Zitat von Noricus im Beitrag #49Sind es wirklich "die Menschen", die nach Gesetzen rufen, oder nicht vielmehr Lobbygruppen und auf Profilierung bedachte Politiker?
Dem kann ich nur zustimmen. Man erlässt Gesetze, weil man es "kann", weil man die "Macht" hat. Und weil man als Politiker "etwas" tun muss.
Zitat von Noricus im Beitrag #49 Der Grundsatz, dass dem Einzelnen alles erlaubt ist, was ihm nicht explizit verboten ist, dem Staat hingegen alles verboten ist, was ihm nicht explizit erlaubt ist, stellt eine ganz wichtige Maxime des liberalen Rechtsstaates dar.
Das ist auch prinzipiell richtig. aber das reale Leben ist eben vielschichtiger als die Prinzipen. Man sollte eben dazusetzen "Der Einzelne sollte von seiner Freiheit nicht Gebrauch machen, wo es andere Menschen einschränkt." Das ist dann zwar kein Grundsatz des Liberalismus, sondern des Humanismus (wobei ich persönlich es orginär christlich meine, aber in Deutschland gibt es noch zu wenig Christen, um das zu einem gültigen Argument werden zu lassen), aber wer hat auch gesagt, dass Liberalismus human sei.
Genauso kann es human sein, wenn der Staat (bzw. ein staatliches Organ) in der Grauzone zwischen erlaubt und verboten agiert. Mit dem Humanismus kommt eben eine ethische Komponente ins Spiel, die auch bei unserem eigentlichen Thema - der Diskussion und dem Vermitteln von Information und Meinungen - wichtig ist. Ohne Ethik geht der Staat und die Gemeinschaft zugrunde, egal ob man sich vom Liberalismus, vom Ökologismus, vom Komminismus oder vom Faschismus leiten lässt. Und der Verlust einer gemeinsamen Ethik ist das, was im modernen Deutschland am Meisten zu beklagen ist und zu solchen Entwicklungen wie dem übermäßigen Einsatz von Gesetzen führt.
Zitat von Noricus im Beitrag #49 Sind es wirklich "die Menschen", die nach Gesetzen rufen, oder nicht vielmehr Lobbygruppen und auf Profilierung bedachte Politiker?
Meiner Erfahrung nach sind es die Menschen. Wenn man im privaten Geplauder unter Kollegen oder Freunden oder im Familienkreis ständig das "das müsste doch verboten werden" hört, dann ist klar, dass Lobbygruppen oder Politiker das zwar artikulieren, um sich hervor zu tun und Aufmerksamkeit zu erregen, aber es sind die Menschen, die so ticken.
Zitat von KritikerGenauso kann es human sein, wenn der Staat (bzw. ein staatliches Organ) in der Grauzone zwischen erlaubt und verboten agiert. Mit dem Humanismus kommt eben eine ethische Komponente ins Spiel, die auch bei unserem eigentlichen Thema - der Diskussion und dem Vermitteln von Information und Meinungen - wichtig ist. Ohne Ethik geht der Staat und die Gemeinschaft zugrunde, egal ob man sich vom Liberalismus, vom Ökologismus, vom Komminismus oder vom Faschismus leiten lässt. Und der Verlust einer gemeinsamen Ethik ist das, was im modernen Deutschland am Meisten zu beklagen ist und zu solchen Entwicklungen wie dem übermäßigen Einsatz von Gesetzen führt.
Lieber Kritiker, damit sprechen Sie mir aus der Seele. Ich sehe hier übrigens einen unideologischen Konservatismus (ja, ich glaube, daß es so etwas geben kann) in der Pflicht, dem ich mich in der Tat verpflichtet fühle. Auch die oben angedeutete "Kosten-Nutzen-Rechnung" als Beurteilungsmaxime sehe ich als wünschenswert an, bin hier aber vor einigen Monaten einmal bei der Frage der Legalisierung illegaler Drogen mit den geschätzten Mitdiskutanten hier im Forum ein wenig aneinander geraten
Zitat von Kritiker im Beitrag #52Man sollte eben dazusetzen "Der Einzelne sollte von seiner Freiheit nicht Gebrauch machen, wo es andere Menschen einschränkt." Das ist dann zwar kein Grundsatz des Liberalismus, sondern des Humanismus (wobei ich persönlich es orginär christlich meine, aber in Deutschland gibt es noch zu wenig Christen, um das zu einem gültigen Argument werden zu lassen), aber wer hat auch gesagt, dass Liberalismus human sei.
Moment mal! Das ist sogar DER Grundsatz des Liberalismus. Die individuelle Freiheit ist zwar universell, findet ihr Ende aber da wo sie die Freiheit anderer Individuen beschneiden würde. Das was Sie meinen, lieber Kritiker, ist wohl eher als Anarchie zu bezeichnen. Gerade der Liberalismus ist besonders human, weil er das Individuum in den Mittelpunkt stellt ohne das es Mitglied irgendwelcher Gruppen sein muss. Die Begrenzung der individuellen Freiheit an der Stelle wo andere Individuen direkt tangiert werden, beugt dabei der Durchsetzung der "Macht" des Stärkeren vor.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Doeding im Beitrag #53 Auch die oben angedeutete "Kosten-Nutzen-Rechnung" als Beurteilungsmaxime sehe ich als wünschenswert an, bin hier aber vor einigen Monaten einmal bei der Frage der Legalisierung illegaler Drogen mit den geschätzten Mitdiskutanten hier im Forum ein wenig aneinander geraten
Lieber Doeding,
die Kosten-Nutzen-Rechnung ist erst mal ein Werkzeug, und so wie man nicht in jedem Problem einen Nagel sehen sollte, wenn man nur den Hammer als Werkzeug kennt, so ist die Kosten-Nutzen-Rechnung eher selten sinnvoll, sei es weil Kosten oder Nutzen seriös kaum kaum abschätzbar sind (der Haruspex lässt grüßen), oder weil der Aufwand nicht zu rechtfertigen ist. 'Analyse' oder 'Rechnung' setzt nämlich Recherche voraus. Während vielleicht der Nutzen der Entfernung eines eitrigen Blindarms gegenüber den Operationsrisiken auf Basis statistischer Daten einigermaßen einfach zu ermitteln ist, dürfte es ein Individuum überfordern, den Nutzen seiner Befriedigung durch Rauchen einer Zigarette den Risiken durch böse Blicke seiner Sitznachbarn kalkulatorisch gegenüberzustellen.
Und wer beispielsweise in einem Forum Kosten-Nutzen-Analysen durchführen möchte, der sollte sich erst mal auf das Verfahren einigen .
Zitat von MartinUnd wer beispielsweise in einem Forum Kosten-Nutzen-Analysen durchführen möchte, der sollte sich erst mal auf das Verfahren einigen .
Schon gut, schon gut; lieber Martin. Ich wills gar nicht wieder aufwärmen (oder doch?)
Was ich meinte ist, daß es ethische Leitplanken für pol. Handeln geben sollte, hierin stimme ich mit Kritiker überein. Das soll aber NICHT bedeuten, daß Geistliche, wie geschehen, über die Zukunft der Kernenergie in D. mitentscheiden sollten, sondern Expertengremien der jeweiligen Disziplin, die auf Basis von sachlichen Abwägungen pragmatisch und nachprüfbar entscheiden. Pragmatisch heißt für mich dann auch ethisch vertretbar. Hier bieten sich Kosten-Nutzenanalysen an. Sie sind, um in Ihrem Bild zu bleiben, nicht nur ein Hammer, sondern ein recht gut ausstattbares Schweizer Armeemesser. Nicht für alles brauchbar, aber immerhin.
Daß das in der prakt. Umsetzung im Einzelfall sehr schwierig ist, manchmal wohl unmöglich, ist auch klar. Es ist aber "begründbarer" als auf Basis irgendeiner pol. Ideologie, deren Entscheidungsmaxime immer von einer abstrakten Annahme ausgeht (Freiheit (liberal), Gerechtigkeit (links), ökolog. Weltrettung (grün) oder Moral (konservativ) in der jeweils gängigen Lesart). Ich bin dafür, pol. Fragen inhaltlich zu klären, nicht auf Basis irgendeiner Ideologie. Und sorry, ja, auch Liberalismus ist eine Ideologie , wenngleich eine recht sympathische.
Ergänzung:
Zitat dürfte es ein Individuum überfordern, den Nutzen seiner Befriedigung durch Rauchen einer Zigarette den Risiken durch böse Blicke seiner Sitznachbarn kalkulatorisch gegenüberzustellen.
Wieso? Diese Kalkulation nimmt doch jeder Raucher ständig vor, wenn er Lust auf eine Zigarette hat und kommt, je nachdem, ob er in einer Kirche oder auf einer Party ist, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das sollte man dann auch skalieren können (Edit Ende).
Zitat von Doeding im Beitrag #56Daß das in der prakt. Umsetzung im Einzelfall sehr schwierig ist, manchmal wohl unmöglich, ist auch klar. Es ist aber "begründbarer" als auf Basis irgendeiner pol. Ideologie, deren Entscheidungsmaxime immer von einer abstrakten Annahme ausgeht (Freiheit (liberal), Gerechtigkeit (links), ökolog. Weltrettung (grün) oder Moral (konservativ) in der jeweils gängigen Lesart). Ich bin dafür, pol. Fragen inhaltlich zu klären, nicht auf Basis irgendeiner Ideologie. Und sorry, ja, auch Liberalismus ist eine Ideologie , wenngleich eine recht sympathische.
Eine inhaltliche Klärung im Sinne einer Bewertung, einer Kosten-Nutzen-Rechnung u.dgl., ist immer nur auf Basis einer Ideologie möglich. Es ist nur so, dass wenn man auf der Basis eines Gemisches verschiedener Ideologien entscheidet, die Probleme, die die jeweilige Ideologie (oder auch nur ihre jeweilige Interpretation) hat, viel weniger zu Tage treten. Im Gegenzug hat man dafür nichts halbes und nichts ganzes. Wobei anstatt Ideologie vielleicht der Begriff "Werte" oder "Menge von Werten" angebrachter ist. Bzw., je nach Ideologie/Werten ergibt sich das eine aus dem Anderen. Aber ich denke Sie können nachvollziehen, worauf ich hinaus will.
Nachtrag: Dass Ideologien auch häufig insich selbst nicht so ganz kohärent sind in Bezug auf ihre Grundlagen und den Schlüßen aus ihnen, macht die Sache auch nicht einfacher.
Zitat von Doeding im Beitrag #56Was ich meinte ist, daß es ethische Leitplanken für pol. Handeln geben sollte, hierin stimme ich mit Kritiker überein. Das soll aber NICHT bedeuten, daß Geistliche, wie geschehen, über die Zukunft der Kernenergie in D. mitentscheiden sollten, sondern Expertengremien der jeweiligen Disziplin, die auf Basis von sachlichen Abwägungen pragmatisch und nachprüfbar entscheiden. Pragmatisch heißt für mich dann auch ethisch vertretbar. Hier bieten sich Kosten-Nutzenanalysen an. Sie sind, um in Ihrem Bild zu bleiben, nicht nur ein Hammer, sondern ein recht gut ausstattbares Schweizer Armeemesser. Nicht für alles brauchbar, aber immerhin.
Lieber Doeding,
'ethische Leitplanken' ist so ein Allerweltsbegriff, unter dem sich dann jeder vorstellen darf, was ihm gefällt. Und so mancher bildet sich aus dem Begriff 'Ethikkommission' seine persönliche Vorstellung. Demgegenüber gibt es im Bereich der Medizin klassische Ethikkommissionen, die zwar so heißen, aber deren Zusammensetzung gesetzlich so geregelt ist, dass die Prüfer adäquaten medizinischen Hintergrund haben müssen, also nix mit Religion und sonstigen gesellschaftlichen Gruppen. Die Prüfung einer solchen Ethikkommission hat ziemlich sachliche Vorgaben, ein Teil der Prüfung bezieht sich auch nur auf Abwägung des medizinischen Nutzens gegenüber dem medizinischen Risiko, also sehr fokussiert und fachbezogen.
Ich denke, dass Allerweltsthemen kaum in fundierte Risiko-Nutzen-Analysen zu packen sind, nicht an sogenannte Ethikkommissionen delegiert werden sollten, sondern ganz einfach Parlamentsentscheidungen sein müssen. Was nicht in Gesetze fassbar ist bleibt eben außerhalb der Kontrolle der Exekutive.
Zitat Wieso? Diese Kalkulation nimmt doch jeder Raucher ständig vor, wenn er Lust auf eine Zigarette hat und kommt, je nachdem, ob er in einer Kirche oder auf einer Party ist, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Das sollte man dann auch skalieren können
Der Fokus lag auf 'Kalkulation', also algorithmisch beschrieben und nachvollziehbar. Das hätte ich gerne mal gesehen . Dass es diese Pro/con-Entscheidungen gibt, bezweifle ich nicht. Ich sehe das aber als Bauch-Entscheidungen wie es sie im Alltag beliebig viele gibt.
Ich kann Ihre Argumente sehen; insbesondere das demokratische Legitimationsproblem bei Expertengremien kann ich erkennen. Da habe ich auch keine Lösung für. Aber: wenn ich mir den Vorgang um die Abstimmung zum ESM ansehe, geht es mir nicht viel besser. Da haben die Parlamentarier ein Gesetz abgenickt, das sie mehrheitlich nachweislich nicht gelesen, geschweige denn verstanden hatten, und das unter Zeitdruck und, wenn ich richtig erinnere, unter Fraktionszwang. Das war parlamentarisch-demokratisch legal, eine tiefere demokratische Legitimation spreche ich diesem Vorgang jedoch rundweg ab.
Ich sehe ein riesiges Sachkompetenzproblem, möglicherweise systemimmanent, in der parlamentarischen Demokratie. Und damit mag ich mich nicht abfinden.
170 Ökonomen hatten sich seinerzeit dem Protestaufruf um Hans Werner Sinn angeschlossen, nur acht oder neun dem Gegenaufruf. Auch das war demokratisch. Wenn man damals die, sagen wir 200, "wichtigsten" (ja, ja, wer soll die benennen?) Ökonomen hätte abstimmen lassen, wäre wohl ein anderes als das parlamentarische Ergebnis rausgekommen. Durchaus demokratisch, wenn auch nicht basis- oder parlamentarisch-demokratisch. C4-Ökonomen werden ja durchaus in einem komplex-verschachtelten mehrjährigen Abstimmungs- und Zustimmungsprozeß zu dem, was sie sind. Ich würde hier von "impliziter" Demokratie sprechen und hieraus eine gewisse Legitimation zur Mitsprache bei pol. Entscheidungen ableiten wollen.
H.-W. Sinn, oder auch Hans Olaf Henkel werden übrigens immer wieder glaubhaft zitiert, daß ihnen viele Politiker oder auch Wirschaftsbosse in Vieraugengesprächen zustimmen, jedoch meinen, dies nicht laut sagen zu dürfen. Hier sehe ich ein viel größeres demokratisches Legitimationsproblem als in der Frage, ob man Experten einfach überhören darf oder nicht.
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