Dirk, seit bald sechs Jahren geschätzter Kommentator im "Kleinen Zimmer", hat einen Gastbeitrag über den Unterschied zwischen Liberalen und Nichtliberalen geschrieben.
es war mir eine große Freude, Ihren Artikel zu lesen, vielen Dank dafür. Ich habe lange nicht etwas so grundsätzlich-konzeptuelles zur Sache gelesen, und ich hoffe sehr, daß der eine oder andere FDP-Parteistratege hier mitliest. Dabei beinhaltet Ihr Text, wie ich finde, sehr viel mehr als "PR-Anregungen" für den Liberalismus. Bei Ihrer Unterscheidung von Handlungs- vs. Zustandsorientierung ist mir unwillkürlich die (nur sehr bedingt passende) Unterscheidung zwischen der kirchen- und ordensgeschichtlichen Unterscheidung der vita activa und der vita contemplativa eingefallen. Thomas Mann hat in seinem "Zauberberg" das "tätig-schaffende" Prinzip das "Europäische" genannt, das Prinzip von Fortschritt und Zivilisation also, während er die "untätig-beharrenden" Kräfte das "Asiatische Prinzip" genannt hat. Heute, wenn man sich die europäische Entwicklung, insbesondere in Frankreich, anschaut, wird deutlich, daß die Zustandsorientierung linker Ideen am Ende jener vita contemplativa entspricht, indem sich nämlich nichts mehr bewegt, abgesehen von der gemetsmühlenhaften Anbetung der Götzen "Gleichheit", "Gerechtigkeit" usw.. Sozialismus ist der Sieg von Beharrung und Bewegungsunlust. Ironischerweise ist das ja gerade in Asien heute völlig anders.
Zitat von Doeding im Beitrag #2Bei Ihrer Unterscheidung von Handlungs- vs. Zustandsorientierung ist mir unwillkürlich die (nur sehr bedingt passende) Unterscheidung zwischen der kirchen- und ordensgeschichtlichen Unterscheidung der vita activa und der vita contemplativa eingefallen.
Dem Dank und einer religiösen Assoziation schließe ich mich an. Ich dachte an die christliche Auffassung, daß es bestimmte in sich schlechte Handlungen gibt, die auch durch die gute Absicht (meist einen "utilitaristisch" besseren Zustand zu erreichen) nicht gut werden, Röm. 3,8. Christlich und Liberal ist nun, genau die guten Handlungen zu suchen; sowohl als Staat wie auch als Individuum. Daraus folgt auch eine gewisse, aber zielgerichtete Toleranz schlechter Zustände, eine Sache, die sehr tröstlich und vernünftig sein kann. Beispielsweise erlebte ich in Kreisen bestimmter Studenten, daß sie emsig gegen Ausländerfeindlichkeit demonstrieren, aber gleichzeitig den ausländischen Kommilitonen Hilfe versagen. Der schlechte Zustand der Ausgrenzung von Auländern wird durch die Demo nicht besser, man kann nicht alle Nazis wegdemonstrieren. Aber in einem kleinen Bereich wäre er besser geworden, wenn man zumindest seinem Nächsten, seinem ausländischen Kommilitonen, die gute Handlung hätte zukommen lassen. Man merkt, daß Sonntag ist.
Aber noch eine Ergänzung zum Artikel:
Zitat Und selbst wenn man es schafft, Ordnung in die Begrifflichkeiten zu bringen und Freiheit als Abwesenheit von Zwang durch andere definiert (und das vermittelt bekommt), würde der Sozialist vermutlich den Zielkonflikt nicht (an)erkennen.
Das stimmt zwar, aber es sind ja nur ganz wenige wirklich Sozialisten. Die meisten Wähler sind da nicht so verbohrt. Es reicht schon, wenn den vielen nichtsozialistischen SPD/CDU/SED/Grüne-Wählern einfach ein bißchen mulmig wird, wenn Freiheit darin bestehen soll, daß man pünktlich Anträge bei irgendeiner Transferauszahlungsbehörte einreicht. Nichstsdestotrotz ist Ihr Entwurf für eine Abgrenzung um ein vielfaches philosophisch ergiebiger.
Sehr schöner Artikel, lieber Dirk. Danke dafür! Deckt sich mit Vielem, über das ich mir auch schon Gedanken gemacht habe, auch wenn ich die Strategie des Ausweichens (bzw ihr Scheitern) nicht so schön hätte aufdröseln können.
Alles soweit gut und richtig, nur bin ich mir nicht sicher, ob eine nochmalige Unterscheidung im Begriff Freiheit (Handlungsebene und Zustandsebene) die Sache erklärbarer und offensichtlicher macht. Eigentlich sollte ein so hehrer Begriff doch für sich selbst stehen können. Aber das tut er heutzutage wohl nicht mehr - leider. Das "Geben sie Gedankenfreiheit, Sire!" ist über 200 Jahre her und die "Freiheit"-Transparente der DDR-Insassen liegen auch schon seit Jahrzehnten in einer Ecke im Haus der Geschichte. Damals war es ernst gemeint, da fehlte etwas Elementares, da wurde etwas vehement von der Obrigkeit gefordert. Heute ist das anders.
Heute führt die Obrigkeit das Wort ganz selbstverständlich selbst im Munde, wie auch jeder rote oder grüne Möchtegerndiktator von Freiheit faselt und sich wortreich zu ihr bekennt. Sogar die NPD plakatiert, dass "Freiheit erkämpft werden muss" und wahrscheinlich fühlen sich selbst verbotswütigste EU-Kommissare noch als Vorkämpfer derselben. Der Begriff ist ganz einfach durch Inflationierung entwertet worden. Er weckt kein Verlangen mehr, ist stattdessen überall Bestandteil von Sonntags- und Grundsatzreden der Nomenklatura beim gegenseitigen Verleihen von Ehrungen. Ein wohlgefälliges Füllwort, wenn zwischen Frieden und Toleranz noch eines gebraucht wird um die Satzmelodie zu verschönern.
Tiefgründig drüber nachzudenken ist nur noch ein spleeniges Hobby der übriggebliebenen Liberalen. Alle anderen kämpfen vornehmlich für die "drängenderen" Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Toleranz, sowie natürlich "gegen rechts". Freiheit ist Wortstanze gewordenes Allgemeingut, was lohnt es da noch mit den liberalen Korinthenkackern über Definitionen und Kleinigkeiten zu diskutieren? Dieser Vorstoß geht ins Leere, solange sich die Masse nicht persönlich in ihrer Freiheit eingeschränkt, bzw ihre Freiheit bedroht sieht. Und sorry, die Masse sitzt wie der Frosch im sich erwärmenden Wasser. Allenfalls einem (gefühlt zu Unrecht) Inhaftierten wird wohl noch der Ruf nach Freiheit zugestanden und Unterstützung zuteil.
Ich bin mir nicht sicher, könnte mir aber vorstellen, dass es diesem Volk von Rechthabern besser zu vermitteln wäre, wenn man statt des inflationär gebrauchten Begriffs Freiheit mehr auf Wortkonstruktionen mit dem Bestandteil Recht zurückgreift. Bürgerrechte, Menschenrechte, Persönlichkeitsrechte. Individuelle und regionale Rechte gegenüber z.B. den Rechtsanmaßungen politischer Großgebilde. Es wäre viel gewonnen, wenn man den Leuten zunächst mal nahe bringen könnte, dass Freiheit nicht von oben kommt, sondern sich aus den Rechten der Individuen (bzw ihrer kleinen Gemeinschaften) speist.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Calimero im Beitrag #4Sehr schöner Artikel, lieber Dirk. Danke dafür! Deckt sich mit Vielem, über das ich mir auch schon Gedanken gemacht habe, auch wenn ich die Strategie des Ausweichens (bzw ihr Scheitern) nicht so schön hätte aufdröseln können.
Alles soweit gut und richtig, nur bin ich mir nicht sicher, ob eine nochmalige Unterscheidung im Begriff Freiheit (Handlungsebene und Zustandsebene) die Sache erklärbarer und offensichtlicher macht. Eigentlich sollte ein so hehrer Begriff doch für sich selbst stehen können. Aber das tut er heutzutage wohl nicht mehr - leider. Das "Geben sie Gedankenfreiheit, Sire!" ist über 200 Jahre her und die "Freiheit"-Transparente der DDR-Insassen liegen auch schon seit Jahrzehnten in einer Ecke im Haus der Geschichte. Damals war es ernst gemeint, da fehlte etwas Elementares, da wurde etwas vehement von der Obrigkeit gefordert. Heute ist das anders.
Heute führt die Obrigkeit das Wort ganz selbstverständlich selbst im Munde, wie auch jeder rote oder grüne Möchtegerndiktator von Freiheit faselt und sich wortreich zu ihr bekennt. Sogar die NPD plakatiert, dass "Freiheit erkämpft werden muss" und wahrscheinlich fühlen sich selbst verbotswütigste EU-Kommissare noch als Vorkämpfer derselben. Der Begriff ist ganz einfach durch Inflationierung entwertet worden. Er weckt kein Verlangen mehr, ist stattdessen überall Bestandteil von Sonntags- und Grundsatzreden der Nomenklatura beim gegenseitigen Verleihen von Ehrungen. Ein wohlgefälliges Füllwort, wenn zwischen Frieden und Toleranz noch eines gebraucht wird um die Satzmelodie zu verschönern.
Tiefgründig drüber nachzudenken ist nur noch ein spleeniges Hobby der übriggebliebenen Liberalen. Alle anderen kämpfen vornehmlich für die "drängenderen" Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Toleranz, sowie natürlich "gegen rechts". Freiheit ist Wortstanze gewordenes Allgemeingut, was lohnt es da noch mit den liberalen Korinthenkackern über Definitionen und Kleinigkeiten zu diskutieren? Dieser Vorstoß geht ins Leere, solange sich die Masse nicht persönlich in ihrer Freiheit eingeschränkt, bzw ihre Freiheit bedroht sieht. Und sorry, die Masse sitzt wie der Frosch im sich erwärmenden Wasser. Allenfalls einem (gefühlt zu Unrecht) Inhaftierten wird wohl noch der Ruf nach Freiheit zugestanden und Unterstützung zuteil.
Ich bin mir nicht sicher, könnte mir aber vorstellen, dass es diesem Volk von Rechthabern besser zu vermitteln wäre, wenn man statt des inflationär gebrauchten Begriffs Freiheit mehr auf Wortkonstruktionen mit dem Bestandteil Recht zurückgreift. Bürgerrechte, Menschenrechte, Persönlichkeitsrechte. Individuelle und regionale Rechte gegenüber z.B. den Rechtsanmaßungen politischer Großgebilde. Es wäre viel gewonnen, wenn man den Leuten zunächst mal nahe bringen könnte, dass Freiheit nicht von oben kommt, sondern sich aus den Rechten der Individuen (bzw ihrer kleinen Gemeinschaften) speist.
Ich habe im Verlauf der letzten Jahre - eigentlich seit ich mich mit Politik beschäftigt habe - viele Ideen vorgefunden, wie liberale Ideen verständlich und gut vermittelbar formuliert werden könnten, so dass über sie ein öffentlicher Diskurs überhaupt erst sprachlich möglich wird. Ich habe ebenfalls im Verlauf der letzten Jahre gemerkt, dass jeder Versuch gescheitert ist. Es ist nämlich egal, wie liberale Ideen formuliert oder wiedergegeben werden.
Es gibt, gerade in Deutschland, viele Multiplikatoren, die es zu ihrem Beruf gemacht haben und durch Geistes-, Literatur-, und Medienwissenschaften auch die nötigen Schwurbelfähigkeiten besitzen, um die ursprüngliche Bedeutung wegzulabern und durch ständigen Wiederholen zu allen Möglichkeiten auszuhölen und mit linkem Inhalt zu füllen, bis unbewusst die meisten Medienkonsumenten die neue Assoziation im Kopf haben.
Und dann meint Freiheit halt Dosenpfad. Damit habe ich jetzt absichtlich übertrieben. Niemand in der Durchschnittsbevölkerung wird das Dosenpfand für liberal halten. Aber bei weniger offensichtlichen Verdrehungen klappt es wunderbar.
Ich habe die letzten Jahr gnadenlos unterschätzt, das Linke und vor allem Grüne in Multiplikatorenberufe gegangen sind und selbst bei einer allgemeinen Skepsis gegenüber diesen Multiplikatoren, es hat durch ständigen Redefluss seine Auswirkungen - steter Tropfen höhlt den Stein. Liberale sind einfach nebenbei liberal, sie denken meistens nicht totalitär und machen häufig ihre Sichtweise nicht zum Beruf. Konservative schon eher (bsp. Priesterberuf). Aber Linke und Grüne machen ihr Weltbild nicht nur zum Beruf, sondern zum Multiplikatorberuf - Journalisten, Medienwissenschaft (die Wissen, wie man Menschen beeinflusst) und Lehrer...
Freilich, früher waren die konservativen Welterklärerberufe auch noch starke Multiplikatoren und "zufälliger" Weise hatten konservative Positionen damals ja auch noch einen höheren Stand. Sind konservative Multiplikatoren weniger beachtet wurden, weil konservative Positionen abgelehnt wurden oder umgekehrt: Sind konservative Positionen verdrängt wurden, weil ihre Multiplikatoren wegfielen?
Daher wird jede Darstellung des Liberalismus in der Bedeutung verdreht. Und was machen die Liberalen? Sie suchen sich eine neue Darstellung, wie im Hamsterrad.
vielen Dank für das Kompliment. und den interessanten religiongeschichtlichen Querverweis, der mir als Banausen was solche Fragen angeht unbekannt war.
Die Unterscheidung in "tätig-schaffend" und "untätig-beharrend" wäre mir dagegen schon zu wertend. Eine überspitze Formulierung des gleichen Sachverhaltes wäre, dass der Liberale analytisch vorgeht, die Handlungen, die er betrachtet sind quasi die Übergangänge vieler kleiner Zwischenzustände, die das Gesamtproblem (e.g. "Ist Ungleichheit in Ordnung") in eine Wegstrecke von einem A (Grundrechte) zu einem B (Beurteilung der Ausgangsfrage) zerlegen. Der andere Weg ist dagegen - ja, ähem, eher ein ganzheitlich homöopathischer .
Dabei soll das gar nicht so ueberheblich sein wie es klingt. Wirklich nicht. Letztlich geht es mir allein um die analytische Differenzierung und die Folgen für Kommunikation.
danke. vielleicht ist das ja auch der Grund, warum ich in letzter Zeit immer mehr Sympathien für die katholische Kirche entdecke :-)
Zitat Aber in einem kleinen Bereich wäre er besser geworden, wenn man zumindest seinem Nächsten, seinem ausländischen Kommilitonen, die gute Handlung hätte zukommen lassen.
Hah, das erinnert mich an ein anderes Klischee aus meiner Vorurteilsschublade, ähm ich meine Modelwelt. Der Konservative liebt und hilft seinen Nächsten.Da jeder der Nächste von irgendwem ist, ist fast allen geholfen und der Konservative glücklich. Der Linke dagegen begnügt sich nicht mit seinem Umfeld, er liebt die ganze Welt. Angesichts des Ausmassen weltlichen Leids wäre seine Hilfe allerdings infinitesimal klein. Darum ist er lethargischm hilft letztlich keinem und unglücklich.
Vielen Dank für das Lob. Ich wünschte ich koennte so farbig formulieren, wie Sie das tun. Es ist mir immer ein Vergnügen ihre Beiträge zu lesen (oder als Podcast zu höhren :-)).
Aber diesmal msus ich ihnen widersprechen. Ich glaube ein Verweis auf Rechte würde nicht weiterführen. Ich gebe Ihnen zwar Recht, dass man einen großen Batzen dessen was Liberalismus ausmacht anhand eines Grundrechtskataloges beschreiben kann. Aber nur, wenn man Grundrechte als "Abwehrrechte" versteht. Als Rechte des Bürgers, in die der Staat nicht eingreifen darf. Mittlerweile aber - so mein Eindruck - ist diese ursprüngliche Bedeutung der Grundrechte noch weiter ins Gegenteil verkehrt worden als es beim Freiheitsbegriff der Fall ist. Die Rechte wurden ergänzt ("Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.") und e.g. in der UNO oder der EU-Verfassung/Vetrages von Lissabon durch "Sozialrechte" erweitert, die letztlich nichts anderes sind als ein großer Wunschkatalog (Recht auf bezahlten Jahresurlaub,...). Und statt Staatsgewalt einzuschränken legitimieren sie auf diese Weise (ja erfordern es geradezu), dass der Staat den Weihnachtsmann spielt. Leider auf fremde Rechnung - denn die Rechte derer, die das bezahlen sollen gehen unter, die "brauchen" ja keine staatliche Fürsorge.
Zitat von TechniknörglerIch habe im Verlauf der letzten Jahre - eigentlich seit ich mich mit Politik beschäftigt habe - viele Ideen vorgefunden, wie liberale Ideen verständlich und gut vermittelbar formuliert werden könnten, so dass über sie ein öffentlicher Diskurs überhaupt erst sprachlich möglich wird. Ich habe ebenfalls im Verlauf der letzten Jahre gemerkt, dass jeder Versuch gescheitert ist. Es ist nämlich egal, wie liberale Ideen formuliert oder wiedergegeben werden.
Interessant.Haben Sie Links parat? Ich kenne leider nur soclhe Ideen, die die ursprüngliche Bedeutung verwässern (a la Sozialliberalismus)
Zitat Es gibt, gerade in Deutschland, viele Multiplikatoren, die es zu ihrem Beruf gemacht haben und durch Geistes-, Literatur-, und Medienwissenschaften auch die nötigen Schwurbelfähigkeiten besitzen, um die ursprüngliche Bedeutung wegzulabern und durch ständigen Wiederholen zu allen Möglichkeiten auszuhölen und mit linkem Inhalt zu füllen, bis unbewusst die meisten Medienkonsumenten die neue Assoziation im Kopf haben.
Und dann meint Freiheit halt Dosenpfad. Damit habe ich jetzt absichtlich übertrieben. Niemand in der Durchschnittsbevölkerung wird das Dosenpfand für liberal halten. Aber bei weniger offensichtlichen Verdrehungen klappt es wunderbar.
Das stimmt. Leider. Aber vielleicht gibt es ja - über die Multiplikatorfunktion hinaus - Gründe dafür, warum die Wirkung der Schwurbelnden so groß ist. Und vielleicht gelingt es ja Sand ins Getriebe zu steuern.
Ich habe die letzten Jahr gnadenlos unterschätzt, das Linke und vor allem Grüne in Multiplikatorenberufe gegangen sind und selbst bei einer allgemeinen Skepsis gegenüber diesen Multiplikatoren, es hat durch ständigen Redefluss seine Auswirkungen - steter Tropfen höhlt den Stein. Liberale sind einfach nebenbei liberal, sie denken meistens nicht totalitär und machen häufig ihre Sichtweise nicht zum Beruf. Konservative schon eher (bsp. Priesterberuf). Aber Linke und Grüne machen ihr Weltbild nicht nur zum Beruf, sondern zum Multiplikatorberuf - Journalisten, Medienwissenschaft (die Wissen, wie man Menschen beeinflusst) und Lehrer...
Vielen Dank für das Lob. Ich wünschte ich koennte so farbig formulieren, wie Sie das tun. Es ist mir immer ein Vergnügen ihre Beiträge zu lesen (oder als Podcast zu höhren :-)).
Aber diesmal msus ich ihnen widersprechen. Ich glaube ein Verweis auf Rechte würde nicht weiterführen. Ich gebe Ihnen zwar Recht, dass man einen großen Batzen dessen was Liberalismus ausmacht anhand eines Grundrechtskataloges beschreiben kann. Aber nur, wenn man Grundrechte als "Abwehrrechte" versteht. Als Rechte des Bürgers, in die der Staat nicht eingreifen darf. Mittlerweile aber - so mein Eindruck - ist diese ursprüngliche Bedeutung der Grundrechte noch weiter ins Gegenteil verkehrt worden als es beim Freiheitsbegriff der Fall ist. Die Rechte wurden ergänzt ("Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.") und e.g. in der UNO oder der EU-Verfassung/Vetrages von Lissabon durch "Sozialrechte" erweitert, die letztlich nichts anderes sind als ein großer Wunschkatalog (Recht auf bezahlten Jahresurlaub,...). Und statt Staatsgewalt einzuschränken legitimieren sie auf diese Weise (ja erfordern es geradezu), dass der Staat den Weihnachtsmann spielt. Leider auf fremde Rechnung - denn die Rechte derer, die das bezahlen sollen gehen unter, die "brauchen" ja keine staatliche Fürsorge.
Lieber Dirk, vielen Dank für den Beitrag. Sie treffen auch hier genau den Punkt: der Rechtsbegriff ist ins Gegenteil verkehrt worden - mit "Recht" und "GleichbeRECHTigung" wird heute eben kein Abwehrrecht (noch nicht einmal irgendein anderes universelles Recht) bzw. gleiche Rechte (u. Pflichten?) gemeint. Gerade Gleichberechtigung und Chancen- / Rechtsgleichheit wird heute von den meisten Menschen bedingt durch eben die allgegenwärtige Meinungsbildung als "Ergebnisgleichheit" verstanden. Freiheitsrechte/Abwehrrechte kosten ja nichts - und benötigen auch keine Beamten/Staatsangestellten, die sich hauptberuflich und gut bezahlt darum kümmern - daher wird sich auch keine Partei finden, die diese Rechte medienwirksam aufbereitet und den Leuten das Gegenteil der heutigen Meinungsbildung verkaufen kann.
Nichts gegen Sozialrechte und Sozialstaat - aber was da im Moment abläuft ist schlimmster Sozialismus - nur leider so verbrämt, dass alle (inklusive der Kontroll- und Abwehrinstanzen) glauben, es wäre keiner.
Danke für den schönen Beitrag, der eine gute Anregung gibt, wie man liberale Ideen besser vermitteln könnte.
Was mir etwas schwach herausgekommen ist, ist, dass es die Zielkonflikte eben auch und stark auf der liberalen Seite gibt. Wenn man Zielkonflikte hat, dann muss man Prioritäten setzen und bei den Liberalen sind die Prioritäten eben auf der Freiheit. Und das ist eben nicht immer gut.
Das, was ich meine kann man aus dem Satz "Jeder hat das Recht, unter einer Brücke zu schlafen" ablesen. Hier wird eine Freiheit ausgedrückt. Aber was, wenn die Freiheit zum Zwang wird, weil man eigentlich keine andere Wahl hat? Hier entstehen Zielkonflikte, die der Begriff selbst nicht auffangen kann.
Diese Zielkonflikte sind in der Regel an Zuständen festzumachen (hier dem Zustand des arm-seins). Linke haben kein Problem damit, den Zustand bekämpfen zu wollen und haben damit das moralische Ende für sich. Liberale wollen den Zustand nicht bekämpfen und befinden sich damit in der Defensive, denn es erscheint als wollten sie das gar nicht ändern, oder anders ausgedrückt - der Zustand ist ihnen egal, also Menschen sind ihnen egal. Auch, wenn man sich jetzt auf die Tätigkeiten konzentriert, bleibt die Problematik bestehen, dass man gegen das moralische Übergewicht der Linken kaum ankommt.
Die durchaus korrekte Einsicht, dass Liberale kaum noch in Multiplikatoren Berufen zu finden sind, war einmal anders. In Zeiten, in denen Freiheit Mangelware war, waren die Freiheits Befürworter auch und gerade dort zu finden. Könnte es sein, dass sich Liberale den Niedergang des Liberalismus selbst zuzuschreiben haben, weil sie selbstzufrieden geworden sind?
vielen Dank für diesen Beitrag, es ist in der Tat so, dass der Begriff Freiheit ein viel zu wenig diskutierter ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nutzen und auf das von den Machern von NOVO-Argumente herausgegebene Freiheitsmanifest hinweisen. Damit soll eine Diskussion angestoßen werden, die beschreibt, was heute unter Freiheit zu verstehen ist. Die Liste der Unterzeichner kann sich sehen lassen. Ich habe es auch kommentiert.
Was mir etwas schwach herausgekommen ist, ist, dass es die Zielkonflikte eben auch und stark auf der liberalen Seite gibt.
Wirklich, wo?
Zitat Wenn man Zielkonflikte hat, dann muss man Prioritäten setzen und bei den Liberalen sind die Prioritäten eben auf der Freiheit. Und das ist eben nicht immer gut.
Das sind aber die Zielkonflikte der anderen.
Die Zielkonflikte entstehen erst, wenn man den Liberalismusbegriff "ergänzt". Was die meisten machen, denn kaum jemand folgt bei irgend etwas der reinen Lehre, vor allem aber grundsätzlich liberale Aktuere nicht. Aber der Zielkonflikt kommt eben nicht aus dem Liberalismus, sondern seiner Verwässerung.
Zitat Das, was ich meine kann man aus dem Satz "Jeder hat das Recht, unter einer Brücke zu schlafen" ablesen. Hier wird eine Freiheit ausgedrückt. Aber was, wenn die Freiheit zum Zwang wird, weil man eigentlich keine andere Wahl hat? Hier entstehen Zielkonflikte, die der Begriff selbst nicht auffangen kann.
Ihr Beispiel setzt voraus, das nicht jeder den gleichen Zugang zu Land hat. Dies ist tatsächlich der Fall, denn die positivrechtlich festgelegte Eigentumsordnung vergibt auch Eigentum (im Sinne exklusiver Verfügungsrechte) an Grund und Boden, da die private und privatrechtliche Nutzung von Boden der staatlichen Verwaltung überlegen ist. Boden ist jedoch von anderem Eigentum zu unterscheiden, dass erst durch Arbeit entstanden ist. Wem dadurch Land fehlt, der müsste eigentlich aus der Grundrente für seinen Anteil entschädigt werden, der Grund ist "naturrechtlich" gesehen eigentlich Eigentum aller zu gleichen teilen.
Ich empfehle hierzu sich mit dem Geolibertarismus zu beschäftigen, eine Strömung der libertären Bewegung die bezeichnender weiße keinen vernünftigen deutschsprachigen Internetauftritt hat.
Bezeichnend übrigens auch hier ein Aspekt zu Adam Smiths Ansichten, der zwar von libertären Vordenkern wie Mises durchaus wahrgenommen wurde, weshalb er auf Smiths Position eingegangen ist, die er aber (meiner Ansicht nach zu unrecht) als fehlerhaft zurückwies:
Adam Smith unterschied bei den Produktionsfaktoren nicht nur zwischen Arbeit und Kapital, sonder er unterschied zwischen Arbeit, Kapital und Land.
Sicher kann man für viele ökonomische Betrachtungen Land als eine Spezialform von Kapital betrachten. Es gibt allerdings schon einige Besonderheiten, die eine spezielle Betrachtung rechtfertigen. Vor allem aber für eine moraltheroretische Betrachtung macht eine etwas andere Definition von Kapital Sinn, die einen fundamentalen Unterschied zwischen Kapital und Land sieht.
Klarzustellen ist (bevor absichtlich oder unabsichtliche Strohmänner kommen): Die Überlegungen zur Sonderstellung von Grund und Boden beziehen sich auch nur auf diese. Sie beziehen sich nicht auf die Immobilien darauf. Grund und Boden in Gemeineigentum würde also nach geolibertären Ideen an Private durch Versteigerungen von Erbbaurechten zur privatwirtschaftlichen Nutzung vergeben werden, Grund und Boden in Privateigentum würde als positivrechtlich gesetztes exklusives Nutzungsrecht verstanden, nicht jedoch als Anspruch auf die Bodenrente, die durch eine Grundsteuer möglichst vollständig ab zu schöpfen sei. Diese Grundsteuer bezieht sich aber nur auf die realistisch erreichbare Bodenrente, also die Einnahmen durch das Grundstück an sich, nicht auf einen Mehrwert durch Kapital wie Immobilien darauf und auch nicht auf die tatsächlich verlangten Mieten und Pachteinnahmen die Eigentümers. Es bleibt also Motivation Immobilien zu bauen, sie würden nicht die Steuerschuld erhöhen und es bleibt Motivation des Grundbesitzers die Bodenrente von den Nutzern einzuziehen (wenn er das Grundstück nicht selber nutzt), sei es als Miet-, Pacht- oder Erbbauzins, da die Grundsteuer davon unabhängig ist, wie groß seine verwirklichten Einnahmen aus dem Bodenzins tatsächlich sind.
Zitat
Diese Zielkonflikte sind in der Regel an Zuständen festzumachen (hier dem Zustand des arm-seins). Linke haben kein Problem damit, den Zustand bekämpfen zu wollen und haben damit das moralische Ende für sich. Liberale wollen den Zustand nicht bekämpfen und befinden sich damit in der Defensive, denn es erscheint als wollten sie das gar nicht ändern, oder anders ausgedrückt - der Zustand ist ihnen egal, also Menschen sind ihnen egal. Auch, wenn man sich jetzt auf die Tätigkeiten konzentriert, bleibt die Problematik bestehen, dass man gegen das moralische Übergewicht der Linken kaum ankommt.
Wie schon gesagt: Auch libertäre und liberale haben ein paar Grundvoraussetzungen, damit Handlungen (oder Unterlassungen) legitim sind. Es ist legitim jemanden einen ausgleich dafür zu verwehren, keinen Grundbesitz zu haben?
Zitat @Techniknörgler
Die durchaus korrekte Einsicht, dass Liberale kaum noch in Multiplikatoren Berufen zu finden sind, war einmal anders. In Zeiten, in denen Freiheit Mangelware war, waren die Freiheits Befürworter auch und gerade dort zu finden. Könnte es sein, dass sich Liberale den Niedergang des Liberalismus selbst zuzuschreiben haben, weil sie selbstzufrieden geworden sind?
Guter Einwand. Vielleicht liegt es aber auch tatsächlich mit daran, das "liberal sein" ein Teilaspekt des eigenen Lebens und der Persönlichkeit sind, der nicht das ganze Leben mit Inhalt füllen können (und wollen), sondern nur Freiraum dazu schafft. Gegen "Unterdrückung" zu kämpfen ist dagegen schnell eine Lebensmission, das konsumiert schnell einen Großteil des ganzen Wesens...
[quote+"Kritiker"]Was mir etwas schwach herausgekommen ist, ist, dass es die Zielkonflikte eben auch und stark auf der liberalen Seite gibt. Wenn man Zielkonflikte hat, dann muss man Prioritäten setzen und bei den Liberalen sind die Prioritäten eben auf der Freiheit. Und das ist eben nicht immer gut. [/quote]
Lieber Kritiker,
ich habe mich bewusst nicht mit den Schwierigkeiten der Liberalen bei Bewertungen beschaeftigt. Selbstverstaendlich gibt es auch diese. Allerdings sind dies keine "Zielkonflikte" - der Liberale hat in meinem Model ja keine Ziele - sondern unterschiedliche moralische Massstabe, die an Handlungen angelegt werden. In dem Fall dass diese kollidieren, ist der "korrekte Massstab" eine Ermessenssache und letztlich dem Einzelnen - oder bei staatlichen Dingen der Mehrheit ueberlassen. Gibt es haufig (etwa bei Freiheit vs Sicherheit)
Zitat Aber was, wenn die Freiheit zum Zwang wird, weil man eigentlich keine andere Wahl hat?
Wenn man keine andere Wahl hat, bleibt Freiheit immer noch Freiheit. Freiheit ist die Abwesenheit von Zwang, aber nicht von Sachzwang. Keine sinnvolle Definition von Freiheit kann diese durch Sachzwaenge eingeschraenkt sehen, denn Sachzwaenge gibt es immer. Wer leben will, muss fur sein Leben aufkommen. Daran laesst sich nichts aendern. Es sei denn man buerdet diesen Zwang einem anderen auf. Wir koennen gerne darueber diskutieren ob (oder welchen Umstaenden) eine solche Handlung (e.g durch einen Staatseingtriff) sinnvoll, angebracht oder legitim oder gar geboten ist. Das aendern aber ncihts daran, dass 1. der Brueckenschlaefer frei ist (wenngleich in anderweitig schlechter Situation ) und 2. Die Frage der Zustaende und der Reaktionen darauf Handlungen beide in den Mittelpunkt moralsicher Betrachtungen gesetzt werden koenen, ohne dass das eine dem anderen moralisch ueberlegen waere.
vielen Dank für diesen Beitrag, es ist in der Tat so, dass der Begriff Freiheit ein viel zu wenig diskutierter ist. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nutzen und auf das von den Machern von NOVO-Argumente herausgegebene Freiheitsmanifest hinweisen. Damit soll eine Diskussion angestoßen werden, die beschreibt, was heute unter Freiheit zu verstehen ist. Die Liste der Unterzeichner kann sich sehen lassen. Ich habe es auch kommentiert.
Ein guter Vorschlag, sich vor allem auf die Handlungsebene zu konzentrieren. Ein Problem für Liberale besteht sicher auch darin, dass Linke ein sprudelnder Quell immer neuer Regulierungseifälle sind. Oft genug Dinge, auf die ein Liberaler niemals käme. Klappern gehört zum Handwerk.
Zitat Dirk im Biogbeitrag _________________ "Ein schönes Beispiel dafür ist die Debatte um das Rauchverbot in der Gastronomie. Ein Liberaler, der mit seinen Überzeugungen argumentiert, würde gegen das Verbot etwa einwerfen, dass der Staat nicht das Recht habe in das Eigentumsrecht der Gastwirte einzugreifen, oder dass der Staat nicht das Recht habe die Vertragsfreiheit zwischen Gastwirt und Kunden zu verletzen. Aber er hätte es vermutlich schwer. Es würde wohl als provozierend aufgefasst werden, etwas so edles wie die Gesundheit gegenüber „Formalien“ wie Eigentumsrecht und Vertragsfreiheit zurückzustellen. Kurz: Da der Gegner und die Mehrheit der Öffentlichkeit die Überzeugungen des Liberalen nicht teilen, ist dieser Weg einer Konfrontation. Aus diesem Grund greift der Liberale oft auf die andere Möglichkeit zurück, auf die des Ausweichens." ________________
Und vielleicht - vielleicht - hat er auch die Forschungsergebnisse von James Enstrom und Geoffrey Kabat zur Kenntnis genommen, die sich fest vorgenommen hatten, die zunächst ja schlüssig erscheinende These vom schädlichen Passivrauch mit genauen Zahlen gewichten zu können (aktives Rauchen ist nunmal nicht gesundheitsförderlich; der Rauch ist das karzinogene Agens, folglich ist diese Annahme zumindest vernünftig). Als Langzeitdatenbasis verwendeten sie die Erhebungen der American Cancer Society, die in Kalifornien mit 118.000 Probanden von 1959 bis 1989 erstellt worden war - die längste & breiteste Erhebung. Leider kamen sie zu dem Schluß, daß Passivrauchen, egal in welchem Ausmaß & über welchen Zeitraum auch, keine Auswirkung auf die Krebshäufigkeit habe. (Woraufhin die ACS die Fördermittel aus dem Tobacco Related Disease Research Programm umgehend strich). Einzelheiten sind bei Geoffrey C. Kabat, Hyping Health Risks: Environmental Hazards in Daily Life and the Science of Epidemiology (New York: Columbia Press, 2008) auf den Seiten 147 bis 182 nachzulesen.
Andererseits: wer in einer politischen Diskussion mit Zahlen () & Fakten () kommt, verletzt bewußt die ungeschriebenen Regeln des Spiels & wird daher zu Recht disqualifiziert.
Zitat von Quentin Quencher im Beitrag #12Ich möchte bei dieser Gelegenheit nutzen und auf das von den Machern von NOVO-Argumente herausgegebene Freiheitsmanifest hinweisen.
<Bosch-Werbungsmodus>(gelangweilt) "Gibt's schon...."</Bosch-Werbungsmodus> Und zwar im "Kleinen Zimmer" und "Aktuell im Web": Freiheitsmanifest
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Kallias im Beitrag #1Dirk, seit bald sechs Jahren geschätzter Kommentator im "Kleinen Zimmer", hat einen Gastbeitrag über den Unterschied zwischen Liberalen und Nichtliberalen geschrieben.
Ein interessanter Ansatz, aber so schrecklich neu dann wohl auch wieder nicht - statt "Handlung" und "Zustand" könnte man auch "Regel" und "Ziel" sagen und würde dann sehr, sehr ähnlich argumentieren. Und viele schlaue, liberale (nicht zwingend ein Pleonasmus!) Köpfe haben das ja auch so oder anders getan.
Natürlich strebt ein Mensch nach Zielen. Eigentlich immer. Was er hat, vergisst er schnell zugunsten neuer Ziele. Damit kann man ihn packen, begeistern und zu Höchstleistungen anspornen. Ohne Ziele ist alles nichts. Das Problem beginnt erst dann, wenn wir über Politik reden, also über eine Form der Zusammenarbeit, die unter allen uns bisher bekannten Umständen immer damit endet, dass die einen über die anderen bestimmen. Individuelle oder gemeinschaftlich beschlossene Ziele sind etwas Schönes, aufoktroyierte ein Graus. Und Scheinziele, die von den einen als Teil eines Wunschzettels beschlossen werden, bei denen aber nur die anderen zur Umsetzung beitragen sollen, sind nur bei den Beschließenden und ihren Freunden angesehen. Dennoch: Man braucht nur ein wenig Rhetorik, um das positive Gefühl, dass im Menschen bei der Vorstellung ausgelöst wird, bisher unerreichbare Ziele in Angriff nehmen zu können, auch politisch für sich zu vereinnahmen.
Da tritt der Liberale, der nur die Schultern zuckt und sagt: "Verwirklicht eure Ziele doch alle selbst! Ich mache euch da keine Vorschriften, schlage auch nichts Besonders vor. Aber ich sorge dafür, dass ihr euch ungehindert anstrengen könnt!" dann doch per se als Spielverderber auf. Ich nehme sehr gerne Beispiele aus der Fußballwelt.
Von einem Fußballspiel kann man sich viel wünschen: Viele Tore, ein spannendes Spiel, geniale Kombinationen, irre Dribblings. Um das zu erreichen, würde der Nichtliberale ständig ins Spiel eingreifen. Wenn zu wenig Tore fallen, schraubt er an der Abseitsregel und lässt die Torleute die Bälle nur mit dem Hintern abwehren. Wenn zu wenig kombiniert wird, legt er eine Mindestzahl an Pässen fest, die während eines Angriffs zu spielen sind. Wird zu wenig gedribbelt, eine minimale Haltedauer des Balls und eine Mindestanzahl Dribblings pro Meter Raumgewinn. Und wenn eine Mannschaft zu deutlich führt, so dass die soziale Gerechtigkeit in Gefahr ist, dürfen sie einige Minuten lang nur mit fünf Feldspielern agieren und dürfen während eigener Angriffe nur Medizinbälle verwenden.
Der Liberale hingegen ist der Schiri, der auf den Regeln besteht, die zu Anfang des Spiels festgelegt wurden. Und wie beliebt Schiris sind, wissen wir ja.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Du hast recht, dass es leicht ist Menschen für Ziele zu begeistern - vor allem wenn verspricht, dass es andere sind, die sich anstrengen müssen. Da hat der Liberale einen Nachteil in der Argumentation.
Das Bild vom Liberalen als Schiedsrichter - oft bemüht - halte ich allerdings für nicht zutreffend. Wie Du ja selber schreibst sind es vor allem die Nichtliberalen, die neue Regeln entwerfe, ins Spiel eingreifen, sprich eine erweiterte Rolle des Schiedsrichters fordern. Schiedsrichter ist ist der Staat und der setzt auch und vor allem die Regeln der Nichtliberalen um.
Zitat von dirk im Beitrag #20Wie Du ja selber schreibst sind es vor allem die Nichtliberalen, die neue Regeln entwerfe, ins Spiel eingreifen, sprich eine erweiterte Rolle des Schiedsrichters fordern.
Sie entmachten eher den Schiri, indem sie die Regeln zu einer Akt des Willkürs machen, zu beliebig änderbaren Dingen - bis dann endlich, ganz im Sinn der rent seeking society, die Änderung der Regeln das Spiel selbst ersetzt. Natürlich ist der Schiri abhängig von den Regeländerern, insofern ist mein Bild für die Liberalen doch nicht ohne weiteres stimmig, und deswegen hatte ich es auf den auf die ursprünglichen Regeln beharrenden Schiri begrenzt. Allerdings könnte man in der Rolle wieder die Konservativen sehen. Die witzigerweise in der realen Fußball-Welt vom radikalsten Teil der Anhängerschaft, nämlich den Ultras repräsentiert werden. Der Liberale ist dann vielleicht doch eher der, der sich lieber irgendwo auf der Wiese zum Kick mit Freunden trifft, zu Regeln, die man selbst vorher vereinbart hat
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von dirk im Beitrag #7vielleicht ist das ja auch der Grund, warum ich in letzter Zeit immer mehr Sympathien für die katholische Kirche entdecke :-)
Die Texte und die Evangelien gehen das durchaus her. Zum Beispiel wird in Gaudium et Spes das Gemeinwohl als das definiert, was der "Vollkommenheit" der Menschen dient. Diese Vollkommenheit kann wiederum nur freiwillig erreicht werden. Folglich spricht sich das Vaticanum II. gegen Zwangsmaßnahmen zur Erreichung des Gemeinwohles aus. Allerdings glaube ich kaum, daß es im Klerus so viele Anhänger der Freiheit gibt. Auch dort scheint alles zwischen konservativ und sozialistisch zu pendeln. Speziell in Mitteleuropa sind die Großkirchen ja sogar als Parafiskus verfaßt. Persönlich sehe ich auch darin einen Grund für die mangelnde Überzeugungskraft und die vielen Kirchenaustritte.
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