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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 29 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Am_Rande Offline




Beiträge: 196

09.10.2013 13:14
#26 RE: Von Wölfen und Schafen Antworten

Sehr verehrter „Elmar“,

ein - meiner Meinung nach - interessanter Aspekt ist noch dieser:

Zitat
Frequently, critics following the Norman Yoke model would claim Alfred the Great or Edward the Confessor as models of justice.
In this context, Magna Carta is seen as an attempt to restore pre-conquest English rights, if only for the gentry.
When Sir Edward Coke reorganised the English legal system, he was keen to claim that the grounds of English common law were beyond the memory or register of any beginning and pre-existed the Norman conquest.
He did not use the phrase "Norman Yoke" however.


Quelle


Dazu passt auch dieser englische Witz:

Zitat
Snob: I suppose you know, my ancestors came over with William the Conqueror?

John Smith: Yes indeed. Since mine were here waiting for you."



Auf diesen Gegensatz von normannischer Fremdherrschaft und angelsächsischer, friedvoller Urbevölkerung wird - bei Gelegenheit(!) - immer wieder gerne angespielt.

Vielleicht sollte man auch einmal überlegen, dass eine Übersezung des Wortes "demokratisch" im Deutschen durchaus "völkisch" sein könnte...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

09.10.2013 14:13
#27 RE: Von Wölfen und Schafen Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #26
Gegensatz von normannischer Fremdherrschaft und angelsächsischer, friedvoller Urbevölkerung

Fremdherrschaft stimmt auf jeden Fall - viel krasser als sonst im damaligen Europa üblich.
Aber friedvolle angelsächsische Urbevölkerung stimmt so überhaupt nicht. Die normannische Eroberung hatte schon einen gewissen zivilisierenden Effekt (durchaus auch eine Vorstufe zur Ausbildung des Rechtsstaats). Beispielsweise geriet der bei den Angelsachsen übliche politische Mord als Mittel von Macht- oder Thronstreitigkeiten weitgehend außer Gebrauch.

Von "an attempt to restore pre-conquest English rights" kann bei der Magna Charta aber überhaupt keine Rede sein.
Alleine schon deshalb, weil die revoltierenden Barone allesamt Franzosen waren und mit den angelsächsischen Traditionen überhaupt nichts am Hut hatten.

Vielmehr wollten sie "zurück" zu gewissen Freiheitsrechten bzw. Adelsprivilegien (der Unterschied ist hier vernachlässigbar), die bei allen germanischen Staaten auf dem Kontinent und eben vor 1066 auch in England üblich waren. Mit anderen Worten: Sie wollten es wieder so haben wie aus Frankreich gewohnt.

Denn der englische König hatte ja bis dahin eine unüblich starke Stellung, weil Wilhelm der Bastard sich eben nicht als angelsächsischer König hatte krönen lassen und die entsprechende Tradition übernahm, sondern als Eroberer England quasi als private Beute in Anspruch nahm. Und seine Mitstreiter bekamen als Vasallen Teile der Beute, in völliger Abhängigkeit vom König und ohne die ererbten Eigenrechte normaler Adliger.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

09.10.2013 15:10
#28 RE: Auch ein Rechtsstaat macht noch keinen Frühling Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #25
Sehr verehrter „Uwe Richard“,

zu Ihrem Beitrag:

Zitat
Dazu Doedings obiges Zitat:
»Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme.«
das ich sofort unterschreibe.


Vielleicht erlauben Sie mir, Sie auf ein meiner Meinung nach sehr interessantes Buch zu diesem Thema hinzuweisen?

From Liberty to Democracy: The Transformation of American Government; von Professor Randall G. Holcombe aus dem Jahr 2002.

Es beschreibt äußerst anschaulich, wie das Regierungssystem der USA von seinen sehr undemokratischen Anfängen – so gab es zu Anfang keine Direktwahl von Exekutive, Legislative und Judikative – bei einem Stimmrecht nur für eine kleine Minderheit - durch die Jahrhunderte zu einem immer demokratischeren System geworden ist.

Und wie dabei die Freiheitsrechte des Individuums – notwendigerweise – immer weiter eingeschränkt wurden.

Eine Buchkritik aus Klassisch Liberaler Sicht finden Sie als PDF hier.

Daraus:

Zitat
As an exercise in American political history, the book, which does not assume any specialized training and can be read by anyone interested in political history, presents a welcome antidote to such overly optimistic accounts as can be found in Francis Fukuyama’s The End of History and the Last Man (1992). […]Since in other countries, especially in the European Union, the foundations of government have been pushed even further toward democracy as opposed to liberty, it is no exaggeration to assert that the relevance of the book’s main theme and conclusions is not confined to the United States. No doubt the book will go on finding a wide readership.



Ich hoffe es...




Dass die jungen USA, zumindest in den ersten Dekaden ein anarchisches System waren, ist mir bekannt. Und wenn ich damals zu den Privilegierten gehört hätte, hätte ich auch damit gut leben können, mein lieber Am_Rande [1].

Das von Ihnen empfohlene Buch wird stante pede in meine Bibliothek eingereiht werden.


[1] Auch ich kann Gänsefüsschen …

Ergänzung (09.10.13, 15:55h): Der auf den ersten Blick erscheinende Widerspruch zwischen anarchisch und privilegiert ist nur ein scheinbarer.

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Florian Offline



Beiträge: 3.180

09.10.2013 15:39
#29 RE: Von Wölfen und Schafen Antworten

@R.A.:

Zitat

Vielmehr wollten sie "zurück" zu gewissen Freiheitsrechten bzw. Adelsprivilegien (der Unterschied ist hier vernachlässigbar), die bei allen germanischen Staaten auf dem Kontinent und eben vor 1066 auch in England üblich waren. Mit anderen Worten: Sie wollten es wieder so haben wie aus Frankreich gewohnt.

Denn der englische König hatte ja bis dahin eine unüblich starke Stellung, weil Wilhelm der Bastard sich eben nicht als angelsächsischer König hatte krönen lassen und die entsprechende Tradition übernahm, sondern als Eroberer England quasi als private Beute in Anspruch nahm. Und seine Mitstreiter bekamen als Vasallen Teile der Beute, in völliger Abhängigkeit vom König und ohne die ererbten Eigenrechte normaler Adliger.



Gibt es denn nicht (auch auf dem Kontinent) beides parallel?

Also einerseits (1) "alteingessesene" Adlige, die ihre Rechte nicht vom König verliehen bekommen hatten, sondern diese vergleichbar lange hatten wie der König selbst. Also z.B. im Deutschland des 10. Jahrhunderts die Herzöge. Aus deren Sicht ist der König eine Art princeps inter pares.

Und dann aber auch (2) echte Vasallen. Also Männer, denen der König für besondere Verdienste Land und Titel verlieh. Teilweise sogar ehemalige Unfreie, oft sicher auch zweite oder dritte Söhne von Adligen, die sich militärisch oder durch Dienst am Hof auszeichneten.
Das dafür notwendige Land kam teilweise aus (a) militärischen Eroberungen, (b) teilweise aus eingezogenen Gütern von Reichsfeinden, (c) teilweise aus den königlichen Erblanden.
(Im Fall c ging es gar nicht immer nur darum, Verdienste zu honorieren. Sondern oft auch schlicht um eine effiziente Administration. Die Kommunikationswege waren langsam. Da war es ggf. einfacher, eine entlegene Burg durch einen selbständigen Adligen administrieren zu lassen und nicht durch einen unselbständigen Vogt.)

Die unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Adelsgeschlechter dürfte aber in der Praxis meist keine große Rolle für die Stellung gegenüber dem König gespielt haben.
Auch durch Variante (2) entstandene Lehen waren ja i.d.R. erblich und konnten faktisch z.B. nicht einfach nach Gutdünken des Königs entzogen werden. Andererseits hatte auch ein alteingessesener Adliger vom Typ (1) den Lehenseid zu leisten und war zumindest nominell zur Treue verpflichtet. Auch ein solches Lehen konnte bei grober Untreue ggf. entzogen werden (siehe z.B. den prominenten Fall Heinrich der Löwe).

Dass im Falle Englands nach 1066 der Fall 2a dominierte, lag in der Natur der Sache.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.10.2013 12:34
#30 RE: Von Wölfen und Schafen Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #29
Gibt es denn nicht (auch auf dem Kontinent) beides parallel?

Richtig, auf dem Kontinent war es normalerweise eine Mischung: Ein Vasall hatte Eigengut, und er hatte vom Lehnsherr empfangene Lehensgüter.

Das Eigengut konnte der König fast nicht angreifen. Heinrich der Löwe hat zwar seine Herzogtümer verloren, aber der ganz umfangreiche Privatbesitz blieb in der Familie (und wurde später für die Bildung des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg mitverwendet).

Das Lehnsgut wurde zwar erblich und damit recht fest im Zugriff der jeweiligen Familie, aber der Rechtsstatus als Lehen blieb in der Regel über viele Jahrhunderte erhalten und war allen Beteiligten bewußt. Was bei fehlenden direkten Erben dem König auch immer wieder die Möglichkeit bot, das Lehen als erledigt einzuziehen und neu zu verwenden.

Zitat
Und dann aber auch (2) echte Vasallen. Also Männer, denen der König für besondere Verdienste Land und Titel verlieh. Teilweise sogar ehemalige Unfreie, ...


Richtig, es wuchsen immer wieder Leute in die Vasallenschicht nach. Die dann mit wenig, manchmal gar keinem, Eigenbesitz starteten. Solchen aber oft in den nächsten Generationen dazu erwerben konnten. Wer als einfacher Ritter auf dem reinen Lehnsbesitz reduziert blieb, spielte keine große Rolle und wäre bei so etwas wie Runnymede nur Statist gewesen.

Zitat
Die unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Adelsgeschlechter dürfte aber in der Praxis meist keine große Rolle für die Stellung gegenüber dem König gespielt haben.


Richtig.
Wichtig war letztlich nur, welche Stellung bzw. welchen Besitz die Familie insgesamt vorweisen konnte. Und da haben sie in Kontinentaleuropa einige Jahrhunderte Vorgeschichte, in Sachsen noch viel länger. Das bedeutet viele Generationen an Besitzsammlung, Mitgiften, Vererbungen incl. mancher Aneignung von Königsgut - das ging im frühen Mittelalter noch deutlich leichter.

Die Magna Charte war dagegen nur einige Generationen nach 1066. Zeit genug also für die Adelsfamilien, um sich als eigene Machtfaktoren zu fühlen - aber noch nah genug an der Eroberung, daß formal der König noch fast komplette Durchgriffsrechte hatte.

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