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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 63 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.11.2013 20:38
#26 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #24
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #20
Langlebigkeit und Qualität sind Kriterien, die bei dem Kauf eines neuen Produkts noch gar nicht bekannt sind. Ich jedenfalls gebe meine Kaufentscheidung nicht an die Stiftung Warentest ab oder irgendwelche anderen Ratgeber.

Das kann man auch als Fehler sehen, lieber Herr Plaethe.

Kann man. Aber ich denke es ist kein Fehler, eher eine Frage des persönlichen Stils, wenn ich das mal so sagen darf. Auch wenn ich die Bedeutung des Wortes "Stil" etwas stark beanspruche.
Zitat von Llarian im Beitrag #24
Denn bei aller Kritik, die man an Stiftung Warentest oder anderen Testern im Allgemeinen haben kann, so ist das sicher eine informiertere Entscheidung als einen Gegenstand nach seinem Aussehen auszuwählen. Und ob der Qualität und Langlebigkeit bei einem neuen Produkt nicht bekannt ist, auch das würde ich in Zweifel ziehen. Ich habe beispielsweise gar keinen, auch nicht den kleinsten Zweifel, in den Unterschieden zwischen einem Produkt aus dem Hause Volkswagen und Produkten aus dem Hause Fiat was das angeht. Und da kann der Fiat noch so doll designt sein.

Diese Erfahrung ist aber eine, die der Historie des Autobauers entspringt. Sie ist mehr Vermutung, gut begründet, aber nicht unbedingt auf ein neues Produkt übertragbar. Erst der Markt entscheidet über ein Produkt. Dies im vornherein entscheiden zu wollen, ist m.E. dem Wunsch nach Sicherheit geschuldet wo es keine gibt.
Der Vito von Mercedes Benz hatte durch seine erste Generation kein gutes Image hinsichtlich seiner technischen Zuverlässigkeit. Es gab also für die Käufer der zweiten Generation (wie ich) keinen Grund sich für dieses Auto zu entscheiden. Meine Entscheidung viel trotzdem auf ihn. Und das Design hatte dabei einen sehr großen Anteil.
Diese Entscheidung kann als irrational bezeichnet werden, aber ich sehe in ihr eher eine gewisse Risikofreude gepaart mit der Überzeugung, dass Fehler behoben werden. Und ich habe sie bis zum heutigen Tag nicht einmal bereut. Das Pendant von VW kann da nicht mithalten. Technisch nicht und hinsichtlich des Designs sowie so nicht. Meiner Ansicht nach.
Und es werden weltweit sicher mehr VW T5 verkauft, als Vitos.
Der neue Fiat 500 ist ein echter Renner geworden trotz des ramponierten Images; es gehen also auch andere Autokäufer Risiken ein und setzen auf Design.

Zitat
In Amerika muss man schon sehr lange warten um mal ein deutsches Auto zu sehen. Auf den Strassen dort bestimmt der Ford Mustang das Bild.


Zitat von Llarian im Beitrag #24
Ähh, ich glaube, Herr Plaethe, hier überbewerten Sie die eigene Beobachtung. Die USA importieren Autos und Autoteile für 300 Milliarden Dollar im Jahr, exportieren in der selben Zeit ungefähr die Hälfte. Die USA importiert massiv Automobile, im Wesentlichen aus Deutschland, Japan und China, nicht gerade Beispiele für extremes Design. Ich denke das hängt sehr stark davon ab, wo Sie sich befinden. In den ländlichen Bereichen, wo auch noch sehr viel Nationalstolz eine Rolle spielt, dann werden die Fords und Chevis sicher weit vorne liegen. Gehen Sie aber nach Kalifornien oder New York, wo ein gänzlich anderes Denken herscht, dann werden Sie deutlich mehr deutsche oder japanische Autos wiederfinden.

Meine Beobachtungen habe ich in New York, Florida und Hawaii gemacht. Die Dominanz des Mustang war schon bemerkenswert.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Llarian Offline



Beiträge: 7.127

19.11.2013 22:32
#27 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #25
Der 911er ist ein qualitatives hochwertiges Auto. Golf und Passat sind auch qualitativ und sehr zuverlässig. Aber es sind Nähmaschinenautos. Der Golf hat ja noch etwas sportliches, aber VW Passat ist mit das langweiligste, was es auf dem Automarkt gibt.

Davon mal ab, dass ich nicht der Meinung bin, dass Autos irgendetwas "sportliches" haben (ich finde schon die Bezeichnung Sportwagen absurd bis lächerlich), so stellt sich die interessante Frage wie es kommt, dass ein so langweiliges Auto so unglaublich oft verkauft worden ist. Oder wie es kommt, dass ein so langweiliges Auto einen so hohen Wiederverkauswert hat, denn wenn der Passat eins ist, dann ist er ziemlich preisstabil.
Ich räume ja gerne ein, dass für Sie, wie auch für Herrn Plaethe, dass Design entscheidend oder mitentscheidend ist, wenn Sie sich ein Auto zulegen. Nur müssten Sie dann auch einräumen, dass das wohl auf breite andere Massen nicht zutrifft.

Christoph Offline




Beiträge: 241

20.11.2013 00:48
#28 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #27
Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #25
[…] Der Golf hat ja noch etwas sportliches, aber VW Passat ist mit das langweiligste, was es auf dem Automarkt gibt.

Davon mal ab, dass ich nicht der Meinung bin, dass Autos irgendetwas "sportliches" haben (ich finde schon die Bezeichnung Sportwagen absurd bis lächerlich), so stellt sich die interessante Frage wie es kommt, dass ein so langweiliges Auto so unglaublich oft verkauft worden ist. Oder wie es kommt, dass ein so langweiliges Auto einen so hohen Wiederverkauswert hat, denn wenn der Passat eins ist, dann ist er ziemlich preisstabil.
Ich räume ja gerne ein, dass für Sie, wie auch für Herrn Plaethe, dass Design entscheidend oder mitentscheidend ist, wenn Sie sich ein Auto zulegen. Nur müssten Sie dann auch einräumen, dass das wohl auf breite andere Massen nicht zutrifft.



Der Begriff «Langeweile» ist jetzt schon mehrmals gefallen, oft, als wäre Langeweile das Gegenteil von Design, immer als Vorwurf, wenn nicht gar als Anklage. Ich nenne die Langweile lieber «Zeitlosigkeit», und verstehe sie als Qualität.
In den nordischen (Skandinavien, Dänemark, Niederlande, Deutschland) Designschulen hat sparsames Design bis hin zum Understatement eine lange und große Tradition (z.B. Dieter Rams: Gutes Design ist so wenig Design wie möglich).

Bei über 90% aller Gebrauchsgüter (das Auto rechne ich mal ganz dreist mit dazu :) ) ist das höchste Lob, dass ich ihnen aussprechen kann: «Das …? Das ist mir gar nicht aufgefallen», denn «auffallen», bedeutet bei Wasserhähnen, Türklinken, Zitronenpressen etc. meist «negativ auffallen» also «stören». Eine Türklinke sieht man normalerweise nicht, bis man in einen Kindergarten oder in ein Krankenhaus kommt, wo man sie vergeblich sucht. Wasserhähne fallen mir dann auf, wenn ich nicht weiß, wo ich mit der Hand anpacken, drauhhauen oder herumwedeln muss, um die Quelle zum Sprudeln zu bringen oder die Temperatur zu ändern. Das sind ästhetisch oft sehr ansprechende Modelle. Ein Paradebeispiel in jeder Hinsicht aufregenden Designs ist die Zitronpresse von Philippe Starck, einem genialen Scharlatan, der sich «Designer» nennt. Die Presse sieht man in jedem Buchladen, der mehr als 10 Designbücher anbietet, auf einem der Titelbilder. Eine Skulptur – bloß kann sie keine Zitrone pressen. Auch wenn aufregendes Design funktioniert, kitzelt es das Auge oft nur für Tage oder Wochen und bald hat man sich sattgesehen und es gerät aus der Mode.

Unter den Autos erscheinen viele der «Klassiker» (Audi 80, NSU Ro 80) und epochemachenden Modelle (Espace, Golf I) ganz unspektakulär und bescheiden. Dagegen geraten «aufregende» Modelle oft in Vergessenheit oder werden, ausgestorbenen Tieren gleich, als Kuriositäten aus vergangenen Epochen betrachtet

Zugegeben: auch der DS sieht man ihr Alter kaum an. Sie ist aufregend und doch zeitlos. Sie bildet jedoch leider die seltene Ausnahme zur Regel: Derselbe Mann, der die DS schuf hat auch L’ami six zu verantworten.

Viele Grüße,
Christoph

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

20.11.2013 08:24
#29 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Christoph
Eine Türklinke sieht man normalerweise nicht, bis man in einen Kindergarten oder in ein Krankenhaus kommt, wo man sie vergeblich sucht. Wasserhähne fallen mir dann auf, wenn ich nicht weiß, wo ich mit der Hand anpacken, drauhhauen oder herumwedeln muss, um die Quelle zum Sprudeln zu bringen oder die Temperatur zu ändern. Das sind ästhetisch oft sehr ansprechende Modelle.



In der Tat, ich weiß nicht, wie viel Zeit ich schon vor solchen Badarmaturen rätselnd verbracht habe. Die Krönung ist aber, wenn hinter dem "ikonischen" Wasserhahn dann ein computergedrucktes, mit Tesafilm angebrachtes Blatt angeklebt ist, auf dem steht, wie man dem Teil Wasser entlocken kann (mehrfach erlebt) Ergo: es ist nicht so zentral, ob Design der Funktion folgt oder umgekeht, zumindest erschließen sollte sich die Funktion aber schon.

Zitat
Ein Paradebeispiel in jeder Hinsicht aufregenden Designs ist die Zitronpresse von Philippe Starck, einem genialen Scharlatan, der sich «Designer» nennt. Die Presse sieht man in jedem Buchladen, der mehr als 10 Designbücher anbietet, auf einem der Titelbilder. Eine Skulptur – bloß kann sie keine Zitrone pressen. Auch wenn aufregendes Design funktioniert, kitzelt es das Auge oft nur für Tage oder Wochen und bald hat man sich sattgesehen und es gerät aus der Mode.



Sie meinen die hier? Na toll. Jetzt kann ich mir ein neues Weihnachtsgeschenk für meine Frau suchen. Die fährt nämlich auf das Alessi-Zeug ab. Das tollste ist der Wasserkocher: Es ist mir noch nicht gelungen, das Vögelchen abzunehmen ohne mir dabei die Hand zu verbrühen.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2013 12:53
#30 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #2
Ach ja, wer hat eigentlich damals den Fiat Multipla verbrochen?

Ein interessantes Beispiel. Den finde ich persönlich auch grottenhäßlich. Aber er ist auf jeden Fall keine langweilige Stangenware. Und andere lieben ihn.
DAS ist wohl der Knackpunkt bei gutem Design: Man kann es hassen oder lieben, aber es läßt einen nicht kalt.

Zitat
Ich bin beim Rumsurfen nach der Lektüre dieses Artikels über einen alten Spon-Text gestolpert und musste feststellen, dass einer der wenigen BMW die mir spontan gefallen haben dort zu den 10 hässlichsten Autos gezählt wird. Habe ich jetzt ein verqueres Bild von schönem Design oder die Spon-Leute?


Eine bemerkenswert doofe Liste - na ja, eben SpOn.
Denn da sind einige Autos dabei, über die kann man sich natürlich streiten (wobei die "Häßlichkeit" eben im Auge des Betrachters liegt). Aber einige auf der Liste sind so langweiliger Durchschnitt, die sind doch viel zu langweilig um als "häßlich" gelten zu können.
Und was den Xsara Picasso auf der Liste betrifft: Über den Außenanblick kann man streiten. Aber für die Insassen ist der ein Traum. Wir hätten ihn fast spontan gekauft, als wir mit der Familie über die Autoshow sind und uns einfach mal reingesetzt haben ...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2013 13:01
#31 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #7
Deutschland hatte das Bauhaus ...

Leider.
Seitdem gilt die Schuhschachtel als ästhetischer Maßstab für die Verschandelung unserer Städte. Das mag zwar weitgehend falsch verstandene Bauhaus-Rezeption sein, aber die "echte" Bauhaus-Bautradition ist halt noch ungemütlicher. Wirklich leben möchte in solchen Bauten eigentlich nur ein harter Kern von Design-Freaks.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

20.11.2013 13:57
#32 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #7
Deutschland hatte das Bauhaus ...

Leider.
Seitdem gilt die Schuhschachtel als ästhetischer Maßstab für die Verschandelung unserer Städte. Das mag zwar weitgehend falsch verstandene Bauhaus-Rezeption sein, aber die "echte" Bauhaus-Bautradition ist halt noch ungemütlicher. Wirklich leben möchte in solchen Bauten eigentlich nur ein harter Kern von Design-Freaks.


Es war nicht nur das Bauhaus. Da gibt es eine Unheilige Trias als Anstifter: neben den Weimaranern war das de Stijl & dann le Corbu (der übrigens auch so eine prinzipielle "materialgerechte" arte povvera der Obstkistenästhetik vertrat wie die Bauhäusler). Die USA hatten Frank Lloyd Wright; aber der war nicht anschlußfähig & hat deswegen mangels Meisterschölern nur durch seine eigenen Bauten Schaden gestiftet. Hans Magnus Enzensberger: "Bei der Poesie handelt es sich, im Gegensatz zur Architektur, um eine nichtterroristische Form der Kunstausübung."

(Bezeichnend nb., daß von Wrights gut 1100 Gebilden mittlerweile gut zwei Drittel plattgemacht sind; wegen Unbrauchbarkeit oder Baufälligkeit: für mehr als 15 Jahre hat von diesen Herr-Schaften keiner gebaut). Zum Bauhaus & seinen vehreerenden Folgen kurz & knapp: Tom Wolfe, From Bauhaus to Our House (1981), eine Rundumpolemik, die richtig Spaß macht. (den größten Teil des Buchs gibt es hier).

Davon ab (den Aspekt hat auch Wolfe nicht): Das Bauhaus war schwer esoterisch unterfüttert: am schlimmsten Johannes Itten, aber auch Klee & Kandinski - das ganze Programm steckt voll von Lebensreform & Euyrythmie & halbgarer Zahlenmystik: Rudi Steiner hätte da gut hingepaßt, wenn er nicht seine eigene Schiene aufgemacht hätte, mitsamt noch scheußlicherer Ästhetik, wo selbst der Gußbeton selbstgebatikt aussieht. (Das ganze Gurutum dieser VIP-Erleuchteten kam dem natürlich entgegen.) Gilt auch für Wright: seine 3. Frau Olgivanna war vorher bei Paris G. I. Gurdieffs rechte Hand gewesen.

Der einzige Verdienst des Bauhauses dürfte darin liegen, daß sich ab den 50ern die Skandivanier gefragt haben: kann man nach diesen ästhetischen Vorgaben nicht auch was entwerfen, daß nicht abstoßend häßlich (& halbwegs praktisch, wenns geht) ist? Das klassische moderne skandinavische Design stammt daher. Von daher stimmt's dann wieder, daß keiner überflüssig ist, sondern immer noch als abschreckendes Beispiel dienen kann.

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

20.11.2013 14:49
#33 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #7
Deutschland hatte das Bauhaus ...

Leider.
Seitdem gilt die Schuhschachtel als ästhetischer Maßstab für die Verschandelung unserer Städte. Das mag zwar weitgehend falsch verstandene Bauhaus-Rezeption sein, aber die "echte" Bauhaus-Bautradition ist halt noch ungemütlicher. Wirklich leben möchte in solchen Bauten eigentlich nur ein harter Kern von Design-Freaks.


Beispiel: Wohnen im Bauhaus-Stil
http://www.youtube.com/watch?v=eVdNNiyy41I

Das Haus besteht aus mehreren Etagen mit mehreren Wohnebenen – das Ganze für meinen Geschmack zu „rustikal“ möbliert. Mir fehlen da einige kuschelige Ecken mit Polstermöbeln, Kissen und knietiefen Teppichen. Andererseits wird natürlich nur das gezeigt, was der Hausherr sehen lassen will. So sind die privaten Räumlichkeiten gänzlich ausgespart.

Fazit des im Film gezeigten Eigentümers: »Heute mit Bauhausmöbeln zu wohnen, weist einen nicht als wirklich modernen Menschen aus.«


Ergänzung: Es muss auch nicht alles eckig sein.
Tel Aviv, the Bauhaus Period

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Christoph Offline




Beiträge: 241

20.11.2013 16:15
#34 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #29
In der Tat, ich weiß nicht, wie viel Zeit ich schon vor solchen Badarmaturen rätselnd verbracht habe. […] erschließen sollte sich die Funktion aber schon.

Manchmal wird man ja direkt irregeführt. In einer öffentlichen Toilette, die ich 3 … 4 mal im Jahr benutze, falle ich immer wieder auf den Wasserhahn herein. Der ragt als verchromter Zylinder etwas schräg aus dem Becken und verleitet mich jedesmal dazu, auf die große runde Stirnseite zu drücken. Dann wundere ich mich, dass die nicht nachgibt und kein Wasser kommt, bis ich mich schließlich erinnere, dass ich vor diesem Hahn stehe, der seinen Infrarotsensor so geschickt vor meinem Auge verbirgt.

Zitat

Zitat
Ein Paradebeispiel in jeder Hinsicht aufregenden Designs ist die Zitronpresse von Philippe Starck, […]


Sie meinen die hier? Na toll. Jetzt kann ich mir ein neues Weihnachtsgeschenk für meine Frau suchen.



Ja, die meine ich. Allerdings will ich Ihnen die Weihnachtsfreude nicht verderben. Saft kann man offensichtlich schon produzieren: Video, Video 2, er tropft bloß nicht immer ins Glas, wie man sieht. die amazon-Rezensionen sind trotzdem ganz euphorisch. Im Gegensatz zum Vögelchen auf dem Kessel, scheint das Ding wenigstens nicht zuzubeißen.

Zitat
Das tollste ist der Wasserkocher: Es ist mir noch nicht gelungen, das Vögelchen abzunehmen ohne mir dabei die Hand zu verbrühen.


Dem geistigen Vorfahren dieses Kessels, auch ein Alessi-Produkt, widmet Otl Aicher eine Karikatur unter der Überschrift: Der nicht mehr brauchbare Gebrauchsgegenstand. So etwas kommt heraus, wenn man Design als reine Formgebung, ganz unabhängig von der Funktion begreift.

Viele Grüße,
Christoph

Christoph Offline




Beiträge: 241

20.11.2013 16:39
#35 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #31
Zitat von Jakob Nierstein im Beitrag #7
Deutschland hatte das Bauhaus ...

Leider.
Seitdem gilt die Schuhschachtel als ästhetischer Maßstab für die Verschandelung unserer Städte. Das mag zwar weitgehend falsch verstandene Bauhaus-Rezeption sein, aber die "echte" Bauhaus-Bautradition ist halt noch ungemütlicher. Wirklich leben möchte in solchen Bauten eigentlich nur ein harter Kern von Design-Freaks.

Das Bauhaus hat manchen Fehler, aber ein Mangel an Ästhetik gehört sicher nicht dazu. Es war geradezu notwendig, all die Ornamente und das historisierende Gerümpel aus der Baukunst zu verbannen und es wäre auch ohne das Bauhaus geschehen. Unter den Entwürfen von Gropius, van der Rohe und Meyer wird man auch kaum eine «Schuhschachtel» finden.

Zudem ist eine ehrliche Schuhschachtel noch weit besser, als eine Schuhschachtel mit vorgeblendeter Schloss-Fassade oder all die Pseudo-Schwarzwaldhäuschen aus Gipskarton, mit denen wohlmeinende Familienväter die Neubausiedlungen der Stadtränder verzieren.

Viele Grüße,
Christoph

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2013 17:54
#36 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #32
Hans Magnus Enzensberger: "Bei der Poesie handelt es sich, im Gegensatz zur Architektur, um eine nichtterroristische Form der Kunstausübung."


Vielen Dank, lieber Ulrich Elkmann, für diese Rückenstärkung. Wenn man gegen das heilige Bauhaus etwas sagt, gilt man unter manchen tonangebenden gebüldeten Menschen ja als Ketzer und Barbar ...

Zitat
Bezeichnend nb., daß von Wrights gut 1100 Gebilden mittlerweile gut zwei Drittel plattgemacht sind; wegen Unbrauchbarkeit oder Baufälligkeit: für mehr als 15 Jahre hat von diesen Herr-Schaften keiner gebaut).


Manche haben vielleicht auch 20 Jahre im Blick gehabt ;-)
Aber "Nachhaltigkeit" war damals offenbar keine Devise. Alle diese angeklebten vorspringenden Betonteile - grauenhaft für jede ordentliche Bauunterhaltung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2013 18:05
#37 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Uwe Richard im Beitrag #33
Beispiel: Wohnen im Bauhaus-Stil
http://www.youtube.com/watch?v=eVdNNiyy41I

Sehr interessant.
Und schon treffend die Anmoderation: "Ein Haus wie eine Skulptur".
Ich hätte zwar spontan eher einen Bunker mit Sehschlitzen assoziiert, aber "Skulptur" sagt ja schon, daß das ein reines Kunstwerk sein soll. Zur Betrachtung von außen, aber weder praktisch noch für Wohnbedürfnisse gedacht.

Wobei einige Aspekte des Hauses schon nett sind, z. B. der vielfältige Lichteinfall (über Glasbausteine läßt sich wieder streiten). Der Innenflur über mehrere Stockwerke und andere Details lassen eher darauf schließen, daß es nur für Bewohner gedacht ist, die auf Socken durchs Haus schleichen und als lauteste Tätigkeit ihren Tee schlürfen. Jede echte Geräuschentwicklung in irgendeinem Raum wird gut im restlichen Gebäude zu hören sein ...
Trotz der über 200 qm scheint es in diesem Haus nicht vorgesehen zu sein, mal Gäste einzuladen und fröhlich zu feiern.

Zitat
Mir fehlen da einige kuschelige Ecken ...


Es kann sein, daß die Bewohner sich mit ihren Lebensstil ihrem Museum unterworfen haben. Das muß halt sein, wenn man originell wohnen will - Passivhausbewohner können davon auch ein Lied singen.

Zur "kuscheligen Ecke" fällt mir ein Beispiel ein. Ein Bekannter hat sich ein wirklich sehr großes Haus gebaut. Im wesentlich als EIN Raum mit Sitzgrube in der Mitte, offener Küche und spärlich meublierten großzügigen offenen Flächen. Wirklich ideal für stilvolle kleine Partys mit 10-30 Leuten. Und man muß ihm lassen, er hat auch gerne und häufig eingeladen.
Angebaut waren dann noch ein Schlafzimmer mit Bad.
Es war aber eigentlich nicht auszuhalten, in diesem großen Raum einen Abend alleine oder zu zweit zu verbringen. Deswegen gab es verdeckt unter einem Treppenaufgang eine Schmuddelecke mit einem kleinen Fernseher im Eck und einigen Kissen. Da hat dann das Ehepaar seine Freizeit verbracht ...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.11.2013 18:18
#38 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Christoph im Beitrag #35
Das Bauhaus hat manchen Fehler, aber ein Mangel an Ästhetik gehört sicher nicht dazu.

Mangel an Ästhetik wäre auch nicht mein Vorwurf. Es gibt viele Bauhausbauten, die ich durchaus für interessant und anschauenswert halte.
Aber das sind dann Einzelstücke. In Masse halte ich diese sehr reduzierte Ästhetik für schwer erträglich.

Zitat
Es war geradezu notwendig, all die Ornamente und das historisierende Gerümpel aus der Baukunst zu verbannen ...


Ich würde lieber in einem durchornamentierten Jugendstilhaus als in einem Gropiusbau wohnen wollen - aber das ist letztlich persönliche Geschmacksache.
Aber als Reaktion auf vielleicht in manchen Fällen übertrieben empfundene Ornamentik die komplette Verbannung zu fordern, das war m. E. eine völlig Übertreibung. Wenn ein Koch eine Suppe versalzen hat, dann fordere ich doch als Reaktion nicht den Verzicht auf alle Gewürze in der Küche.

Zitat
Unter den Entwürfen von Gropius, van der Rohe und Meyer wird man auch kaum eine «Schuhschachtel» finden.


Richtig. Die "Schuhschachtel" kommt dann, wenn irgendein Fritzchen Meyer sich als Architekt oder Stadtplaner meint am Bauhaus orientieren zu müssen und mit reduziertem Budget Beton in die Landschaft kippt. Bei teuer konzipierten Meisterbauten läßt sich Bauhaus noch aushalten. In der reduzierten Form wird es schrecklich.

Zitat
Zudem ist eine ehrliche Schuhschachtel noch weit besser, als eine Schuhschachtel mit vorgeblendeter Schloss-Fassade oder all die Pseudo-Schwarzwaldhäuschen aus Gipskarton, mit denen wohlmeinende Familienväter die Neubausiedlungen der Stadtränder verzieren.


Eine Schuhschachtel ohne jeden Schmuck ist nicht ehrlich, sondern öde. Und mit übertriebenem Dekor wird sie lächerlich. Mit Augenmaß für Schönheit eines Gebäudes zu sorgen ist nicht jedem Architekten oder Bauherrn gegeben.

Christoph Offline




Beiträge: 241

20.11.2013 19:44
#39 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #38

Zitat
Es war geradezu notwendig, all die Ornamente und das historisierende Gerümpel aus der Baukunst zu verbannen ...

Ich würde lieber in einem durchornamentierten Jugendstilhaus als in einem Gropiusbau wohnen wollen - aber das ist letztlich persönliche Geschmacksache.
Aber als Reaktion auf vielleicht in manchen Fällen übertrieben empfundene Ornamentik die komplette Verbannung zu fordern, das war m. E. eine völlig Übertreibung. Wenn ein Koch eine Suppe versalzen hat, dann fordere ich doch als Reaktion nicht den Verzicht auf alle Gewürze in der Küche.


Ein interessanter Vergleich, aber ich sehe schon einen Unterschied zwischen Gewürz und Ornament: Die Suppe ist nach fünf Minuten verspeist, der Kitzel auf der Zunge verklungen. ein Gebäude aber bleibt Jahrzehnte. Daher scheint mir das Ornament am Bau wie ein Stück Salz, dass ich ewig auf der Zunge trage, und das nicht verschwindet, so sehr ich auch darauf herum lutsche: es ist mir grässlich. Etwas weniger überzeichnet könnte man das Ornament auch mit einem Stück Musik vergleichen, das in Endlosschleife erklingt, wieder und wieder und wieder, solange das Gebäude steht, und man dort ein- und ausgeht.

Zitat

Zitat
Zudem ist eine ehrliche Schuhschachtel noch weit besser, als […]


Eine Schuhschachtel ohne jeden Schmuck ist nicht ehrlich, sondern öde. Und mit übertriebenem Dekor wird sie lächerlich. Mit Augenmaß für Schönheit eines Gebäudes zu sorgen ist nicht jedem Architekten oder Bauherrn gegeben.



Warum nicht ehrlich und öde? Wie schon gesagt, halte ich Ödnis für überaus angenehm, denn gekitzelt wird mein Auge allerorten. Irgendwo soll es sich einmal erholen. Ich halte es nicht für die Aufgabe eines Gebäudes, mich moralisch zu erheben, irgendetwas zu symbolisieren, mir Botschaften zu vermitteln oder Geschichten zu erzählen. Wenn überhaupt soll es Zeugnis von seiner Funktion ablegen und dann verstummen. Das gut gemachte Bauhaus-Haus ist, finde ich, einigermaßen neutral, drängt sich nicht auf, und verträgt sich daher besser mit anderen Baustilen, als diese untereinander.

Natürlich hat da jeder einen anderen Geschmack, aber zum Glück herrscht ja die Privatwirtschaft: Wer zahlt, bestimmt was gebaut wird – mit dem deutschen Zusatz: solange die Dachneigung den Vorgaben des Bebauungsplans genügt! («Wo kämen wir sonst hin?»)

Viele Grüße,
Christoph

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

20.11.2013 19:52
#40 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #37
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #33
Beispiel: Wohnen im Bauhaus-Stil
http://www.youtube.com/watch?v=eVdNNiyy41I

Sehr interessant.
Und schon treffend die Anmoderation: "Ein Haus wie eine Skulptur".


Das Grundproblem mit solchen bewohnbaren Skulpturenparks ist stets, daß es sich um Prototypen handelt, unausgereiften, bei denen die auf Dauer angelegte Nutzung völlig ausgeklammert wurde. Sie erweisen sich ausnahmslos als Weiße Elefanten, ob die Villa Savoie, Antti Lovags Maison bulles, alles, was Santiage Calatrava ausgeheckt hat (& bei den letzten 2 Exempeln ist die Optik wirklich superb). Das Sydney Opera House (!) hat nur durch Notoperation erst eine minimale Akustik, wenn auch eine schauderhafte, erhalten; das Baudesaster namens Centre Pompidou dürfte geläufig sein.

Die wohl bekannteste Baustilikone F.L.Wrights dürfte Fallingwater sein, 1935 für insgesamt $155.000 gebaut, nach heutiger Kaufkraft $~2,5 Mio. Typisch dabei: der Grundstückbesitzer, Edgar Kaufmann Sr. wollte einen Bungalow mit Blick auf den Wasserfall; Wright hat die Bude praktischerweise mitten über den Wasserfall plaziert; mit einem halbmeterbreiten Glasstreifen im Wohnzimmerboden, durch den man nix sieht, wo es aber unablässig tost & lärmt wie in einer alten Mühle ("Bear Run and the sound of its water permeate the house, especially during the spring when the snow is melting"). Zum Teich am Fuß der Kaskade führt eine Treppe, die mal auf einen Bootssteg ausmünden sollte. Das Gestein erwies sich als zu brüchig, um den Steg tragen zu können, aber Wright bestand darauf, daß die Treppe trotzdem gebaut wurde, die jetzt ins Nichts führt. Kaufmann hat den Schuppen als "seven bucket building" bezeichnet (das galt bei Regenwetter; Wright war berüchtigt dafür, daß er nie ein regendichtes Gebäude gebaut hat) & von "falling water" auf "rising mildew" umgetauft (sie "stellt die dynamische Kraftführung dar"). Von 1988 bis 1995 ist die Hütte komplett (d.h. inklusive der Stahlträger im Fels, die als Fundament dienen) renoviert worden; Kostenpunkt $12 Millionen; seitdem wird alle 7 wieder heftig saniert. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Es gibt Gründe, warum solche "Häuser der Zukunft", auch gerne "energieautarke", "grüne", nur bei Fertigstellung durch die Medien rauschen & dann nur noch als Kunschtwerk in den Stilfibeln auftauchen. Die Besitzer & Bewohner fragt man lieber nicht nach "artgerechter Haltung"; & die Immobilienmakler nicht nach den Marktpreisen.

PS: "Uncomfortable with what he saw as Wright's insufficient experience using reinforced concrete, Kaufmann had the architect's daring cantilever design reviewed by a firm of consulting engineers. Upon receiving their report, Wright took offense and immediately requested Kaufmann to return his drawings and indicated he was withdrawing from the project. Kaufmann relented to Wright's gambit and the engineer’s report was subsequently buried within a stone wall of the house" - woraufhin die Träger in den nächsten Jahrzehnten um 15 Zentimeter schräg absackten. Offensichtlich handelt es sich bei Stararchitektur um eine gesellschaftlich nichtsanktionierte Spielart des öffentlich ausgelebten Sadomasochismus. (Vielleicht deshalb akzeptiert, weil "die Reichen" den angemessenen Lohn fürs Zu-viel-Geld-haben einfahren? Rosenkriege bilden ja die andere Variante.)

truth hurts Offline



Beiträge: 38

20.11.2013 22:54
#41 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #37
Zur Betrachtung von außen, aber weder praktisch noch für Wohnbedürfnisse gedacht.

eigentlich hielt ich es in diesem forum für eine selbstverständlichkeit, daß wohnbedürfnisse individuell sind.
ich sehe es wie Christoph. die reduktion der gestaltung aufs wesentliche finde ich persönlich sehr entspannend. außerdem nimmt sich diese form der architektur selbst zurück; möbel, kunstwerke oder auch pflanzen und bäume in der außengestaltung kommen wesentlich besser zur geltung.
hier in leipzig werden diese schuhkartons bspw. auch bevorzugt in baulücken zwischen gründerzeithäusern gebaut, weil sie am besten mit der historischen bebauung harmonieren. wäre ich reich, würde ich in einem sichtbetonwürfel wohnen

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Der Mini z.B. ist ein Auto, dass mir gut gefällt. Aber er hat nicht das "richtige" Image.

wie kann fahrspaß ein "schlechtes" image sein?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

21.11.2013 05:55
#42 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #41

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Der Mini z.B. ist ein Auto, dass mir gut gefällt. Aber er hat nicht das "richtige" Image.

wie kann fahrspaß ein "schlechtes" image sein?


Dieses Image meinte ich nicht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

21.11.2013 06:41
#43 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #41
Zitat von R.A. im Beitrag #37
Zur Betrachtung von außen, aber weder praktisch noch für Wohnbedürfnisse gedacht.

eigentlich hielt ich es in diesem forum für eine selbstverständlichkeit, daß wohnbedürfnisse individuell sind.

Genau diese individuellen Wohnbedürfnisse stellt das Bauhaus in Frage. Es begnügt sich nicht damit, ein Stil unter anderen zu sein, sondern will erzieherisch wirken, auf das alles der Funtktionalität untergeordnet wird.
Das ist kein individueller Ansatz und ein liberaler schon gar nicht. Aber sei es drum. Letztlich ist Bauhaus international ein Stil und nicht mehr.
Ein Sichtbetonwürfel ist kein Bauhaus. Das ist m.E. die völlige Abwesenheit gestalterischer Ideen und irgendeiner Funktionalität. Als individuelle Konzeption begrüße ich es, aber so etwas als Massenware zu bauen ist einfach nur stillos und bezeugt die Unterschätzung der Wirkung eines Designs.
Ich neige sogar dazu Überheblichkeit und Anmaßung in dem Versuch zu erkennen, Architektur völlig neu aufzustellen und sie von etwas befreien zu wollen, was kaum jemand als störend empfunden hat.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

21.11.2013 07:51
#44 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #41
...in einem sichtbetonwürfel wohnen


äh...

truth hurts Offline



Beiträge: 38

21.11.2013 10:58
#45 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Erling Plaethe
Genau diese individuellen Wohnbedürfnisse stellt das
Bauhaus in Frage. Es begnügt sich nicht damit, ein Stil
unter anderen zu sein, sondern will erzieherisch wirken, auf
das alles der Funtktionalität untergeordnet wird.



interessante sichtweise, auch wenn ich sie nicht nachvollziehen kann. zum einen wird, zumimdest beim rein gestalterischen, ästhetischen gesichtspunkt, die funktionalität dem design oft untergeordnet. eine puristische erscheinung zu konstruieren ist nämlich bei weitem nicht so einfach und kompromisslos wie das ergebnis vermuten lässt. zum anderen haben sich (auch) alle anderen baustile der funktion untergeordnet. ein krüppelwalm bspw. sollte früher die funktion haben, windlasten bei exponierten giebeln abzuschwächen, wird heutzutage allerdings ohne notwendigkeit als gestalterisches element verwendet. der unterschied zwischen bauhaus, minimalismus, moderne oder wie man diese zeitgenössische architektur nun nennen mag auf der einen, anderen historischen baustilen auf der anderen seite ist imo eigentlich, daß erstere es schafft die funktionalität früherer architektur durch technik und material zu egalisieren und dabei eine formensprache gefunden hat, die weitesgehend auf ornamentik verzichtet.

Zitat

Das ist kein individueller Ansatz und ein liberaler schon gar
nicht. Aber sei es drum. Letztlich ist Bauhaus international
ein Stil und nicht mehr.



für mich hat es einen, zumindest in gestalterischen gesichtspunkten, rationalen ansatz.

Zitat

Ein Sichtbetonwürfel ist kein Bauhaus. Das ist m.E. die
völlige Abwesenheit gestalterischer Ideen und irgendeiner
Funktionalität. Als individuelle Konzeption begrüße ich es,
aber so etwas als Massenware zu bauen ist einfach nur
stillos und bezeugt die Unterschätzung der Wirkung eines
Designs.
Ich neige sogar dazu Überheblichkeit und Anmaßung in dem
Versuch zu erkennen, Architektur völlig neu aufzustellen
und sie von etwas befreien zu wollen, was kaum jemand als
störend empfunden hat.



die massenware wird allein schon am konstrukt markt scheitern ;)

Zitat von Ulrich Elkmann
äh...



für meinen geschmack etwas zentral gelegen. die schwarzen gardinen mit güldener ornamentik sind auch nicht so meins :p

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.11.2013 12:31
#46 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #40
Das Grundproblem mit solchen bewohnbaren Skulpturenparks ist stets, daß es sich um Prototypen handelt, unausgereiften, bei denen die auf Dauer angelegte Nutzung völlig ausgeklammert wurde. Sie erweisen sich ausnahmslos als Weiße Elefanten, ...

Das ist natürlich kein Privileg der Moderne.

Wir haben vor einigen Wochen die Rotonda angeschaut.
Immerhin, Palladio konnte bauen (sein Theater in Vicenza ist großartig), die Villa scheint auch wasserdicht zu sein und hat die Jahrhunderte ordentlich überstanden.

Aber "weißer Elefant" war sie schon von der Grundidee her. Eine Mords-Prunk-Etage als wesentlicher Baubestandteil - und dann die Wohnräume mit ihren winzigen Fensterchen oben unters Dach gedrückt ...

Die besten Nutzungsmöglichkeiten bieten wohl noch die Räume oberhalb der Stallungen im Vorgebäude ...

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.11.2013 12:35
#47 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von truth hurts im Beitrag #41
eigentlich hielt ich es in diesem forum für eine selbstverständlichkeit, daß wohnbedürfnisse individuell sind.

Aber selbstverständlich!
Es sei auch keinem mißgönnt, in einem Bauhaus-Gebäude zu wohnen und sich dort wohl zu fühlen.

Aber der Einstieg in diese Diskussion war ja ein anderer: Die Orientierung einer ganzen Generation von Architekten und Stadtplanern an diesen als Vorbilder modernen Wohnens verkauften Einzelstücken hat die deutschen Städte ziemlich geschädigt. Und insbesondere auch die individuellen Wohnbedürfnisse vieler Leute - die eben deutlich anders sind als die der Bauhaus-Propheten.

truth hurts Offline



Beiträge: 38

21.11.2013 15:56
#48 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #47


Aber der Einstieg in diese Diskussion war ja ein anderer: Die Orientierung einer ganzen Generation von Architekten und Stadtplanern an diesen als Vorbilder [...]

ich glaube, da misst man dem bauhaus zuviel bedeutung zu. die nazis und die kommunisten brachten dem bauhaus nicht viel verständnis entgegen was sie trotzdem nicht davon abhielt, genormte, aufs wesentliche reduzierte wohnblocks zu bauen. der am klassizismus orientierte sozialistische klassizismus macht m.E. auch keine bessere figur. und hätte es stahlbeton bereits im 16. jahrhundert gegeben, die fuggerei sähe vermutlich ähnlich aus wie die plattenbausiedlung leipzig- paunsdorf ;)

Florian Offline



Beiträge: 3.180

21.11.2013 16:40
#49 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #47

Aber der Einstieg in diese Diskussion war ja ein anderer: Die Orientierung einer ganzen Generation von Architekten und Stadtplanern an diesen als Vorbilder modernen Wohnens verkauften Einzelstücken hat die deutschen Städte ziemlich geschädigt. Und insbesondere auch die individuellen Wohnbedürfnisse vieler Leute - die eben deutlich anders sind als die der Bauhaus-Propheten.



Meine anekdotischen Beobachtungen:
Unter Architekten scheint ein puristischer, reduzierter Stil sehr beliebt zu sein. Nahezu jeder moderne Archtitekt wird z.B. in einer Diskussion immer einen reduzierten Bau im Bauhaus-Stil gegenüber einem verspielten Bau bevorzugen.
Zumindest ist das so bei den meisten Archtitekten, die ich persönlich kenne.

Gleichzeitig bevorzugen diese Architekten für sich privat aber durchaus schöne alte Wohnungen z.B. aus der Gründerzeit, gerne auch mit Stuckdecke.

Irgendwie seltsam, oder?

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

21.11.2013 18:02
#50 RE: Das unterschätzte Design Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #49
Gleichzeitig bevorzugen diese Architekten für sich privat aber durchaus schöne alte Wohnungen z.B. aus der Gründerzeit, gerne auch mit Stuckdecke.

Irgendwie seltsam, oder?


Tom Wolfe, From Bauhaus to Our House, ch. 1, p.3 (2009 ed.):

"Every great law firm in New York moves without a sputter of protest into a glass-box office building with concrete slab floors and seven-foot-ten-inch-high concrete slab ceilings and plasterboard walls and pygmy corridors—and then hires a decorator and gives him a budget of hundreds of thousands of dollars to turn these mean cubes and grids into a horizontal fantasy of a Restoration townhouse. I have seen the carpenters and cabinetmakers and search-and-acquire girls hauling in more cornices, covings, pilasters, carved moldings, and recessed domes, more linenfold paneling, more (fireless) fireplaces with festoons of fruit carved in mahogany on the mantels, more chandeliers, sconces, girandoles, chestnut leather sofas, and chiming clocks than Wren, Inigo Jones, the brothers Adam, Lord Burlington, and the Dilettanti, working in concert, could have dreamed of."

http://www.tomwolfe.com/BauhausExcerpt.html

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