der "Ehrenvorsitzende" Modrow. Von solchen Typen ist nach 1945 keiner mehr irgendwo untergekommen.
Zitat von stefanolix im Beitrag #3..Wenn es ein öffentliches Verfahren über die Position der Linkspartei zur SED/MfS-Vergangenheit geben würde, dann wäre die Linkspartei gezwungen, sich entweder von den alten Kadern zu distanzieren – oder sich zu ihnen zu bekennen. Beides könnte sie unter die Fünf-Prozent-Grenze drücken.
Die Linkspartei braucht die Fünf-Prozent-Hürde nicht zu fürchten. Es reichen ja drei Direktmandate...2009 hatte sie 16 Direktmandate!
als ehemaliges Mitglied der PDS habe ich Gysi nach der Wende sogar mal persönlich erlebt, die Besserwisserei und Radikalität westlicher Dogmatiker waren ihm total fremd und unangenehm. Die Distanz zur kommunistischen Plattform und deren Zielen ist authentisch und nicht gespielt. Im Übrigen hat sich die SPD keinen Gefallen damit getan, nicht mit dem mit den Sozialdemokraten sympathisierenden Teil der PDS zu vereinen (für CDU und FDP war das ja auch kein Problem) und den gemässigt-pragmatischen Linken das Ankommen im freiheitlich-demokratischen Deutschland zu ermöglichen und dabei den radikalen Kräften nachhaltig das Wasser abzugraben.
Ich teile Ihre Einschätzung so jedenfalls nicht - ich glaube vielmehr, dass Gysi tatsächlich an den "demokratischen Sozialismus" glaubt und - ähnlich wie Lafontaine - in ökonomischen Fragen schlichtweg fehlgeleitet ist (was ja letztlich auch auf die grosse Mehrheit der Vertreter des christlich-liberalen Lagers zutrifft). Ich denke, dass Sie ihn auch etwas überschätzen.
Die Paranoia gegenüber Linken, die in diesem Forum immer wieder durchschillert, ist auf der anderen Seite analog übrigens genauso vorhanden:
Während hier überall Kommunisten und Stalinisten gesehen werden, wahrnimmt man am vermeintlich anderen Ufer nur Faschisten und eiskalte Neoliberale. Das ist nicht einfach nur Propaganda - die glauben das wirklich.
Vermeintlich anderes Ufer übrigens deshalb, weil sie allesamt Etatisten sind, die Linken und Christdemokraten sowieso, aber selbst das Gros der FDP.
Es ist nicht vorstellbar, dass jemand in der Position wie Gysi sich nicht die Hände schmutzig gemacht hat. Ob man es auch beweisen kann ist eine andere Frage, da eben viele Akten vernichtet wurden. Sein Wirken hatte auf jedem Fall mit dem Unrechtssystem DDR zu tun, und niemand der nicht mindestens naiv ist, hätte in der DDR einem wie Gysi vertraut.
Die einzige Frage die sich für mich stellt ist, ob Gysi hauptsächlich ein Spielball der Mächtigen war, die ihn gewissermaßen als Feuerwehr benutzten um ausgebrochene Brände zu löschen, oder ob er selbst zu den Mächtigen gehörte. Vielleicht von beiden etwas. Dann wäre noch die Frage zu klären, welchen Stellenwert in diesem Szenario die Eitelkeit Gysis ein Rolle spielte, und auch heute noch spielt.
Gysi gehörte, um das noch mal zu wiederholen, zum Unrechtssystem der DDR, genauso wie Egon Krenz, oder weitere prominente Persönlichkeiten. Er ist nur deswegen nicht in der Bedeutungslosigkeit versunken, weil es Solidarisierungseffekte gibt, etwa nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Zitat von stefanolix im Beitrag #3 Ich halte es zwar für falsch, noch Ressourcen für Diskussionen über diese Vergangenheit zu verwenden.
Und weil nicht nur Sie, lieber stefanolix, dies für falsch halten, sondern fast alle politisch denkenden Menschen in Deutschland, haben die Linken in diesem Land solch ein leichtes Spiel. Die Liberalen und Konservativen beklagen den Einfluss der Linkspartei auf die Politik und verkennen völlig ihren eigenen Beitrag dazu. Es tut mir etwas leid das so drastisch darzustellen, aber ich sehe das nun einmal so: All denen politisch Interessierten welche den Kommunismus nie von innen her kennengelernt haben, betrachten oft lieber die Renegaten als wankelmütige Zeitgenossen und ignorieren ihre Kenntnis. Diese Ignoranz versperrt ihnen den Blick auf die Techniken, welche Kommunisten anwenden um die öffentliche Meinung weit stärker zu beeinflussen, als es ihre parlamentarische Präsenz erwarten lassen sollte.
Ich halte es für wichtiger, die Linkspartei immer wieder mit aktuellen Themen zu demaskieren.
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