Bei aller Antipathie gegen die Regierung Mursi fehlt mir in der Aufarbeitung der gestrigen Geschehnisse ein kritischer Blick der deutschsprachigen Medien auf das "wie" des Machtwechsels; schließlich war es ein Militärputsch (wie auch 2011). Von "sanft" und "verantwortungsvoll" ist hierzulande die Rede. Im Ausland wird man dagegen bei der Suche nach skeptischeren Stimmen rasch fündig.
Die Entmachtung Mursis ist wie auch die Proteste gegen Erdogan eine Niederlage für alle im Westen, die reaktionäre, menschenrechtsfeindliche islamische Organisationen als bevorzugte Dialogpartner priesen.
Dort wie auch bei uns gelten deren Forderungen und Ansichten als saktrosankt, Kritik wird als rechtsextrem, rassistisch und fremdenfeindlich diffamiert. Nahezu alle Parteien und Journalisten propagieren diesen Standpunkt. Obama hat sogar etliche Moslems aus dem Umfeld der Moslembrüder als Berater und hohe Machtpositionen geschleust. Obama ist einer der entschiedensten Förderer des sunnitischen Fundamentalismus. Entsprechend versucht er wo nur möglich diese Bewegung zu unterstützen und an die Macht zu bringen. Aktuell in Syrien.
Bei uns sind fast nur die Repräsentanten des fundamentalistischen Islam Dialogpartner, säkulare Moslems oder Ex-Moslems hingegen werden weitgehend ignoriert. So träumt Sigmar Gabriel davon, eines Tages TagesschausprecherInnen mit Kopftuch zu sehen, und nimmt somit eine radikal frauenfeindliche Position ein. Nahezu die gesamte politmediale Machtelite hat die Forderungen der islamischen Reaktionäre als Referenz für die vermeintliche Tugend der Toleranz verinnerlicht.
Es erinnert an den Zusammenbruch des Sowjetkommunismus 89. Noch kurz davor schwärmte der spätere Kanzler Schröder davon, man solle die Hoffnung auf eine Wiedervereinigung aufgeben. Lange zuvor hatten viele Linke gefordert, die DDR anzuerkennen, ungeachtet des Umstandes daß diese Diktatur keinerlei Legitimation hatte auf Basis der Menschenrechte, daß sie folterte und mordete.
Vor einiger Zeit kam Erdogan, als er sich einen Toleranzpreis in der BRD abholte, noch kurz auf Schröders private Geburtstagsparty vorbei. Keinerlei Berührungsängste bestanden hier bei Schröder.
Es kam 89, und es kommt heute, für die Linken überraschend, daß sich innerhalb der islamischen Welt eine liberale Strömung herausgebildet hat, die ablehnt was die Linken im Westen so massiv befürworten und fördern. Die Etablierung islamisch-fundamentalistischer Sozialisationsstrukturen, von denen klar sein muß, wie sie sich eines Tage in Wahlen ausdrücken.
Geht es nach den Linken und ihren Mitläufern soll sich der reaktionäre Scharia-Islam auch in Europa ungehindert ausbreiten können innerhalb des demokratsichen Systems. Es wird völlig ignoriert, daß Demokratie nicht automatisch Achtung der Menschenrechte bedeutet. Dies kann den Islamlobbyisten nicht entgangen sein, wo wenig wie einst die Menschenrechtsfeindlichkeit des Sozialismus. Bitter muß es für diese Personen sein, daß erneut ihre Neigung zur Implementierung totalitärer Herrschaft dort abgelehnt wird, wo viele Linke im Westen gerne hin möchten.
So gesehen verlaufen die Fronten nicht zwischen islamischer Welt und dem Westen, sondern in beiden Lagern stehen sich totalitäre und liberale Strömungen gegenüber.
In der Türkei und Ägypten haben sich die liberalen Kräfte erhoben. In den USA gibt es immerhin die Tea-Party die sich gegen Obama´s Neosozialismus stemmt. In Frankreich demonstrieten Hundertausende gegen den Sozialisten Hollande und sein Moralregime. Leider ist die BRD weit davon entfernt solche Befreiungsbewegungen gegen die grün-linke moralische Repression zu entwickeln.
Dennoch ist es überaus erfreulich, daß es Widerstand gibt gegen die Rückkehr in eine religiöse Alltagsdiktatur wie sie Mursi und Erdogan anstreben. Doch denkt man sich in diese Protagonisten hinein, wird klar, daß sie niemals ruhen werden (wie bei uns die Linken), ihr totalitäres System letztlich doch durchzusetzen. Sie können garnicht anders, sonst würden sie die Grundsätze ihres Glaubens verraten.
Demnach gilt, daß islamische Länder erst dann liberaler werden können, wenn die juristischen Aspekte des Islam nicht mehr als gültig erachtet werden. Ja sogar die allermeisten Moralvorschriften ignoriert werden. Dies ist völlig unwahrscheinlich. Es wird darum zu einem Machtkampf kommen. Der Westen stand bisher auf Seiten der religiösen Reaktionäre. Da die Linken den Westen inzwischen praktisch vollkommen dominieren, wird dieser Kurs wohl beibehalten werden. Sollte es bei uns dennoch nicht zu einer langfristigen kulturellen Umformung Richtung islamischem Fundamentalismus kommen, so nur deshalb, weil dieser Entwicklung, wie schon 89`, in den islamischen Ländern der Boden entzogen wurde.
Europa wäre dann wieder einmal nicht in der Lage gewesen, seine Freiheiten selbst zu verteidigen.
Das Grundproblem ist halt: Demokratie wird überschätzt. Bzw. Demokratie kann nur funktionieren, wenn a) auch die große Mehrheit der Wähler demokratisch denkt und b) Rechtsstaat und Bürgerrecht so durch die Verfassung geschützt sind, daß sie NICHT demokratischen Abstimmungen unterworfen sind (was ja eigentlich eine ganz heftige Einschränkung des Demokratieprinzips ist).
Es ist natürlich historisch meist so, daß Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte im Bündel kommen. In einem undemokratischen Staat wird es immer gewisse Einschränkungen geben: Die undemokratisch herrschende Elite wird sich nicht komplett dem Rechtsstaat unterwerfen, sondern immer gewisse Privilegien behalten. Und manche Bürgerrechte (z. B. die Meinungsfreiheit) werden stärker reglementiert sein als in einer Demokratie.
Erst einmal ist jedenfalls wichtig, daß man als Bürger halbwegs ungestört sein Leben einrichten kann. Daß der Staat also eine gewisse Sicherheit garantiert und den Bürgern Leben, Eigentum und die Freiheit der normalen Lebensführung ermöglicht. Erst danach ist es interessant, ob man bei den Entscheidungen des Staates per Wahl oder Abstimmung mitmachen kann.
Das sind man derzeit wohl ganz gut an der Situation der Kopten in Ägypten: Mitbestimmen werden sie als verhaßte Minderheit ohnehin nicht dürfen. Da nehmen sie doch lieber ein Militärregime, daß sie halbwegs in Ruhe läßt, als eine islamistische Regierung mit demokratischer Mehrheit, die sie quält und ermordet.
Deswegen ist natürlich richtig, daß der Militärputsch keine gute Lösung ist. Aber wenn alle anderen real möglichen Lösungen schlechter sind, dann muß man ihn wohl auch als Demokrat begrüßen.
Wobei erstaunlich ist, daß die deutschen Medien bisher eher positiv reagiert haben. Offenbar fallen sie wieder auf die Fernsehbilder vom Tahirplatz rein - aber wer immer sich da versammelt, muß eben noch lange nicht "das Volk" oder auch nur die demokratische Mehrheit repräsentieren. Ich gehe aber davon aus, daß diese positive Sichtweise ganz schnell bröckeln wird. Da die Leitmedien ZEIT und Neues Süddeutschland sich schon Sorgen darum machen, daß die Muslimbrüder nicht genügend Macht behalten könnten, wird auch der Tenor der übrigen Medien bald kippen. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, daß dieser Putsch in der linken Propaganda zu den Musterbeispielen "pöser Westen unterdrückt demokratische Völker der dritten Welt" gezählt wird.
Zitat von R.A.Deswegen ist natürlich richtig, daß der Militärputsch keine gute Lösung ist. Aber wenn alle anderen real möglichen Lösungen schlechter sind, dann muß man ihn wohl auch als Demokrat begrüßen.
Das ist, pragmatisch gesehen, natürlich richtig. Wobei ja auch gerade durch den Putsch Entwicklungen denkbar sind, die in der Tat an Algerien erinnern könnten und erst im Nachhinein zu bewerten sein werden. Es kommt wohl darauf an, wie effektiv die Islamisten jetzt Widerstand organisieren können, wobei mir nicht klar ist, ob und wie sie bewaffnet sind bzw. an Waffen kommen können. Jedenfalls ist die Tatsache gegenwärtiger Massenverhaftungen führender Muslimbrüder vermutlich vor diesem Hintergrund zu verstehen: http://www.spiegel.de/politik/ausland/ae...n-a-909398.html
Zitat von Doeding im Beitrag #4Wobei ja auch gerade durch den Putsch Entwicklungen denkbar sind, die in der Tat an Algerien erinnern könnten und erst im Nachhinein zu bewerten sein werden.
Keine Frage, das ist eine ziemlich riskante Situation. Aber ich glaube nicht, daß es wie in Algerien laufen wird. Die geographischen Strukturen sind deutlich anders. Die Islamisten Algeriens hatten schwer zugängliche Rückzugsräume in Bergen und Wüste, aus denen sie den Bürgerkrieg führen konnten. Die ägyptischen Muslimbrüder haben ihre Anhänger in den dicht besiedelten Agrargebieten beiderseits des Nils - die sollten vom Militär recht leicht kontrollierbar sein.
Der Knackpunkt wird sein, wie schnell das Land wirtschaftlich wieder halbwegs auf die Beine kommt. Da dürften die Militärs erst einmal auch keine besseren Rezepte haben als die Muslimbrüder. Wobei es vielleicht reicht, wenn die Regierung einfach mal machen läßt, anstatt mit der Durchdrückung reaktionärer Gesellschaftsvorschriften überall Unruhe zu erzeugen.
In Deutschland erinnert man sich ja, merkwürdigerweise, gerne an einen bestimmten und verflossenen Reichskanzler, der wohl seinerzeit nach durchaus demokratischen Spielregeln gekürt wurde.
Vielleicht sollten wir in diesem liberal angehauchten Forum gelegentlich auch mal das Thema Freiheit / Demokratie / Rechtsstaat aufgreifen. Meinen entsprechenden Dissens mit dem Gründer dieses vorzüglichen Forums konnte ich leider nicht mehr austragen. :-(
mfG
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
R.A. bringt es stimmig auf den Punkt: Demokratie wird überschätzt. Weit überschätzt möchte ich zusetzen.
Wir machen oftmals den Fehler unsere freiheitliche Ordnung mit Demokratie gleichzusetzen. Und das ist im doppelten Sinne falsch. Die freiheitliche Ordnung in Deutschland ist kein Ergebnis der Demokratie. Es ist eine Folge des Grundgesetzes, dass, da kann man viel unken, so demokratisch nicht zustande kam. Die freiheitliche Ordnung in Deutschland ist eine Folge des zweiten Weltkrieges und mit demokratischer Tradition war da noch nicht viel. Umgekehrt kann ein Land durchaus demokratisch regiert werden ohne das die Ordnung besonders freiheitlich ist. Das Beispiel des österreichischen Postkartenmalers wurde schon genannt. Aber auch in der modernen Welt, schön zu bewundern im nahen Osten, ist Demokratie nicht ansatzweise gleichzusetzen mit einer freiheitlichen Ordnung oder dem Rechtsstaat.
Das Problem der Demokratie lässt sich mit einem kleinen Bonmot gut beschreiben: Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf gemeinsam entscheiden, was es zum Abendessen gibt. Die überzeugten Demokraten scheitern allesamt an ihrer Grundannahme, dass eine Mehrheit der Bevölkerung freiheitlich oder rechtsstaatlich denkt. Das ist aber falsch. Und zwar sehr falsch. Das kann so sein, in westlichen Demokratien ist das oft so gewesen, aber das muss nicht der Fall sein.
Ich persönlich finde Demokratie tatsächlich nicht so wichtig. Als Liberaler, gar als eher radikaler Liberaler, als "Hochqualifizierter", als Besserverdiener und als weisser, heterosexueller Spiesser bin ich in Deutschland eher im Regelfall als in der Ausnahme auf der Seite der Mindermeinung. Man könnte sagen, ich bin es gewohnt, dass die Demokratie gegen meine Interessen handelt. Was also habe ich von diesem Wahlrecht ? Wenig. Wovon ich etwas habe ist der Rechtsstaat und die freiheitliche Ordnung. Davon hätte ich auch gerne mehr. Heute wird gut die Hälfte meines Lebens vom Staat dominiert. Ich zahle etwas mehr als die Hälfte von dem was ich verdiene an den Staat. Dazu kommen Reglementierungen an allen möglichen Ecken, die ich etwa auf einem ähnlichen Level empfinde. Ich würde mich freuen, wenn es weniger wäre. Ich würde gerne nur ein Viertel bezahlen und nur halb soviel reglementiert werden (eigentlich natürlich noch weniger, aber was nützt es sinnlos zu träumen ?). Dafür kann auch jeder meine Stimme haben. Und behalten. Ich lege gar keinen so gesteigerten Wert darauf alle vier Jahre zwischen schlechten Alternativen zu wählen. Lieber wäre es mir das nicht zu tun und dafür vom Staat mehr in Ruhe gelassen zu werden. An starker Demokratie besteht ja vor allem dann Interesse, wenn der Staat mächtig ist. Ist der Staat dagegen nicht mächtig, so ist auch die Stimme nicht mehr so wertvoll. Das wäre doch was. Ich hätte kein Problem mit einem Monarchen, der das Land nicht verfallen lässt, einen Rechtstaat erhält und von einem niedrigen Steuersatz das ganze finanziert. Besser als Jürgen Trittin oder Claudia Roth an der Macht wäre das allemal. Genaugenommen: Alleine das wäre schon ein Wert für sich.
Zitat von R.A. im Beitrag #5 Der Knackpunkt wird sein, wie schnell das Land wirtschaftlich wieder halbwegs auf die Beine kommt. Da dürften die Militärs erst einmal auch keine besseren Rezepte haben als die Muslimbrüder. Wobei es vielleicht reicht, wenn die Regierung einfach mal machen läßt, anstatt mit der Durchdrückung reaktionärer Gesellschaftsvorschriften überall Unruhe zu erzeugen.
Ich würde noch weiter gehen und hier den Grund für den Putsch mit Ansage sehen. Eigentlich liegt dieser Putsch in der Kontinuität der Ereignisse welche Mubarak stürzten. Ägypten hat nicht nur erhebliche wirtschaftliche Probleme sonder auch Versorgungsprobleme. Die Regierung von Mursi hat kein Vertrauen bei ausländischen Investoren wecken können und die Probleme verschärft. Das Militär dagegen ist ebenfalls Teil des Problems weil es für die Planwirtschaft steht, die Ägyptens Wirtschaft lähmt. Es wird den Bürgern Ägyptens vermutlich immer schlechter gehen, da sie sich eingerichtet haben in dieser Art von Sozialismus und Wirtschaftsreformen recht unpopulär sind - vor allem bei den säkularen Kräften der Opposition die jetzt in Ägypten feiern. Ähnlich wie in der Türkei stehen die islamistischen Bewegungen wie die AKP oder die Muslimbruderschaft für mehr Marktwirtschaft, was sicher auch ein Grund für die Unterstützung aus Amerika ist. Entscheidend wird sein, ob das Militär nur seinen Einfluss auf die Wirtschaft des Landes und den Status quo sichern will, oder ob es den Weg frei macht um die drohende Versorgungskrise mit Wirtschaftsreformen abzuwenden die ihrem positiven Image in weiten Teilen der Bevölkerung Schaden zufügen würde.
Zitat von Llarian im Beitrag #7R.A. bringt es stimmig auf den Punkt: Demokratie wird überschätzt. Weit überschätzt möchte ich zusetzen.
(...)
Das sehe ich auch so, R.A. bringt es auf den Punkt. Vor allem in seinem Zweifel, ob die Demokratie unter den genannten Aspekten tatsächlich zur Disposition stehen darf. Für überschätzt hält R.A. die Demokratie aber nicht, so wie ich ihn verstehe.
Deshalb möchte ich Ihren weiteren Ausführungen, gerade als Liberaler, auch widersprechen. Ich fand immer, dass die Basis, der Sockel, das Fundament der Demokratie eine umfassende Informationsbeschaffung ist; im Sinne der Meinungsbildung. Natürlich hat eine Mehrheit der Mitglieder einer Gemeinschaft (z.B. eines sog. "Volkes") nicht per se das Interesse, sich über Gebühr dabei anzustrengen.
Und genau diese mehrheitlichen Mitläufer werden z.B. in Deutschland mit genau dem Info-Fastfood abgespeist - Neusprech pur: per "Demokratie"-Abgabe von allen fürstlich alimentiert - Fastfood also, welches nichts weiter ist als eine realitätsverleugnende, leicht verdauliche, immerwährende Regierungsansprache.
Unter derartigen Bedingungen kann man das System, in welchem der Michel und die Micheline alle Jubeljahre irgend einer Wohlfühlpartei aka Klientel-Bestecherin sein Kreuzchen schenkt, wohl schwerlich als Demokratie bezeichnen. Sinkende Wahlbeteiligung reflektiert das (ein Nebenaspekt: in den USA gehen auch nur wenige Leute zur Wahl. Marke: Government, lass mich in Ruh! Die, die gehen, sind unzufrieden. In Deutschland sind die, die NICHT zur Wahl gehen, unzufrieden, Marke: hat eh keinen Sinn!).
Hätten wir eine wirklich pluralistische Medienlandschaft, in welcher auch britische oder amerikanische Blätter oder Sender eine gleiche Chance hätten wie überhaupt jede Publikation, und hätten wir diesen entsetzlichen Staatsfunk nicht (dessen Wurzeln direkt bei den Nazis zu suchen sind!), dann wäre eine breite Basis für eine Demokratie gelegt.
Die Chancen für eine Ausweitung von Freiheit und Vielfalt waren selten höher als heute, denn momentan ist diese allumfassende Informationsbeschaffung auch leichter denn je. Wenngleich die Interpretation auch schwieriger ist - vor allem wenn man selber denken muss.
Nun gut. In der Schweiz scheint der ganze Kram noch einigermaßen zu funktionieren, obwohl die traditionell weniger mächtigen Politiker (verglichen z.B. m. D) kräftig an der Meinungsschraube drehen.
So oder so leben wir in spannenden Zeiten.
Bzgl. Ägypten eine Frage an die Fachleute hier:
Hatte Zettel himself nicht seinerzeit eben diese Entwicklung vorhergesagt?
"Nihil sub sole novum" (Ecclesiastes 1:10). Geheime Dienste schüffeln, Beagle Boys träumen von großen Geldspeichern, & Sonderangebote von Staatsseite wollen genutzt werden. Außerdem hat das sowieso-jeder-gewußt, spätestens seit 2010.
Zitat von Danny Wilde im Beitrag #9 Die Chancen für eine Ausweitung von Freiheit und Vielfalt waren selten höher als heute, denn momentan ist diese allumfassende Informationsbeschaffung auch leichter denn je. Wenngleich die Interpretation auch schwieriger ist - vor allem wenn man selber denken muss.
Ich glaube, lieber Danny Wilde, Sie machen in ihren Überlegungen einen verheerenden Fehler: Sie gehen davon aus, dass sich Menschen "richtig" verhalten, wenn sie nur genügend Informationen haben. Der Fehler der sich darin verbirgt ist, dass man auch mit allumfassenden Informationen zu einer anderen Bewertung kommen kann. Das Bedürfnis nach Freiheit ist ein Gefühl und selten ein Ergebnis von Überlegungen. Es gibt eine Menge Menschen die das Konzept überhaupt nicht teilen und noch viel mehr Menschen legen vielleicht wert auf die eigene Freiheit aber keinen auf die Freiheit des anderen. Sie werden mit noch so viel Informationen nichts daran ändern können was diese Leute wollen. Und wenn die Leute demokratische unfreie Dinge beschliessen, weil diese in deren Interesse liegen, dann schauen Sie in die Röhre. Simples Beispiel: Die massive Umverteilung des Geldes von "Besserverdienenden" ist mit Sicherheit kein freiheitliches Konzept. Aber es liegt im Interesse von mehr Menschen als das Gegenteil, entsprechend ist es gerne eine Ergebnis der Demokratie. Ganz rational, ganz neutral gegenüber noch so viel Propaganda. Der Wille dem anderen das Ergebnis seiner Arbeit zu lassen ist ein Ergebnis des eigenen Gefühls für Anstand, weniger ein Ergebnis rationaler Überlegungen.
Anders gesagt: Ich bedauere die Indoktrination des staatlichen Propagandafunks genauso. Aber ich betrachte diese Propaganda allenfalls als Verstärker und weniger als Ursache des Problems der Demokratie.
Zitat von Llarian im Beitrag #14 Der Fehler der sich darin verbirgt ist, dass man auch mit allumfassenden Informationen zu einer anderen Bewertung kommen kann. Das Bedürfnis nach Freiheit ist ein Gefühl und selten ein Ergebnis von Überlegungen.
Da möchte ich ganz entschieden wiedersprechen, nicht zuletzt aus eigener Erfahrung. Gefühle sind das, was einen Menschen in der Knechtschaft verharren läßt. Wer kennt nicht die Obrigkeitsfloskel; "Den Menschen das Gefühl geben...". Um es mit Kant zu sagen, es ist der Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit und dieser Weg muss sichtbar werden. Womit Sie zweifellos recht haben, lieber Llarian ist, dass sich wehren, ein Widerstand gegen Bevormundung, schon aus dem Bereich der Emotionen kommt. Diesen aber persönlich auch zum Erfolg zu führen, setzt Informationen vorraus. Ohne die wird man den Verlust an Sicherheit, der mit einer Zunahme an Freiheit einhergeht, kaum bewältigen.
Zitat von Llarian im Beitrag #14 Es gibt eine Menge Menschen die das Konzept überhaupt nicht teilen und noch viel mehr Menschen legen vielleicht wert auf die eigene Freiheit aber keinen auf die Freiheit des anderen.
Der Kampf um die eigene Freiheit unterstützt auch den Kampf anderer um ihre Freiheit. Da bedingt das eine das andere.
Zitat von Llarian im Beitrag #14 Sie werden mit noch so viel Informationen nichts daran ändern können was diese Leute wollen. Und wenn die Leute demokratische unfreie Dinge beschliessen, weil diese in deren Interesse liegen, dann schauen Sie in die Röhre. Simples Beispiel: Die massive Umverteilung des Geldes von "Besserverdienenden" ist mit Sicherheit kein freiheitliches Konzept. Aber es liegt im Interesse von mehr Menschen als das Gegenteil, entsprechend ist es gerne eine Ergebnis der Demokratie. Ganz rational, ganz neutral gegenüber noch so viel Propaganda. Der Wille dem anderen das Ergebnis seiner Arbeit zu lassen ist ein Ergebnis des eigenen Gefühls für Anstand, weniger ein Ergebnis rationaler Überlegungen.
Ganz und gar nicht. Es ist genau umgekehrt. Erst Informationen führen zu der Erkenntnis, dass die Umverteilung am Ende auch den "Schlechterverdienenden" daran hindert einen höheren Verdienst zu erzielen. Würde er sich eingängiger mit der Thematik befassen, lernte er wirtschaftliche Zusammenhänge kennen und die Erkenntnis, dass Umverteilung die Möglichkeiten privater Investitionen schmälert und stattdessen staatliche Vetternwirtschaft und Verschwendung fördert. In Ansätzen haben dies sogar der eine oder andere Gewerkschaftsfunktionär verstanden, durch Information und gegen das Gefühl. Eine staatliche Propaganda unterstützt logischerweise staatliches Handeln, also bürokratisches Handeln, welches immer von planwirtschaftlichem Charakter geprägt ist. http://zettelsraum.blogspot.de/2013/04/u...licher.html?m=1
Zitat von Llarian im Beitrag #14Anders gesagt: Ich bedauere die Indoktrination des staatlichen Propagandafunks genauso. Aber ich betrachte diese Propaganda allenfalls als Verstärker und weniger als Ursache des Problems der Demokratie.
Eine Demokratie kann auch mit deutlich weniger Propaganda existieren, sie braucht einfach weniger Staat. Das Problem der Demokratie ist also nicht eine ihr inhärente Tendenz zur Umverteilung, sondern eine sich ausbreitende Bürokratie welche die freie Marktwirtschaft verdrängt. Erst wenn sich "Schlechterverdienende" als Marktteilnehmer begreifen und nicht als Teilnehmer einer politischen Auseinandersetzung, entziehen sie sich der Propaganda und können den Weg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit beschreiten. Wirtschaftliche Freiheit und politische Freiheit gehen Hand in Hand. Diese Informationen und nicht die staatlich verbreiteten Gefühle, erleichtern das Beschreiten dieses Weges ganz erheblich.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15 Gefühle sind das, was einen Menschen in der Knechtschaft verharren läßt. Wer kennt nicht die Obrigkeitsfloskel; "Den Menschen das Gefühl geben...".
Ich würde sagen Gefühle sind erst das, was uns zum Menschen macht, lieber Herr Plaethe. Die Obrigkeit bedient sich natürlich gerne des stärksten Motivators. Aber der Wert ist erst einmal neutral. Ist es Knechtschafft, wenn der Mensch sich verliebt ? Ist es Knechtschaft, wenn der Mensch das Leben seiner Kinder über das eigene stellt ? Ist es Knechtschaft wenn der Mensch seine eigene Freiheit so hoch bewertet, dass er bereit ist dafür zu sterben ?
Zitat Der Kampf um die eigene Freiheit unterstützt auch den Kampf anderer um ihre Freiheit.
Das sehe ich nun überhaupt nicht. In der DDR war auch eine kleine Führungselite ziemlich frei. Und die hat sich einen Schmutz um die Freiheit des Normalbürgers geschert. Wir erleben diese Art von "Liberalismus" auch sehr gerne im Feuilleton deutscher Tageszeitungen. Wo die Freiheiten der intelektuellen Bourgeoisie gar nicht hoch genug gehandelt werden können, während die Bevormundung des als dumm gewähnten einfachen Mannes von der Strasse als selbstverständlich definiert wird. Nach meiner bescheidenen Lebenserfahrung ist diese Art von "Liberalismus" (ich bevorzuge den Begriff Liberalala) für den Begriff der Freiheit deutlich schlimmer als der eher platte Sozialismus wie er von SED und Konsorten vertreten wird. Denn wir soll ich jemandem ein Ideal vermitteln, wenn soviel von dem pervertierten Ideal rumspringt und ihn als richtig verkauft ? Der Schritt von der eigenen Freiheit zur anderen ist ein ziemlich grosser. Und vielzuviele Leute sehen ihn überhaupt nicht.
Zitat Erst Informationen führen zu der Erkenntnis, dass die Umverteilung am Ende auch den "Schlechterverdienenden" daran hindert einen höheren Verdienst zu erzielen.
Aber das stimmt ja vielfach nicht. Sehen wir uns die heutige Qualifikationsstruktur an: Es gibt jede Menge Menschen, und leider werden es zunehmend mehr, deren Qualifikation einen höheren Verdienst nicht hergibt. Es ist für diese Leute absolut rational mehr Umverteilung zu wollen. Kommt jetzt noch dazu, dass diese Menschen selber kein Gefühl für den Wert der Freiheit des anderen haben, wählen sie ganz trivial die Unfreiheit für den anderen. Auf die lange Bank haben Sie trivialweise recht, vom Kapitalismus müssen Sie mich ja nicht überzeugen. :) Über eine kurze Distanz dagegen ist das einfach nicht richtig. Besonders klar wird das Problem an der Rentnersituation: Rentner können zu ihrem eigenen Verdienst oftmals nicht mehr viel beitragen. Aber selbstredend haben sie ein Interesse möglichst viel zu bekommen. Also mehr Umverteilung. Und die Bevölkerungsgruppe, die das will, wird zunehmend grösser. Heute kann sie bereits kein Politiker, egal welcher Partei, ignorieren.
Zitat In Ansätzen haben dies sogar der eine oder andere Gewerkschaftsfunktionär verstanden, durch Information und gegen das Gefühl.
Sie setzen vorraus, dass das Interesse des Gewerkschaftsfunktionärs der langfristiges, wirtschaftliche Erfolg ist. Dem ist aber nicht so. Solche Funktionäre haben, wie alle Menschen, den eigenen Vorteil im Sinn und das kann viel zu oft bedeuten kurzfristig Geld zu verteilen, egal ob es langfristig schadet. Das Interesse der Gewerkschaft und auch der Belegschaft muss nicht der langfristige Erfolg einer Firma oder gar der Wirtschaft im Gesamten sein. Der Funktionär kann durchaus verstehen, dass mehr Umverteilung langfristig schadet. Und dennoch ganz rational für mehr Umverteilung antreten.
Zitat Eine Demokratie kann auch mit deutlich weniger Propaganda existieren, sie braucht einfach weniger Staat. Das Problem der Demokratie ist also nicht eine ihr inhärente Tendenz zur Umverteilung, sondern eine sich ausbreitende Bürokratie welche die freie Marktwirtschaft verdrängt.
Das Problem der Demokratie ist, dass sie eine Herrschaftsform ist. Und Herrschaft kann man nicht wegdefinieren. In einer Demokratie herscht eine Mehrheit über eine Minderheit. Und das ist das Problem. Es wird immer unterschiedliche Interessen einer Bevölkerung geben, wir sind ja keine Borg. Und notwendigerweise wird es auch immer Mehrheiten und Minderheiten geben. In einer Demokratie besteht immer das Problem das die Interessen der Mehrheit gegen die Interessen der Minderheit durchgesetzt werden können. Das ist ein inhärentes Problem.
Zitat von Hausmann im Beitrag #13Statt "Mafia" würde ich in diesem Zusammenhang eher an Marktwirkschaft denken, vulgo: Kapitalismus.
Den zu wählen haben die Ägypter nicht die Freiheit, wenn die die das Gewaltmonopol innehaben auch die Eigentümer eines großen Teils der Wirtschaft sind. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind in diesen Strukturen, die wohl als mafios bezeichnet werden können, begründet. Was zum Sturz Mubaraks führte, war auch der Grund für Mursis Sturz. Hier geht es nicht um Demokratie sonder um den Erhalt dieser mafiosen Wirtschaftsstrukturen. http://www.welt.de/wirtschaft/article125...n-Aegypten.html Sie sind auch der Grund weshalb sich dringend benötigte Investoren von dem Land fern halten. Das Militär sollte sich mal mit ihren Kollegen in Chile über die Problematik unterhalten. Wenn das Land pleite ist, sind es auch die wirtschaftenden Militärs.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Besonders klar wird das Problem an der Rentnersituation: Rentner können zu ihrem eigenen Verdienst oftmals nicht mehr viel beitragen. Aber selbstredend haben sie ein Interesse möglichst viel zu bekommen. Also mehr Umverteilung. Und die Bevölkerungsgruppe, die das will, wird zunehmend grösser. Heute kann sie bereits kein Politiker, egal welcher Partei, ignorieren.
Da muß ich mal eine Lanze für die Rentner brechen. Natürlich gibt es auch dort eine gewisse Gruppe, die (gerade wenn sie finanziell sehr knapp stehen) für Wahlversprechen mit Rentenerhöhungen empfänglich sind.
Aber insgesamt sind die Rentner eine von den Bevölkerungsgruppen, die relativ uneigennützig bei ihrer Wahlentscheidung sind und aus ihrer Lebenserfahrung (und dem Pflichtgefühl, ihren Nachkommen eine lebensfähige Gesellschaft zu hinterlassen) sehr oft gegen Umverteilung votieren. Während die übrigen von der Umverteilung profitierenden Gruppen ihre Interessen an der Wahlurne recht deutlich im Blick haben, stimmen die Rentner häufig entgegengesetzt ab.
Nur so ist auch zu erklären, warum wir trotz der deutlichen Mehrheit der Nettotransferempfänger noch keinen vollständigen SPD-Sozialismus im Lande haben.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind in diesen Strukturen, die wohl als mafios bezeichnet werden können, begründet.
Zum größten Teil: Ja. Die zunehmenden Probleme seit dem Sturz Mubaraks sind aber nicht Schuld dieser Mafia, sondern Folge der Islamisierungsbestrebungen. Da wäre einerseits der weitgehende Einbruch im Tourismus, andererseits die Schikanen gegen die wirtschaftlich besonders wichtige Minderheit der Kopten.
Insofern haben die Militärs schon die Chance, wenigstens den Tiefpunkt des Mursi-Regimes zu überwinden. Und der Warnschuß der Revolte vom letzten Jahr könnte auch gereicht haben, daß sie einige maßvolle Reformen im Mafia-Bereich zu lassen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15 Gefühle sind das, was einen Menschen in der Knechtschaft verharren läßt. Wer kennt nicht die Obrigkeitsfloskel; "Den Menschen das Gefühl geben...".
Ich würde sagen Gefühle sind erst das, was uns zum Menschen macht, lieber Herr Plaethe. Die Obrigkeit bedient sich natürlich gerne des stärksten Motivators. Aber der Wert ist erst einmal neutral. Ist es Knechtschafft, wenn der Mensch sich verliebt ?
Ich bin sehr stark geneigt "Ja" zu schreien. Aber ich bin auch verliebt und für soviel Knechtschaft habe ich mich nun einmal entschieden. Es ist halt nichts absolut.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Ist es Knechtschaft, wenn der Mensch das Leben seiner Kinder über das eigene stellt ?
Noch einmal: Ja. Aber ich sage nichts dagegen und ich stehe dazu, in dieser Knechtschaft zu leben. Absolute Freiheit ist nicht meine Sache.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Ist es Knechtschaft wenn der Mensch seine eigene Freiheit so hoch bewertet, dass er bereit ist dafür zu sterben ?
Nein, das würde ich nicht als Knechtschaft bezeichnen. Wessen Knecht sollte er denn in diesem Fall sein?
Zitat Der Kampf um die eigene Freiheit unterstützt auch den Kampf anderer um ihre Freiheit.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Das sehe ich nun überhaupt nicht. In der DDR war auch eine kleine Führungselite ziemlich frei.
War sie nicht, sie waren Knechte der SU. Jeder Unterdrücker, jeder Sklavenhalter, ja, jeder Herrscher besitzt viel weniger Freiheit als ein wirtschaftlich und politisch unabhängiges Individuum.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Denn wir soll ich jemandem ein Ideal vermitteln, wenn soviel von dem pervertierten Ideal rumspringt und ihn als richtig verkauft ?
Im Augenblick der Idealisierung verliert die Freiheit ihren Realitätsbezug und damit ihren Wert. Mit dem Kampf um die persönliche Freiheit meinte ich auch meinen eigenen Kampf und ich denke schon, dass dieser auch anderen zugute kam. Natürlich nur in einem bescheidenen Ausmaß. Ehrlich gesagt halte ich nicht viel von Kämpfen für die Freiheit anderer, um solch einem Ansinnen zu trauen sollte derjenige m.E. zu allererst um seine eigene Freiheit - und wenn auch nur um ihren Erhalt - kämpfen wollen. Das ist dann die Art von Patriotismus die ich schätze.
Zitat Erst Informationen führen zu der Erkenntnis, dass die Umverteilung am Ende auch den "Schlechterverdienenden" daran hindert einen höheren Verdienst zu erzielen.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Aber das stimmt ja vielfach nicht. Sehen wir uns die heutige Qualifikationsstruktur an: Es gibt jede Menge Menschen, und leider werden es zunehmend mehr, deren Qualifikation einen höheren Verdienst nicht hergibt. Es ist für diese Leute absolut rational mehr Umverteilung zu wollen. Kommt jetzt noch dazu, dass diese Menschen selber kein Gefühl für den Wert der Freiheit des anderen haben, wählen sie ganz trivial die Unfreiheit für den anderen. Auf die lange Bank haben Sie trivialweise recht, vom Kapitalismus müssen Sie mich ja nicht überzeugen. :) Über eine kurze Distanz dagegen ist das einfach nicht richtig. Besonders klar wird das Problem an der Rentnersituation: Rentner können zu ihrem eigenen Verdienst oftmals nicht mehr viel beitragen. Aber selbstredend haben sie ein Interesse möglichst viel zu bekommen. Also mehr Umverteilung. Und die Bevölkerungsgruppe, die das will, wird zunehmend grösser. Heute kann sie bereits kein Politiker, egal welcher Partei, ignorieren.
Wer auch immer sich mehr Umverteilung wünscht, er wird nicht bekommen was er sich erhofft. Er kann das verdrängen, sich verschließen vor ökonomischen Grundsätzen aber es ist eine Frage der Zeit bis ihm sein gesunder Menschenverstand mitteilt, dass sein Bauchgefühl ihn selbst betrog.
Zitat In Ansätzen haben dies sogar der eine oder andere Gewerkschaftsfunktionär verstanden, durch Information und gegen das Gefühl.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Sie setzen vorraus, dass das Interesse des Gewerkschaftsfunktionärs der langfristiges, wirtschaftliche Erfolg ist. Dem ist aber nicht so.
Doch in großen AG ist das keine Seltenheit. Zu erkennen an der Lohnzurückhaltung der IGM in der letzten Dekade welche zum wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands einiges beigetragen hat.
Zitat Eine Demokratie kann auch mit deutlich weniger Propaganda existieren, sie braucht einfach weniger Staat. Das Problem der Demokratie ist also nicht eine ihr inhärente Tendenz zur Umverteilung, sondern eine sich ausbreitende Bürokratie welche die freie Marktwirtschaft verdrängt.
Zitat von Llarian im Beitrag #16Das Problem der Demokratie ist, dass sie eine Herrschaftsform ist. Und Herrschaft kann man nicht wegdefinieren. In einer Demokratie herscht eine Mehrheit über eine Minderheit. Und das ist das Problem.
Wäre es so hätten wir ein Problem. Die repräsentative Demokratie hat aber viele Entwicklungsstufen hinter sich und der jetzigen herrscht keine Mehrheit über eine Minderheit. Stattdessen wählt eine Mehrheit Repräsentanten die Herrscher auf Zeit wählt.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind in diesen Strukturen, die wohl als mafios bezeichnet werden können, begründet.
Zum größten Teil: Ja. Die zunehmenden Probleme seit dem Sturz Mubaraks sind aber nicht Schuld dieser Mafia, sondern Folge der Islamisierungsbestrebungen. Da wäre einerseits der weitgehende Einbruch im Tourismus, andererseits die Schikanen gegen die wirtschaftlich besonders wichtige Minderheit der Kopten.
Insofern haben die Militärs schon die Chance, wenigstens den Tiefpunkt des Mursi-Regimes zu überwinden. Und der Warnschuß der Revolte vom letzten Jahr könnte auch gereicht haben, daß sie einige maßvolle Reformen im Mafia-Bereich zu lassen.
Sicher, die Islamierung der Gesellschaft spielt auch eine Rolle, hätte dann aber durchaus zu den wirtschaftlichen Erfolgen der Erdogan-Regierung führen können. Was aber in Ägypten nicht mal theoretisch möglich zu sein scheint. Das Militär ist der größte Bremser der dringend benötigten Wirtschaftsreformen - so stellt es sich für mich dar.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #21Sicher, die Islamierung der Gesellschaft spielt auch eine Rolle, hätte dann aber durchaus zu den wirtschaftlichen Erfolgen der Erdogan-Regierung führen können.
Das ist wohl nur schwierig vergleichbar. Bei Erdogan beschränkte sich die Islamisierung ja lange Zeit darauf, einige Atatürk-bedingte Einschränkungen für Gläubige aufzuheben. Das hatte keinen wirtschaftlichen Schaden. Ansonsten hat er den normalen Wachstumskräften einfach freien Lauf gelassen - von besonderen Regierungsverdiensten um die Wirtschaft weiß ich nichts. Und als Erdogan dann dieses Jahr wirklich mit Islamisierung anfangen wollte, die auch die säkularen Türken betroffen hätte (Alkoholverbot ...), da bekam er ja auch Druck von unten.
Ägypten war dagegen schon vor Mursi viel islamistischer als die Türkei selbst heute nach vielen Jahren Erdogan. Jede weitere Maßnahme der Muslimbrüder hatte schmerzhafte Wirkung für den Rest der Bevölkerung und oft eben auch für die Wirtschaft.
Zitat Das Militär ist der größte Bremser der dringend benötigten Wirtschaftsreformen - so stellt es sich für mich dar.
Jein. Der größte Bremser ist natürlich - wie fast immer - die breite Volksmasse, die Angst vor Kürzungen bei Staatsleistungen hat. So weit ich mich erinnere ist Mubarak ja vor allem deswegen gestürzt worden, WEIL er gewisse Reformen durchbringen wollte.
Da haben wir dann wieder das Problem mit der Demokratie ...
Zitat von Hausmann im Beitrag #13Statt "Mafia" würde ich in diesem Zusammenhang eher an Marktwirkschaft denken, vulgo: Kapitalismus.
Den zu wählen haben die Ägypter nicht die Freiheit, wenn die die das Gewaltmonopol innehaben auch die Eigentümer eines großen Teils der Wirtschaft sind. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind in diesen Strukturen, die wohl als mafios bezeichnet werden können, begründet. Was zum Sturz Mubaraks führte, war auch der Grund für Mursis Sturz. Hier geht es nicht um Demokratie sonder um den Erhalt dieser mafiosen Wirtschaftsstrukturen. http://www.welt.de/wirtschaft/article125...n-Aegypten.html
Dort arbeiten die Wehrpflichtigen als billige Arbeitssklaven in Fabriken, bei uns arbeiten die Wehrpflichtigen als billige Arbeitssklaven im sozialen Bereich.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #21Sicher, die Islamierung der Gesellschaft spielt auch eine Rolle, hätte dann aber durchaus zu den wirtschaftlichen Erfolgen der Erdogan-Regierung führen können.
Das ist wohl nur schwierig vergleichbar. Bei Erdogan beschränkte sich die Islamisierung ja lange Zeit darauf, einige Atatürk-bedingte Einschränkungen für Gläubige aufzuheben. Das hatte keinen wirtschaftlichen Schaden. Ansonsten hat er den normalen Wachstumskräften einfach freien Lauf gelassen - von besonderen Regierungsverdiensten um die Wirtschaft weiß ich nichts.
Ein paar Zahlen von Wikipedia:
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_...uen_JahrtausendZwischen 2002 und 2005 wuchs die Wirtschaft jährlich mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von ca. 7,2 %. Der Export konnte sich in demselben Zeitraum mehr als verdoppeln. Gleichzeitig scheint die chronische Inflation, die teilweise dreistellige Werte erreichte, überwunden zu sein. Sie lag im gesamten Jahr 2005 bei 7,7 % und erreichte damit den niedrigsten Wert seit 37 Jahren. Auch sank das Haushaltsdefizit von 21 % auf 7 % 2004 und soll nach Regierungsplänen 2006 bei 2,5 % liegen. Positiv anzumerken ist die 2005 sehr erfolgreich verlaufende Privatisierung von Staatsunternehmen.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_...e_InvestitionenDas neue Investitionsförderungsgesetz aus dem Jahr 2004 stellt in- und ausländische Investoren gleich und zeigt schon erste Erfolge. In den Jahren 2005 8 Mrd. $, 2006 16 Mrd. $, 2007 21 Mrd. $ wurden in der Türkei ausländische Direktinvestitionen getätigt. Demgegenüber lag die Summe der ausländischen Investitionen bis 2002 bei vergleichsweise geringen 5,5 Mrd. $, davon alleine 4 Milliarden aus Deutschland. September 2007 waren 18.223 ausländische Kapitalgesellschaften (inkl. Unternehmen mit ausländischer Beteiligung) in der Türkei aktiv davon 3.126 Unternehmen aus Deutschland. Alleine in den letzten 18 Monaten kamen mehr als 1000 neue deutsche Unternehmen ins Land.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_...#Privatisierung2004 wurden durch Privatisierung der Staatsunternehmen lediglich 1,2 Milliarden US-Dollar erzielt. 2005 kam die Privatisierung von Staatsunternehmen voran. Im gesamten Jahr 2005 wurden 16 Milliarden US-Dollar Privatisierungserlöse erzielt. Rechnet man die Gebühren für die 15-jährigen privaten Nutzungsrechte für den Flughafen „Flughafen Istanbul-Atatürk“ hinzu, erzielte der Staat Erlöse von 20 Milliarden Dollar. Die höchsten Einnahmen erzielte der Staat durch den Verkauf von 55 % ihrer Anteile an der Türk Telekom. (…) Als Nächstes sollen staatliche Energie-, Zement- und die staatlichen Lotterie- Unternehmen privatisiert werden.
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaft_...i#SteuerpolitikAnfang 2006 wird die Körperschaftssteuer von 30 % auf 20 % abgesenkt. Gleichzeitig soll der Spitzensatz bei der Einkommenssteuer von 40 % auf 35 % abgesenkt werden, der Eingangssteuersatz liegt bei 15 %. Ebenfalls soll ab dem 1. Januar 2006 eine Kapitalgewinnsteuer von 15 % eingeführt werden.
Zitat Das Militär ist der größte Bremser der dringend benötigten Wirtschaftsreformen - so stellt es sich für mich dar.
Zitat von R.A. im Beitrag #22Jein. Der größte Bremser ist natürlich - wie fast immer - die breite Volksmasse, die Angst vor Kürzungen bei Staatsleistungen hat. So weit ich mich erinnere ist Mubarak ja vor allem deswegen gestürzt worden, WEIL er gewisse Reformen durchbringen wollte.
Eben. Und die Reformen von ihm und seinem Sohn Gamal, der ihm nachfolgen sollte, richteten sich gegen den Status quo der Militärwirtschaft. Das ist die Kontinuität von der ich spreche. Mubarak und Mursi störten auf ihre Weise die Kreise des Militärs. Das hat alles nichts mit irgendeiner Demokratie zu tun. Um die geht es nur im Schaufenster.
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