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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 44 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.10.2013 20:19
#26 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Paraneu Ja im Beitrag #16
Habe ich etwas verpasst? Wurde Zettels Blog an die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk- und Internetanstalten vererbt? Die nun nach deutschem Mediengesetz und demographischen Kriterien für "Ausgewogenheit" sorgen wollen?

Lieber Paraneu Ja,
Sie könnten natürlich selbst recherchieren, aber da Grundlegendes thematisiert wird, ist das jetzt ein Service.

Dies hier ist die zweite Zeile des Kopfes von Zettels Raum und so etwas wie eine Beschreibung dessen, worüber sich die Autoren hier so ihre Gedanken machen:

Zitat
VERNÜNFTIGE GEDANKEN VON GOTT, DER WELT UND DER SEELE DES MENSCHEN, AUCH ALLEN DINGEN ÜBERHAUPT

Viele Grüße, Erling Plaethe

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

26.10.2013 21:16
#27 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat
Herr Weimer stellt als Theologe interessante Überlegungen zum modernen Weltbild an. Ihn wegen der - auch und gerade unter Theologen - präsenten Theodizeefrage ("Wie kann Gott es zulassen, dass ..."?) abqualifizieren zu wollen, wird ihm sicher nicht gerecht, sondern weist auf ein verbreitetes Missverständnis christlich-jüdischer Theologie hin. Der "liebe Gott" des Kinderglaubens ist nicht der biblische Gott, mit dem das "Volk Gottes" durch eine lange und wechselhafte Geschichte geht. Auch wenn Theologie und christliche Verkündigung selbst erheblich dazu beigetragen haben mögen, gilt häufig, dass Religionskritiker viel naiver über Religion reden als Gläubige.



Lieber uva42, Religionskritiker reden nicht "naiver" über Religion als gläubige Menschen.

Auch viele gläubige Menschen haben naive Vorstellungen von ihrem (scheinbaren) Glauben und auf der anderen Seite haben sich professionelle Religionskritiker häufig ausführlich mit dem Thema ihrer Kritik beschäftigt.

Gerade die Darstellung Gottes in der Bibel lässt ja auch den moralischen Überlegenheitsanspruch wunderbar in Zweifel ziehen und das wird auch genutzt.

Tatsächlich haben sich, als Atheismus auf Grund des öffentlichen Druckes und der allgemeinen gesellschaftlichen Haltung noch eine bewusste Entscheidung einer kleinen Minderheit war, Atheisten im Schnitt besser mit Religion beschäftigt als der durchschnittliche Gläubige.

Das ändert sich zwar so langsam, da man heute auch verstärkt in den Atheismus hinein geboren werden kann, aber daraus zu schließen Atheisten hätten eine naivere Vorstellung von Religion als Gläubige wäre doch vermessen. Besonders aber auf bewusste Religionskritiker dürfte es wohl als aller letzte zutreffen.

Zitat

Mich würde interessieren, ob und wie die moderne Naturwissenschaft die Tatsache reflektiert, dass die menschliche Erkenntnisfähigkeit begrenzt ist. Die 17. Potenz von 2 kann ich zwar rechnen, aber mit der Vorstellung von Dimensionen hört es schon bedeutend früher auf als bei 17 ...



Die moderne Naturwissenschaft reflektiert die Begrenztheit der menschlichen Erkenntnisfähigkeit wohl stärker als irgend eine andere Denkmethode in der Geschichte der Menschheit: Was außerhalb der menschlichen Erkenntnisfähigkeit liegt, zu dem kann man keine Erkenntnis haben. Klingt trivial? Wird aber immer wieder bestritten. Zumindest die Konsequenz daraus: Jede Spekulation darüber hängt im luftleeren Raum. Wenn man das akzeptiert, dann wird man Agnostiker (so wie ich). Wenn man nicht bereit ist eine Frage unbeantwortet offen zu lassen, sonder unbedingt eine Vermutung oder "Stand der Kenntnis" zu einer Frage abgeben will, dann hat man zwei Möglichkeiten:

Erstens kann man dabei die Maßstäbe verwenden, die man auch an grundsätzlich falsifizierbare Aussagen anlegt, dann bleibt auf Grund von Ockhams Rasiermessers nur die atheistische Antwort übrig: Eine Entität zu postulieren, die man nicht braucht oder die nichts dazu beiträgt eine Antwort zu finden, wäre willkürlich. Wenn man sich unbedingt entscheiden muss, dann ist die einzige herausgehobene, nicht willkürliche Möglichkeit die Nichtexistenz der fraglichen Entität. Es ist auch die rationalste, denn solange die Existenz einer Entität keine Auswirkung auf das Verständnis der Welt hat, weil man keine falsifizierbaren Aussagen daraus ziehen kann und es einem keiner (nicht unnötig komplizierten) Beschreibung empirisch überprüfbarer Vorgänge näher bringt, würde das Postulat der Existenz nur die Vorstellung der Welt überflüssig und ohne Nutzen verkomplizieren.

Oder man kann diese Maßstäbe ablehnen, die es aber aus gutem Grund gibt. Was bleibt denn sonst? Einen Text für unfehlbar erklären? Einem Amt oder einem Konzil die Fähigkeit zu unfehlbaren Aussagen zuschreiben? Warum sollte man das tun? Jeden Maßstab, um das zu rechtfertigen, nämlich empirische Überprüfung an der Realität oder zumindest die grundsätzliche Möglichkeit dazu, sowie die Ableitung aus Aussagen, die wirklich für die Beschreibung empirisch überprüfbarer Vorgänge nutzbar und notwendig sind, hat man ja mit dem Zurückweisen der ersten Möglichkeit abgelehnt. Was auch immer ich hier für einen Maßstab nun wähle, es wäre willkürlich, da kann jeder kommen und alles sagen.
Intuitive Vorstellung bringt uns hier auf jeden Fall nicht weiter, denn die Intuition ist lediglich die unbewusste Verarbeitung auf Grund bisheriger Erfahrung, die aber nur im Rahmen der Gültigkeit der aus dieser Erfahrung unbewusst abgeleiteten Annahmen vernünftige Ergebnisse liefert. Beispielsweise ist unsere Intuition auf eine nichtrelativistische Lebenserfahrung in einer makroskopischen Welt ausgerichtet, in deren Alltag wir quantenmechanische Effekte nicht bewusst wahrnehmen. Trotzdem gibt es aber diese Bereiche, die außerhalb unserer Alltagserfahrung liegen, in denen unsere Intuition uns erst einmal nur in die Irre führt, weil sie durch unsere Alltagserfahrung geprägt wurde. In so fern ist auch die Frage nach der gefühlten, emotionalen, intuitiven Vorstellung von etwas für die Realität nicht wirklich relevant. Nur weil wir uns etwas nicht bildlich vorstellen können oder eine Aussage uns "gefühlt" nicht einleuchtet, endet noch nicht unser Verständnis, worunter ich verstehe Phänomene so beschreiben zu können, das man entweder neue und weitestgehend richtige Vorhersagen erfolgreich daraus ableiten kann oder mehrere Phänomene in einem Modell mit weniger Grundannahmen aus diesen Grundannahmen herleiten kann.



Bei Wilhelm von Ockham, nach dem das Prinzip benannt ist, musste daher noch extra eine Ausnahme für die Bibel in die Formulierung aufgenommen werden:

Zitat

„Nichts darf man ohne eigene Begründung annehmen, es sei denn es sei evident oder aufgrund von Erfahrung gewusst oder durch die Autorität der Heiligen Schrift gesichert.“ (In I. Sent d 30, q 1)

Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?titl...482#cite_note-1

Ockham hat im 13 und 14. Jahrhundert gelebt, da war es noch ein Tabu den "wahren Glauben" zu hinterfragen. Aber warum sollte man hier für die Bibel eine Ausnahme machen? Warum nicht für den Koran? Warum nicht für die Schriften von L. Ron Hubbard?

Zitat

Und auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, habe ich trotz geistes- und naturwissenschaftlicher Universitätsausbildung auch noch nicht so richtig klar antworten können.



Und wenn uns das einfach nicht möglich ist?

Zitat

Aber eine Vermutung hätte ich schon ...



Wenn diese Vermutung "Gott" seien sollte, dann befürchte ich steht da kein Erkenntnisgewinn hinter, außer Sie könnten damit ein Phänomen mehr beschreiben, ohne eine einfachere Beschreibung zu ignorieren. Wenn die Beschreibung darin bestehen soll, dass man eine Ursache für die Existenz der Welt nennen könne, so stellt sich die Frage nach der Ursache für einen Gott und was man unter Gott überhaupt versteht, sonst ist es auch nur ein andere Begriff für "ich weiß nicht". Wenn dieser keine Ursache brauche, so stellt sich die Frage, warum man nicht die einfachere Beschreibung des Phänomens "Existenz der Welt" wählt und sagt der Urknall braucht keine Ursache, hat man diese Beschreibung doch schon als zulässig anerkannt.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

26.10.2013 22:58
#28 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Warum habe ich Symphatien für Ihre Fragen? Als ich 26 Jahre war, nach dem Studium, wollte ich Lehrer, Journalist oder Lektor werden, um die künftigen Jugendlichen aufzuklären: Gott ist so was wie der Osterhase, nur ein Begriff der kindlichen Menschheit gewesen. Ich habe dann über Ernst Bloch, den seltsamen humanistischen Marxisten, promoviert und mich dann in Fundamentaltheologie/Dogmatik bei Joseph Ratzinger zum Themna Freiheit des Menschen und biblischer Gott habilitiert.
Ich unterscheide den biblischen Glauben von den Religionen: Meiner Meinung nach ist er Aufklärung, nicht mehr Religion, sondern Religionskritik.
Wenn ich ihn mit experimenteller Wissenschaft vergleiche, meine ich Folgendes: Jüdisch-christliche authentische Theo-Logie reflektiert Erfahrungen eines Glaubens-Volkes (zu dem der Theologe auch selber existentiell gehören muss). Hier darf man nicht erinfach spekulieren, was das Zeug hält, sondern muss sich stikt an die Geschichte dieser Menschen mit ihrem geglaubten Gott halten. Daher erzählt die Bibel (natürlich neben Liedern, Psalmen, Weisheitsbüchern und Spruchsammlungen, auch eine Theodizee ist dabei: das Buch Ijob) hauptsächlich eine Geschichte mit Namen von Personen. Freilich gehört es zur Gattung der Bibel, von den Personen als Mitarbeitern Gottes zu erzählen. Streng genommen erkannten schon die Bibelschreiber, dass Gott nicht anders in die Welt eimngreift als durch das Tun von glaubenden Menschen (manchmal indem sie Natur- oder Geschichtskatastrophen als 'Anrede' oder 'Handeln Gottes', 'Erziehung durch Gott' deuten).
Ich denke, das hat das gleiche Recht wie die Gespräche des Sokrates auf der Straße, beglaubigt durch seinen Tod, vor dem er die Athener nicht durch eine Flucht bewahrte; und daraus sind schließlich die Säulen der abendländischen Philosophie erwachsyen, seine großen Schüler Plato und Aristoteles.
So bestätigte der Tod mancher jüdischen Propheten und der Jesu die Wahrheit, die sie anmahnten, und zeigte, wie sehr die Menschen aufgeklärt werden müssen über ihre Blindheiten.
Die Juden ertrugen die Last ihres Auftrags bis heute ("Erwählung" ist eine irreführende Bezeichnung).Sie überlebten ohne Staat über 1800 Jahre. In New York findet man Millionen von ihnen, aberkeinen einzigen Hethiter mehr, sagte der Dichter Walker Percy mal.
Was meine ich mit Freude Gottes an dem Universum und dem Weltgeschehen? Es ist wiederum eine Reflexion, eine Antwort auf das Erfahrene: die Tatsache, dass es dieses jüdisch-christliche Gottesvolk gab und gibt. Wir formulieren für Gott, dass er keinen Grund hatte, neben sich ein Universum zu wollen, er brauchte es nicht, es ist das ganz Andere seiner selbst: so irdisch, voll Schmutz, Blut, Tod... Aber auch so schön, wenn ... Wir sind es, die so formulieren: Er muss wohl seine Freude daran haben.Das darf man mit dem Recht eines Liebenden/Geliebten sagen. Einen anderen erfreuen, ist schön.
Die alte Theologie wählte das Wort Transzendenz im Sinn von die Welt überschreitend, um den Ort Gottes zu benennen. Das tue ich heute anders: Für mich ist Gott in der Nähe, bei seiner Schöpfung. Transzendenz heißt für mich: 1)Ich, d. h. der Mensch ist ebensowenig Gott wie die Welt göttlich ist. Mein Nabel ist nicht die Mitte. 2)Ich muss mir von außen helfen lassen, durch Freunde und Begleiter (für mich: auch in der Kirche). Ich kann mich nicht selbst erlösen. 3) Ich soll großzügig mich um die andern sorgen und barmherzig dem andern verzeihen (traditionell hieß das "Gott nachahmen").
Ich wurde und habe mich selbst natürlich manchmal gefragt, wieso ich vom Kritiker zum Theologen wurde.Jetzt meine ich, der letzte Grund war das soziale Verhalten meiner katholischen Mutter als Witwe, die z.B. gegen die Nazis sich um polnische Kriegsgefangene kümmerte, obwohl sie 5 kleine Halbwaisen hatte. Als ich in der Studenten-WG diskutierte, ob Marx besser war oder Jesus, muss das in meiner Seele eine Rolle gespielt haben. Meine geistigen Väter blieben dieselben: Spinoza, Hegel, Feuerbach, Strauß,Schopenhauer; an ihnen lag es nicht.

Geier Offline



Beiträge: 12

27.10.2013 17:56
#29 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Herzlichen Dank für den spannenden Gastbeitrag „Higgs-Teilchen und Gottes Teil“ von Prof. Dr. Ludwig Weimer, den ich mit großem Interesse gelesen habe und der, wie die Kommentare zeigen, viele Leser zum Nachdenken an- und aufregte. Vielleicht liegt es an der mutigen Selbstkritik des Theologen Prof. Dr. Weimer, Gründe zu benennen, die ein Gespräch und einen fruchtbaren Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie belasten, weil „wir Theologen den Naturwissenschaftlern Steine auf den Weg gelegt haben, die den Dialog zum Streit werden ließen.“ So erkenne ich in diesem Beitrag einen mutigen Schritt, Missverstehen auszuräumen und Barrieren abzubauen, um an aktuellen Ereignissen beispielhaft den aufklärenden Versuch zu wagen, die Verbindung zwischen Wissenschaft und jüdisch-christlichem Glauben aufzuzeigen.
Als regelmäßiger Leser von Zettel bin ich gespannt auf den nächsten Gastbeitrag von Prof. Dr. Ludwig Weimer.

schattenparker Offline



Beiträge: 150

28.10.2013 00:11
#30 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

ehhh - ist "Geier" die zweite Identität von Herrn Weimer?

ich sehe jedenfalls keine "Kommentare" anderer Leser, die sich an- oder aufregen.

"Mutiges" sehe ich ebenfalls nicht. Kann ja sein, daß ich blind und taub bin...

Martina Offline



Beiträge: 41

28.10.2013 11:08
#31 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Was für eine irre Leistung des menschlichen Geistes , in der reinen Theorie herauszufinden, dass es dieses Teilchen geben müsste, was dann erst so viel später tatsächlich nachgewiesen wird.
Und deswegen kann ich einfach nicht glauben, dass dieser menschliche Geist, der so über sich selbst hinaus denken, d.h. die Welt, in der er lebt, transzendieren kann, einfach nur durch physikalische Zufälle entstanden sein soll. Zum Geist hinzufügen muss man noch die schöpferische Kraft. Warum will der Mensch ständig über sich selbst hinauswachsen und Dinge schaffen, die in anscheinend überhaupt nicht lebensnotwendig sind? Warum schreibt er Choräle wie Bach, die nach 300 Jahren immer noch die Seelen für Momente in den Himmel heben? Warum hat er nicht nur die Idee, einen Kölner Dom zu bauen, sondern verwirklicht diese auch?
Und warum haben geknechtete, gefolterte, halb verhungerte Häftlinge in Konzentrationslagern Lieder geschrieben, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten? (wie z.B. das Moorsoldatenlied).
Es stört mich persönlich überhaupt nicht, wenn die Universen seit Ewigkeiten entstehen und vergehen. Richtig spannend bleibt für mich weiterhin nur, ob es auf unserem winzigen Planeten Menschen gibt, deren Denken und daraus folgend vor allem auch Handeln von der Erkenntnis bestimmt wird, dass sie sich nicht dem Zufall, sondern einem Schöpfer verdanken. Das Tier lebt vom Fressen. Der Mensch lebt noch mehr von der Hoffnung.

Paraneu Ja Offline



Beiträge: 2

29.10.2013 13:33
#32 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

"Über Gott und die Welt reden", die Verwendung dieser Phrase ist in der modernen deutschen Sprache, die wir hier im Blog als gottgegeben voraus setzen, nicht mehr gleichzusetzen mit einem Glaubensbekenntnis (Gott sei Dank).

Korrigieren Sie mich bitte, aber ich kann mich nicht entsinnen dass ich zu Zettels Lebzeiten einen Artikel gelesen hätte, welcher, wie die Artikel von Herrn Weimer, eindeutige Glaubensbekenntnisse enthielte, noch konnte ich nun bei meiner Suche einen solchen aus der Zeit vor Zettels Tod finden. Zettel hatte sich selbst als Agnostiker beschrieben und bei der Auswahl seiner Gastautoren selbstverständlich auf die Einhaltung der grundlegenden Richtung geachtet. Insofern ist doch nun ein deutlicher Kurswechsel zu verzeichnen, der, wenn nicht einer Kehrtwendung, dann doch zumindest einem Abbiegen im spitzen Winkel gleichkommt.

Ich habe nichts gegen Vielfalt, in welcher Art auch immer. Aber wenn ich z.B. als Vegetarier in meinem geliebten vegetarischen Restaurant plötzlich Schnitzel vorgesetzt bekäme, würde ich dies nicht nur bedauern, sondern ich würde es auch erstaunlich finden, wenn die anderen Stammgâste ausschließlich über die Beilagensalate diskutierten.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

29.10.2013 13:53
#33 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Paraneu Ja im Beitrag #32
Ich habe nichts gegen Vielfalt, in welcher Art auch immer.
Scheint mir aber so.
Zitat von Paraneu Ja im Beitrag #32
Aber wenn ich z.B. als Vegetarier in meinem geliebten vegetarischen Restaurant plötzlich Schnitzel vorgesetzt bekäme, würde ich dies nicht nur bedauern, sondern ich würde es auch erstaunlich finden, wenn die anderen Stammgâste ausschließlich über die Beilagensalate diskutierten.
Das Problem lässt sich sowohl im Restaurant als auch hier ganz einfach lösen: Einfach etwas Anderes bestellen. Oder eben lesen. Die Beiträge sind ja namentlich gekennzeichnet. Oder geht es Dir eher um eine Verletzung ideologischer Reinheit, auf die gefälligst mit Abscheu und Reinigungsritualen zu antworten sei?

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

29.10.2013 14:01
#34 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Paraneu Ja im Beitrag #32
"Über Gott und die Welt reden", die Verwendung dieser Phrase ist in der modernen deutschen Sprache, die wir hier im Blog als gottgegeben voraus setzen, nicht mehr gleichzusetzen mit einem Glaubensbekenntnis (Gott sei Dank).

Korrigieren Sie mich bitte, aber ich kann mich nicht entsinnen dass ich zu Zettels Lebzeiten einen Artikel gelesen hätte, welcher, wie die Artikel von Herrn Weimer, eindeutige Glaubensbekenntnisse enthielte, noch konnte ich nun bei meiner Suche einen solchen aus der Zeit vor Zettels Tod finden. Zettel hatte sich selbst als Agnostiker beschrieben und bei der Auswahl seiner Gastautoren selbstverständlich auf die Einhaltung der grundlegenden Richtung geachtet. Insofern ist doch nun ein deutlicher Kurswechsel zu verzeichnen, der, wenn nicht einer Kehrtwendung, dann doch zumindest einem Abbiegen im spitzen Winkel gleichkommt.

Ich habe nichts gegen Vielfalt, in welcher Art auch immer. Aber wenn ich z.B. als Vegetarier in meinem geliebten vegetarischen Restaurant plötzlich Schnitzel vorgesetzt bekäme, würde ich dies nicht nur bedauern, sondern ich würde es auch erstaunlich finden, wenn die anderen Stammgâste ausschließlich über die Beilagensalate diskutierten.


Gestatten Sie mir eine persönliche Anmerkung, liebe(r) ParaneuJa.

In vielen Blogs ist es Usus, eine stramme Blattlinie zu verfolgen und Andersdenkende aus dem Kommentarbereich wegzubeißen. Nicht so in Zettels Raum. Zettel hat die inhaltliche Auseinandersetzung gesucht; auf den Gedanken, von seiner Meinung abweichende Positionen auszusperren, wäre er nicht gekommen, es sei denn, sie hätten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung Stellung bezogen.

Da Zettels Raum nunmehr ein Blog ist, bei dem es keinen Hauptautor gibt, stellt sich natürlich auch eine gewisse Verbreiterung des Spektrums der vertretenen Ansichten ein. Vielleicht ist Ihnen bereits aufgefallen, dass auch Kontribuenten dieses Mediums bisweilen untereinander Kontroversen austragen. Ich habe Zettels Raum und Zettels kleines Zimmer nie als den Ort begriffen, an dem ideologische Fellpflege betrieben wird, sondern an dem ich in einer höflichen Atmosphäre meine Reflexionen teilen, sachliche Diskussionen führen und meinen Horizont erweitern kann.

Kallias Offline




Beiträge: 2.300

29.10.2013 14:24
#35 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Paraneu Ja im Beitrag #32
Korrigieren Sie mich bitte, aber ich kann mich nicht entsinnen dass ich zu Zettels Lebzeiten einen Artikel gelesen hätte, welcher, wie die Artikel von Herrn Weimer, eindeutige Glaubensbekenntnisse enthielte
Gerne! Zettel hat sich selbst immer wieder mit theologischen Fragen beschäftigt, das wird Ihnen als Leser kaum entgangen sein.

Hier eine kleine Liste von Beiträgen aus klar nicht-agnostischer Sicht, die in "Zettels Raum" erschienen sind:

Gorgasal hat eine kleine Serie über Papst Benedikt und die Piusbrüder veröffentlicht, seinerzeit noch als Gastautor. Herr, von Beruf evangelischer Pfarrer, schrieb als Gastautor mit "Klimaschutz als Religionsersatz" einen kontroverstheologischen Beitrag. Später, als Autor von ZR, schrieb er über den Pfarrerberuf und übte Kritik an dem Theologen Obama.

Einen Artikel wie den von Ludwig Weimer über das Verhältnis von Naturwissenschaft und katholischer Theologie hätte Zettel vermutlich mit großem Interesse gelesen und kommentiert.

Herzliche Grüße,
Kallias

uva42 Offline



Beiträge: 37

01.11.2013 00:23
#36 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat
Und auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, habe ich trotz geistes- und naturwissenschaftlicher Universitätsausbildung auch noch nicht so richtig klar antworten können.



Und wenn uns das einfach nicht möglich ist?

Zitat
Aber eine Vermutung hätte ich schon ...



Wenn diese Vermutung "Gott" seien sollte, dann befürchte ich steht da kein Erkenntnisgewinn hinter, außer Sie könnten damit ein Phänomen mehr beschreiben, ohne eine einfachere Beschreibung zu ignorieren. Wenn die Beschreibung darin bestehen soll, dass man eine Ursache für die Existenz der Welt nennen könne, so stellt sich die Frage nach der Ursache für einen Gott und was man unter Gott überhaupt versteht, sonst ist es auch nur ein andere Begriff für "ich weiß nicht". Wenn dieser keine Ursache brauche, so stellt sich die Frage, warum man nicht die einfachere Beschreibung des Phänomens "Existenz der Welt" wählt und sagt der Urknall braucht keine Ursache, hat man diese Beschreibung doch schon als zulässig anerkannt.

Bevor ich es, verehrter "Techniknörgler" (), nicht schaffe, ausführlich zu antworten und deshalb gar nicht, bitte ich um Nachsicht für eine kurze Nachfrage.

Danke für Ihre umfangreiche Antwort! Das lese ich alles sehr aufmerksam und bin mir sicher, bei genauerem Hinsehen stellen wir beide fest, dass wir in vielen Punkten keinen Dissens haben. Die Menschen, die mir nicht so gut über Religion Beschweid zu wissen schienen, waren wissend lächelnde Akademiker, aber ich gestehe Ihnen gern zu, dass es auch hoch qualifizierte Kritiker (und wahrhaft naive Glaubende) gibt.

Meine eigentliche Frage ist, ob es dem zeitgenössischen Physiker (z.B.) gelingt sich vorzustellen, dass es möglicherweise nicht sinnlos ist anzunehmen, dass seine Erkenntnis sehr bruchstückhaft ist. Hilfreich ist mir dabei immer der Blick auf die Geschichte, in der sich bislang immer herausgestellt hat, dass neue Erkenntnisse auf ganz neue Fragen und Wissenslücken hingeführt haben. - Ist es eine Erzählung, ein Gedicht womöglich, wo die Situation eines Jägers und eines Fuchses bei Vollmond im Winterwald beschrieben wird? Da schaut der Jäger auf den Fuchs unbd fragt sich, was dieser scharfsinnige Geselle wohl außer seinen vielen Sinneswahrnehmungen von der Situation begreift. Dass der Mond ein Erdtrabant ist und sein Licht von der Sonne stammt, wird er nie erfahren. Und der Erzähler fragt den Leser, ob der Mensch wohl mehr begreift ... (Das darf man kitschig finden, aber die Frage nach der dem Fuchs analogen Situation des Menschen wird wohl deutlich.)

(Bei Eugen Roth und Joachim Ringelnatz war ich vorher, aber woher nun der Fuchs kam ...? Gemeint ist folgendes:)

Vice versa

Ein Hase sitzt auf einer Wiese,
des Glaubens, niemand sähe diese.
Doch im Besitze eines Zeißes,
betrachtet voll gehaltnen Fleißes
vom vis-a-vis gelegnen Berg
ein Mensch den kleinen Löffelzwerg.
Ihn aber blickt hinwiederum
ein Gott von fern an, mild und stumm.

Christian Morgenstern


Als Agnostiker (und der bin ich wohl, wenn ich als ausgebildeter Theologe anders als meine Kommilitonen nicht ins Pfarramt gegangen bin und noch einmal von vorn begonnen habe) halte ich für möglich, dass unser Erkennen sehr bruchstückhaft ist. Ich scheue mich auch nicht, das in meinem "Heimatdialekt", der (lutherischen) Sprache der Bibel auzudrücken. (Wobei man wahrhaft Fromme einem 'on dit' zufolge daran erkennt, dass sie das Wort "Gott" selten in den Mund nehmen ...) Ich denke, es ist sehr viel mehr möglich als ich mir vorstellen kann und kritisiere deshalb den neuzeitlichen Naturwissenschaftler, der die Immanenz seiner Welt als definitiv erachtet. Forschen muss er so, aber reflektieren dürfte er darüber hinaus.

Ich stimme also wesentlichen Aussagen Martinas zu:

Warum will der Mensch ständig über sich selbst hinauswachsen und Dinge schaffen, die in anscheinend überhaupt nicht lebensnotwendig sind? Warum schreibt er Choräle wie Bach, die nach 300 Jahren immer noch die Seelen für Momente in den Himmel heben? Warum hat er nicht nur die Idee, einen Kölner Dom zu bauen, sondern verwirklicht diese auch?
Und warum haben geknechtete, gefolterte, halb verhungerte Häftlinge in Konzentrationslagern Lieder geschrieben, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten? (wie z.B. das Moorsoldatenlied).

Und ich sinniere weiterhin über so erstaunliche ca. 3000 Jahre alte Zeilen:

Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit (Psalm 90,2)

Dass Theologen eine Bildersprache in systematische Begrifflichkeit fassen und dann Dogmen formulieren (z.B. Gottes Allgegenwart), bleibt wegen der (relativen) Kürze hier besser unbehandelt.

Mit Grüßen und guten Wünschen!

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.551

01.11.2013 02:08
#37 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von uva42 im Beitrag #23
Und auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, habe ich trotz geistes- und naturwissenschaftlicher Universitätsausbildung auch noch nicht so richtig klar antworten können.


Das ist auch gut so, denn es handelt sich hier um etwas, das man eine "sokratische Frage" nennen könnte, d.h. eine Fragestellung, auf die eine definitive Antwort nicht, jedenfalls nicht bei unserem Kenntnisstand von der Welt, und womöglich niemals, erfolgen kann. Aber sie kann eine wunderbare Anregung sein, darüber nachzudenken & sich Klärung über die bisher erfolgten Antwortversuche & ihre Tauglichkeit zu verschaffen. Wenn ein Physiker die Frage klar stellt, handelt es sich in der Regel um ein Signal, daß jetzt persönliche Reflexionen über (tja) "Gott-&-die-Welt" folgen & der Bereich der Empirie verlassen ist.

Für die reinen Empiriker, die das Transzendente prinzipiell außen vor halten möchten, ist die Frage mißlich; sie verweisen auf die aus der Theorie des Urknalls & dem factum brutum der Existenz des Universums resultierende Konsequenz, daß bei der Entstehung der 4 Kräfte (5, wenn/falls die "Quintessenz" existiert) an irgendeiner Stelle zu einer Asymmetrie gekommen sein muß, weil nach den Modellen sonst Materie & Antimaterie zu exakt gleichem Maß entstanden wären; mit dem Resultat der völligen Annihilation beider. Die Hoffnung, diese "Unwucht" einmal genau umreißen zu können, ist der Traum aller TOEs, der Theorien Für Alles. Das erklärt zwar noch nicht, warum dieser Prozeß überhaupt in Gang kam oder woher die Gegebenheit, aus der der Urknall resultierte, nun stammt. Da stehen die Physiker in einer ähnlichen Lage die Gläubigen, wenn der kleine Junge fragt: "Und wer hat Gott geschaffen?"

Zwischen der Entdeckung der Expansion des Alls durch Edwin Hubble 1929 & den 70er Jahren gab es die theoretische Annahme, das Universum könnte sich in einem ewigen Zyklus von Ausdehnung, Abbremsung & anschließendem Kollaps befinden (man könnte das das "hinduistische Modell" nennen); Durchrechnungen dieser Annahme legten den Schluß nahe, daß ein solches Universum bei jeder Oszillation mehr Zeit benötigte & somit einen definitiven (wenn auch weiter hinausgeschobenen) Anfang aufweisen müsse. Mit der Entdeckung der beschleunigten Expansion des Alls von 1998 - es wird niemals kollabieren - hat dieses ästhetisch doch recht ansprechende Modell einen Platz neben dem Phlogiston & der Humoralpathologie gefunden.

Zitat Victor Stenger, "Why Is There Something Rather Than Nothing?", Skeptical Inquirer, 2006:

"Why is there something rather than nothing? This question is often the last resort of the theist who seeks to argue for the existence of God from science and finds all his other arguments fail. In his 2004 book Why There Is Something Rather than Nothing, philosopher Bede Rundle calls it “philosophy’s central, and most perplexing, question.” His simple (but book-length) answer: “There has to be something.”
Clearly, many conceptual problems are associated with this question. How do we define nothing? What are its properties? If it has properties, doesn't that make it something? The theist claims that God is the answer. But, then, why is there God rather than nothing? Assuming we can define nothing, why should nothing be a more natural state of affairs than something?"

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

01.11.2013 09:39
#38 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von uva42 im Beitrag #36
Meine eigentliche Frage ist, ob es dem zeitgenössischen Physiker (z.B.) gelingt sich vorzustellen, dass es möglicherweise nicht sinnlos ist anzunehmen, dass seine Erkenntnis sehr bruchstückhaft ist.

Es sollte ihm nicht nur gelingen, sondern es geht noch viel weiter: niemand hat bessere Voraussetzungen, die Grenzen der physikalischen Erkenntnis zu erkennen und dauernd vor Augen zu haben, als ein mit der Geschichte, der Methodik und dem Kenntnisstand seines Faches vertrauter Physiker. Wer an der Front der Forschung steht, blickt ja gewissermaßen von Berufs wegen immer in die Ritzen und Löcher des Weltbilds.
Übermäßig zuversichtliches Vertrauen in die Vollständigkeit und Korrektheit der Weltbeschreibung durch die zeitgenössische Physik findet man daher, jedenfalls meiner Erfahrung nach, viel öfter bei Laien oder allenfalls bei mittelmäßigen Physikern.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

02.11.2013 16:29
#39 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von uva42 im Beitrag #36
Und auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, habe ich trotz geistes- und naturwissenschaftlicher Universitätsausbildung auch noch nicht so richtig klar antworten können.
Ist das eigentlich nicht überflüssig? Die Frage, warum etwas ist, kann man sich eben nur stellen, weil etwas ist. Ohne dieses "Sein" gäbe es auch keine Kausalität, und niemand könnte fragen. Das gut badische "S ischt, wie es ischt" ist da mE die beste aller philosophischen Antworten.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.11.2013 00:19
#40 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #39
Zitat von uva42 im Beitrag #36
Und auf die Frage, warum etwas ist und nicht nichts, habe ich trotz geistes- und naturwissenschaftlicher Universitätsausbildung auch noch nicht so richtig klar antworten können.
Ist das eigentlich nicht überflüssig? Die Frage, warum etwas ist, kann man sich eben nur stellen, weil etwas ist. Ohne dieses "Sein" gäbe es auch keine Kausalität, und niemand könnte fragen. Das gut badische "S ischt, wie es ischt" ist da mE die beste aller philosophischen Antworten.

Einfach jede Frage kann man sich nur stellen weil man ist. Also auch die Frage warum man nicht Nichts ist. Die Frage ist nicht überflüssig, weil sie gestellt werden kann. Sie wäre überflüssig wenn sie nicht beantwortet werden könnte.
Da es aber eine theoretische Möglichkeit der Beantwortung der Frage unabhängig von der Existenz der Menschheit gibt, ist sie es nicht. Die Beantwortung der Frage warum man nicht Nichts ist oder warum man es ist, könnte das Nichts ablösen durch das Sein. Oder umgekehrt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

03.11.2013 14:47
#41 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #40
Also auch die Frage warum man nicht Nichts ist. Die Frage ist nicht überflüssig, weil sie gestellt werden kann. Sie wäre überflüssig wenn sie nicht beantwortet werden könnte.

Die Frage ist ja nicht ganz neu, sondern war schon das täglich Brot der "Vorsokratiker", z.B. Parmenides.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #40
Da es aber eine theoretische Möglichkeit der Beantwortung der Frage unabhängig von der Existenz der Menschheit gibt, ist sie es nicht.

Ob es eine solche Möglichkeit gibt, ist ja wieder eine ähnlich undurchsichtige Frage. Einige Sophisten haben durch Verneinung dieser letzteren Frage auch die andere praktisch gelöst, z.B. Protagoras "Pantôn chrêmatôn metron estin anthrôpos : aller Dinge Maß ist der Mensch". Meines Erachtens ist das ein ausgezeichneter Ausweg aus den Spinnereien über das Sein des Nichtseienden etc. des Parmenides und seiner Epigonen durch die Jahrhunderte.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.11.2013 19:40
#42 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #41

Ob es eine solche Möglichkeit gibt, ist ja wieder eine ähnlich undurchsichtige Frage. Einige Sophisten haben durch Verneinung dieser letzteren Frage auch die andere praktisch gelöst, z.B. Protagoras "Pantôn chrêmatôn metron estin anthrôpos : aller Dinge Maß ist der Mensch". Meines Erachtens ist das ein ausgezeichneter Ausweg aus den Spinnereien über das Sein des Nichtseienden etc. des Parmenides und seiner Epigonen durch die Jahrhunderte.


Eine Bejahung der Frage nimmt einfach die unbegrenzten Möglichkeiten unseres Universums für Existenzen zur Kenntnis, die die Fähigkeit besitzen könnten, die Frage zu beantworten.
Allein diese Wahrscheinlichkeit macht eine Verneinung nicht zur praktischen Lösung, sondern zu einer Anmaßung. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Der Mensch berücksichtigt auch Auswirkungen seines Tuns auf andere Existenzen. Und er beobachtet Dinge die ohne erkennbare Auswirkung auf die Menscheit sind; weil sie es werden könnten und aus reiner Neugier. Die Erkenntnisgewinnung ist nicht utilitar. Wenn man nicht die Befriedigung der Neugier nützlich nennt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

04.11.2013 11:15
#43 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #42
Eine Bejahung der Frage nimmt einfach die unbegrenzten Möglichkeiten unseres Universums für Existenzen zur Kenntnis, die die Fähigkeit besitzen könnten, die Frage zu beantworten.
Allein diese Wahrscheinlichkeit macht eine Verneinung nicht zur praktischen Lösung, sondern zu einer Anmaßung. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Der Mensch berücksichtigt auch Auswirkungen seines Tuns auf andere Existenzen. Und er beobachtet Dinge die ohne erkennbare Auswirkung auf die Menscheit sind; weil sie es werden könnten und aus reiner Neugier. Die Erkenntnisgewinnung ist nicht utilitar. Wenn man nicht die Befriedigung der Neugier nützlich nennt.

Lieber Erling Plaethe,

vielleicht reden wir knapp aneinander vorbei. Ich hatte das Zitat in der üblichen Verkürzung wiedergegeben, die allerdings die ebenfalls übliche Fehlinterpretation nahelegt, es handle sich um eine Einladung zu anthropozentrischer Rücksichtslosigkeit. So ist es aber nicht gemeint. Etwas vollständiger lautet der Spruch "Aller Dinge Maß ist der Mensch: der Seienden, daß sie sind, und der Nichtseienden, daß sie nicht sind". Die Absicht ist also rein erkenntnistheoretisch, und der Gedanke dabei, daß die Frage einer Existenz an sich, die außerhalb der Reichweite der menschlichen empirischen Erkenntnis liegt, für die menschlichen Belange irrelevant ist.
Wie andere angenommene "Existenzen" im Universum das sehen, spielt dabei keine Rolle.

Der Spruch drückt keine Anmaßung aus, alles dem Menschen untertan zu machen, sondern eher Genügsamkeit im Hinblick auf die menschliche Erkenntnisfähigkeit. (Eine Genügsamkeit, die z.B. die Platonisten in ihrer Anmaßung nicht teilen.)

Vielleicht reden wir auch nicht aneinander vorbei, sondern sind hier einfach fundamental verschiedener Meinung. Das könnte natürlich auch sein.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

04.11.2013 12:40
#44 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #43
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #42
Eine Bejahung der Frage nimmt einfach die unbegrenzten Möglichkeiten unseres Universums für Existenzen zur Kenntnis, die die Fähigkeit besitzen könnten, die Frage zu beantworten.
Allein diese Wahrscheinlichkeit macht eine Verneinung nicht zur praktischen Lösung, sondern zu einer Anmaßung. Der Mensch ist nicht das Maß aller Dinge. Der Mensch berücksichtigt auch Auswirkungen seines Tuns auf andere Existenzen. Und er beobachtet Dinge die ohne erkennbare Auswirkung auf die Menscheit sind; weil sie es werden könnten und aus reiner Neugier. Die Erkenntnisgewinnung ist nicht utilitar. Wenn man nicht die Befriedigung der Neugier nützlich nennt.

Lieber Erling Plaethe,

vielleicht reden wir knapp aneinander vorbei. Ich hatte das Zitat in der üblichen Verkürzung wiedergegeben, die allerdings die ebenfalls übliche Fehlinterpretation nahelegt, es handle sich um eine Einladung zu anthropozentrischer Rücksichtslosigkeit. So ist es aber nicht gemeint. Etwas vollständiger lautet der Spruch "Aller Dinge Maß ist der Mensch: der Seienden, daß sie sind, und der Nichtseienden, daß sie nicht sind". Die Absicht ist also rein erkenntnistheoretisch, und der Gedanke dabei, daß die Frage einer Existenz an sich, die außerhalb der Reichweite der menschlichen empirischen Erkenntnis liegt, für die menschlichen Belange irrelevant ist.
Wie andere angenommene "Existenzen" im Universum das sehen, spielt dabei keine Rolle.

Der Spruch drückt keine Anmaßung aus, alles dem Menschen untertan zu machen, sondern eher Genügsamkeit im Hinblick auf die menschliche Erkenntnisfähigkeit. (Eine Genügsamkeit, die z.B. die Platonisten in ihrer Anmaßung nicht teilen.)

Vielleicht reden wir auch nicht aneinander vorbei, sondern sind hier einfach fundamental verschiedener Meinung. Das könnte natürlich auch sein.

Ich denke nicht, wir sind schon nah beieinander. Denn auch meine Absicht in meiner Argumentation ist rein erkenntnistheoretisch. Nur - was derzeit außerhalb der menschlichen empirischen Erkenntnis liegt, muss morgen nicht auch noch dort liegen. Es ist also schwierig, wenn nicht unmöglich, die empirische Erkenntnisfähigkeit der Menschheit auch für die Zukunft einzugrenzen. Im Klartext:
Es ist nicht möglich einen Schöpfungsakt der Menschheit durch eine andere Existenz auszuschließen (unsere empirische Erkenntnis gründet sich auf Theorien, oder wie Popper sagte, Hypothesen).
Schließt man dies also nicht aus, was einem Agnostiker typisch ist, dann spielt diese Frage eben doch eine Rolle.
Und das andere angenommene Existenzen in unserem Universum in Wechselwirkung zu uns stehen, ist ebenfalls nicht ausschließbar. Deswegen mögen wir gut damit fahren im täglichen Leben die Dinge aus der menschlichen Perspektive zu betrachten, in Ermangelung einer anderen, aber diejenigen welche eine andere Perspektive einnehmen und fest an eine andere Existenz glauben, beschäftigt die Frage warum man nicht Nichts ist, ebenso, wie die Teilchenphysiker.
Dunkle Materie zum Beispiel, scheint zu existieren, aber sie ist nicht da. Das Higgs-Teilchen wurde in seiner Existenz vermutet, aber es war nicht da. Bis man es fand. Hätte zuvor niemand angenommen, dass es diese beiden "Nichts" gibt, hätte niemand nach ihnen gesucht und niemand hätte sie gefunden. Nun sind sie Seiend und nicht mehr Nichts.
Eigentlich stößt menschliche Erkenntnis gar nicht so selten auf ein Nichts. Es ist m.E. ein Unterschied ob wir ein Nichts ahnen (vielleicht glauben), oder keine Ahnung haben, dass ein bestimmtes Nichts existiert.
Man kann ja erst von einer Existenz reden wenn sie nachgewiesen ist. Bis dahin ist es nichts.
Somit geht eine Idee, nicht selten ohne Empirie, der empirischen, erkenntnistheoretischen Forschung voraus. "Nichts" heißt nichts weiter, als dass es nicht für uns Menschen existiert. Das muss aber nicht so bleiben.

Warum man nicht Nichts ist, geht dem Ursprung aller Existenz auf den Grund, auch der von Gott.
Ich halte es ebenso anmaßend anzunehmen, menschliche Erkenntnis sei grenzenlos, wie die Annahme eine Grenze ziehen zu können. Weder das eine noch das andere scheint mir möglich. Irgendwo wird eine Grenze sein. Eine der bekanntesten ist das, was man Singularität nennt; aber ist es nicht anmaßend diese jetzt für alle Zeiten festzuklopfen?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

05.11.2013 12:49
#45 RE: Higgs-Teilchen und Gottes Teil Antworten

Ich möchte noch - für Agnostiker wie für Theologen - einen Hinweis zur Vorstellbarkeit eines Schöpfers geben. Es gibt nicht nur die eine jüdisch-christliche Deutung: Gott habe "aus dem Nichts" und zwar durch sein bloßes Wort etwas außer sich, nämlich die materielle Welt geschaffen. Es gibt eine zweite jüdische Sicht, die ebenso im Kontrast zu den mythischen religiösen Deutungen steht, nach denen ein Gott geschlachtet und daraus die Welt gemacht wurde, oder diese aus einem großen Ei schlüpfte, oder jene nordische (nett und durchsichtig), nach der eine Kuh die Welt aus dem Eis herausleckte ... Es handelt sich um eine intelligente Lösung aus dem Hintergrund der mystischen Kabbala.Sie geht auf einen Rabbi zurück.

Isaak Luria (1534 – 1572) aus einer aschkenasischen Familie in Jerusalem, Schüler von Moses Cordovero (1522-1570) in Safed, wurde durch das Studium des Sohar zum Mystiker und revolutionierte die kabbalistische Lehre. Er hinterließ keine Schriften. Seine Lehre wurde den Werken seiner Schüler entnommen, unter denen der wichtigste Chaiim Vital Calabrese (11543 – 1620) ist. Durch Luria bildete sich ein soharistisch-kabbalistisches Judentum (auch die osteuropäische chassidische Bewegung entstand daraus) neben dem talmudisch-rabbinischen.
Sein Hauptgedanke ist: Wenn Gott alles ist und erfüllt, gibt es keinen Raum für die Schöpfung als nichtgöttliche Wirklichkeit. Daher muss sich Gott zurückgezogen haben auf die Peripherie, um in seiner Mitte ein Vakuum für die Schöpfung zu erreichen. So vermeidet man den Pantheismus und zeigt doch die Größe Gottes. – Diese Konzeption ist ein verlockendes Paradoxon. Denn sie stellt die talmudische Idee, Gott habe seine anwesende Herrlichkeit auf einen Ort, das Allerheiligste im Tempel konzentriert, auf den Kopf: Gott konzentriert sich weg von einem Ort und macht das Weltall möglich durch ein Einschrumpfen in seiner eigenen Mitte.

Man muss Lurias Vorstellung näher betrachten. Gott ist grenzenlos. Sein vollkommenes Sein duldet nicht einmal das Nichts. Wo nichts wäre, müsste ja Gott selber sein. Wie können Dinge bestehen, die nicht Gott sind? Das Erbstück aller ‚heidnischen‘ Theologie, der unbewegte Beweger, muss weichen. Gott ist frei, Gott bewegt sich. Sein erster Akt ist aber nicht Emanation, sondern Rückzug, Schaffung des Nichts, des Freiraums für das Andere. Die Welt rückt dadurch nicht weg neben Gott, sondern bleibt gleichsam in ihm. Das Vakuum ist nicht ganz leer, vielmehr sendet Gottes Wort einen Strahl seines Lichts in ihn, aus dem sich die Welt entwickelt. Der Akt des Rückzugs (hebr.: Zimzum) ist nicht einmalig, sondern kontinuierlich und erscheint auf jeder Stufe als „das immer erneute Wunder des Anfangs“. Es würde verschwinden, wenn Gottes ‚Kontraktion‘ aufhörte.
„Zimzum“ kann man aber auch als Konzentration deuten, dann verschwindet der negative Beiklang des Sichzurückziehens. Das Wort kommt vom Verb „atmen“: „Atem einziehen“. Geschaffen wurden in diesem Raum „Gefäße“, das höchste davon ist der Urmensch. Sie konnten dem göttlichen Licht nicht standhalten, sondern zerbrachen und die Lichtfunken müssen aus dem Exil gesammelt werden. Diese alten zeitbedingten Themen und Vorstellungen kann man übergehen. Man kann diese Aufgabe Israels, die Schöpfung zu restaurieren, auch positiver lesen: weniger als Wiederherstellung denn als erste vollendete Erfüllung. Auch die aristotelische wie neuplatonische Vorstellung von der Ewigkeit der Welt ist von Isaak Luria unterlaufen.
Man könnte sogar von hier aus Giordano Bruno ins Recht versetzen: Wenn unser Kosmos uns so unendlich groß vorkommt, muss unser Gottesbegriff mindestens ebenso Großes umschließen. Nachdem alle theologische Sprache bildhaft ist, kann man wohl sogar Brunos Reden von einer unendlichen 'Ausdehnung' Gottes verstehen.
Der Philosoph Hans Jonas hat - in seinem Büchlein "Die Gotteesfrage nach Auschwitz" - die kabbalistische Sicht des Luria aufgenommen, aber an einem Punkt, meine ich, versagt. Bei ihm läuft diese Idee "Rückzug" Gottes um der Welt und unserer Freiheit willen nämlich auf einen ohnmächtigen Gott hinaus. Wo war Gott in Auschwitz? Jonas stellte nicht die richtige Frage: Wo waren die Christen angesichts von Auschwitz? Denn sie hätten doch handeln müssen. Dass er das nicht fragt, zeigt mir, wie verheerend das christliche Versagen war. Er, der Jude, erwartet nicht einmal etwas von den Christen.
Auch gegenwärtige Künstler, stellte ich fest, äußern in Interviews einen Schöpferglauben in dieser kabbalistischen Dimension. Die Sache sprach sich herum. In jedem Fall hat diese Variante des Gott-Welt-Verhältnisses eine Konsequenz, vor der man als autonomer postchristlicher Europäer erschaudern müsste: Wir würden nicht neben Gott leben, sondern in ihm; aber absolut frei, da er - in beiden Schöpfungstheologien, der traditionellen und dieser kabbalistischen - sich verbirgt.

Mit Grüßen Ludwig Weimer

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