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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 34 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

06.12.2013 16:12
#26 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von TF im Beitrag #25
Die Schweiz ist sicher ein Positivbeispiel, nicht nur was direkte Demokratie angeht.

Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland ist aber, dass die Linken dort permanent deutlich in der Minderheit sind. Entsprechend würde auch linker abgestimmt als in der Schweiz, insbesondere bei ökonomischen Themen im weitesten Sinne. Die 1:12-Initiative hätte z. B. in Deutschland wahrscheinlich eine Mehrheit bekommen. Aber auch in Deutschland war das links-grüne Lager bei Volkentscheiden schon öfter auf der Verliererseite.


Wäre es der erste Volksentscheid in Deutschland auf Bundesebene seit Gründung der Bundesrepublik, dann wäre jeder Volksentscheid "gegen die das Oben" durchgekommen. R.A. schrieb ja schon, das zu seltene Volksentscheide mehr zum Plebiszit gegen "die das Oben" werden.

Im übrigen ist die 1:12-Initiative ja - im Gegensatz zu Forderungen nach einem Mindestlohn - ganz offensichtlich eine reine Neidangelegenheit: Anderes soll es schlechter gehen. Das wegen eine Begrenzung von Manager-Gehältern Löhne im unteren Segment angehoben werden, glaubt ja wohl niemand ernsthaft, oder?

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

06.12.2013 16:20
#27 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Ein Argument gegen Basisplesbizite möchte die Abwehr zugerechneter, aber unberechtigter Verantwortung sein.
Jeder Teilnehmer an der letzten Volksabstimmung vom 22. Sept. wird sich jahrelang bei Nichtgefallen aufs Brot schmieren lassen müsen, er/sie/es habe ja die GroKo gewollt; jeder Nichtteilnehmer ditto, weil er hat ja durch Enthaltung diese Unbill nicht verhindert. Wird man zu Veggie Day oder ESM erst gar nicht gefragt, besteht zumindest noch in der Theorie die utopische Hoffnung, daß die eingeklagte Verantwortung weiter oben verortet wird, wenn die schöne Theorie gegen die Wand der Wirklichkeit fährt.

Man stelle sich kurz vor, im Frühsommer 2011 hätten die Deutschen über einen Atomausstieg abstimmen dürfen: dann hätten wir mit Sicherheit eine desaströse Energiewende bekommen...

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

06.12.2013 16:43
#28 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #27
Ein Argument gegen Basisplesbizite möchte die Abwehr zugerechneter, aber unberechtigter Verantwortung sein.
Jeder Teilnehmer an der letzten Volksabstimmung vom 22. Sept. wird sich jahrelang bei Nichtgefallen aufs Brot schmieren lassen müsen, er/sie/es habe ja die GroKo gewollt; jeder Nichtteilnehmer ditto, weil er hat ja durch Enthaltung diese Unbill nicht verhindert. Wird man zu Veggie Day oder ESM erst gar nicht gefragt, besteht zumindest noch in der Theorie die utopische Hoffnung, daß die eingeklagte Verantwortung weiter oben verortet wird.

Man stelle sich kurz vor, im Frühsommer 2011 hätten die Deutschen über einen Atomausstieg abstimmen dürfen...


Wäre natürlich großes Pech gewesen, wann ausgerechnet dann ein Volksentscheid stattgefunden hätte, der 2 Jahre zuvor geplant wurde.

Eine Idee in dem Zusammenhang wären "rollende Wahlen und Volksentscheide": Die Wahl- und Stimmberechtigten werden per Los in drei gleichgroße Gruppen eingeteilt. Ein Drittel der Gesamtmenge sind wohl ausreichend groß, um repräsentativ zu sein. Wenn neue Wähler ins Wählerverzeichnis aufgenommen werden, werden sie zu einem jährlichen Stichtag auf die Gruppen neu zugelost, wobei die Anzahl der in eine Gruppe zu losenden Neueingänge so bestimmt wird, dass sich das Verhältnis der Mitgliederanzahl der drei Gruppen 1:1:1 annähert. So wird es ausgeglichen, sollte aus einer Gruppe eine überproportional große Menge an Wählern ausscheiden.

Alle zwei Jahre wird von einer der drei Gruppen ein Drittel des Parlamentes auf 6 Jahre neu gewählt. Die wahl- und stimmberechtigte Gruppe wechselt alle 2 Jahre, es ist immer die Gruppe wahlberechtigt, deren Wahlberechtigung am längsten zurück liegt, so dass nach einem Zyklus von 6 Jahren jede Gruppe einmal dran war. Am gleichen Tag oder - um es zeitlich zu trennen - ein Jahr später wird von der gleichen Gruppe über in den 2 Jahren davor zur Abstimmung reif gewordene Volksentscheide abgestimmt. Die anderen beiden Gruppen folgen an ihrem ersten darauf folgenden Stimmtermin, so dass jede Gruppe zu jedem Volksentscheid abstimmen durfte.

Die Ja- und Nein-Stimmen aus allen drei Teil-Volksentscheiden werden zusammengezählt. Eine Vorlage ist angenommen, wenn sie mehr Ja- als Nein-Stimmen erreicht hat, im Falle eines Volksbegehrens wenn zusätzlich im letzten Teil-Volksentscheid mindestens 25% der Stimmberechtigten und die Mehrheit der Teilnehmer mit Ja gestimmt hat. Bei Verfassungsänderungen müssen zusätzlich insgesamt Zweidrittel der Stimmen aus allen Teil-Volksentscheiden zusammengezählt auf Ja entfallen sein.

So erhält man Grob gesagt die über 6 Jahre gemittelte Meinung.

Bei dringlichen Vorlagen, zum Beispiel einem als dringlich bezeichneten Parlamentsgesetzes, gegen das erfolgreich das Referendum ergriffen wurde, kann das Parlament per Gesetz mit Zustimmung des Staatsoberhauptes einen Gesamtvolksentscheid ansetzen. Handelt es sich um eine Verfassungsänderung läuft diese automatisch nach 15 Jahren wieder aus, wenn nicht im normalen Verfahren wie andere Verfassungsänderungen auch bestätigt. Die Regeln zum Ändern der Verfassung, die Existenz, Kompetenzen und Grundsätze der Wahl zum Parlament können nur im ordentlichen Verfahren geändert werden.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

08.12.2013 19:28
#29 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #1

Die Entwicklung der Volksstimmung zum Volkswillen kann man am Beispiel des letzten Volksentscheides in der Schweiz gut nachvollziehen.

Mir behagt weder der Volkswille noch die Volksstimmung. Ich möchte glatt behaupten, dass weder das Eine noch das Andere überhaupt existiert.
Und mir reicht die Umtriebigkeit unseres Arbeitsparlamentes völlig aus. In Deutschland, ganz im Gegensatz zur Schweiz, geht es mir darum weniger Gesetze verabschiedet zu sehen.
Wenn unser Bundesgesetzgeber auf das schweizerisches Maß gestutzt werden würde, könnte ich mit mehr Referenden leben.
Mir ist auch nach Ihrem sehr lesenswerten Artikel, lieber Techniknörgler, völlig schleierhaft was eine direkte Demokratie für Deutschland bringen soll. Weniger Gesetze mit Sicherheit nicht. Und "bessere" auch nicht.
Die ganze Diskussion drückt sich vor dem ganz entscheidenden Punkt der Verantwortung. Unser, im Vergleich zur Schweiz, geradezu zentralstaatlicher Staatsaufbau steht dieser im Weg. Und weil das so ist und niemand in Deutschland verantwortlich sein wird wofür dann in der Volksdemokratie abgestimmt wird, finden es auch so viele so unwiderstehlich.
Mein Vertrauen in die Mehrheit steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrem Hang überall mitbestimmen zu wollen, aber sich meisterlich vor der Verantwortung zu drücken.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

09.12.2013 19:11
#30 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #1

Die Entwicklung der Volksstimmung zum Volkswillen kann man am Beispiel des letzten Volksentscheides in der Schweiz gut nachvollziehen.

Mir behagt weder der Volkswille noch die Volksstimmung. Ich möchte glatt behaupten, dass weder das Eine noch das Andere überhaupt existiert.



Das ist nun eine Frage der Definition.

Zitat


Und mir reicht die Umtriebigkeit unseres Arbeitsparlamentes völlig aus. In Deutschland, ganz im Gegensatz zur Schweiz, geht es mir darum weniger Gesetze verabschiedet zu sehen.



Und warum ist es so umtriebig?

Zitat

Wenn unser Bundesgesetzgeber auf das schweizerisches Maß gestutzt werden würde, könnte ich mit mehr Referenden leben.



Referenden gibt es in der Schweiz auch auf Kantonsebene. Und zwar sogar sehr viele.

Zitat

Mir ist auch nach Ihrem sehr lesenswerten Artikel, lieber Techniknörgler, völlig schleierhaft was eine direkte Demokratie für Deutschland bringen soll. Weniger Gesetze mit Sicherheit nicht. Und "bessere" auch nicht.



Wieso "mit Sicherheit nicht"? Weil das Umfragen heutzutage suggerieren?

Zitat

Die ganze Diskussion drückt sich vor dem ganz entscheidenden Punkt der Verantwortung. Unser, im Vergleich zur Schweiz, geradezu zentralstaatlicher Staatsaufbau steht dieser im Weg. Und weil das so ist und niemand in Deutschland verantwortlich sein wird wofür dann in der Volksdemokratie abgestimmt wird, finden es auch so viele so unwiderstehlich.



Das Problem ist die Haftungsgemeinschaft durch den heutigen Länderfinanzausgleich. Ob die Verantwortung nun beim Bundes oder den Ländern liegt, an der Existenz der Verantwortung ändert das nichts. Was Verantwortung verwischt, ist die Haftung eines Landes für den Unsinn eines anderen Landes.

Zitat

Mein Vertrauen in die Mehrheit steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrem Hang überall mitbestimmen zu wollen, aber sich meisterlich vor der Verantwortung zu drücken.



Und woraus schließen Sie auf diesen Hang? Das ist ja gerade das Kernargument meines Artikels: Aus den Volksentscheiden? Haben wir in Deutschland ja nicht. Aus den Umfragen? Davon haben wir zahlreiche und sie sind nicht sehr aussagekräftig, was nicht an den Demoskopen liegt, sondern einem grundsätzlichen Problem. Ich habe das in meinem Artikel ja bereits ausgeführt.

Im übrigen wurde schon in diesem Thread erwähnt: Die finanzielle Haftung muss auf der Ebene liegen, auf der eine Entscheidung getroffen wurde.

Die direkte Demokratie kann sehr zur Mäßigung der Berufspolitiker beitragen, wenn ein paar Aspekte beachtet werden. Es wurde ja schon einmal hier angesprochen: Eine Volksinitiative wird gestartet, wenn jemand wo ein vermeintliches oder tatsächliches Problem sieht. Berufspolitiker suchen berufsmäßig nach Problemen, die sie meinen Lösen zu können.

Vielleicht brauchen wir ein Milizparlament, anstatt ein Berufsparlament. Zur Ergänzung bräuchte es aber auf jeden Fall direkte Demokratie, denn das Volk als ganzes, wenn es die Verantwortung für seine Entscheidungen tragen muss, ist nicht so zu bestechen, wie es mit einem Berufs- oder Milizparlament der Fall ist - und die Verantwortung kann bei Volksentscheiden auch nicht auf Politiker abgewälzt werden.

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― Robert A. Heinlein

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

09.12.2013 20:47
#31 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #1

Die Entwicklung der Volksstimmung zum Volkswillen kann man am Beispiel des letzten Volksentscheides in der Schweiz gut nachvollziehen.

Mir behagt weder der Volkswille noch die Volksstimmung. Ich möchte glatt behaupten, dass weder das Eine noch das Andere überhaupt existiert.



Das ist nun eine Frage der Definition.


Wenn man von einem Willen redet, muss man auch seine Umsetzung berücksichtigen, sonst ist der Begriff eine leere Hülse. Ein Volk welches einen Willen umsetzt müsste komplett gleichgeschaltet sein und die Mitglieder jegliche Individualität verloren haben. So etwas ist meines Wissens nach in der Geschichte der Menschheit noch nicht vorgekommen.
Was für den Willen gilt, ist m.E. auch für die Stimmung anwendbar.

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29
Und mir reicht die Umtriebigkeit unseres Arbeitsparlamentes völlig aus. In Deutschland, ganz im Gegensatz zur Schweiz, geht es mir darum weniger Gesetze verabschiedet zu sehen.



Und warum ist es so umtriebig?

Gute Frage, was denken Sie?


Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29
Wenn unser Bundesgesetzgeber auf das schweizerisches Maß gestutzt werden würde, könnte ich mit mehr Referenden leben.


Referenden gibt es in der Schweiz auch auf Kantonsebene. Und zwar sogar sehr viele.

Ich mache da auch Unterschiede in der Bewertung. Je kleinteiliger die föderale Struktur umso eher bin ich für Referenden.

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29

Mir ist auch nach Ihrem sehr lesenswerten Artikel, lieber Techniknörgler, völlig schleierhaft was eine direkte Demokratie für Deutschland bringen soll. Weniger Gesetze mit Sicherheit nicht. Und "bessere" auch nicht.


Wieso "mit Sicherheit nicht"? Weil das Umfragen heutzutage suggerieren?

Nein, meiner Ansicht nach.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29

Die ganze Diskussion drückt sich vor dem ganz entscheidenden Punkt der Verantwortung. Unser, im Vergleich zur Schweiz, geradezu zentralstaatlicher Staatsaufbau steht dieser im Weg. Und weil das so ist und niemand in Deutschland verantwortlich sein wird wofür dann in der Volksdemokratie abgestimmt wird, finden es auch so viele so unwiderstehlich.


Das Problem ist die Haftungsgemeinschaft durch den heutigen Länderfinanzausgleich. Ob die Verantwortung nun beim Bundes oder den Ländern liegt, an der Existenz der Verantwortung ändert das nichts. Was Verantwortung verwischt, ist die Haftung eines Landes für den Unsinn eines anderen Landes.

Ich meine mit Verantwortung diejenige welche die Initiatoren von Referenden in der Schweiz bereit sein müssen zu übernehmen:

Zitat von http://www.antibuerokratieteam.net/2011/...lieb-und-teuer/
Gruppierungen, die referendumsfähig sind, das heisst, die jeden Entscheid des Parlaments mit einem Referendum bekämpfen können, werden in die Regierung eingebunden.




Zitat von Techniknörgler im Beitrag #30
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #29

Mein Vertrauen in die Mehrheit steht im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrem Hang überall mitbestimmen zu wollen, aber sich meisterlich vor der Verantwortung zu drücken.


Und woraus schließen Sie auf diesen Hang? Das ist ja gerade das Kernargument meines Artikels: Aus den Volksentscheiden? Haben wir in Deutschland ja nicht. Aus den Umfragen? Davon haben wir zahlreiche und sie sind nicht sehr aussagekräftig, was nicht an den Demoskopen liegt, sondern einem grundsätzlichen Problem. Ich habe das in meinem Artikel ja bereits ausgeführt.

Im übrigen wurde schon in diesem Thread erwähnt: Die finanzielle Haftung muss auf der Ebene liegen, auf der eine Entscheidung getroffen wurde.

Die direkte Demokratie kann sehr zur Mäßigung der Berufspolitiker beitragen, wenn ein paar Aspekte beachtet werden. Es wurde ja schon einmal hier angesprochen: Eine Volksinitiative wird gestartet, wenn jemand wo ein vermeintliches oder tatsächliches Problem sieht. Berufspolitiker suchen berufsmäßig nach Problemen, die sie meinen Lösen zu können.

Vielleicht brauchen wir ein Milizparlament, anstatt ein Berufsparlament. Zur Ergänzung bräuchte es aber auf jeden Fall direkte Demokratie, denn das Volk als ganzes, wenn es die Verantwortung für seine Entscheidungen tragen muss, ist nicht so zu bestechen, wie es mit einem Berufs- oder Milizparlament der Fall ist - und die Verantwortung kann bei Volksentscheiden auch nicht auf Politiker abgewälzt werden.

Ich denke man kann das politische System der Schweiz nicht auf Deutschland übertragen.
Wenn sich aber in Deutschland das politische System stärker föderalisieren sollte, wäre ich einer behutsamen Ausweitung der direkten Demokratie nicht abgeneigt.
Was den Hang zur Mitbestimmung ohne denselben zur Übernahme von Verantwortung betrifft, habe ich noch keine schlüssige Erklärung. Aber ich würde sie suchen im Bereich möglicher Abwehrreaktionen gegenüber starker Bevormundung.
Ein kreativer und vor allem aktiver Mensch ist jedenfalls meist so sehr damit beschäftigt sein eigenes Leben zu gestalten, dass ihm meist schlicht die Zeit fehlt, dies auch noch für andere zu bewerkstelligen.
Die direkte Demokratie wird eine sehr zeitraubende Angelegenheit wenn man nicht weitestgehend bereit ist seine Angelegenheiten und die in seiner Umgebung selbst oder in der unmittelbaren Nachbarschaft zu lösen.
Forderungen an den Staat zu richten, oder wie man hierzulande auch sagt, an die Politik, passen m.E. nicht zur direkten Demokratie.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

09.12.2013 21:34
#32 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat

Ich mache da auch Unterschiede in der Bewertung. Je kleinteiliger die föderale Struktur umso eher bin ich für Referenden.



Die deutschen Bundesländer könnten kleiner sein, aber auf Bundesebene macht das nun keinen Unterschied.

Zitat

Ich meine mit Verantwortung diejenige welche die Initiatoren von Referenden in der Schweiz bereit sein müssen zu übernehmen:



Die müssen grundsätzlich gar nichts. Zwei Gruppierungen, eine linke und eine rechte, sind wegen ihrer Kampagnenfähigkeit in der Regierung eingebunden. Für viele andere Gruppen gilt das nicht. Nichts zwingt eine Gruppe in die Regierung...

Zitat

Ein kreativer und vor allem aktiver Mensch ist jedenfalls meist so sehr damit beschäftigt sein eigenes Leben zu gestalten, dass ihm meist schlicht die Zeit fehlt, dies auch noch für andere zu bewerkstelligen.
Die direkte Demokratie wird eine sehr zeitraubende Angelegenheit wenn man nicht weitestgehend bereit ist seine Angelegenheiten und die in seiner Umgebung selbst oder in der unmittelbaren Nachbarschaft zu lösen.



Die Schweizer sind offenbar bereit diese Bürde zu tragen. Ich denke, die Mehrzahl der Deutschen wäre es auch.

Zitat

Forderungen an den Staat zu richten, oder wie man hierzulande auch sagt, an die Politik, passen m.E. nicht zur direkten Demokratie.



Eben, deshalb will ich sie ja. Sie wissen gar nicht, wie viele Linke gegen Volksentscheide sind! Nicht nur bei deliberationdaily.de , sondern auch persönlich habe ich das schon mitbekommen: Selber Verantwortung übernehmen? Wollen Linke gar nicht, da haben sie recht. "Wofür sind die Politiker schließlich gewählt und werden bezahlt, die sollen mal machen" haben auf meine Forderung, sich selber Gedanken zur Umsetzung ihrer Forderungen zu machen, Linke in meiner Umgebung gesagt. Das sie dann natürlich ignorieren können, wenn ihre Forderungen nicht so einfach oder gar nicht praktikabel sind, und sich stattdessen in Sündenbocksuche ergehen, wurde ignoriert. Darauf bekam ich keine Antwort mehr, außer das es möglich sei, was sie fordern, wenn sich die Politiker nur anstrengen... Ich weiß leider nicht mehr, worum es inhaltlich ging, aber ich war überrascht: Waren die nicht immer wieder für Partizipation? Aber darunter verstanden sie, auf der Straße herum zu turnen.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

21.12.2013 11:14
#33 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

http://www.welt.de/debatte/henryk-m-brod...atie-wagen.html

Die Argumente sind ja ausgetauscht und auch Henryk M. Broder fügt keine neuen hinzu. Ich verlinke diesen Artikel also nicht um meine eigene Argumentation durch einen großen deutschen Polemiker zu zieren, nein, sondern wegen der Konklusion des Autors:

"Wir sollten lieber weniger Demokratie wagen."

Nicht dass ich diesem Satz zustimme. Aber er wird sicher nicht nur von H.M.B. gedacht.
Es ist eine der Schattenseiten von direkter Demokratie. Ihr Wesen als Volksdemokratie, als Volksherrschaft, die geeignet ist, sich mit Grausen abzuwenden. Da kann man in der Tat auf den Gedanken kommen, sich lieber einer Monarchie oder sonst irgend etwas zu unterwerfen, als der Tyrannei der Mehrheit.

Der Art von Tyrannei einer Volksherrschaft in der die Heimleitung die Herausbildung von Aufsehern unter den Schutzbefohlenen wohlwollend begleitet und fördert.

Denn das Maß aller Dinge bleibt der Grad der persönlichen Freiheit. Nicht wie sehr die Demokratie ihrer gescheiterten Version unter Perikles ähnlich wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

adder Offline




Beiträge: 1.073

21.12.2013 18:18
#34 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #33
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article123116935/Wir-sollten-lieber-weniger-Demokratie-wagen.html

Die Argumente sind ja ausgetauscht und auch Henryk M. Broder fügt keine neuen hinzu. Ich verlinke diesen Artikel also nicht um meine eigene Argumentation durch einen großen deutschen Polemiker zu zieren, nein, sondern wegen der Konklusion des Autors:

"Wir sollten lieber weniger Demokratie wagen."

Nicht dass ich diesem Satz zustimme. Aber er wird sicher nicht nur von H.M.B. gedacht.


Manchmal, ja manchmal denke ich, dass ein zuviel an Demokratie sich mehr als nur ein wenig negativ auf die Freiheitsrechte und daraus abgeleitete Rechte auswirkt. Manchmal, nur manchmal denke ich, dass Demokratie nur solange eine vernünftige Herrschaftsform ist, wie sie durch Minderheitenschutz und garantierte Rechte auf der einen, durch eine wehrhafte Minderheit auf der anderen eingehegt und zivilisiert wird.
Denn seien wir einmal ehrlich: es ist fatal leicht, eine Mehrheit der Gesamtbevölkerung hinter sich zu bringen - egal in welchem Land - wenn man ein paar Sündenböcke aussucht und diese zu Feinden hochstilisiert (seien das nun Banker, Türken, Imperialisten, Kapitalisten oder auch Juden, nur um auch einmal Beispiele zu nennen).
Liberalismus braucht keine Demokratie, liberal kann sogar eine Monarchie oder Autokratie sein - aber Demokratie braucht Liberale.
Das ist auch das Fatale an der heutigen Situation sowohl in Russland und Weißrussland, als auch hier in Deutschland: uns sind die Liberalen ausgegangen - dieses verschwindende Häufchen tapferer Einzelkämpfer hier und dort mal ausgenommen...
Dafür haben wir Herz-Jesu-Sozialisten, Sozialdemokraten, Sozialisten und Staatsgläubige überall. Und die glauben ganz fest daran, dass die Mehrheit immer recht hat. Ich weiss zufälligerweise aber, dass die Mehrheit meistens nicht recht hat - ansonsten wäre mein Leben sicher anders verlaufen, und meine Kämpfe hätte ich wohl alle verlieren müssen.
Die Mehrheit... - Mobbing ist auch so ein Fall, wo die Mehrheit entscheidend ist, oder?

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.255

21.12.2013 20:27
#35 RE: Eine Verteidigung der direkten Demokratie Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #33
http://www.welt.de/debatte/henryk-m-broder/article123116935/Wir-sollten-lieber-weniger-Demokratie-wagen.html

Die Argumente sind ja ausgetauscht und auch Henryk M. Broder fügt keine neuen hinzu. Ich verlinke diesen Artikel [...]

Denn das Maß aller Dinge bleibt der Grad der persönlichen Freiheit. Nicht wie sehr die Demokratie ihrer gescheiterten Version unter Perikles ähnlich wird.


Um Volksentscheide in Deutschland einzuführen, müssen natürlich die Rahmenbedingungen stimmen:
Recht auf körperliche Unversehrtheit, Subsidiaritätsprinzip, Gewaltenteilung, Recht auf Eigentum, Recht auf freie Meinungsäußerung. Ergänzung: Gleichheit vor dem Recht.

All das sehe ich derzeit nicht im erforderlichen Maße als gegeben an.

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

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