Verehrte Mit-Diskutierende, zunächst eine kleine Richtigstellung zu meinem Beitrag vom 05.03.14: statt „Dtn 18,16f“ muss es „Dtn 18,15f“ heißen!
Erfreut nehme ich die vielen Beiträge in kürzester Zeit wahr. - Aus den vielen Fragen und Antworten will ich nur zwei Stichworte auswählen und darauf von mir her eine klärende Antwort zu geben versuchen: Es geht (1) um das Stichwort „Religion“, das verschiedentlich m.E. (in herkömmlicher Weise) unreflektiert gebraucht wird, und (2) um die Frage(n) von „Kritiker“: u.a. „Wie ist das (von Weimer gebrauchte) Gleichnis (Bilderraub – Jesus-Raub) zu verstehen?“
Obwohl es nahe läge, die 2. Frage vorzuziehen, weil sie m.E. im Laufe der Diskussion zunehmend zu einem Rätsel zu werden scheint, will ich doch in der Reihenfolge bleiben und mit (1) beginnen:
(1) zum Gebrauch des Begriffes „Religion“: Herr Weimer hat in seinem Artikel über J.G.Fichte (vom 25.01.14), speziell über dessen 16. Vorlesung der Reihe „Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters“,Berlin1805 anhand der darin behandelten 4 religionskritischen Thesen, denen er grundsätzlich zustimmte, darauf aufmerksam gemacht, wie vorsichtig, d.h. unterscheidend-kritisch wir in unserm Zeitalter mit dem Begriff „Religion“ umgehen sollten. Weil die Thesen Fichtes für den Gebrauch des Begriffes „Religion“ auch im Hinblick auf Weimers aktuelles Thema (Juden wurde mehr geraubt) nützlich sind, wiederhole ich sie hier noch einmal:
(Fichte führte 1805 aus): 1. Die Kritik an der Religion und der Verfall der Religion sind gar nicht zu beklagen. 2. Denn es ist nur „Religion“ da: Aberglaube, aber kein Christentum. 3. Das wahre Christentum ist noch gar nicht dagewesen. 4. Und das echte Christentum wäre?
Es wäre also zum weiteren Verständnis zu unterscheiden zwischen den Begriffen „Religion“ und „wahre Religion“. Bei Fichte erscheint der Begriff "wahre Religion" gleich (von ihm) angewandt auf das Christentum als „wahres Christentum“, von dem er um 1805 behauptet, dass dieses bis dahin „noch gar nicht dagewesen“ sei. - Der Frage nachzugehen, ob Fichte und mit ihm Weimer mit dieser Behauptung allein dastehen, würde zu weit führen. Es gibt aber in der wissenschaftlichen Theologie ausreichend Befürworter dafür, dass man sich auf dem Gebiet der „Religion“ und den mannigfachen real existierenden „Religionen“ mit der genannten begrifflichen Unterscheidung zumindest auseinandersetzen sollte.
Ich springe gedanklich von da aus zu Punkt (2): Wie ist das Gleichnis zu verstehen? a) in Bezug auf die Bilder: Rechtlich scheint diese Sache geklärt. Und der Jude Wolffsohn schlägt vor, man sollte die so geklärte Sache auch auf sich beruhen lassen, um keinen (neuen) Unfrieden zu schüren. Er bemerkt aber, dass anlässlich dieses Vogangs der Klärung zumindest offenkundig werden müsste, welch historisches Unrecht an Mitgliedern seines Volkes verübt worden sei und dass er wünscht, dass sich solches Unrecht nicht wiederhole. Niemals und nirgendwo. - UM DIESE WAHRHEIT GEHT ES! b) in Bezug auf Jesus, den Juden aus Nazareth, „gelitten unter Pontius Pilatus“ (mit diesem Passsus im Glaubensbekanntnis der Christen ist Jesu Historizität einschließlich seines grässlichen Endes festgehalten): Selbstverständlich ist mit der Berufung der ersten Christen auf diesen Jesus, als ihren HERRN, kein Raub wie bei der Enteignung der Bilder aus dem Eigentum jüdischer Privatpersonen während der NS-Zeit im direkten Sinne gemeint. – Und doch kann man von einem ähnlichen Sachverhalt sprechen, nämlich dann, wenn sich herausstellen sollte, dass sich Personen oder Personengruppen einer Person bemächtigen, deren Herkunft und Auftrag, nämlich aus dem jüdischen Volk und für dieses Volk, nicht mehr oder nur mehr wenig erkennbar ist. Soviel einstweilen als Denkanstoß – auch in Kombination mit den Thesen Fichtes; aber auch im Zusammenhang mit der Stelle aus Deuteronomium, Kapitel 18, an die vorher Herr Weimer und dann ich in meinem Beitrag vom 05.03.14 erinnert habe. In dem relativ späten Buch (ca. 500 vor Christus redigiert) der jüdischen Tora, (dem 5. Buch Mose des sog. Alten Testaments der Christen), geht es deutlich erkennbar um die Gesellschaftsordnung des jüdischen Volkes, in der Jesus von Nazareth und seine ersten Jünger, aber auch Paulus und die vielen mit ihm (Männer, Frauen und Kinder) ...beheimatet waren. Mit vielen Grüßen Simon
------------------------------------------------------------------------------------------------------------ "Wo wäre denn dann das hellenistische Judentum geblieben? Aufgegangen im Christentum? Oder Anschluss an das rabbinische?" Wurde gefragt. ------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die historische Genese ist das eine, das andere ist die geschichtliche Tragik. Das Judentum der jüdischen Bibel ( für Christen das Alte Testament) ging 70 nach Chr. zuende. Das rabbinische Judentum ohne Tempel begann im Jahr 70, das Christentum begann schon mit der Deutung des Todes Jesu zu entstehen,- also schon 30 - 40 nach Chr. Also wäre streng genommen das Christentum der ältere Bruder/ die ältere Schwester. Das ist aber sinnlos zu sagen. Beide sind Erben der jüdischen Bibel. Da hilft aber kein Altertumsbeweis weiter. Denn es geht nicht um die zwei Bücher, Altes und Neues Testament, sondern es geht um den Träger der theologischen Aufklärungsgeschichte, der seine Sache (hier die Sache des Gottes Abrahams und des Mose)immer weiter vorantreibt, tiefer erforscht im existentiellen Experiment.De facto sind beide, Judentum wie Christentum, in viele Parteien gespalten, alle -tümer sind nicht die Sache. Deswegen habe ich in pointierter Sprache von uns Katholiken her den Vergleich mit einem 'Raub' gewählt, um mit dem verschärften Gedanken zu fragen, wie wir bei aller Rechtgläubigkeit den rechten Glauben Jesu wieder entdecken könnten. D.h. die Interpretation nach vorne ist das Ziel, die muss sich aber durch die Re-Form legitimieren. Dem Luther-Feierjahr steht das ja auch bevor.
Das antike hellenistische Judentum hat dem Christentum vorgearbeitet. Durch die Konkurrenz des konstantinischen Christentums musste sich das judentum abschotten und konservativ werden. Man könnte sagen, dass es wieder aufgelebt ist im Mittelalter durch die Aristoteles-Rezeption und in der Europäischen Aufklärung und z.B. bei den deutschen Reformjuden. Siehe auch Geiger, Baeck, Rosenzweig... Mit der Vernunft hat vor der Eroberung Jerusalems 70 n.Chr. das moderne Gelehrtenjudentum begonnen. Rabbi Jochanan sah die Folgen der Rache der Römer an dem widerspenstigen jüdischen Volk, das souverän sein wollte, voraus, verhandelte mit den Besatzern und ließ sich in einem Sarg aus der Stadt schmuggeln, um oben in Jabne (Galiläa) das neue Lehrhaus ohne Tempel und Opferkult und ohne Hohen Rat zu gründen. Das war die vernünftige Rettungstat. Diese Form überlebte ohne Land und Staat bis 1947. Mein Gedanke ist: Wenn wir, beide Seiten, erstens auf den Glauben Anbrahams/Moses und zweitens auf die Vernunft setzen, müssten wir doch weiterkommen in unserer Freundschaft.Streit hat die Welt genug. Sie wollte was Anderes sehen. Für nicht an die Bibel Glaubende habe ich nicht sprechen wollen.
Mit dankbaren herzlichen Grüßen an alle Diskutierenden Ludwig Weimer
Sehr geehrter Herr Weimer, mit Ihrer Antwort, für die ich mich herzlich bedanke, hat diese Diskussion eine erste Zäsur erreicht. Ihre Ermunterung zum Weiterforschen bleibt, genauso wie ein Sack voll Fragen, die an die verschiedenen Beiträge anschließen könnten. Ob es hilfreich wäre, ein virtuelles Lehrhaus zu eröffnen, mit dem Ziel, im Sinne Ihres Schlusssatzes (Gespräch aus AT plus Vernunft) den Dialog auf eine breitere, wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen? Wie das konkret (technisch wie inhaltlich) aussehen könnte, wäre zu diskutieren. Nur mal so einen Ball in die Luft geworfen, vielleicht genügt ja auch die Diskussion im Blog. Gestern um die Zeit hätte ich "Shabat Shalom!" gegrüßt, heute bleibt mir der Wunsch nach einem schönen Sonntag! Ihre Daska
zunächst wollte ich meine Freude, ja geradezu Begeisterung über diese hochqualifizierte Diskussion ausdrücken, die - für mein Empfinden - auch in diesem Blog, dessen eigenständige Gedanken und Meinungsäußerung ich sehr schätze, schon etwas Herausragendes ist. Vielen Dank an den Autor und alle Mit-Diskutanten.
Als ich aber jetzt gerade noch Ihren Vorschlag eines virtuellen Lehrhauses las, da machte es nur noch: Bing! Das wär's! Jetzt mal ernsthaft: wäre das nicht tatsächlich möglich? Fände ich toll!
Vielleicht kann ja von den Redakteuren jemand etwas dazu sagen.
Dank an Herrn Weimer für seinen aufklärenden Beitrag zu seinem Artikel über den „Raub“ am Eigentum des jüdischen Volkes und für den Hinweis, worum es Katholiken (u.a.) im Jahre 2014 gehen sollte: (1) zum einen um die berechtigte und notwendige mentale Erforschung des Weges, den die Offenbarung Gottes in unserer Welt geschichtlich erkennbar genommen hat und (2) um die Erforschung, der Herr Weimer noch eine höhere Bedeutung beimisst: „tiefer erforscht im existentiellen Experiment“. Es geht darum, wie wir (als Katholiken) bei aller Rechtgläubigkeit „den rechten Glauben Jesu wieder entdecken könnten“. Das wäre auch Sinn und Ziel jedweden „Reformations“-Gedenkens.
Eine Erforschung im „Lehrhaus“, das Franz Rosenzweig 1920 als jüdische Volkshochschule in Frankfurt ins Leben rief und die wegen ihrer freiheitlichen Methode: „Belehrung der Unwissenden durch die Unwissenden“ (aus Mangel an geeigneten Lehrern) Lehrer und Wissenschaftler von Weltrang anzog, in einem Haus wie Leo Baeck es in Berlin betrieb und wie es im Abraham- Geiger-Institut in Potsdam (mit Ausstrahlung auf das Leben) im 21. Jahrhundert wieder aufblüht, ist eine Sache. Die andere ist und bleibt mit Blick „nach vorne“, den autentischen Weg im Glauben Jesu zu gehen.
Dieses Anliegen trug Paulus bereits vor 2000 Jahren in seinem großangelegten Brief an die christliche Gemeinde in Rom vor, deren kosmopolitische Bedeutung ihm bewusst war. Es ist ein ernstes und höchst bedenkenswertes Anliegen. Paulus schreibt insgesamt vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Problems, wenn er speziell in den Kapiteln 9-11in seinem berühmt gewordenen Gleichnis vom Ölbaum konstatiert, dass ein Teil der Zweige „herausgebrochen“ ist. Er hegt aber den unerschütterlichen Gedanken, dass diese Zweige wieder „eingepflanzt – aufgepfropft“, wieder zu neuer Fruchtbarkeit erweckt werden könnten, selbst wenn sie schon verdorrt oder gar tot herumlägen. Den Personen aus den Heidenvölkern, die Anschluss am Leben der kosmopolitischen Gemeinde in Rom gefunden haben, schärft er ein, dass ihre Existenz den toten Zweigen durchaus vergleichbar sind: Wäre ihnen nicht gleichsam Platz geschaffen worden an dem einen Stamm des Ölbaums Israel und hätten sie nicht Anteil am Lebenssaft, der von dessen Wurzel aufsteigt – ihr modernes Lebensgefühl und das Glück der Stunde, in einem geordneten Staat zu atmen, nützte ihnen nichts. -
„Virtuelles Lehrhaus“? - Ich kann die aufkeimende Begeisterung verstehen, teile sie aber nicht. Oder vielmehr nicht in einem verengten Sinn. Das „Lehrhaus“, das in der jüdischen Wurzel gründet, aus der Not heraus (schon) geboren im babylonischen Exil an Versammlungsorten, an denen man sich der erneuten Tragfähigkeit seiner längst gebotenen und erkannten Gesellschaftsordnung wieder vergewisserte und 200 Jahre später erprobt und weiterentwickelt in den Synagogen im hellenistisch geprägten Exil außerhalb des jüdischen Mutterlandes, - dieses Lehrhaus umfasst alle Lebenswirklichkeiten der Welt.
Zur jüdisch geerdeten, den Kosmos liebenden „Weisheit“ gehört gegenwärtig der Bereich der modernen Wissenschaft mit seinen Fragen; woher unsere Welt, die kleine Erde bis hinein in ihre kleinsten Teile und der unermessliche Kosmos kommt, in wessen Händen er ruht und unter welchem Anspruch er unseren Händen anvertraut ist.
Zu ihr gehört alles, was die Ordnung und das Zusammenleben von Menschen auf unserem Planeten bestimmt. Selbstverständlich auch alles, was wir als „Um-Welt“ zu bezeichnen und häufig misszuverstehen pflegen. Es will namlich von dem höheren Auftrag her und auf ihn befragt sein. Alles soll ja im rechten Lot sein. Und wenn etwas aus den Fugen gerät, soll es sich wieder einpendeln, re-pariert und wieder heil gemacht werden können.
Sind das nicht die Aufgaben von uns Menschen? Herrliche Aufgaben. Das Handwerk, die Wirtschaft, die Medizin, das Recht. Die schönen Künste, die unser Leben erfreuen und unsere vielseitigen Sinne auf die Geheimnisse unserer Welt richten können. Schließlich die Feste, die gefeiert werden wollen, die Ausdruck echter Lebensfreude sein dürfen. Sie dienen nicht erstrangig der Betäubung unserer Sinne, sondern erinnern und gemahnen uns an die lautere Quelle unseres Daseins.
Ausdrücklich möchte ich mich an dieses Stelle dafür bedanken, was ich durch die Zusammenfassungen von „Kallias“ im Jahresgedenken über Zettels Meinungen und Intention zur Betreibung dieses Blogs erfahren habe. Die Weite, die Höflichkeit, der Humor und die Ernsthaftigkeit – die Liebe zur Sache gehören dazu.
nachdem sich die spärlichen Reaktionen zu einem wie auch immer zu benennenden virtuellen Forschungsraum die Waage halten, erlaube ich mir, freimütig weiterzufragen:
-> „Normal wäre es, dass man wissenschaftlich diskutiert, ob Jesu Tora-Auslegung und Deutung des Wollens Gottes noch jüdisch ist oder nicht. Aber es scheint noch Zeit zu brauchen.“ lese ich in Ihrem Beitrag „Juden wurde mehr geraubt“. -> In diesem Zusammenhang erinnert Herr Simon im aktuellen Blog an Ihren Beitrag über Fichte und die Frage nach dem Verhältnis zwischen der (wahren) Religion (Fichtes Formulierung?) und den Religionen.
-> Die Religionen versucht Thomas Merton (amerikanischer Trappistenmönch, Buchautor, 20. Jh.) auf wechselseitiger Augenhöhe zueinander in Beziehung zu setzen, indem er Gott mit einem Brunnen vergleicht, aus dem alle Religionen je auf ihre Weise schöpfen. -> Von Merton offenbar inspiriert, versucht Pater Sebastian Painadath SJ, im Auftrag seines Ordens diesen Blickwinkel im christlichen Ashram seit nunmehr 25 Jahren in die Tat umzusetzen. ( http://www.youtube.com/watch?v=L2gZjeFHxcQ ).
Ob ich Sie wohl fragen dürfte, was Ihrer Meinung nach Fichte zu dem Ansatz von Merton / Painadath in Theorie und Praxis sagen würde?
_________________________________________________________________________________________________________________________________________________________ "Was Fichte zu dem Ansatz von Merton / Painadath in Theorie und Praxis sagen würde?" _________________________________________________________________________________________________________________________________________________________
Juden und Christen ist etwas gemeinsam, was die Christen von den Juden erhalten haben und was man sonst nirgends so findet: Die Überzeugung, dass Gott ein heiliges Gottesvolk braucht, um in der Welt handeln zu können. Das ist eine Praxis. Ich klammere den Islam deshalb hier aus, weil er zwar ebenfalls monotheistisch ist, aber (noch?) keinen Sinn für die Freiheit und Freiwilligkeit des Glaubensvolkes hat.
Der biblische Glaube ist nicht vom Himmel gefallen (wie gleichsam der Koran in den augen der Fundamentalisten), sondern hat an den Religionen großer Kulturen angeknüpft und dxeren Gedanken in einem langen Prozess geläutert. Die sogenannte bibl. Offenbarung ist dann das Ergebnis eines Sammlungs- und Ausleseprozesses (trial and error) mittels der eigenen Praktizierung über mehr als ein Jahrtausend. Am Anfang nannten die Christen ihre Nicht-mehr-Religion den "Weg", den "neuen Weg", "unsere Philosophie". Und die frommen Römer nannten die Christen Atheisten. Von Augustinus wurde das Christentum die vera religio (wahre Religion) genannt. Fichte und die ganzen Männer der Aufklärung hatten nur ein Wort, eben "Religion" und unterscheiden nicht zwischen Religion und biblischem Aufklärungs-Glauben. Das macht die Lektüre auch so schwierig. Vermeintlich greifen sie die Kirchen an, in Wahrheit erkennen und kritisieren sie das falsche Religiöse am zeitgenössischen Halbchristentum, viele, ohne es zu wissen.
Th. Merton und S. Painadath SJ gehören zur modernen Erscheinung der "Religionspluralistischen Theologie". Dies ist eine katholische Theorie, die aus dem Herausgewachsensein der Bibel aus den Vorwelt- und Umweltreligionen den falschen Schluss ziehen: Da die Religionen so verwandt sind, kann man nicht nur, sondern muss man um der Menschen willen die eigene Religion so inkulturieren, dass das Christentum mit dem östlichen Buddhismus verbunden werden kann. In Fichtes Zeiten sahen es die Pfilosophen etwas anders: Die Religionen, einschließlich des Christentums, müssen in Philosophie, Aufklärung verwandelt werden, der Glaube muss zur Ethik werden, zum Humanismus. Fichte erkannte da einen Verlust, den er mit der Hoffnung ausdrückte, dass auch die seinerzeitige Aufklärung mit der Planierung aller Religionen künftig überwunden werde und sich das Christentum als das Beste durchsetze - natürlich in seiner echten Form, die er sich aus der Bibel zusammenlas und zukunftsfähig interpretierte. Auch in der neueren Zeit, zwischen den Weltkriegen, gab es drei große reformierte Theologen, die Religion und Christentum unterschieden: Karl Barth, Leonhard Ragaz und Dietrich Bonhoeffer. Die Katholiken meinten, sie hätten schon die Wahrheit, und lernten wenig von ihnen.
Ich darf nicht vergessen, noch hinzuzufügen, dass die moderne religionspluralistische Theorie auch stark von der Erkenntniskritik Kants beeinflussst ist. Weil Kant sagt, wir Menschen hätten keine sichere Erkenntnis der metaphysischen Welt - was ja einfach stimmt und die ganze Bedeutung der kopernikanischen Wende in der Philosophie der Neuzeit hat - ,folgern die Vertreter des Religionspluralismus: Alle Religionen sind nur Linsen und zeigen deshalb Gebrochenes, keine Religion, auch nicht Judentum und Christentum,haben die volle Wahrheit. Darum ist es ihnen auch gleich, welche Religion man hat, man kann auf eine exotische wechseln oder eine Mischung für sich zusammenbasteln. Wenn jesuitische Ordensmänner in einem buddhistischen Kloster mitleben, haben sie die Aufgabe vor Augen, einen gelebten Dialog zu vollziehen und wirklich einzutauchen in das Andere, und meist geht es ihnen darum, die fremden Kulturräume auf eine Inkulturation des Evangeliums hin zu erforschen. In der wissenschaft. Theologie nennen sie das ein "passing over": Man müsse mindestens 1-2 Jahre lang gleichsam innerlich die eigene Religion wechseln, um die fremde überhaupt verstehen zu können. Sie sehen, Frau Daska, dass die Leute es ernst meinen und ich kann sie gar nicht verurteilen. Sie wollen Pioniere sein, haben aber nicht die richtige Ausrüstung zum Brückenbauen. - Das wird die Kirchen noch lange beschäftigen.
Ich persönlich arbeite deshalb mit meinen Freunden an einer Reform der Theologie, damit die Unterscheidung, die wir von den jüdischen Propheten lernten, als Schatz aus der Religionsgeschichte nicht verlorengeht. Jede Religionskritik ist mir eine willkommene Hilfe. Meine Kirche hat schon viele solcher Krisen überlebt. Hintennach nennt sie dann die falsche Auffassung "Häresie". Es kommt aber darauf an, dass man den Geist der Unterscheidung vorher findet und hilft - meist gegen die Mehrheit - für die bessere Antwort zu argumentieren. Eine Häresie zeigt immer ein Problem, das die Kirche nicht gelöst hat. So hat sie heute, weil sie das authentische Christentum kaum lebt, keine Antwort auf die Begegnung mit den vielen faszinierenden Religionen. Früher war sie etwas geschützt durch die Uninformiertheit der Masse und die soziale Kontrolle der Einzelnen. Gottlob ist alles heute frei und es gibt wieder die freie Entscheidung zu einer Weltanschauung.
Schluss mit der Vorlesung! Mit Grüßen, Ludwig Weimer
Zitat Von Augustinus wurde das Christentum die vera religio (wahre Religion) genannt.
Mit Dank an Herrn Weimer für die ausführliche Vorlesung, ein Gedanke, der daran anknüpft:
Habe bei Reclam De vera religione von Augustinus bestellt, um Fichtes Ideengeber im Original zu lesen.
Erster Satz von De vera religione, verfasst im Jahr 390:
„Den Zugang zu einem guten und glückseligen Leben eröffnet allein die wahre Religion, welche nur einen Gott verehrt“. (Augustinus, De vera religione, Reclam 1983, S.5)
Im Jahr 426, gegen Ende seines Lebens, kommentiert Augustinus seine eigenen Werke und schreibt:
„Wenn ich ferner sage: ,Das ist die christliche Religion unserer Tage. Sie zu kennen und ihr zu folgen, ist der sicherste und gewisseste Weg zum Heil` [in der Fußnote: De ver. rel. 19 fin.], so bezieht sich das nur auf den Namen der christlichen Religion, nicht auf die Sache, die mit diesem Namen bezeichnet wird. Die Sache selbst, die nun christliche Religion genannt wird, gab es ja schon bei den Alten. Denn vom Anbeginn des Menschengeschlechtes an fehlte sie nicht, bis Christus selbst im Fleische erschien. Erst seitdem fing man an, die längst vorhandene wahre Religion christlich zu nennen. Als nämlich nach der Auferstehung und Himmelfahrt Christi die Apostel angefangen hatten, von ihm zu predigen, und sehr viele gläubig wurden, da nannte man die Jünger, wie die Schrift erzählt, zuerst zu Antiochien Christen. Darum schrieb ich: ,Das ist die christliche Religion unserer Tage`, nicht, als wäre sie in den frühen Zeiten noch nicht dagewesen, sondern weil sie erst in den späteren diesen Namen empfangen hat.“ (Augustinus, Retractationes in De vera religione, Reclam 1983, S. 190-191)
„Der Glaube an den einen Gott“ und „das Christentum, das es ja schon bei den Alten gab“: Wäre durch diese Augustinus-Zitate eher der „Raub an den Juden“ in seiner Genese holzschnittartig nachgezeichnet oder könnten die Stellen eine Brücke bilden, um jüdischen Gesprächspartnern einen Zugang zu den Kirchenvätern zu eröffnen? Über das erste Zitat dürfte Konsens herrschen, das zweite könnte, mit der Brille des Dialogs, nicht des Dissens, gelesen, zu einer Verständigung führen, oder?
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- "Die wahre Religion ... schon bei den Alten"? --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ihre Vorschläge, Frau Daska, brauchen einen Boden, auf dem sie gedeihen können. Zu diesem Boden ein paar Hinweise. Im Zeitalter Augustins galt - im Unterschied zu heute - das Älteste als das Wahre und Beste (zumindest in Sachen Weltanschauung, Mythen und also Religion). Die Christen hatten größte Schwierigkeiten, ihre Neuheit zu verkaufen. Sie hätten sich natürlich leichter getan, wenn sie nicht den Drang gehabt hätten, sich vom Judentum abzusetzen, denn dann hätten sie ja einen Zusammenhang mit einer sehr alten Religion verteidigen können. Manche Philosophen, die Christen geworden waren und die Katechetenschule zu Alexandren leiteten, haben das allerdings getan. Und manche argumentierten, Plato habe in Ägypten Moses Bücher studiert und von dort stammten seine Staatsideen (Stichwort "Diebstahl der Hellenen"). Bei Klemens von Alex. kann man seitenweise die Sozialordnung nach Exodus und Deuteronomium lesen, die der Lebensweise der frühen Kirche vorauslag, also alt war. Stichwort: "Altertumsbeweis". Man brauchte also nur die Kontinuität von Mose bis zu der Apostelgeschichte bejahen und beschreiben.
Heute würde man das Neue als den Fortschritt behaupten. Wir dürfen aber nicht die Wurzel im alten Israel abschneiden. Etwas Anderes ist noch interessant: Jesu angebliche Neuheit kann in Wahrheit ein Zurückgehen hinter Mose bis zur sogenannten Paradiesordnung sein, also eine Interpretation der Weisung vom Sinai von der Besinnung auf das ursprüngliche Wollen Gottes her. Bestes Beispiel ist seine Ablehnung der Ehescheidung, die Mose (für die Männer) zugestanden hatte. "Am A n f a n g war es nicht so. Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen." Von da aus ist es nur ein kleiner Schritt, ein zweites Argument hinzuzunehmen, nämlich das der Vernunft. Denn diese gilt als identisch mit der Weisheit und Vernunft Gottes: "Der Sabbat ist für den Menschen da und nicht der Mensch für den Sabbat." Bedenkt man diese universale und schöpfungsgemäße Sicht Jesu, kann man zwei Dinge folgern: 1) Es geht um eine aufgeklärte Religion oder um die Aufklärung Gottes über die Irrtümer der Religionen. 2) Christen könnten mit Agnostikern als Religionskritikern wunderbar diskutieren. Leider war die Kirche in der Europäischen Aufklärung schwach und feige und ging nicht nach vorne, sondern in den Schmollwinkel. So liegt die Aufgabe bis heute da.
Für den Dialog mit den Juden müsste zuerst aus dem Weg geräumt werden: Manche Kirchenväter (Barnabasbrief und Chrysostomus besonders) haben wüst gegen das Jüdische geschrieben. Dazu müsste man wissen: Oft ging es um das Judaisieren in der eigenen Kirche, das angegriffen wurde, und gar nicht um das Judentum neben der kleinen Kirche, die noch ihre eigene Identität und Neuheit herauszustellen suchte. Ich will aber nichts kleinreden, natürlich gab es z.B. auch die unheilige Tat des Bischofs Anbrosius (Lehrer Augustins), den Kaiser zu zwingen, seine Strafe für die Christen, die eine Synagoge abgebrannt hatten, diese wieder aufzubauen, zurückzunehmen, - Ambrosius fürchtete den Machtverlust gegenüber dem politischen Rom.
Was Augustinus mit dem Christentum vor Christus meint, ist also eine auch aktuell interessante Frage und Sache: Den Anteil der Vernunft, die immer und überall die Wahrheit (bruchstückhaft zumindest) finden kann; und die Tatsache, dass die wahren Christen bei den Vertretern der Vernunft, auch wenn diese Agnostiker sind, eher Bundespartner finden könnten als bei den Bloß-Religiösen, die keinen Wert auf die Vernunft legen. Die Verwandtschaft zu einem Judentum, wie es in der hellenistischen Diaspora blühte, ist daher eine Hilfe für den Dialog; die Katholiken haben übrigens die umfassendste Bibel, weil sie auch jüdische Weisheitsbücher einbeziehen, sie sonst als apokryph gelten oder in den Anhang verbannt sind.
München. Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist tot. Er starb am Dienstag am späten Vormittag im Alter von 81 Jahren, wie sein Sprecher Stephan Holzinger der Nachrichtenagentur dpa bestätigte. Gurlitt, der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, war seit Monaten schwer krank.
In seiner Münchner Wohnung war im Februar 2012 eine unschätzbare Sammlung gefunden und beschlagnahmt worden. Dazu zählten Werke von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde. Anfang April hatte Gurlitt der Bundesregierung und dem Freistaat Bayern vertraglich zugesichert, seine Sammlung von Experten untersuchen zu lassen und unter Nazi-Raubkunstverdacht stehende Werke gegebenenfalls zurückzugeben. Daraufhin hob die Staatsanwaltschaft Augsburg die Beschlagnahme auf
♥lich Nola
---------------------------
Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Tod mit 81 Jahren: Cornelius Gurlitt ist tot. Der Kunstsammler starb am Montag in seiner Münchner Wohnung. Er hatte sich nicht mehr von einer schweren Herzoperation erholt.
Der Kunstsammler Cornelius Gurlitt ist tot. Er starb am Montag in seiner Münchner Wohnung, wie sein Sprecher am Dienstag mitteilte.
Im RL würde solch ein Wiederholungszwang auf neurotische Störungen oder magischen Bannfluch hindeuten.
Zitat von Elmar im Beitrag #38Es wäre schön wenn der Staat der das Eigentum seiner Bürger nicht mehr respektiert am Ende leer ausgeht.
Das ist leider nicht so. Der Staat wird sich nehmen, was irgend geht. Und irgendeine ausländische Organisation als Erbe wird dagegen wenig machen können.
"Leer ausgehen" werden die Kunstliebhaber in Deutschland, weil Gurlitt die ansonsten wohl naheliegende Lösung (Schenkung an ein deutsches Museum) verständlicherweise nicht mehr gewählt hat.
Shalom lekulam, ein lesenswerter Beitrag zu der Jüdin Maria, der Christin Maria und zu Maria als Mutter: Matuschek, Dominik, Unsere Liebe Frau. Grundzüge marianischer Spiritualität, in: Geist und Leben, Heft 4/2014, S. 351-S.360. Das weiter oben im Blog aufgeführte Werk "Maria, nicht ohne Israel" wird dabei auch gewürdigt. Beste Grüße Daska
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.