Tja, wenn das Volk satt ist oder blind oder - blöd, da kommt einem doch ab und an der Gedanke an einen weisen oder zumindest guten König ...
Vielleicht erleben wir ja noch, wie sich der <demos> allenthalben in Europa besinnt und dem Modell in Brüssel, an dem Frau Wagenknecht ja doch wohl Gefallen findet, eine Absage erteilt, etwa nach dem niederländischen Motto "So viel Europa wie nötig, und so viel Nation wie möglich".
Und wenn dann auch wieder als verwerflich gilt, Verträge zu brechen und Recht zu missachten, hat Europa und haben die Europäer wohl doch noch eine Chance, dem gegenwärtigen Abbau der Gültigkeit des Rechts und der Pervertierung der Idee eines geeinten Europa ein Ende zu setzen.
Aber das wird wohl noch dauern - nach dem Wahlausgang!
weil es meiner Meinung nach so gut passt, möchte ich (ermeut) auf einen der ganz großen Denker des Klassischen Liberalismus, Herbert Spencer, hinweisen. Er schrieb schon 1884 unter der Überschrift "The Great Political Superstition“ – „Der große politische Aberglaube":
Zitat Der große politische Aberglaube der Vergangenheit war der Glaube an das göttliche Recht der Könige.
Der große politische Aberglaube der Gegenwart ist der Glaube an das göttliche Recht der Parlamente. Das Öl der Salbung scheint unversehens vom Haupt des Einzigen auf die Häupter der Vielen getropft zu sein, und gibt nun seine Heiligkeit diesen und ihren Erlassen. […]
Wenn diese “Göttlichkeit “, die “einen König schirmt”, und die eine Aura um die Körperschaft hinterlassen hat, die den König beerbt hat, wenn diese Göttlichkeit verschwunden sein wird – wenn man anfangen wird zu sehen, dass in einer vom Volk regierten Nation, die Regierung nur ein Komitee ist, das mit der Geschäftsführung beauftragt wurde; so wird man auch sehen, dass dieses Geschäftsführung-Komitee keine höhere Autorität hat. Die unausweisliche Schlussfolgerung wird sein, dass die Autorität des Komitees von dessen Wählerschaft herstammt, und dass auch die Grenzen seiner Autorität von dieser Wählerschaft bestimmt werden. Damit einhergehen wird die Einsicht, dass die Gesetze, die dieses Komitee erlässt, nicht aus sich selbst heraus heilig sind, sondern dass alle Unantastbarkeit, die diese Gesetze haben mögen, aus ihrer ethischen Rechtfertigung herstammt – eine ethischen Rechtfertigung, die, wie gezeigt wurde, aus den Gesetzmäßigkeiten eines menschenwürdigen Lebens, wie es in gesellschaftlichen Umständen stattfindet, abgeleitet werden kann. Und damit einhergehen wird die Schlussfolgerung, dass, wenn diese Gesetze diese ethische Rechtfertigung nicht aufweisen, sie auch keine Unantastbarkeit aufweisen – und dass sie damit zu Recht angefochten werden können.
Die Aufgabe des Liberalismus in der Vergangenheit war es, der Gewaltausübung der Könige Grenzen zu setzen. Die Aufgabe des echten Liberalismus in der Zukunft wird es sein, der Gewaltausübung der Parlamente Grenzen zu setzen.
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Der ganze Aufsatz - geschrieben in einem wunderbar klaren Englisch - ist in der Sammlung von Spencers Schriften „The Man versus the State“ enthalten. Der selbst brillante Klassische Liberale Henry Hazlitt hat über dies Buch einst gesagt:
Zitat "One of the most powerful and influential arguments for limited government, laissez faire and individualism ever written."
Es gibt eine sehr schöne, bibliophile Ausgabe dieses Werkes, herausgegeben vom amerikanischen „Liberty Fund“.
Vielleicht ja eine Geschenkidee für den einen oder anderen Freiheitsfreund hier in ZKZ..?
Zitat Demokratie ist zunächst nichts anderes als die Herrschaft der Mehrheit.
Vielleicht genauer "einer Mehrheit". Von relativer Mehrheit bis zur Einstimmigkeit ist ja vieles an Mehrheiten denkbar. Einstimmige Entscheidungen sind besonders interessant, weil sie immer Pareto-Verbesserungen sind. Im Grunde ist Demokratie unter dem Einstimmigkeitsprinzip gar keine Herrschaft mehr, sondern --hach!-- reine Harmonie! Umverteilung wäre nicht möglich. Freiheitsbeschränkungen einzelner wären nicht möglich. Man kann also sagen, je strenger die Anforderungen an eine Mehrheit, desto freiheitlicher die Demokratie.
Insofern ist die Wagenknecht'sche Demokratie näher an der Oligarchie, als es ihr lieb sein mag.
Hierzulande muss man sich keine Sorgen machen, dass die Wölfe eine Tyrannei der Mehrheit errichten. Hier wählen und zählen die Schafe.
Sie wählen sich eine vielschichtige Hirtokratie und plädieren für mehr Hunde (die dann allerdings nur die weißen Schafe maßregeln). Besonders kluge und aufgeklärte Schafe lassen sich einreden, dass Gras total ungesund ist und fremde Kostgänger auf der eigenen Weide eine kulturelle Bereicherung darstellen. Währenddessen blenden sie auch noch aus, dass die Hirtokraten die Heuernte der nächsten Dekaden schon munter in alle Welt verschenkt oder verpfändet haben.
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Das sind ganz grundsätzlich keine sich gegenseitig stützenden Prinzipien. Sondern sie stehen ganz grundsätzlich im Gegensatz zueinander.
"Rechtsstaat" bedeutet nämlich gerade den Schutz des Individuums vor der Mehrheit. Die Mehrheit braucht keine Grundrechte. Ihre Position ist auch ohne Grundrechte nicht in Gefahr. Die Grundrechte dienen dem Schutz der Minderheit. Der Rechtsstaat zähmt also die Demokratie.
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In gewisser Weise haben wir hier ein rein semantisches Problem. Denn es ist in der deutschen Sprache oft unklar, ob ein Adjektiv die Bedeutung des Substantivs erweitert oder einschränkt oder ob nur klargestellt werden soll, was der Wesenskern des Substantivs ist.
Der Begriff "demokratischer Rechtsstaat" sollte nicht so verstanden werden, dass ein Rechtsstaat quasi automatisch demokratisch ist. Sondern so, dass es eine bestimmte Ausprägung des Rechtsstaats gibt, die zugleich demokratisch ist. Wobei diese Begriffe sich gegenseitig eher beschränken.
Ganz anders z.B. übrigens beim oft und gerne falsch verstandenen Begriff "soziale Marktwirtschaft". Erhard hat das NICHT so verstanden, dass die Marktwirtschaft durch eine soziale Komponente gemildert werden sollte. Sondern so, dass Marktwirtschaft als solche sozial ist.
Ganz anders z.B. übrigens beim oft und gerne falsch verstandenen Begriff "soziale Marktwirtschaft". Erhard hat das NICHT so verstanden, dass die Marktwirtschaft durch eine soziale Komponente gemildert werden sollte. Sondern so, dass Marktwirtschaft als solche sozial ist.
Nun, für gewisse Sozialversicherungen war er auch.
Ganz anders z.B. übrigens beim oft und gerne falsch verstandenen Begriff "soziale Marktwirtschaft". Erhard hat das NICHT so verstanden, dass die Marktwirtschaft durch eine soziale Komponente gemildert werden sollte. Sondern so, dass Marktwirtschaft als solche sozial ist.
Nun, für gewisse Sozialversicherungen war er auch.
Ja, klar. Ist auch kein Widerspruch.
Erhard war der Meinung (wenn ich das richtig verstehe), dass Marktwirtschaft zu einem Maximum an Wohlstand für die gesamte Gesellschaft führt. Und dieser Wohlstand kann dann verwendet werden, um ein soziales Ergebnis herbeizuführen.
Also: einen sozialen Zustand erreicht man DURCH die Marktwirtschaft. Und nicht: einen sozialen Zustand erreicht man dadurch, dass man die Marktwirtschaft durch sozial motivierte Einschränkungen bändigt.
Zitat von Llarian im Beitrag #1Anlässlich des dritten Oktobers habe ich mir mal ein paar Gedanken zur Demokratie gemacht.
Lieber Llarian,
Das Beispiel mit den Wölfen und den Schafen hatten Sie schonmal im Forum gebraucht, und es hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Wobei ich glaube, daß heute eher die Situation ist, daß die Schafe den Wölfen einen Veggie-Tag vorschreiben wollen, und da die armen Schafe ja eine bedrohte Minderheit sind...aber das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt ist: Sie trennen nach meinem Dafürhalten zu stark zwischen einer Verfassung, die die Rechte des Einzelnen bewahrt und dem demokratischen (Wahl)system. Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme. Anders gesagt (und der hat nen langen Bart): Demokratie ist kein optimales System, aber wir haben kein besseres.
Zitat von DoedingAlle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme. Anders gesagt (und der hat nen langen Bart): Demokratie ist kein optimales System, aber wir haben kein besseres.
Herzliche Grüße, Andreas
Aber man sollte was gut war innerhalb des Systems tunlichst erhalten und nicht im immer stärker werdenden Maße persönliche Freiheiten kürzen und beschneiden. Das ist aber leider der Fall.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von DoedingAlle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme. Anders gesagt (und der hat nen langen Bart): Demokratie ist kein optimales System, aber wir haben kein besseres.
Herzliche Grüße, Andreas
Aber man sollte was gut war innerhalb des Systems tunlichst erhalten und nicht im immer stärker werdenden Maße persönliche Freiheiten kürzen und beschneiden. Das ist aber leider der Fall.
Liebe Nola, Zustimmung soweit. Allerdings: wer entscheidet, was "gut war innerhalb des Systems"? Ist schon ein Dilemma, denke ich. Wie gesagt, es ging mir um die Frage, welches pol. System mehr Freiheitsrechte garantiert. Müßte nicht auch ein "Nachtwächterstaat", wie von Llarian skizziert, gewählt bzw. demokratisch legitimiert werden, um nicht diktatorisch installiert zu werden? Oder sollte er etwa diktatorisch installiert werden?
Zitat von Doeding im Beitrag #9 Sie trennen nach meinem Dafürhalten zu stark zwischen einer Verfassung, die die Rechte des Einzelnen bewahrt und dem demokratischen (Wahl)system. Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme.
Das ist einerseits durchaus richtig, lieber Herr Döding, man muss nur aufpassen, dass man daraus nicht den Umkehrschluss zieht. Richtig ist, dass alle heute existierenden Rechtsstaaten auch Demokratien sind. Nicht richtig ist, dass alle Demokratien auch Rechtsstaaten sind. Die Demokratie folgt dem Rechtsstaat auf dem Fuße, umgekehrt ist das nicht richtig. Deswegen nützt es meines Erachatens nach wenig immer so nach Demokratie zu rufen, die Demokratie ist für sich erst einmal wertfrei. Wir müssten nach dem Rechtsstaat rufen. Vielleicht eine kleine Analogie dazu: Es gibt keinen Rechtsstaat ohne Polizei. Jemand wird benötigt, der die Rechte der Bürger auch verteidigt. Aber die Polizei macht keinen Rechtstaat und ein Polizeistaat ist eher das Gegenteil eines Rechtsstaates.
Zitat Anders gesagt (und der hat nen langen Bart): Demokratie ist kein optimales System, aber wir haben kein besseres.
Ja, der Herr Churchill ist immer gerne genommen. Ich hatte auch überlegt, ob ich das Zitat nicht mit diskutieren sollte. Ich habe es gelassen, weil es meine zentrale Überlegung eher in den Hintergrund rückt: Ich will sicher nicht der Diktatur das Wort reden. Oder der Monarchie oder gar der Anarchie. Ich bin weder ein Spinner noch ein Anhänger des "wohlmeinenden Diktators". Aber ich bin eben auch kein besonderer Anhänger der Demokratie, zumindest in keinem größeren Maß als ich ein Anhänger der Polizei (siehe oben), der Feuerwehr oder der Bundeswehr bin. Ich denke nur, wir sollten sehr vorsichtig damit sein, eine bestimmte Herrschaftsform, die oftmals mit einer viel wichtigeren Idee, der Rechtsstaat, zusammen auftritt, als größtmögliche Legitimation für staatliches Handeln betrachten. Will sagen: Demokratie ist (zumindest bisher) die Folge von Rechststaaten, nicht die Ursache.
Wenn Leute wie beispielsweise Wagenknecht die Demokratie anrufen, dann meint sie damit keinen Rechtsstaat westlicher Prägung sondern eher etwas was man als stalinistische Gewaltdemokratie bezeichnen müsste. Nur hat sie damit auch völlig recht, das ist durchaus demokratisch. In der DDR gab es keine freien Wahlen, weil man das Risiko nicht eingehen wollte. Aber stellen wir uns mal vor, es hätte welche gegeben. Wäre es so unwahrscheinlich, dass eine Mehrheit der Wähler eben keine Probleme damit hätte, wenn man "Republikflüchtlingen" (alles Verräter) in den Rücken schiessen würde ? Ist zwar eine andere Diskussion, aber nach meinem Dafürhalten wurde die Mauer nicht gebaut um 16 Millionen Menschen einzukerkern, sondern um vielleicht die fünf Millionen einzukerkern, die für sich eine Chance wo anders sahen. Und da kann es durchaus demokratisch sein, dass die neun Millionen anderen eine Mauer bauen. Und nein, ich will hier niemandem von den neun Millionen eine Schuld unterschieben, die sie nicht haben. Die DDR WAR eine Diktatur. Es geht mir hier nur um ein "was wäre wenn". In seichterem Maß habe ich schon ähnliche Überlegungen im heutigen Deutschland gehört: Viele Auswanderer (also auch so Verräter) sind ja recht gut ausgebildet. Eigentlich müssten die doch was abgeben, wenn sie ihre tolle Ausbildung, die ja der deutsche Staat ermöglicht und finanziert hat, einfach mitnehmen. Warum sollte man es Auswanderern erlauben, ihre Ersparnisse mitzunehmen ? Die könnte man doch satt wegbesteuern. Und hier stelle ich die selbe Frage: Glauben Sie dafür würde man keine Mehrheit bekommen ? Ich denke eher schon.
Der Weise spricht: "Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht; gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen." (Lunyu, Kap. 13)
Im Sinne des Konfusionismus also: der Terminus "Monarchie" meint hier "absolute", nicht "konstitutionelle". (Falls es zu einem Nord- bzw. "Hanse"-Euro kommen sollte, wären die meisten im Währungsverbund Verbliebenen so verfaßt.) Sondern Angela I., die den Rio Reiser geben könnte, ganz nach Lichtenberg: "Ich mögte nur einen einzigen Tag König von Preußen sein, ich wollte die Berliner zausen." (Sudelbuch E306)
Wer aus der englischen Literaturtradition kommt, für den ist allerdings die Demokratie nicht eine Hirtokratie von Schäflein (klappt da in deutscher Traditionslinie evt. 1 bisserl Nietzsche & Co. nach?); man weiß dort, daß es sich um eine satanische Erfindung handelt. Der Bezugsort lautet dort nicht Glennkill, sondern Paradise Lost (1667). (Man kann das mgw. wörtlicher nehmen, als es zunächst scheint: Miltons Konzeption des Werks fällt in die Spätzeit Cromwells, den er, ganz vorsichtig gesagt, nicht schätzte.) Im Epos stehen die Teufel/Ex-Engel, nachdem der unliebe Gott sie aus dem Himmel geworfen hat, vor dem Problem, daß sie keinerlei Ordnung & Gesetz haben (Gott ist Gesetz & Ordnung; wo sie sind, ist per definitionem gottlose Vakanz: "Which way I fly is hell; myself am hell", IV, 75); jeder will nur für sich. Um irgendetwas auf die Füße stellen zu können (avisiertes Endziel ist natürlich die Rückeroberung des Himmels) bilden sie schließlich ein Parlament, in dem Satan nur den Vorsitz hat, jeder Dämon aber (er inbegriffen) für seine Pläne & Ansichten eloquent werben muß, um Stimmen zu erlangen. Schließlich traut keiner dem anderen. (Daß das dem Verfasser Gelegenheit gibt, rhetorisch zu glänzen - "Steig mal auf den Tisch & mach mal" - ist reiner Zufall.) Die Kehrseite ist dabei eingebaut: daß sich die Parteien gern gegenseitig blockieren. Deswegen brauchen sie ja so lang (Buch 4-8), um der von oben eingeleiteten Großen Transformation (Schöpfung der Erde & des Menschen) etwas entgegenzusetzen; bis die Schlange den Apfel anbietet, ist diese Baustelle ja schon TÜV-abgenommen: "God saw, Surveying his great Work, that it was good." (VII, 45)
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #14Der Weise spricht: "Wenn die Begriffe nicht richtig sind, so stimmen die Worte nicht; stimmen die Worte nicht, so kommen die Werke nicht zustande; kommen die Werke nicht zustande, so gedeiht Moral und Kunst nicht; gedeiht Moral und Kunst nicht, so treffen die Strafen nicht; treffen die Strafen nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen." (Lunyu, Kap. 13)
Im Sinne des Konfusionismus also: der Terminus "Monarchie" meint hier "absolute", nicht "konstitutionelle". (Falls es zu einem Nord- bzw. "Hanse"-Euro kommen sollte, wären die meisten im Währungsverbund Verbliebenen so verfaßt.) Sondern Angela I., die den Rio Reiser geben könnte, ganz nach Lichtenberg: "Ich mögte nur einen einzigen Tag König von Preußen sein, ich wollte die Berliner zausen." (Sudelbuch E306)
Wer aus der englischen Literaturtradition kommt, für den ist allerdings die Demokratie nicht eine Hirtokratie von Schäflein (klappt da in deutscher Traditionslinie evt. 1 bisserl Nietzsche & Co. nach?); man weiß dort, daß es sich um eine satanische Erfindung handelt. Der Bezugsort lautet dort nicht Glennkill, sondern Paradise Lost (1667). (Man kann das mgw. wörtlicher nehmen, als es zunächst scheint: Miltons Konzeption des Werks fällt in die Spätzeit Cromwells, den er, ganz vorsichtig gesagt, nicht schätzte.) Im Epos stehen die Teufel/Ex-Engel, nachdem der unliebe Gott sie aus dem Himmel geworfen hat, vor dem Problem, daß sie keinerlei Ordnung & Gesetz haben (Gott ist Gesetz & Ordnung; wo sie sind, ist per definitionem gottlose Vakanz: "Which way I fly is hell; myself am hell", IV, 75); jeder will nur für sich. Um irgendetwas auf die Füße stellen zu können (avisiertes Endziel ist natürlich die Rückeroberung des Himmels) bilden sie schließlich ein Parlament, in dem Satan nur den Vorsitz hat, jeder Dämon aber (er inbegriffen) für seine Pläne & Ansichten eloquent werben muß, um Stimmen zu erlangen. Schließlich traut keiner dem anderen. (Daß das dem Verfasser Gelegenheit gibt, rhetorisch zu glänzen - "Steig mal auf den Tisch & mach mal" - ist reiner Zufall.) Die Kehrseite ist dabei eingebaut: daß sich die Parteien gern gegenseitig blockieren. Deswegen brauchen sie ja so lang (Buch 4-8), um der von oben eingeleiteten Großen Transformation (Schöpfung der Erde & des Menschen) etwas entgegenzusetzen; bis die Schlange den Apfel anbietet, ist diese Baustelle ja schon TÜV-abgenommen: "God saw, Surveying his great Work, that it was good." (VII, 45)
Zitat von Doeding im Beitrag #9Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme. Anders gesagt (und der hat nen langen Bart): Demokratie ist kein optimales System, aber wir haben kein besseres.
Lieber Doeding, lieber Llarian,
Ohne die genauen vorherigen Lebensumstände der Menschen zu kennen scheinen mir die ehemals als "arabischer Frühling" bezeichneten Vorgänge ein gutes Bespiel für die Argumentation von Llarian zu sein. Vor allem in Ägypten hat sich z.B. für die Minderheit der Kopten die Lage mit dem Einzug der Demokratie eher verschlechtert. Denn das Mursi durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen ist kann wohl kaum bestritten werden. Hier sieht man jedoch ganz deutlich, dass Demokratie ohne einen wirksamen Minderheitenschutz nichts wert ist, da es in der Tat nur die Herrschaft der Mehrheit beschreibt. Und diese muss es mit Minderheiten nicht immer gut meinen.
Das genannte Zitat kenne ich in leicht abgewandelter Form von Vince Ebert:
Zitat Im Grunde genommen bedeutet Demokratie lediglich, daß zehn Füchse und ein Hase darüber abstimmen können, was es zum Abendessen gibt. Freiheit dagegen bedeutet, wenn der Hase mit einer Schrotflinte die Wahl anfechten kann!
Wenn man die Schrotflinte nun durch die Staatsorgane und die Freiheit durch den Rechtsstaat ersetzt, scheint mir dies das Wesen unseres demokratischen Rechtsstaats doch recht gut wiederzuspiegeln.
Die Ausführungen von Llarian haben mir aber noch einmal einen Punkt vor Augen geführt. Ich habe mich oft daran gestört, dass von Politikern unterschiedlicher Couleur von einem "Sieg der Demokratie" gesprochen wurde wenn durch aktive oder passive Gewalt eine wie auch immer geartete Gruppe an ihrem verfassungsgemäßen Demonstrationsrecht gehindert wurde. Nach Ihren Ausführungen ist diese Aussage jedoch vollkommen korrekt. Es war ein Sieg der Mehrheit die die Kundgebung einer Minderheit unterdrückt hat, aber eben eine Niederlage des Rechtsstaates.
Was ich für ein weiteres Problem unserer Demokratie halte ist, dass selbst das demokratische Prinzip der Herrschaft der Mehrheit heutzutage zunehmend durch die Meinungsmacht einer Minderheit ausgehebelt wird. Dabei spielen die grün gefärbten Medien eine unrühmliche Rolle, die eine Minderheitsmeinung solange als angeblichen Mainstream verkaufen, bis diese tatsächlich zur Mehrheitsmeinung geworden ist.
Zitat von Llarian im Beitrag #13Richtig ist, dass alle heute existierenden Rechtsstaaten auch Demokratien sind. Nicht richtig ist, dass alle Demokratien auch Rechtsstaaten sind.
Völlig richtig. Hatten wir ja auch schon u.a. bei unseren Ägypten-Diskussionen: Demokratie alleine wird völlig überschätzt.
Zitat Die Demokratie folgt dem Rechtsstaat auf dem Fuße, umgekehrt ist das nicht richtig.
Das läßt sich m. W. nicht so trennen. Historisch war es der Kampf um den Rechtsstaat derselbe Kampf wie der um Demokratie. Eben darum wird die beiden Aspekte so oft gleichgesetzt.
Rechtsstaat bedeutet ja, daß der Machthaber selber sich gewissen Regeln unterwerfen soll. Was dieser natürlich nie freiwillig macht. Erst der Machtzuwachs für die demokratischen Kräfte hat auch den Rechtsstaat ermöglicht.
Aber dann galt halt - wie zitiert - die Notwendigkeit, den Rechtsstaat auch gegen den neuen Machthaber "demokratische Regierung" zu verteidigen.
Zitat von R.A. im Beitrag #17 Rechtsstaat bedeutet ja, daß der Machthaber selber sich gewissen Regeln unterwerfen soll. Was dieser natürlich nie freiwillig macht. Erst der Machtzuwachs für die demokratischen Kräfte hat auch den Rechtsstaat ermöglicht.
Aber dann galt halt - wie zitiert - die Notwendigkeit, den Rechtsstaat auch gegen den neuen Machthaber "demokratische Regierung" zu verteidigen.
Es müssen ja nicht einmal demokratische Kräfte sein, die den Rechtsstaat verteidigen:
"At Runnymede, at Runnymede, Your rights were won at Runnymede! No freeman shall be fined or bound, Or dispossessed of freehold ground, Except by lawful judgment found And passed upon him by his peers. Forget not, after all these years, The Charter Signed at Runnymede."
And still when Mob or Monarch lays Too rude a hand on English ways, The whisper wakes, the shudder plays, Across the reeds at Runnymede. And Thames, that knows the moods of kings, And crowds and priests and suchlike things, Rolls deep and dreadful as he brings Their warning down from Runnymede!
In diesem Fall hat es vor fast 800 Jahren (1215) begonnen rechststaalicher zu werden, aber bis der "demokratische" Teil der Regierung hat noch bis 1688 warten müssen um sich endgültig gegen den König durchzusetzen.
Zitat von Elmar im Beitrag #19Es müssen ja nicht einmal demokratische Kräfte sein, die den Rechtsstaat verteidigen:
Ich würde die englischen Adligen, die die Magna Charta erzwangen, durchaus im Kontext "demokratische Mitbestimmung" sehen. Halt erst einmal eingeschränkt auf eine sehr kleine privilegierte Gruppe, aber gegen den fast absolut herrschenden Monarchen (der englische König hatte bis dahin intern eine viel stärkere Stellung als einen Kollegen auf dem Festland). Und im weiteren Verlauf waren es dann halt immer größere Bevölkerungsteile, die das neugeschaffene Parlament wählen durften.
Zitat von Doeding im Beitrag #9 Sie trennen nach meinem Dafürhalten zu stark zwischen einer Verfassung, die die Rechte des Einzelnen bewahrt und dem demokratischen (Wahl)system. Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme.
Das ist einerseits durchaus richtig, lieber Herr Döding, man muss nur aufpassen, dass man daraus nicht den Umkehrschluss zieht. Richtig ist, dass alle heute existierenden Rechtsstaaten auch Demokratien sind. Nicht richtig ist, dass alle Demokratien auch Rechtsstaaten sind. Die Demokratie folgt dem Rechtsstaat auf dem Fuße, umgekehrt ist das nicht richtig. Deswegen nützt es meines Erachatens nach wenig immer so nach Demokratie zu rufen, die Demokratie ist für sich erst einmal wertfrei. Wir müssten nach dem Rechtsstaat rufen.
Das Thema (Auch ein Rechtsstaat macht noch keinen Frühling) wurde schon mal von Zettel angerissen.
Dazu Doedings obiges Zitat: »Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme.« das ich sofort unterschreibe.
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
Zitat von Elmar im Beitrag #19Es müssen ja nicht einmal demokratische Kräfte sein, die den Rechtsstaat verteidigen:
Ich würde die englischen Adligen, die die Magna Charta erzwangen, durchaus im Kontext "demokratische Mitbestimmung" sehen. Halt erst einmal eingeschränkt auf eine sehr kleine privilegierte Gruppe, aber gegen den fast absolut herrschenden Monarchen (der englische König hatte bis dahin intern eine viel stärkere Stellung als einen Kollegen auf dem Festland). Und im weiteren Verlauf waren es dann halt immer größere Bevölkerungsteile, die das neugeschaffene Parlament wählen durften.
Für eine Magna Charta 2015: Ich hätte auch gern ein Parlament von Volksvertretern, das der Regierung verbieten kann, die Steuern zu erhöhen oder neue Steuern zu erheben …
Zitat von Elmar im Beitrag #19Es müssen ja nicht einmal demokratische Kräfte sein, die den Rechtsstaat verteidigen:
Ich würde die englischen Adligen, die die Magna Charta erzwangen, durchaus im Kontext "demokratische Mitbestimmung" sehen. Halt erst einmal eingeschränkt auf eine sehr kleine privilegierte Gruppe, aber gegen den fast absolut herrschenden Monarchen (der englische König hatte bis dahin intern eine viel stärkere Stellung als einen Kollegen auf dem Festland). Und im weiteren Verlauf waren es dann halt immer größere Bevölkerungsteile, die das neugeschaffene Parlament wählen durften.
Für eine Magna Charta 2015: Ich hätte auch gern ein Parlament von Volksvertretern, das der Regierung verbieten kann, die Steuern zu erhöhen oder neue Steuern zu erheben …
Dazu müsste wohl erst einmal die Macht der Parteien eingeschränkt werden; doch ist bei uns in Deutschland eher das Gegenteil der Fall, wie ein Urteil des BVerfG zeigt, das sich mit dem Thema Überhangmandate, eindeutig gegen den Souverän stellt.
Das Wahlverfahren sollte in einem ersten Schritt dahin gehend verändert werden, dass die Erststimme für 299 Direktmandate und die Zweitstimme für eine präferierte Partei die anderen 299 Mandate ergeben sollte. Das würde die Direktkandidaten dahingehen stärken, sich mehr ihrem Gewissen, sind sie sich ihres Rückhaltes in der Bevölkerung gewiss, verpflichtet zu fühlen, und das auch bei Abstimmungen besser zum Ausdruck bringen zu können.
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #23Dazu müsste wohl erst einmal die Macht der Parteien eingeschränkt werden ...
Das wäre sinnvoll - ist aber sehr schwierig. Nicht nur wegen der normalen Beharrungskräfte, sondern weil es inhaltlich kaum bessere Lösungen gibt. Denn schwächere Parteien bedeuten im Regelfall mehr Lobbyeinfluß, und das will ja auch keiner.
Die einzigen mir bekannten Maßnahmen, die wirklich etwas positiv verändern, sind "weniger Einfluß für die Politik insgesamt" und "mehr direkte Demokratie".
Zitat Das Wahlverfahren sollte in einem ersten Schritt dahin gehend verändert werden, ...
Ich kann nur davor warnen, Reformen über das Wahlsystem anzugehen. Das führt immer nur zu merkwürdigen Seiteneffekten, ohne aber die erhoffte Wirkung zu erreichen. In unserem System würde eine Stärkung der Direktgewählten fast nichts bewirken außer ab und zu mehr Chaos. Wie das englische Beispiel zeigt, sind "sichere Direktmandate" genauso fest in Parteienhand wie "sichere Listenplätze" - gestärkt wird nur der Einfluß der Parteispitze gegenüber der Basis.
Ein anderes Wahlrecht kann nur der letzte Schritt sein, wenn man ansonsten das politische System reformiert hat. Und in einem reformierten System muß man schon darauf achten, daß man zwar vom Wähler gestützte Einzelpersonen eine gewisse Unabhängigkeit behalten können - aber in erster Linie braucht man arbeitsfähige Teams, die auch regierungsfähig sind.
Zitat Dazu Doedings obiges Zitat: »Mir ist außerhalb demokratischer Systeme überhaupt kein Staat bekannt, bei dem man von einer ausreichenden Verfasstheit individueller Freiheitsrechte reden kann. Alle Systeme, die das Individuum auch nur ansatzweise schützen sind (auch) demokratisch verfasste Systeme.« das ich sofort unterschreibe.
Vielleicht erlauben Sie mir, Sie auf ein meiner Meinung nach sehr interessantes Buch zu diesem Thema hinzuweisen?
From Liberty to Democracy: The Transformation of American Government; von Professor Randall G. Holcombe aus dem Jahr 2002.
Es beschreibt äußerst anschaulich, wie das Regierungssystem der USA von seinen sehr undemokratischen Anfängen – so gab es zu Anfang keine Direktwahl von Exekutive, Legislative und Judikative – bei einem Stimmrecht nur für eine kleine Minderheit - durch die Jahrhunderte zu einem immer demokratischeren System geworden ist.
Und wie dabei die Freiheitsrechte des Individuums – notwendigerweise – immer weiter eingeschränkt wurden.
Eine Buchkritik aus Klassisch Liberaler Sicht finden Sie als PDFhier.
Daraus:
Zitat As an exercise in American political history, the book, which does not assume any specialized training and can be read by anyone interested in political history, presents a welcome antidote to such overly optimistic accounts as can be found in Francis Fukuyama’s The End of History and the Last Man (1992). […]Since in other countries, especially in the European Union, the foundations of government have been pushed even further toward democracy as opposed to liberty, it is no exaggeration to assert that the relevance of the book’s main theme and conclusions is not confined to the United States. No doubt the book will go on finding a wide readership.
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