Zitat von Doeding im Beitrag #1Man liest immer wieder, daß die Anzahl der psychischen Erkrankungen zunähmen, was politisch auch gerne instrumentalisiert wird. In diesem Beitrag begründe ich meine Skepsis gegenüber diesem Befund.
Erstmal vielen Dank für diesen informativen Artikel, lieber Andreas. Das hier fand ich dabei besonders interessant:
Zitat von ZR(wie umgekehrt "Burnout" ein rein deutsches Phänomen ist, das in der internationalen Diskussion praktisch nicht vorkommt).
Kann man jetzt daraus schließen, dass diese Krankheit eigentlich gar nicht gibt? Sie sozusagen eine german legend ist, ein auch medial nur besonders aufgeblasenes Zeitgeistphänomen?
Lieber Calimero,
vielleicht war es der große Trick, dem Ganzen eine (griffige) englische Bezeichnung zu belassen. Dann denkt doch jeder, dass dies aus der angelsächsischen Welt stammt und auch dort verbreitet sein muss.
Zitat von Calimero im Beitrag #24Das hier fand ich dabei besonders interessant:
Zitat von ZR(wie umgekehrt "Burnout" ein rein deutsches Phänomen ist, das in der internationalen Diskussion praktisch nicht vorkommt).
Kann man jetzt daraus schließen, dass diese Krankheit eigentlich gar nicht gibt? Sie sozusagen eine german legend ist, ein auch medial nur besonders aufgeblasenes Zeitgeistphänomen?
Ich habe bisher 2 Burnout-Fälle in meinem näheren Arbeitsumfeld erlebt, einer davon mit vielmonatiger AU. Beiden Fällen war gemein, dass die Erkrankten schon vorher alles andere als Leistungsträger waren und sich auch niemals erkennbar darum bemüht hätten, welche zu werden. Dann immerhin hätte man ja einen Grund erkennen können, warum die nun plötzlich "ausgebrannt" waren.
So ein bissl Spott kommt ja intern schon auf, wenn ein augenscheinlich Pumperlgsunder, aber bekannt extensiver "Gelbscheinurlauber" plötzlich mit Burnout ausfällt. Aber wenn ich jetzt lese, dass dieses Krankheitsbild außerhalb Deutschlands quasi unbekannt ist, bekommt das doch noch eine besondere Note.
Zitat von CalimeroKann ich mich auf diese Aussage eines qualifizierten Psychologen berufen?
Ja. Prof. Hans Ulrich Wittchen ist ein qualifizierter Psychologe . Ist der, der das Bundesgesundheitssurvey im Psychobereich federführend durchführt und leitet.
Zitat von Wittchen im SpiegelAuch die Modediagnose Burnout wird nicht in dem Handbuch auftauchen. Denn: "Diese Diagnose ist ein rein deutsches Phänomen", sagt Wittchen. Burnout sei in der Regel schlichtweg eine Variante der Depression. Doch dieser Begriff sei hierzulande verknüpft mit dem Bild eines willensschwachen, passiven Menschen. "Burnout hingegen verbinden wir mit jemandem, der sich überanstrengt hat, der zu viel geleistet hat und deswegen krank wird. Das klingt nicht so stigmatisierend."
Du siehst, durchaus kompatibel mit Deiner Einschätzung, wenngleich sich mir Spott aus berufsethischen Gründen natürlich verbietet
Zitat von Calimero im Beitrag #24Beiden Fällen war gemein, dass die Erkrankten schon vorher alles andere als Leistungsträger waren und sich auch niemals erkennbar darum bemüht hätten, welche zu werden.
Zitat von Doeding im Beitrag #21Das ist auch heute noch so. Die Krankheiten sind dabei ein leidlich gut gehütetes Geheimnis, und auch ich werde hier nicht petzen
Ich petze dafür mal an Ihrer Stelle und etwas allgemeiner: Die Standardtests, nach denen entsprechende Diagnosen gestellt werden, sind öffentlich verfügbar, oder jedenfalls ein guter Teil davon. Wer sich einigermaßen gründlich damit befasst, kann eigentlich jede beliebige Diagnose bekommen (oder vermeiden). Naja, wobei sich vermeiden einigermaßen schwierig gestaltet, wenn der Therapeut will.
Zitat von Martin im Beitrag #25Was Hyperaktivität von Kindern angeht, kann es natürlich Ursachen geben, die nichts mit 'Stillsitzen' zu tun haben (Ernährung, Überschwemmung mit Informationen, u.a.). Wenn ich beispielsweise sehe, wieviel Bücher, Filme, Hörbucher, u.a. kleine Kinder konsumieren, und wie wenig wir im Verhältnis haben, da frage ich mich manchmal, wieso ich mich nicht an irgendwelche Langeweile erinnern kann (nein, Alzheimer ist noch nicht).
Fachlich kann ich nichts hierzu beitragen, aber ich mache mir auch so meine Gedanken über das, was ich beobachte, und ich glaube, daß an dem Aspekt der Informationsüberschwemmung viel dran ist. Die Sensoren von Kindern (und auch vielen smartphonefixierten Erwachsenen) sind heute chronisch überlastet, und durch Gewöhnung entsteht das Bedürfnis nach ununterbrochener Stimulation. Deshalb ist es auch nur logisch, daß so vorgeeichte Kinder eher Langeweile entwickeln als wir damals; seinerzeit, als ein Bilderbuch oder eine halbe Stunde Zeichentrickfilm in der Woche das höchste der Gefühle war, war man als Kind ganz selbstverständlich daran gewöhnt, sich selbst zu beschäftigen.
Zitat von Doeding im Beitrag #28Du siehst, durchaus kompatibel mit Deiner Einschätzung, wenngleich sich mir Spott aus berufsethischen Gründen natürlich verbietet
Nunja, jeglicher spöttischer Zweifel an sich schwarz auf gelb manifestierender ärztlicher Kompetenz verbietet sich mir natürlich auch.
Sonst steigt mir eins-zwo-fix der Betriebsrat aufs Dach.
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Calimero im Beitrag #24Beiden Fällen war gemein, dass die Erkrankten schon vorher alles andere als Leistungsträger waren und sich auch niemals erkennbar darum bemüht hätten, welche zu werden.
Zitat von Martin im Beitrag #25 Wir haben gelegentlich andere Kinder (bei unserer Tochter, 7 Jahre) über Nacht. Bei denen ist es keine Selbstverständlichkeit, nicht vom Tisch immer wieder weg zu laufen. Wir müssen das dann auch von denen immer wieder einfordern, sonst könnten wir etwas Disziplin nicht gegenüber unserer Tochter vertreten. Das ist auch in anderen Dingen so (verbale Unverschämtheiten, u.a.). Andere Eltern wollen oder können keine Grundstandards setzen, und wir sind realistisch genug, dass wir nicht komplett gegen die 'Straße' erziehen können. Was früher vielleicht Verhalten der 'Unterstadt' war ist heute in der Mittel- und Oberschicht angekommen.
Volle Zustimmung, lieber Martin.
Zitat Was Hyperaktivität von Kindern angeht, kann es natürlich Ursachen geben, die nichts mit 'Stillsitzen' zu tun haben (Ernährung, Überschwemmung mit Informationen, u.a.). Wenn ich beispielsweise sehe, wieviel Bücher, Filme, Hörbucher, u.a. kleine Kinder konsumieren, und wie wenig wir im Verhältnis haben, da frage ich mich manchmal, wieso ich mich nicht an irgendwelche Langeweile erinnern kann (nein, Alzheimer ist noch nicht).
Ich glaube, hier muß man unterscheiden. "Echtes" ADHS (das es gibt und wohl schon immer gegeben hat) ist eine erblich bedingte Dopaminstoffwechselstörung im (Frontal)hirn und hat z. B. mit Ernährung nichts zu tun, auch wenn das vielfach behauptet wird. Ich gebe Ihnen aber insofern recht, als die von Ihnen beschriebenen Mißstände zu einem Großteil der "falsch-positiven" ADHS-Diagnosen führen dürften, da die daraus resultierenden Verhaltensstörungen ganz ähnlich aussehen können. Hier wären aber völlig andere Maßnahmen vonnöten (Konsequentes Erziehungsverhalten vor allem), aber kein Ritalin o. ä.
Zitat Wer einen Boreout hat, der möchte arbeiten, sucht Herausforderung und Anerkennung.
Das wäre mir doch aufgefallen.
Naja, zu Anfang sucht man die Arbeit... - und wenn die Anerkennung und die Herausforderung lange Zeit ausbleibt - man aber weiterhin aufgrund von sozialen Zwängen seine 8 h Anwesenheit ableisten muss - dann wird's schnell sehr anstrengend und nervig... Muss jeder mal probieren: heuert bei einer mittelgroßen Pharmafirma (aus der ehem. DDR) an, am besten in einer Abteilung, deren Chef ein richtiger **** ist, der seine Leute alle für minderbemittelt hält und in der die altgedienten Kolleginnen extremes Mobbing betreiben...
dann geht es schneller zum Boreout und/oder Burnout als man glaubt... - es sei denn, man hat das zweifelhafte Glück und leidet an einer generalisierten Schmerzstörung oder etwas vergleichbarem, denn dann ist diese schneller da...
Muss ich nicht noch einmal haben und kann jeden verstehen, der sich auf Arbeit langweilt. Das ist extrem belastend.
Zitat von Calimero im Beitrag #24Kann man jetzt daraus schließen, dass diese Krankheit eigentlich gar nicht gibt? Sie sozusagen eine german legend ist, ein auch medial nur besonders aufgeblasenes Zeitgeistphänomen?
Laut einem befreundeten Psychiater: Jein.
Das hierzulande als "Burnout" bekannte Phänomen ist wohl in den allermeisten Fällen tatsächlich "nur" eine stinknormale Depression. Der richtige Burnout existiert wohl auch, betrifft aber speziell Berufe wie Notarzt, Feuerwehrmann etc., also Leute, die über Jahre hinweg jeden Tag mit teils sehr unschönen Anblicken zu tun haben und oft - trotz größten Einsatzes - zusehen müssen, wie ihnen die Menschen unter der Hand wegsterben. Dann kann dieses "Ich-kann-nicht-mehr-Gefühl" einsetzen, das der permanenten psychischen Belastung und eigenen Hilflosigkeit geschuldet ist.
Zitat Ich habe bisher 2 Burnout-Fälle in meinem näheren Arbeitsumfeld erlebt, einer davon mit vielmonatiger AU. Beiden Fällen war gemein, dass die Erkrankten schon vorher alles andere als Leistungsträger waren und sich auch niemals erkennbar darum bemüht hätten, welche zu werden. Dann immerhin hätte man ja einen Grund erkennen können, warum die nun plötzlich "ausgebrannt" waren.
So ein bissl Spott kommt ja intern schon auf, wenn ein augenscheinlich Pumperlgsunder, aber bekannt extensiver "Gelbscheinurlauber" plötzlich mit Burnout ausfällt. Aber wenn ich jetzt lese, dass dieses Krankheitsbild außerhalb Deutschlands quasi unbekannt ist, bekommt das doch noch eine besondere Note.
Was daran liegen könnte, daß die beiden Kandidaten schon eine Weile mit ihrer "stinknormalen" Depression unterwegs waren und keiner etwas mitbekommen hat oder mitbekommen wollte. Ich glaube nicht, daß Spott die Angelegenheit für einen Betroffenen leichter macht, vorausgesetzt, die Leute sind wirklich krank. Schlimm genug, daß es solchen Leuten offenbar leichter fällt, sich den Arbeitskollegen unter dem Begriff "Burnout" zu offenbaren, weil sie Angst haben, für eine "Depression" nicht mehr ernst genommen zu werden. Und immer noch besser, als wenn sie irgendwann gar nicht mehr zur Arbeit erscheinen, weil sie in den Baumarkt gegangen sind, um sich das Zubehör inklusive Werkzeug für eine ausgetüftelte Balkenkonstruktion zusammenzusuchen und sich hernach zu hause aufknüpfen. Alles schon erlebt.
Zitat von FaberDer richtige Burnout existiert wohl auch, betrifft aber speziell Berufe wie Notarzt, Feuerwehrmann etc., also Leute, die über Jahre hinweg jeden Tag mit teils sehr unschönen Anblicken zu tun haben und oft - trotz größten Einsatzes - zusehen müssen, wie ihnen die Menschen unter der Hand wegsterben.
Lieber Faber, Ich will Ihrem Freund hier gar nicht grundsätzlich widersprechen, aber gerade für die von Ihnen genannten Berufe halte ich die Diagnose einer sog. sekundären Posttraumatischen Belastungsstörung für wahrscheinlicher.
In meinem Studium hieß es noch.: "Burnout" trifft v. a die hoch motivierten, idealistischen Vertreter einer insbesondere "prosozialen" Disziplin, v. a. Lehrer, Ärzte, Therapeuten usw. und v. a. daß die Idealisten sich irgendwann zu Zynikern entwickeln. Daß die ursprünglich Besten also zu den am Ende Schlechtesten werden. I woiß net. Ich komme, praktisch gesehen, sehr gut und weitgehend ohne diese "Diagnose" aus (sowohl für mich als auch für andere) .
Wenn man die traumatischen Erlebnisse bei der von mir genannten Gruppe wegließe, und sich auf das nicht von Erfolg gekrönte ständige Helfenwollen/müssen einigt, scheint es mir eine ordentliche Schnittmenge mit ihrer Gruppe zu geben. Vielleicht hatte ich auch den Focus in meiner Erinnerung falsch ausgerichtet.
Ich finde die Gespräche mit diesem Freund übrigens immer äußerst interessant. Unglaublich, was es so alles gibt in diesem Bereich. Und damit meine ich ausdrücklich nicht nur die Patientenseite.
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