Das Fiasko Ägyptens ist nicht der unzweifelhaft vorhandenen Unfähigkeit Mursis geschuldet. Es war schon vorher da. Die Gründe dafür sind hier bei Zettel in Islam und Arabischer Sozialismus - 2 bereits diskutiert worden.
Ägypten ist nur deshalb nicht als failed state wahrgenommen worden, weil es wegen seiner strategischen Position immer reiche Geldgeber (USA, Saudi-Arabien) gefunden hat und wohl weiter finden wird.
Zitat Starvation is the unstated subject of this week's military coup. For the past several months, the bottom half of Egypt's population has had little to eat besides government-subsidized bread, and now the bread supply is threatened by a shortage of imported wheat. Despite $8 billion of aid from Qatar and smidgens from Libya, Turkey, and others, Egypt is struggling to meet a financing gap of perhaps $20 billion a year, made worse by the collapse of its major cash earner — the tourist industry. Malnutrition is epidemic in the form of extreme protein deficiency in a country where 40% of the adult population is already "stunted" by poor diet, according to the World Food Program. It is not that hard to get 14 million people into the streets if there is nothing to eat at home.
Mangelhafte - und sogar Unterernährung bis hin zum Hunger ist jetzt schon ein um sich greifendes Problem in Ägypten und man muß deutlich sehen, daß es dafür - unter ägyptischen Bedingungen (!) - keine Lösung gibt. Denn:
Zitat Nearly half of Egyptians are illiterate. Seventy percent of them live on the land, yet the country imports half its food.
Und rein finanziell gesehen ist es ein Faß ohne Boden:
Zitat Qatar has spent nearly a third of its foreign exchange reserves in a Quixotic effort to project power in Egypt
Das reiche Katar hat nun mal in der kurzen Mursi-Zeit mal eben 1/3 seiner Devisenreserven im besten Sinne des Wortes in den Sand gesetzt - und durch den Militärputsch alles verloren.
Ägypten braucht so 10-20 Milliarden $ im Jahr und das wird sich Saudi-Arabien leisten, so lange die Syrien Krise andauert. Danach wird es Ägypten fallenlassen wie eine heiße Kartoffel:
Zitat With about $630 billion in foreign exchange reserves, Saudi Arabia can carry Egypt for a couple of years while the Syrian crisis plays out.
Das einzige was man unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der MB und Mursi wirklich vorwerfen kann ist der Zusammenbruch der Tourismusindustrie. Das aber wäre früher oder später in einem von Hungerkrisen geplagten Land sowieso gekommen.
Der wirtschaftliche Reformdruck ist unzweifelhaft vorhanden. Würden diese Reformen durchgeführt gäbe es einen Aufstand der Landbevölkerung wie er wohl (mindestens zum Teil) auch Auslöser des syrischen Aufstandes war. Gleichzeitig würde eine wirtschaftliche Liberalisierung auch auf den Widerstand des Militärs treffen, das ja aktuell einen Teil der ägyptischen Wirtschaft kontrolliert. Insofern kann man den jetzt beginnenden Bürgerkrieg auch als einen Kampf um die Kontrolle der wirtschaftlichen Recourcen (Suez-Kanal, Tourismus) Ägyptens und den Putsch als Konterrevolution der Mubarak Unterstützer interpretieren.
Zitat von AldiOn im Beitrag #2Das Fiasko Ägyptens ist nicht der unzweifelhaft vorhandenen Unfähigkeit Mursis geschuldet. Es war schon vorher da. Die Gründe dafür sind hier bei Zettel...
Lieber AldiOn, in meinem Beitrag stand das nicht. Die Gründe der Wirtschafzskrise waren im Einzelnen auch gar nicht mein Thema. Es geht mir in dem Artikel um die Revolution und ihre Ziele. Um das Versäumnis der Demokratiebewegung die wirtschaftliche Freiheit zu einem Ziel zu erklären. Ich verstehe Ihre Antwort, so sie sich auf den Artikel bezieht, nicht.
Auf die Gefahr einer erneuten Themaverfehlung hin, jetzt mal eine hoffentlich nicht ganz doofe historische Frage:
Zitat von AldiOn im Beitrag #2 Mangelhafte - und sogar Unterernährung bis hin zum Hunger ist jetzt schon ein um sich greifendes Problem in Ägypten und man muß deutlich sehen, daß es dafür - unter ägyptischen Bedingungen (!) - keine Lösung gibt. Denn:
Zitat Nearly half of Egyptians are illiterate. Seventy percent of them live on the land, yet the country imports half its food.
Im Altertum war das ja ganz anders. Da war Ägypten DIE Kornkammer der Antike. Rom wurde praktisch durch Ägypten ernährt. Und dies zumindest z.T. schon, bevor Ägypten überhaupt römische Provinz wurde. Wer Ägypten kontrollierte, kontrollierte die Lebensmittelversorgung des Reichs.
Laut dem Zitat von AldiOn ist das mittlerweile nun komplett gedreht. Die Hälfte seiner Lebensmittel zu importieren ist für ein großes Land wie Ägypten schon sehr heftig. Ohne eine Quelle zu haben würde ich vermuten, dass es kaum ein anderes großes Land gibt, wo das der Fall wäre. (Zum Vergleich: Deutschland, wo heutzutage vielleicht noch 2% der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet, ist per Saldo zumindest wertmäßig ein (geringfügiger) Lebensmittel-Exporteur (Quelle: http://www.bpb.de/wissen/MVCEI4,0,0,Impo...nach_Waren.html ).
Was mich nun interessieren würde: Irgendwann in den letzten 2000 Jahren kippte also die Situation: Ägypten wurde vom größten Lebensmittelexporteur zum (vermutlich) größten -importeur. Wann war das? Geschah das schon in der Antike? Im Mittelalter? Oder erst vor wenigen Jahrzehnten? Und was war die Ursache? Klimawandel? Kulturell-religiöse Rückständigkeit? Bevölkerungswachstum, mit dem der Produktivitätswachstum in der Landwirtschaft (anders als sonst auf der Welt) aus irgendwelchen Gründen nicht mithalten konnte? Was waren ggf. die Gründe?
Zitat von Florian im Beitrag #4Auf die Gefahr einer erneuten Themaverfehlung hin, jetzt mal eine hoffentlich nicht ganz doofe historische Frage: (…) Irgendwelche Ideen?
Ganz spontan habe ich diese: Die Frage(n) nehmen und in einem der vielen Unterforen zur Diskussion stellen. Ich verstehe das nicht, lieber Florian. Warum nutzen Sie nicht die Möglichkeiten die Zettels kleines Zimmer bietet?
Zitat von Florian im Beitrag #4Im Altertum war das ja ganz anders. Da war Ägypten DIE Kornkammer der Antike. Rom wurde praktisch durch Ägypten ernährt. Und dies zumindest z.T. schon, bevor Ägypten überhaupt römische Provinz wurde. Wer Ägypten kontrollierte, kontrollierte die Lebensmittelversorgung des Reichs.
Zitat von Florian im Beitrag #4Im Altertum war das ja ganz anders. Da war Ägypten DIE Kornkammer der Antike. Rom wurde praktisch durch Ägypten ernährt. Und dies zumindest z.T. schon, bevor Ägypten überhaupt römische Provinz wurde. Wer Ägypten kontrollierte, kontrollierte die Lebensmittelversorgung des Reichs.
Genau, das Bevölkerungswachstum in Ägypten stößt auf eine Wirtschaft die dieses Potential wegen der Verkrustungen durch das Militär nicht nutzen kann. So wird es zum Youth-Bulge.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #3Es geht mir in dem Artikel um die Revolution und ihre Ziele.
Mir auch.
Nur das ich bei den Akteuren in Ägypten die hehren Ziele von denen Sie ausgehen, nicht erkennen kann. Ich halte das was wir sehen für eine (mittlerweile bewaffnete) Auseinandersetzung um die (zu knappen)Recourcen und vermute nur bei einer geringfügigen Minderheit die von Ihnen diskutierten Ziele. Deswegen der lange und von Ihnen als themenfremd empfundene Anlauf zur Darstellung der tatsächlichen Situation.
Zitat von FlorianUnd was war die Ursache?
In der von mir #2 genannte Diskussion wird von mir (besser: von Emmet Scott) diese Frage beantwortet.
Aus meiner Sicht liegt kein bzw. nur scheinbar ein Paradoxon vor. Die westlichen Demokratien liegen einem Irrtum auf. Es wird Demokratie mit Menschenrechten und Feiheit und Wohlstand gleichgesetzt. Dies ist aber falsch. In einer Demokratie können die Menschenrechte und die Freiheit der Bürger genauso eingeschränkt sein wie in einer Diktatur oder anderen Staatsformen. Demokratie bedeutet allein, dass die größte politische Gruppe die anderen Gruppen dominiert. Und genau da liegt das Problem in den meisten muslimisch geprägten Ländern. In diesen Ländern will die relative Mehrheit der Bevölkerung einen mit den Regeln des Islam konformen Staat.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #3Es geht mir in dem Artikel um die Revolution und ihre Ziele.
Mir auch.
Nur das ich bei den Akteuren in Ägypten die hehren Ziele von denen Sie ausgehen, nicht erkennen kann.
Ich gehe von keinen hehren Zielen aus, ich stelle fest, dass es die falschen sind. Also ich muss mir jetzt wirklich eine Frage verkneifen wegen der ich mir hier schon so einiges anhören musste. Aber eine gewisse Ratlosigkeit kann ich ja bekunden.
Zitat von AldiOn im Beitrag #8Ich halte das was wir sehen für eine (mittlerweile bewaffnete) Auseinandersetzung um die (zu knappen)Recourcen und vermute nur bei einer geringfügigen Minderheit die von Ihnen diskutierten Ziele. Deswegen der lange und von Ihnen als themenfremd empfundene Anlauf zur Darstellung der tatsächlichen Situation.
Ja, genau das ist mein Thema, darüber habe ich geschrieben. Wo ist jetzt noch mal die Diskrepanz? Das Paradoxon welches ich feststelle, bezieht sich auf die demokratische Ziele; die werden ad absurdum geführt, wenn deren Verfechter sich der Sicherheitskräfte "bedienen". Die wirtschaftlichen, auf Freiheit zielenden, sind gar nicht vorhanden.
Zitat von Rapsack im Beitrag #9Aus meiner Sicht liegt kein bzw. nur scheinbar ein Paradoxon vor. Die westlichen Demokratien liegen einem Irrtum auf. Es wird Demokratie mit Menschenrechten und Feiheit und Wohlstand gleichgesetzt. Dies ist aber falsch. In einer Demokratie können die Menschenrechte und die Freiheit der Bürger genauso eingeschränkt sein wie in einer Diktatur oder anderen Staatsformen. Demokratie bedeutet allein, dass die größte politische Gruppe die anderen Gruppen dominiert. Und genau da liegt das Problem in den meisten muslimisch geprägten Ländern. In diesen Ländern will die relative Mehrheit der Bevölkerung einen mit den Regeln des Islam konformen Staat.
Da möchte ich widersprechen. Die Art der Demokratie, welche die der westlichen Staaten eigen ist, wird repräsentative Demokratie genannt. Und diese sichert durch Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Grundrechte, usw. die Freiheit und Einhaltung der Menschenrechte besser als es je eine andere Ordnung vermochte. In Ägypten gab es lediglich eine halbwegs freie Wahl. Von einer repräsentativen Demokratie war und ist das Land meilenweit entfernt.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11Ich gehe von keinen hehren Zielen aus
Zitat von Erling Plaethe im BlogbeitragAuf der Agenda der Revolution standen demokratische Freiheiten.
Möglicherweise ist es dieser Satz, der zumindest mich (und wohl auch andere) irritierte.
Wahrscheinlicher ist es doch, daß es eher darum ging Mubarak loszuwerden, der danach trachtete seinen Sohn als Nachfolger einzusetzen. Und dieser wiederum stand für wirtschaftliche Liberalisierung, die naturgemäß eine Bedrohung für die Pfründe der Militärs war.
Zitat von Erling Plaethe im BlogbeitragAuf der Agenda der Revolution standen demokratische Freiheiten.
Möglicherweise ist es dieser Satz, der zumindest mich (und wohl auch andere) irritierte.
Ja, die standen da. Und dann wurden sie ad absurdum geführt. Ich messe die Revolutionäre an ihren eigenen Ansprüchen. Und stelle fest, dass sie ihnen nicht gerecht wurden - und, dass diese allein nicht zielführend bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Probleme sind. Vielleicht kommt das Missverständnis dadurch zustande, dass ich mit den Revolutionären die Mursi-Gegner meine. Das war etwas ungenau, ist aber der Tatsache geschuldet, dass diese Lippenbekenntnisse auch von den Muslimbrüdern kommen und kamen. Aber die liberalen Kräfte um ElBaradei haben in dieser Hinsicht einen wesentlich höheren Glaubwürdigkeitsfaktor. Nur mache ich mir das alles doch nicht zu eigen. Ich stelle nur Dinge fest. Nehmen wir mal an, ganz theoretisch, in der ehemaligen DDR hätten sich Extremisten der nationalsozialistischen Politik eine Mehrheit bei den ersten freien Wahlen gesichert. Wären dann die Wahlverlierer auf der Seite der Bürgerrechtler zur Stasi gerannt und hätten um Hilfe gebeten? Wohl kaum.
Zitat von AldiOn im Beitrag #13Wahrscheinlicher ist es doch, daß es eher darum ging Mubarak loszuwerden, der danach trachtete seinen Sohn als Nachfolger einzusetzen. Und dieser wiederum stand für wirtschaftliche Liberalisierung, die naturgemäß eine Bedrohung für die Pfründe der Militärs war.
Genau, da ich das aber hier schon im kleinen Zimmer ausgeführt hatte, wollte ich dies nicht noch einmal behandeln. Deshalb beließ ich es bei dem Hinweis auf die gestürzte Reformregierung von Ahmad Nazif, die von 2004-2011 regierte und bis 2008 ein beachtliches Wirtschaftswachstum von 7% erreichte. Ich kann ja dort noch einen Link setzen. Vielen Dank für die Klärung, lieber AldiOn. Es liegt selbstverständlich in meinem ureigensten Interesse verstanden zu werden.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #14Nehmen wir mal an, ganz theoretisch, in der ehemaligen DDR hätten sich Extremisten der nationalsozialistischen Politik eine Mehrheit bei den ersten freien Wahlen gesichert. Wären dann die Wahlverlierer auf der Seite der Bürgerrechtler zur Stasi gerannt und hätten um Hilfe gebeten? Wohl kaum.
Da bin ich mir nicht so sicher. Die SED-Nachfolger blieben ja auch, obwohl es der übergroßen Mehrheit der Ex-DDR-Bürger nach der Wende besser ging, bis heute ein wichtiger Teil der Politik. Mal angenommen, diese hypothetischen Extremisten nationalsozialistischer Gesinnung hätten nach ihrer Wahl den Leuten großteils nicht geschadet, - dann hätten die Wahlverlierer sich den neuen Verhältnissen halt angepasst. Aber wenn die neuen Machthaber damit begonnen hätten das Land nach ihrem Gusto umzubauen und unter den eigenen Leuten aufzuteilen, während alte Strukturen rigoros geschleift würden - inclusive Verfolgung und Unterdrückung ehemaliger Funktionäre und Mitläufer/Angepasster/Nutznießern - dann wäre mE ebenfalls die Reste des "bewährten" Machtapparats um Hilfe gebeten worden.
Der Feind meines Feindes ist eben "mein Freund", solange ich nichts besseres mit relevanter "Schlagkraft" habe.
Zitat von ZRWas dem Land fehlt, ist wirtschaftliche Freiheit und keine Revolution. Nur mit ihr gibt es einen eigenständigen Weg aus der wirtschaftlichen Krise der die Vorraussetzung für einen Weg aus der politischen Krise ist.
Das stimmt. Aber wer in Ägypten wollte diese gewährleisten? In einem Land mit 70-prozentiger Analphabetenquote, dessen einzig relevanten Machtblöcke auf militärisch-wirtschaftlicher oder wahlweise ideologisch-religiöser Legitimation beruhen? Braucht es für eine funktionierende Demokratie nicht erstmal eine wirtschaftlich halbwegs stabile Mittelschicht? Damit demokratische Machtwechsel nicht sofort in einem Wechsel der Extreme münden?
Und soetwas sehe ich, als außenstehender Beobachter, nicht in Ägypten, wie auch nicht in anderen islamischen Ländern.
Welche nennenswerten Waren und Dienstleistungen bringt man denn z.B. mit Ägypten in Verbindung? Irgendwelche Textilien "made in Egypt" sind mir schon mal untergekommen, Tourismus war mal ein Standbein ... ansonsten gibt es den Suez-Kanal und die weltberühmte al-azhar-Universität in Kairo. Da ist doch nichts, wo sich eine funktionierende Mittelschicht herausbilden könnte, die Interessen außerhalb dessen hat, was ihr der gerade machthabende Block verspricht (also "Sicherheit" unter den Waffen des Militärs, oder islamischer Friedhofsruhe unter den Gesetzen der Scharia).
Ein 80-Millionen (youthbulge-)Land ohne nennenswerte Exporte, dafür mit rückwärtsgewandter Staatsreligion und größtenteils ungebildeter Bevölkerung, in welchem auch noch sofort der Hunger ausbricht sobald die Lebensmittelversorgung von Außen stockt, ist wohl nicht unbedingt ein Kandidat für eine stabile Demokratie.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Calimero im Beitrag #15Welche nennenswerten Waren und Dienstleistungen bringt man denn z.B. mit Ägypten in Verbindung? Irgendwelche Textilien "made in Egypt" sind mir schon mal untergekommen, Tourismus war mal ein Standbein ... ansonsten gibt es den Suez-Kanal und die weltberühmte al-azhar-Universität in Kairo. Da ist doch nichts, wo sich eine funktionierende Mittelschicht herausbilden könnte, die Interessen außerhalb dessen hat, was ihr der gerade machthabende Block verspricht (also "Sicherheit" unter den Waffen des Militärs, oder islamischer Friedhofsruhe unter den Gesetzen der Scharia).
Ein 80-Millionen (youthbulge-)Land ohne nennenswerte Exporte, dafür mit rückwärtsgewandter Staatsreligion und größtenteils ungebildeter Bevölkerung, in welchem auch noch sofort der Hunger ausbricht sobald die Lebensmittelversorgung von Außen stockt, ist wohl nicht unbedingt ein Kandidat für eine stabile Demokratie.
Ein Land, dessen Fläche nur zu einem winzigen Teil landwirtschaftlich genutzt werden kann, wird wohl immer auf Lebensmittelimporte angewiesen sein - egal mit welcher Staatsform.
Die wenige Landwirtschaft, die man dort hat, konzentriert sich heutzutage wohl auch eher auf exportierbare Produkte; ich sehe im Supermarkt jedenfalls regelmäßig Früchte und Gemüse aus Ägypten.
Und man arbeitet daran, die nutzbare Fläche auszudehnen; hier ein schöner Satellitenbild-Vergleich, den ich zufällig gerade bei der Nasa gefunden habe: http://climate.nasa.gov/state_of_flux#Ni...ase_930x380.jpg Die Neugewinnung finde ich doch sehr beachtlich!
Zitat von Rapsack im Beitrag #9Demokratie bedeutet allein, dass die größte politische Gruppe die anderen Gruppen dominiert.
...und das die anderen Gruppen davon ausgehen können, daß es der größten Gruppe um den maximalen Wohlstand für alle geht.
Dies verstehe ich nicht. Mir erschließt nicht warum den ""maximalen Wohlstand für alle". Ich sehe nicht dass es der herschenden Gruppe zwingend überhaut um Wohlstand gehen muss. Gerade bei religös dominierten Gtruppen wie den Muslimbrüdern in Ägypten etc. muss das überhaupt nicht Ziel sein. Und erst recht nicht, wenn Wohlstand schon das Ziel der herschenden Gruppe ist, muss diese Wohlstand für alle wollen.
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #16Ein Land, dessen Fläche nur zu einem winzigen Teil landwirtschaftlich genutzt werden kann, wird wohl immer auf Lebensmittelimporte angewiesen sein - egal mit welcher Staatsform.
Warum eigentlich und was meinen Sie mit Staatsform?
Als Laie werde ich mir keine Einschätzung der ägyptischen Landwirtschaft anmaßen. Beim Überfliegen von wiki hat man nur einen etwas "altertümlichen" Eindruck, es wird relativ viel importiert. Wasser, Sonne, etwas Nutzfläche, Personal ist vorhanden, Eßlust. Was fehlt eigentlich - meinetwegen im Vergleich zu Israel? Oder, als anderes Beispiel: Warum hungern die Nordkoreaner, während es den Landsleuten südlich relativ blendend geht?
Wie schon angedeutet, ich würde weniger (fatalistisch) auf die aktuellen Naturbedingungen und eher auf den marktwirtschaftlichen Rahmen, freies Unternehmertum und sicheres Eigentum sehen.
mfG
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Zitat von Hausmann im Beitrag #18ich würde weniger (fatalistisch) auf die aktuellen Naturbedingungen und eher auf den marktwirtschaftlichen Rahmen, freies Unternehmertum und sicheres Eigentum sehen.
Da bin ich ganz bei Ihnen, werter Hausmann!
Als fatalistisch betrachte ich meine Haltung allerdings nicht, eher als realistisch im Sinne von die Naturbedingungen anerkennend - und auch die Leistungen anerkennend, die da zur Gewinnung von Nutzflächen offensichtlich unternommen wurden; siehe meine Links zu den Satellitenbildern oben.
Zum Vergleich: - Deutschland hatte 2011 eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 48 %, - Israel von 24,1 %, - Südkorea von 18,1 %, - Nordkorea von 21,2 %
und
- Ägypten von 3,7 %.
Das ist ein Fakt, um den man nicht herumkommt - wie gesagt, egal innerhalb welchen politischen Systems.
Aber ich will, da ebenfalls Laie, gar nicht auf diesem Nebenthema herumreiten: Mein kleiner Schlenker entsprang ausdrücklich meiner naiven Begeisterung für die verlinkte Nasa-Seite.
Auch dort werden 3% der Fläche als landwirtschaftlich nutzbar angegeben. Allerdings mit dem Hinweis, das dort zwei oder sogar drei Ernten im Jahr möglich sein sollen.
Leider ist die deutsche Wikipedia Seite typischerweise mal wieder etwas herablassend gefärbt. Man sehe sich nur die Bilder zur Landwirtschaft an.
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #19Zum Vergleich: - Deutschland hatte 2011 eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 48 %, - Israel von 24,1 %, - Südkorea von 18,1 %, - Nordkorea von 21,2 %
und
- Ägypten von 3,7 %.
Der Vergleich ist abwegig. Zunächst mal ist Ägypten erheblich größer als Deutschland. Dann müssen Sie bedenken, daß die zur landwirtschaftlichen Produktion geeigneten Teile Deutschland (1/3 ist Wald(!)) nur etwas größer als das ganze Nildelta ist (und Ägypten ist fruchtbar entlang weiter Teile des Nil). Die natürlichen Bedingungen in den fruchtbaren Teilen Ägyptens (die in etwa die gleiche Größe wie Deutschland haben) sind sogar sehr viel besser als in Mitteleueropa, weil es eine praktisch ununterbrochene Wachstumperiode gibt.
Darüber hinaus arbeiten in Deutschland nur eine geringe Zahl von Menschen in der Landwirtschaft (im unteren einstelligen Prozentbereich) - in Ägypten 70%. Eine technisch durchaus mögliche Modernisierung der ägyptischen Landwirtschaft würde eine gewaltige Menge an Arbeitskräften freisetzen - politisch überhaupt nicht durchsetzbar. Das ist in Syrien versucht worden und ist einer (möglicherweise sogar gewichtiger: Asia Times Online :: Middle East News Food and Syria's failure) von mehreren Gründen für die aktuelle Situation dort. Das Problem ist faktisch unlösbar und es läßt sich ohne großes Risiko darauf wetten, daß sogar die Älteren von uns noch miterleben werden, wie es in Ägypten zu einer schlimmen Hungerkatastrophe kommt.
Es ist eher die Frage warum das noch nicht der Fall geworden ist. Ganz einfach: Die strategische Lage mit Suez-Kanal und Israel führt immer wieder zu windfall profits wie Subsidienzahlungen (SU, USA, jetzt die Golfstaaten) und Tourismus (Pyramiden). Die WHO rechnet damit, daß in den 2020er Jahren Ägypten 100 Millionen Einwohner haben wird. Ich glaube nicht, daß das passieren wird, weil es rein technisch nicht möglich sein wird eine derartige Menge von Menschen von außen zu ernähren - selbst wenn sich dann noch jemand finden wird das zu bezahlen.
Zitat von AldiOn im Beitrag #22Darüber hinaus arbeiten in Deutschland nur eine geringe Zahl von Menschen in der Landwirtschaft (im unteren einstelligen Prozentbereich) - in Ägypten 70%.
Zitat von AldiOn im Beitrag #22Die WHO rechnet damit, daß in den 2020er Jahren Ägypten 100 Millionen Einwohner haben wird. Ich glaube nicht, daß das passieren wird, weil es rein technisch nicht möglich sein wird eine derartige Menge von Menschen von außen zu ernähren - selbst wenn sich dann noch jemand finden wird das zu bezahlen.
Ja, der Schub muß von innen kommen, durch "Entfesselung" des Kapitalismus, lyrisch gesagt. Wie hat China diesen großen Sprung geschafft?
Gruß
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Ich möchte der These im Artikel widersprechen, islamische Parteien hätten die Wahl gewonnen, weil sie gut organisiert seien. Das mag auch der Fall sein, die Kernursache ist aber die, dass die Mehrheit der Ägypter islamisch-fundamentalistische Politik wünscht. 2010 waren in einer Umfrage 84% der ägyptischen Moslems für die Steinigung von Ehebrechern, 82% für die Todesstrafe bei Abfall vom Islam, 54% waren für Geschlechtertrennung am Arbeitsplatz und nur 46% hielten Selbstmordanschläge nie für gerechtfertigt. Selbst wenn man von einer beträchtlichen Fehermarge der Umfrage ausgeht, die Tendenz ist genauso eindeutig wie erschreckend. http://www.pewglobal.org/2010/12/02/musl...-and-hezbollah/
Es fällt auf, dass islamisch-arabische Staaten generell sehr rückständig sind, ökonomisch wie gesellschaftlich. Wenn sie relativen Wohlstand hinbekommen, dann nur mit Bodenschätzen und ausländischen Arbeitskräften. Nur der Libanon passt nicht ganz ins Bild, hat aber auch einen beträchtlichen Christenanteil. Ich denke, nicht nur die fehlende wirtschaftliche Freiheit, sondern vor allem der Kulturkreis ist das Problem. Möglicherweise gibt es auch genetische Ursachen (wo es auch einen Zusammenhang geben kann, Ehen unter Verwandten sind im arabischen Raum weit häufiger als anderswo). Hätten z. B. Singapur und Hong Kong so einen Aufstieg hingelegt, wenn sie weit überwiegend von islamischen Arabern statt von Chinesen bewohnt wären? Ich bin mir absolut sicher, dass die nicht der Fall gewesen wäre.
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