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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 68 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
MadBaron Offline



Beiträge: 52

22.02.2013 14:27
#51 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #50

Lieber Andreas Döding, das wirklich haarige Fallbeispiel ist nicht der finale Rettungsschuss, der den Übeltäter (und nur diesen) trifft, sondern z.B. der Flugzeugabschuss, bei dem auch die als Geiseln genommenen Passagiere getötet werden, weil man den von den Hijackern geplanten Kamikaze-Anschlag verhindern möchte.


Dem schließe ich mich an. Der Beleg dafür, dass die toten "Zivilisten" beim Kunduz Tanklaster andere Menschenleben gerettet haben, kann nicht erbracht werden. Wie schon an anderer Stelle gesagt, halte ich die aber Art des Vorfall bei einer kriegerischen Auseinandersetzung für unvermeidbar.

Ganz so schwarz-weiß wie in dem Besipiel von Herrn Döding ist die Angelegenheit in der Regel wohl leider nicht.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.02.2013 15:02
#52 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Noricus

Zitat von Llarian
--------------------------------------------------------------------------------
Dann ist es also moralisch richtig einen zu ermorden um hundert zu retten
--------------------------------------------------------------------------------



Ja, ich bin mit dem Konzept des "Finalen Rettungsschusses", z. B. bei Geiselnahmen, einverstanden. Das ist dann aber kein Mord, lieber Llarian. Auch mit der Befreiung der "Landshut" 1977 hatte und habe ich kein Problem, im Gegenteil. Sie denn?
--------------------------------------------------------------------------------



Lieber Andreas Döding, das wirklich haarige Fallbeispiel ist nicht der finale Rettungsschuss, der den Übeltäter (und nur diesen) trifft, sondern z.B. der Flugzeugabschuss, bei dem auch die als Geiseln genommenen Passagiere getötet werden, weil man den von den Hijackern geplanten Kamikaze-Anschlag verhindern möchte.



Das stimmt, lieber Noricus, aber das war ja so nicht die Aussage von Llarian, auf die ich mich bezog.

Es gibt in solchen Fällen natürlich keine saubere Lösung ohne Nachteile, die gibt es aber nie. Jedenfalls ist Nichtstun nicht immer die beste Lösung. Blinder Aktionismus natürlich auch nicht. Aber das weiß man ja eben erst hinterher. Wenn Sie Krankheiten diagnostizieren, dann haben Sie ein Risiko des diagnostischen Fehlers. In der Statistik gibt es analog den Fehler 1. und 2. Art. Wenn Sie die Möglichkeit eines diagnostischen Fehlers ausschließen wollen, dann dürfen Sie nicht diagnostizieren und auch nicht behandeln. Dann stirbt zwar keiner mehr wegen einer falsch positiven Diagnose, aber dafür Jeder mit akutem Blinddarm. Im Grunde ist das bei der Analyse einer militärischen "Lage" nicht viel anders, auch bei der Einschätzung eines Großschadensereignisses, wie es durch ein vollbesetztes Flugzeug bekanntlich ausgelöst werden kann.

Wie gesagt, ich argumentiere auf einer pragmatischen Basis; im Zweifel möglichst viele retten, indem man möglichst wenige opfert. Wenn eben die Alternative bei nichtstun mit hoher Wahrscheinlichkeit bedeutet: Viele, viele Opfer.

Wie gesagt, solche Entscheidungen sind nie sauber; Frau Käßmanns Sicht auf die Welt ist da viel, viel einfacher, sauberer, wärmer und sicherer. Und friedvoller. Oder so.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.02.2013 15:58
#53 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von MadBaron
Dem schließe ich mich an. Der Beleg dafür, dass die toten "Zivilisten" beim Kunduz Tanklaster andere Menschenleben gerettet haben, kann nicht erbracht werden. Wie schon an anderer Stelle gesagt, halte ich die aber Art des Vorfall bei einer kriegerischen Auseinandersetzung für unvermeidbar.

Ganz so schwarz-weiß wie in dem Besipiel von Herrn Döding ist die Angelegenheit in der Regel wohl leider nicht.



Ich neige ganz bestimmt bisweilen zu Schwarzweiß-Denken, lieber MadBaron, aber hier kann ich das nicht erkennen.
"Schwarz" wäre für mich: Tanklaster immer abschießen, sofort, ohne nähere Analyse der Lage. "Weiß" wäre: ich lasse gestohlene Tanklaster immer passieren und schaue friedvoll, was passiert. Es ist ja gerade die individuelle Lageanalyse und anschließende Entscheidung, die ich befürworte. Und solche Entscheidungen sind nie perfekt. In wiefern es die "schwarze" oder "weiße" Entscheidungsstrategie sein sollte, erschließt sich mir aber auch nicht.

Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Können Sie mir eine allgemeingültige Handlungsmaxime nennen, die in solchen Fällen anzuwenden ist? Was hätten Sie Oberst Klein geraten, hätte er Sie an jenem Tag, nach der Tanklasterentführung aber vor dem Angriffsbefehl, aus Kunduz angerufen, und wie begründen Sie Ihren Rat?

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

MadBaron Offline



Beiträge: 52

22.02.2013 16:22
#54 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #53

Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Können Sie mir eine allgemeingültige Handlungsmaxime nennen, die in solchen Fällen anzuwenden ist? Was hätten Sie Oberst Klein geraten, hätte er Sie an jenem Tag, nach der Tanklasterentführung aber vor dem Angriffsbefehl, aus Kunduz angerufen, und wie begründen Sie Ihren Rat?



Ich möchte Sie weder belehren noch mich ihrem Argumenten verschliessen. Vermutlich lag der Fehler hier bei mir, nicht angemessen zu berücksichtigen, dass Ihr Geiselbefreiungs-Beispiel in Bezug auf Larians speziellen Beitrag zu sehen war und eben nicht auf das ursprüngliche Bundeswehrthema.

Worauf ich aber hinaus wollte ist die Problematik, dass es im Geiselfall für mich relativ einfach ist, den Tod der Geiselnehmer und schlimmstenfalls auch einiger Geiseln hinzunehmen, um das Ziel möglichst viele Geiseln zu befreien zu erreichen. Das Ziel ist klar definiert und zu unterstützen.
Ich persönlich sehe halt nur absolut keine ausreichend wichtiges Ziel, das es rechtfertigt unserer Mitbürger nach Afghanistan zu entsenden, wo manche dieser sterben werden und eben auch Beteiligte und Unbeteiligte von ihnen getötet werden. Diese Konsequenz eines militärischen Einsatzes ist unvermeidbar. Und daher hätte ich auch Oberst Klein nicht beraten und stelle seine Entscheidung auch nicht grundsätzlich in Frage.

Beste Grüße

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

22.02.2013 19:50
#55 RE: Unterstützt unsere Bundeswehr! Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #48
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #12
Zitat von Frankenstein im Beitrag #7

Zitat von Doeding
[...] Ohne Wachstum kein Wohlstand, [...]

Diese Pauschalisierung ist falsch.

Und das muss nicht begründet werden?
Wachstum wirkt dem entgegen was man Inflation nennt.
Ohne Wachstum verlieren Güter schneller an Wert, weil der Wert nicht erhalten werden kann. Stagnation ist deshalb mit Wohlstandseinbußen verbunden.
Ohne Wachstum gibt es keine Investitionen, weil sie sich nicht armortisieren können.
Dieses Zitat ist keine Pauschalisierung, sondern eine ökonomische Notwendigkeit.
Aber vielleicht begründen Sie, lieber Frankenstein, ihre Entgegnung noch, dass ich sie besser nachvollziehen kann.

Wachstum um des Wachstums Willen kann durchaus auch Wohlstand vernichten.


Das kann es. Aber das war ja nicht der Punkt. Sondern, dass es ohne Wachstum keinen Wohlstand gibt.

Zitat von Frankenstein im Beitrag #48
Was Sie genau Inflation nennen, ist mir unklar. Ich würde diese aber konservativ als Folge der Geldmengenvermehrung bezeichnen.

Ich meine die Teuerung, die natürliche Ausweitung der Geldmenge.

Zitat von Frankenstein im Beitrag #48
Dass der "Wert" von Gütern durch Wachstum erhalten werden würde, scheint mir auch ziemlich daneben zu liegen, zumal der "Wert" eines Gutes ja volatil und und letztlich nicht objektiv messbar ist.

Unabhängig davon wie hoch der Wert eines Gutes durch den Markt festgelegt wird, sind für die Erhaltung der Funktion eines Gutes Aufwendungen nötig, welche sich finanziell beziffern lassen. Irgendwann lohnt der Erhalt natürlich nicht mehr. Und es gibt kaum Güter, welche nicht für ihre Nutzung wiederkehrende Kosten verursachen, und sei es nur Energie.
Um so mehr Güter jemand besitzt, um so höher werden seine Kosten. Diesem Wachstum seiner Kosten muss ein Wachstum seiner Einnahmen gegenüberstehen. Wenn nicht, muss er sich von einigen seiner Güter trennen, was im Allgemeinen mit einem Wohlstandsverlust verbunden ist. Güter werden häufig angeschafft, um den Aufwand an Arbeitskraft zu minimieren.
Die Zeit, die ein Individuum, ohne sich um seinen Lebensunterhalt kümmern zu müssen, zur Verfügung hat, bezeichne ich als Wohlstand. In wie fern diese Zeit genutzt werden kann, die wirtschaftliche und persönliche Freiheit auszubauen, ist sein Maß.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

22.02.2013 20:49
#56 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #49
Ja, ich bin mit dem Konzept des "Finalen Rettungsschusses", z. B. bei Geiselnahmen, einverstanden. Das ist dann aber kein Mord, lieber Llarian. Auch mit der Befreiung der "Landshut" 1977 hatte und habe ich kein Problem, im Gegenteil. Sie denn?

Das ist nicht die Frage, die sich stellt. Sie haben argumentiert, ich zitiere wörtlich: "moralisch ist, was Menschenleben rettet. Heißt im Zweifel aber auch: was möglichst wenige Menschenleben kostet."
Das ist eine, entschuldigen Sie die Direktheit, lieber Döding, sehr simple Sicht von Moral. Auch das was Sie jetzt anführen ist wieder sehr simpel. Moralische Fragestellungen sind aber in der realen Welt sehr oft nicht ganz so einfach. Vertrackt ist die Situation dann, wenn unschuldige Menschen sterben damit andere leben können. Es gibt sogar hier im Forum einen ganz guten Thread dazu, wo es um die berühmten Bahngleis-Dilemmata geht. Noricus und MadBaron haben erkannt was ich gemeint habe. Zu meinen eine große Menge Menschen zu retten rechtfertige den Tod einer kleineren Gruppe Unschuldiger ist m.E. nach ethisch äusserst fragwürdig. Aber ich wollte das nicht einmal in der Tiefe diskutieren (das wäre nämlich Thread-Hijacking), ich wollte eher darauf hinweisen dass ich das für zu einfach halte.

Zitat
Und beide starben eines gewaltsamen Todes. Ansonsten gebe ich Ihnen recht. Aber habe ich diesem Standpunkt denn seine Legitimität abgesprochen?


Das haben Sie. Sie haben das nicht so platt gemacht wie ein Teilnehmer der dann gleich von Staatsfeinden spricht. Aber auch Sie machen direkt einen Verweis auf Margot Käßmann. Das empfände ich beispielsweise als beleidigend. Wenn ich Pazifist wäre. Pazifisten müssen nichts mit dieser Frau und ihrer Berechnung zu tun haben. Und man kann sehr ehrenhaft pazifistisch sein und durchaus auch sehr reflektiert ohne in die primitive Argumentation einer Frau Käßmann zu verfallen.

Zitat

Szenario 1: Soldat wird bei Sprengstoffanschlag in Kabul schwer verletzt, Gesicht entstellt. Er kommt nach Hause.
Reaktion Person X: "Tja, das ist ja mal dumm gelaufen, aber das ist halt Berufsrisiko; stell dich mal nicht so an. Überhaupt, ihr habt in Afghanistan nix verloren. Außerdem seid ihr doch eh alle Büttel der Rüstungskonzerne und des internationalen Kapitals."

Szenario 2: Waldarbeiter wird beim Baumfällen schwer verletzt, Gesicht entstellt. Er kommt nach Hause.
Reaktion Person y: "Tja, das ist ja mal dumm gelaufen, aber ist halt Berufsrisiko; stell dich mal nicht so an. Überhaupt, ihr habt im Wald nix verloren, das ist Natur. Außerdem seid ihr eh alles Büttel von Ikea und des globalisierten Holzhandels."

Preisfrage: welches Szenario ist wahrscheinlicher?
Unter anderem deshalb halte ich ausdrücklichen support für unsere Soldaten für wichtig und angebracht, für Holzrücker dagegen nicht.


Und trotzdem haben beide ihr Gesicht verloren. Wer ist jetzt eigentlich einseitig ? Davon ab halte ich beide Szenarien für absurd. Nur weil etwas ein Berufsrisiko ist, sagt man dem Betreffenden kaum noch Beleidigungen hinterher. Wobei der Punkt stimmt: Es ist ein Berufsrisiko. Und ich wüsste nicht warum der Waldarbeiter jetzt weniger schlimm dran sein sollte, weil er keine Flagge am Revers getragen hat und kein Angestellter des Bundes sondern einer Privatfirma gewesen ist. Glauben Sie der Holzarbeiter erhält mehr Schmerzensgeld oder mehr Rente ? Das Gegenteil dürfte richtig sein.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.02.2013 21:07
#57 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Llarian
Das ist nicht die Frage, die sich stellt. Sie haben argumentiert, ich zitiere wörtlich: "moralisch ist, was Menschenleben rettet. Heißt im Zweifel aber auch: was möglichst wenige Menschenleben kostet."
Das ist eine, entschuldigen Sie die Direktheit, lieber Döding, sehr simple Sicht von Moral. Auch das was Sie jetzt anführen ist wieder sehr simpel. Moralische Fragestellungen sind aber in der realen Welt sehr oft nicht ganz so einfach. Vertrackt ist die Situation dann, wenn unschuldige Menschen sterben damit andere leben können.



Schon klar, lieber Llarian. Aber dann erklären Sie mir doch mal, wie Sie das sehen? Der Verweis auf "Kompliziertheiten" der Moral oder unzulässiger "Simplizität" meinerseits hilft hier wenig, meine ich. Ich habe von Ihnen bisher vor allem Haltungen gehört, die Sie für "legitim" erachten, aber die Sie sich "nicht zu eigen" machen wollen. Mal Butter bei die Fische.

Was hätte Schmidt 1977 wegen Schleyer machen sollen? Und warum?

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

22.02.2013 21:47
#58 RE: Unterstützt unsere Bundeswehr! Antworten

Danke sehr!

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

22.02.2013 22:56
#59 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #57
Aber dann erklären Sie mir doch mal, wie Sie das sehen? Der Verweis auf "Kompliziertheiten" der Moral oder unzulässiger "Simplizität" meinerseits hilft hier wenig, meine ich. Ich habe von Ihnen bisher vor allem Haltungen gehört, die Sie für "legitim" erachten, aber die Sie sich "nicht zu eigen" machen wollen. Mal Butter bei die Fische.

Muss man einen Standpunkt einnehmen um anzuerkennen dass zwei unterschiedliche Standpunkte legitim sein können ? Warum ist es dabei wichtig was ich für richtig halte ? Das klingt für mich ein bischen nach "wer nicht für uns ist, ist gegen uns."

Wenn Sie es wirklich wissen wollen: Ich habe kein ethisches Kompendium was auf jede Frage eine Antwort liefert. Meine Sicht was richtig ist und was falsch ist teilweise sehr widersprüchlich. Und viel zu oft gibt es nur falsch Antworten, egal wie man sich entscheiden muss. War der Einsatz der Alliierten gegen Nazi-Deutschland richtig ? Absolut. War das Bombardieren deutscher Innenstädte diesem Krieg hilfreich ? Mit aller Wahrscheinlichkeit. War der Feuersturm von Dresden ein Kriegsverbrechen ? Ja. Aber wie kann ein Kriegsverbrechen richtig sein ? Und da haben Sie das Problem: Einen klaren Widerspruch. Ein notwendiges Verbrechen ? Aber wie kann das sein ?

Viele lösen dieses Problem entweder dadurch, dass sie für sich entscheiden, die Bombardierung war nicht notwendig, somit kein notwendiges Kriegsverbrechen sondern eben genau das, ein Kriegsverbrechen. Andere sehen eben durch die "Schuld" der Zivilisten eine Legitimation, also kein Verbrechen. Und ich widerum denke, dass beide Standpunkt ihre Legitimität haben, aber ich kann mich keinem von beiden so recht anschließen. Ich bleibe sozusagen in meinem schizophrenen Zustand. Man kann das feige nennen. Oder inkosequent. Ich dagegen bin immer erstaunt wie leicht manche Leute zu ihren ethischen Bewertungen zu kommen scheinen. Ich bin aber auch glücklicherweise weder Philosoph noch Jurist und die ethischen Fragestellungen für einen Informatiker halten sich glücklicherweise noch in Grenzen. :)

Zitat
Was hätte Schmidt 1977 wegen Schleyer machen sollen? Und warum?


Das halte ich sogar für eine vergleichsweise einfache Frage. Zum einen meine ich mich zu erinnern, dass Schleyer, als er noch nicht entführt war, sich durchaus dazu geäussert hatte und sein eigenes Leben nicht so hoch bewertet hat (ich kann mich allerdings auch irren und bin mir da nicht ganz sicher). Zum anderen hätte auch eine Verhandlung mit der RAF nicht das Überleben Schleyers garantiert. Insofern spricht vieles dafür das Schmidt absolut richtig gehandelt hat.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2013 00:26
#60 RAF uns Schleyer Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #59

Zitat
Was hätte Schmidt 1977 wegen Schleyer machen sollen? Und warum?

Das halte ich sogar für eine vergleichsweise einfache Frage. Zum einen meine ich mich zu erinnern, dass Schleyer, als er noch nicht entführt war, sich durchaus dazu geäussert hatte und sein eigenes Leben nicht so hoch bewertet hat (ich kann mich allerdings auch irren und bin mir da nicht ganz sicher). Zum anderen hätte auch eine Verhandlung mit der RAF nicht das Überleben Schleyers garantiert. Insofern spricht vieles dafür das Schmidt absolut richtig gehandelt hat.


Es gab ja das Vorbild der Lorenz-Entführung, lieber Llarian.

Die RAF hatte sehr wahrscheinlich fest damit gerechnet, daß ihre "Gefangenen" gegen Schleyer ausgetauscht werden würden. Es hatte ja auch bei Lorenz funktioniert.

Schmidt und dem damaligen Sicherheitsrat, zu dem auch Mitglieder außerhalb der Regierung gehörten (wenn ich mich recht erinnere, u.a. Strauß und Zimmermann) war aber klar, daß ein erneutes Nachgeben eine Serie weiterer Entführungen nach sich ziehen würde. Es war ein "israelische" Politik. Man hat Schleyer geopfert, um nicht spätere Opfer erleben zu müsseen.

Es ist damals geschrieben worden, daß diese Härte auch etwas damit zun hatte, daß die Entscheidungsträger noch Soldaten im Zweiten Weltkrieg gewesen waren; Schmidt als Leutnant.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.02.2013 00:28
#61 RE: Unterstützt unsere Bundeswehr! Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #58
Danke sehr!

Wem danken Sie wofür, lieber Am Rande?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

23.02.2013 07:15
#62 RE: Gegenpunkt Antworten

Lieber Llarian,

Zitat
Das klingt für mich ein bischen nach "wer nicht für uns ist, ist gegen uns."



Verstehe ich nicht.

Zitat
Zum anderen hätte auch eine Verhandlung mit der RAF nicht das Überleben Schleyers garantiert. Insofern spricht vieles dafür das Schmidt absolut richtig gehandelt hat.



Aber das ist doch genau der Punkt; seine Handlungsmaxime deckt sich doch, soweit ich erkennen kann, völlig mit dem, was ich weiter oben geschrieben habe.
Schmidt hat sich entschieden, die Landshut aufmachen zu lassen, dabei hätte er doch "nur" die Stammheimer entlassen müssen (wie hätte Christus, wie hätte Ghandi entschieden?). Der "Gegenbeleg", den Sie anderswo fordern, nämlich ob Baader, Meinhof und Ensslin jemals wieder Leute umgebracht hätten, ist naturgemäß nie erfolgt.

Dabei hat er erstens viele Opfer unter den Passagieren riskiert; es war reines Glück, daß es so gut gelaufen ist, und er hat zweitens Schleyer "geopfert", was ihm auch klar war. Wenngleich die Verantwortung und Schuld am Tod Schleyers ausschließlich, zu 100%, die Mörderbande der RAF trägt. Ein perfektes moralisches Dilemma, und er hat pragmatisch entschieden.

Zettel schrieb es bereits, ich will das aber nochmal betonen. Zimmermann hat in einem Interview, Jahre später, beschrieben, wie die "Große Lage" damals zunehmend ruhiger und militärisch-abwägender wurde. Sie waren mehrheitlich Wehrmachtssoldaten gewesen, z. T. Offiziere. Kohl nicht, er war zu jung; er soll sich in den Besprechungen sehr zurückhaltend, aber immer zustimmend, verhalten haben. Sie haben militärisch entschieden, einen zu opfern, um viele zu retten. Nicht auszudenken, wenn damals ein Schröder regiert und die Große Lage dementsprechend zusammengesetzt gewesen wäre. Edit: Bei Merkel bin ich nicht sicher. Bis zur Energiewende hätte ich ihr zugetraut, diesen Druck ertragen und rational-pragmatisch entscheiden zu können. Ende Edit.

Natürlich ist/sind Ihre Haltung(en) legitim, meine ist es aber auch. Die Haltung Christi entspricht aus meiner Sicht einem erstrebenswerten Ideal. Als alleinige Maxime politischen Handelns taugt sie jedoch nicht. Christus würde heute vermutlich nicht Bundeskanzler werden wollen ("Gebt dem König, was des Königs ist"). Stellte er sich aber als Kanzlerkandidat zur Wahl (welcher Partei wohl? ), ich wählte einen anderen.

In diesem Sinne,

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

05.03.2013 11:29
#63 RE: Gegenpunkt Antworten

Hier steht noch ein Widerspruch aus...

Zitat von Llarian im Beitrag #43

Zitat
Zitat: Beten tötet, wenn man sonst nichts tut.

Christus war anderer Meinung.


Das ist falsch. Christus hat uns zwar angewiesen, die andere Wange hinzuhalten (Mt 5,39, Lk 6,29) - aber er hat in keinster Weise vorhergesagt, dass der Schläger dann beschämt aufhören würde oder dass die öffentliche Meinung sich entrüstet erheben und ihm Einhalt gebieten würde.

Ganz im Gegenteil weist er wiederholt darauf hin, dass die Wangen-Hinhalter um Christi willen verfolgt und getötet werden. Nur ein Beispiel, Mt 10,21f: "Brüder werden einander dem Tod ausliefern und Väter ihre Kinder, und die Kinder werden sich gegen ihre Eltern auflehnen und sie in den Tod schicken. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden; wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet." Und das "gerettet" hier bezieht sich natürlich nicht auf Rettung in dieser Welt, Mt 10,28: "Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben der Hölle stürzen kann."

Und umgekehrt predigte und übte Christus keinen Radikalpazifismus. Er treibt die Geldwechsler mit Waffengewalt aus dem Tempel (Joh 2,15), er weist seine Jünger an, ihre Mäntel zu verkaufen und Schwerter anzuschaffen (Lk 22,36), und als Soldaten ihn fragen, was sie tun sollen, ist seine Antwort nicht, den Soldatenberuf aufzugeben, sondern: "Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!" (Lk 3,14)

Und das sind nun nur einige Stellen aus den Evangelien. Man könnte jetzt noch das AT zitieren, etwa Ps 144,1. Die grossen christlichen Konfessionen sind nun auch nicht sonderlich pazifistisch, nicht umsonst gibt es katholische und evangelische Militärbischöfe, und man sollte den Kirchen zugute halten, dass sie in den letzten 500-2000 Jahren - je nach Konfession - mit diesem Thema intensiv auseinander gesetzt haben.

Lest die Bibel, es lohnt sich - auch für Nichtchristen.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

05.03.2013 18:29
#64 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #63

...Und umgekehrt predigte und übte Christus keinen Radikalpazifismus. Er treibt die Geldwechsler mit Waffengewalt aus dem Tempel (Joh 2,15), er weist seine Jünger an, ihre Mäntel zu verkaufen und Schwerter anzuschaffen (Lk 22,36), und als Soldaten ihn fragen, was sie tun sollen, ist seine Antwort nicht, den Soldatenberuf aufzugeben, sondern: "Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!" (Lk 3,14)



Obwohl es so offensichtlich ist, war mir das so nicht bewusst - danke für diese Darstellung.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

05.03.2013 21:29
#65 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Gorgasal
Lest die Bibel, es lohnt sich - auch für Nichtchristen.



Lieber Gorgasal, ich habe sie gelesen (zumindest das NT), aber ich hatte den Eindruck, ich müßte sie studieren, Exegese betreiben. Keine Ahnung, welches Tor ich nicht geöffnet habe.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding, suchender Agnostiker

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

05.03.2013 21:51
#66 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #64
Zitat von Gorgasal im Beitrag #63

...Und umgekehrt predigte und übte Christus keinen Radikalpazifismus. Er treibt die Geldwechsler mit Waffengewalt aus dem Tempel (Joh 2,15), er weist seine Jünger an, ihre Mäntel zu verkaufen und Schwerter anzuschaffen (Lk 22,36), und als Soldaten ihn fragen, was sie tun sollen, ist seine Antwort nicht, den Soldatenberuf aufzugeben, sondern: "Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!" (Lk 3,14)



Obwohl es so offensichtlich ist, war mir das so nicht bewusst - danke für diese Darstellung.


Ditto. Wenn Frau Käßmann das liest, fällt sie vom Glauben ab . Oder nimmt ihn ins Gebet. Irgendwie hatten wir uns den ersten neuen Mann anders vorgestellt. Womöglich war er auch gar kein Grüner?

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

08.03.2013 14:54
#67 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Gorgasal im Beitrag #63


Und umgekehrt predigte und übte Christus keinen Radikalpazifismus. Er treibt die Geldwechsler mit Waffengewalt aus dem Tempel (Joh 2,15), er weist seine Jünger an, ihre Mäntel zu verkaufen und Schwerter anzuschaffen (Lk 22,36), und als Soldaten ihn fragen, was sie tun sollen, ist seine Antwort nicht, den Soldatenberuf aufzugeben, sondern: "Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!" (Lk 3,14)

Und das sind nun nur einige Stellen aus den Evangelien.


Zumindest bezüglich der Darstellung Jesu im Neuen Testament haben Sie nun aber die heftigsten Stellen auch schon so ziemlich abschliesend genannt.

Es gibt aber noch eine Stelle, die gerne zitiert wird, um NT und Koran gleichzusetzen:

Zitat

Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Mathhäus 10, 34

Ganz geht das Zitat aber folgendermaßen:

Zitat
34 Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter.
36 Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.
37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.
38 Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.
39 Wer sein Leben findet, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.

Matthäus 10, 34 ff.

Also eine symbolische Umschreibung für Spaltung.

Wirkt trotzdem nicht sehr sympathisch.

Eine Frage habe ich da allerdings, vielleicht kann mir das ja einer der theologisch bewanderten hier erklären:

Warum Jesus Händler aus dem Tempel vertrieben hat, kann ich nachvollziehen. Es war immerhin der Tempel und damit ein sehr herausgehobener, regligiöser Ort. Es ist mW die einzige Beschreibung im NT einer gewalttätigten Handlung durch Jesus.

Die Passage bei Matthäus kann als symbolische Umschreibung für Spaltung angesehen werden.

Das Soldaten im Dienst der weltlichen Authorität ihren Beruf nicht aufgeben müssen, sondern sich lediglich mäßigen und sich auf das Maß an Gewalt beschränken sollen, das unbedingt für ihren weltlichen Beruf notwendig ist, kann unter dem Blickwinkel der Trennung von Staat und Religion, von weltlicher und geistlicher Authorität gesehen werden. Schlieslich werden die Betroffenen ja nicht aufgefordert Soldaten zu werden.

Aber was soll die Aufforderung (!) bei Lukas sich Schwerter zu kaufen???

Es fällt mir schwer zu rechtfertigen, wie sich die Bibel, zumindest aber das Lukasevangelium, damit nicht selber auf eine Stufe mit dem Koran begibt.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."
-Thomas Jefferson
Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

08.03.2013 15:52
#68 RE: Gegenpunkt Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #67
Aber was soll die Aufforderung (!) bei Lukas sich Schwerter zu kaufen???



Auf die Schnelle finde ich diese Interpretationen zu Lukas 22:36:

Sell your cloak and buy a sword
A Brief Explanation of the Sword in Luke 22:36

Der Kontext ist ja die bevorstehende Festnahme Jesu und die Notwendigkeit der Passion.
Zu den "Soldaten" ist zu bedenken, daß dies ja ausschließlich römische Soldaten waren: ich weiß nicht, wie es in der römischen Provinzen in praxi in Sachen Selbstverteidigung gehandhabt wurde, aber die Aufforderung, sich heimlich zu bewaffnen, wäre sicher als Aufforderung zum Aufstand ausgelegt worden. Allerdings sind die kanonischen Evangelien mit unterschiedlicher Zielsetzung & für verschiedenes Publikum niedergeschrieben worden, das mag hineinspielen.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

27.03.2013 13:35
#69 RE: Unterstützt unsere Bundeswehr! Antworten

Zitat von H_W im Beitrag #4
Demokratisch gesinnte Menschen haben kein Problem mit unserer Bundeswehr.
Die Leute, die ein Problem damit haben, brauchen keine Demokratie mehr, da sie selber schon die rechte Gesinnung und Erkenntnis haben.
Für demokratisch halten die, wenn ihre rechte Gesinnung als allgemeinverbindlich durchgesetzt wird, weil sie ja einstimmig ihrer eigenen Meinung sind.



Als hätten Sie's gewusst:

Zitat
Die „Hamburger Morgenpost“ berichtete am Montagabend online, bei ihr sei ein Bekennerschreiben der Gruppe „die Tatortverunreiniger_innen“ eingegangen. Man habe das Anwesen des Schauspielers heimgesucht, heiße es darin. Die Gruppe kritisiere, dass Schweiger durch öffentliche Äußerungen und seinen Film „Schutzengel“ den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verherrliche.


Quelle: http://www.focus.de/panorama/boulevard/m...aid_947611.html

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