Manchmal hat man den Eindruck, der größte Gegner des christlichen Glaubens ist die Amtskirche mit ihren ständigen Einmischungsversuchen in Bereiche, von denen sie schlicht keine Ahnung hat.
Mit Ihrer Kritik an dem dummen Geschwafel (sorry, anders kann ich das nicht nennen) der Kirchen in Wirtschaftsfragen gehe ich vollkommen d'accord, werter R. A. Ihr Seitenhieb auf die „gottgewollten und steuerfinanzierten Bezüge“ deutscher Bischöfe geht allerdings in Leere, denn die Staatsleistungen an die Kirchen gehen auf deren Enteignung zurück. Schon die Weimarer Reichsferfassung (Art. 138, übernommen ins Grundgesetz) forderte zwar die „Ablösung“ dieser Leistungen, das hat sich jedoch noch keine Regierung getraut, das wäre zu teuer. Die Kirchen stehen dem im Übrigen gar nicht unbedingt ablehnend gegenüber.
Ich finde schon, dass die Kirchen ein Recht haben, ihre Meinung ins Wirtschaftsgeschehen einzubringen. Allerdings kann sich das nur allgemein auf ethische Fragen beziehen. Gier anzuprangern z.B. finde ich also ganz o.k. Auch müssten Kirchen ihre Stimme erheben, wenn z.B. Armen überhaupt keine Chance auf Teilhabe und Wiedereinstieg ermöglicht würde.
Was die Präferenz konkreter wirtschafts- oder ordnungspolitischer Maßnahmen betrifft, ist die Meinung der Kirchen enorm relevant. Also ungefähr so enorm wie die des Kaninchenzüchtervereins Illertissen-Süd.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Störoperator im Beitrag #2Ihr Seitenhieb auf die „gottgewollten und steuerfinanzierten Bezüge“ deutscher Bischöfe geht allerdings in Leere, denn die Staatsleistungen an die Kirchen gehen auf deren Enteignung zurück.
Das ist mir bekannt, lieber Störoperator, und normalerweise stört mich das gar nicht bzw. ich bin meist eher auf der Verteidigerseite zu finden, wenn es um solche alten Kirchenrechte geht. Aber der Kontrast zur aktuellen Stellungnahme ist peinlich. Es stört mich ja auch nicht, wenn jemand einen Porno anschaut und würde im Zweifelsfall sein Recht verteidigen, das zu tun. Aber wenn er gleichzeitig Moral predigt und Sittenverfall und Unzucht öffentlich verdammt - dann ist es der Kontrast, der stört.
Denn wozu bitte braucht ein christlicher Bischof ein so hohes privates Gehalt? Die evangelischen Bischöfe haben wenigstens noch eine Familie zu versorgen, bei den katholischen fällt das weg. Wenn ein Alleinstehender eine schöne Wohnung und Auto gestellt bekommt - wozu braucht der noch 12.000 € im Monat? Ich verlange weiß Gott nicht, daß Kleriker im härenen Büßerhemd herumlaufen müssen und von trockenem Brot leben müssen. Aber für die angemessene Lebensführung eines christlichen Hirten sind die deutschen Bischofsgehälter völlig überzogen. Die zu kassieren ist gierig und maßlos. Und da ist es peinlich, selber lauthals die Gier anderer Leute anzuprangern.
Zitat Schon die Weimarer Reichsferfassung (Art. 138, übernommen ins Grundgesetz) forderte zwar die „Ablösung“ dieser Leistungen, das hat sich jedoch noch keine Regierung getraut, das wäre zu teuer.
Und warum zu teuer? Weil die Kirchen ihren (inzwischen schon fast dubiosen) Rechtsanspruch beinhart und gierig maximal ausreizen würden. Die Bischöfe schreiben von "gemeinsamer Verantwortung". Und die würden sie beweisen, wenn sie angesichts klammer Staatskassen und einer halben Milliarde Ausgaben jährlich für Bischofsgehälter sagen würden: Die Hälfte tuts auch.
Auch die Banker hatten einen juristischen Anspruch auf ihren Bonus. Und wurden trotzdem beschimpft, weil sie diesen dann auch durchsetzen wollten. Nicht alles abzugreifen, was rechtlich durchsetzbar ist - das müßte eigentlich zur Vorbildsfunktion eines Bischofs gehören.
Zitat von Rayson im Beitrag #3Ich finde schon, dass die Kirchen ein Recht haben, ihre Meinung ins Wirtschaftsgeschehen einzubringen.
Erst einmal hat natürlich jeder das Recht, seine Meinung einzubringen. Muß sich dann aber auch Kritik gefallen lassen.
Ansonsten halte ich aber die Formulierung "Wirtschaftsgeschehen" unglücklich. Die Kirchen können etwas dazu sagen, wie Menschen gut miteinander umgehen sollen. Auch wenn sie im Wirtschaftsbereich tätig sind. Das wirtschaftliche Geschehen selber aber übersteigt ihren Horizont, dazu sollten sie besser schweigen.
Mal als Vergleich: Wenn es um Sport geht, können die Kirchen zu fairem Umgang aufrufen. Oder zum Beispiel thematisieren, daß oft Kinder unter starkem Druck stehen, um zu sportlichen Höchstleistungen trainiert zu werden. Aber wenn die Bischofskonferenz anfängt über die beste Form der Abseitsregel zu diskutieren, wäre das ähnlich lächerlich wie ihre Aussagen zur Finanzmarktkontrolle.
Zitat Gier anzuprangern z.B. finde ich also ganz o.k.
Könnte es sein, wenn es eine vernünftige Abgrenzung von "Gier" gäbe. Im üblichen Kontext ist "Gier anprangern" nur eine Variante von Neid. Grundsätzlich halte ich es nicht für schlimm, wenn Menschen sich materiell besser stellen wollen. Es gibt natürlich christliche Traditionslinien, die das kritisch sehen. Normalerweise teilt die Kirchenmehrheit diese Sicht nicht - und ich halte es für fragwürdig, wenn dann plötzlich darauf zurückgegriffen wird um bestimmte politische Botschaften zu untermauern. "Gier" kann m. E. nur ein Problem sein, wenn dabei in moralisch fragwürdiger Weise andere Menschen geschädigt werden. Dann ist aber diese Schädigung das zu kritisierende Problem, nicht die Motivation.
Religionsgemeinschaften haben selbstverständlich das Recht, zu jedem Theme Stellung zu beziehen - wie wir alle. Dies wird keiner bestreiten. Ärgerlich ist aber die mangelnde Sachkenntnis, die sich in den Äußerungen der Geistlichen offenbart.
Heute Morgen wurden in einem - meiner Meinung nach ebenfalls wenig informierten - Beitrag des DR Kultur Stellungnahmen des prominenten, inzwischen emeritierten katholischen Wirtschaftsethikers Friederich Hengsbach eingespielt. Hengsbach geht die Thesen nicht weit genug. Insbesondere kritisiert er, daß Fehlen der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer, die nach seiner Ansicht den Staaten Steuereinnahmen brächte, die Schuldigen an der Finanzmarktkrise an deren Kosten beteilige und schädliche (d.h. vermutlich: kurzfristige)Spekulation verhindere.
Den Hochfrequenzhandel würde die Transaktionssteuer in der Tat einschränken oder sogar beseitigen: Aber inwieweit er die Krise verursacht hat oder schädlich ist, ist mir schleierhaft. Der Hochfrequenzhandel wird in Deutschland wesentlich schärfer reglementiert (u.a. Leerverkaufsverbot) und kontrolliert (Marktunterbrechung), als in den USA. Studien zeigen, daß hier Kursstürze durch den Hochfrequenzhandel nicht verschärft, sondern aufgefangen wurden und dieser dem Markt benötigte Liquidität zur Verfügung stellt.
Steuern mag sie ja bringen, da hat Hengsbach recht. Aber: Das die Anleger, auf die die Banken den Großteil der neuen Steuer abwälzen und so etwa deren Altersvorsorge massiv verteuern werden (j e d e r T r a n s a k t i o s s c h r i t t w r d b e s e u e r t !), an der Finanzmarktkrise "schuld" sind, ist schon eine steile These. Abgesehen davon, daß ich bislang noch nicht gehört habe, daß und wie die Käufe von Aktien, Anleihen, Devisen und Rohstoffen die Krise verursacht haben (Staatsanleihen sind ein gesondetes Problem): In die Krise vor allem hochverschuldete Staaten, die eine hohe Regulierugsdichte für Wirtschaft und Arbeitsmarkt, ein international nicht oder immer weniger konkurrenzfähiges Wirtschaftsmodell, übermächtige Gewerkschaften und einen großen staatlichen Sektor mit damit einergehendem Politikeinfluss aufweisen. Beispiele: Frankreich, Italien. Verschärfend ommen dann noch Korruption, eine zwar übergroße, aber unfähige Verwaltung und eine laxe Steuermoral oben und unten dazu, Beispiel: Griechenland.
Es ist gut und richtig, daß die Finanzmarktaufsicht verschärft wurde (Beispiel: Anglo-Irish-Bank, Irland), und zumindest versucht wird, die Bonigewährung zu reformieren, aber was anden Märkten passiert ist, ist sehr vielgestaltig und wäre durch eine Finanztranaktionssteuer nicht verhindert worden. Das betrifft die Ankäufe von sub-prime-Papieren durch die deutschen Landesbanken (Im Besitz der öffentlichen Hand (Länder und Sparkassen))ebenso, wie die Probleme der Depfa (kurzfristige Finanzierung langfristiger Ausleihen, was nur solange gut geht, wie der Marktzins entprechend niedrig ist).
Die Immobilienkrise in Spanien wurde durch eine kreditfinanzierte Blase verursacht (maßgeblich beteiligt: die spanischen "Cajas" (=Sparkassen) im Besitz der öffentlichen Hand und - der katholischen Kirche!). Diese Fehlallokation wäre duch eine Finanztransaktionssteuer nicht verhindert worden (übrigens ebensowenig durch die einführung von Trennbanken).
Griechenland, Zypern: Das Problem war das Mißtrauen in die weitere Zahlungsfähigkeit dieser Staaten (Gründe: s.o.), das sich auf deren Anleihen auswirkte. Für die Staaten stiegen die Zinsen (was ihre Refinanzierung noch mehr erschwerte), zum anderen wurden die Anlagen der Banken (vor allem der griechischen und zyprischen in solche Papiere entwertet (Stichwort: Schuldenschnitt), was zu massiven Abschreibungs- und entsprechendem Refinanzierungsbedarf führte. Da die Bankbilanzen mit solchen nun plötzlich notleidenden Papieren vollgesogen waren, gerieten die Banken in Schieflage und die EU-Staaten mußten helfen, um einen Zusammenbruch an den Finanzmärkten zu verhindern. Vorausgegangen war aber 2011 die Bitte der Finanzminister (auch Schäuble) an die Banken, die Papiere weiter zu halten. ein Schuldenschnitt werde nicht kommen. Was dann gekommen ist, wissen wir alle - es wäre durch eine Steuer nicht verhindert worden. An die unrühmliche Rolle der Politik erinnert sich aber heute keiner mehr. Stattdessen: "Die Banken sind schuld". An dem Privileg der Nullgewichtung von Staatsanleihen rüttelt die Politik natürlich nicht. Von der Mitverantwortung der Bush- und Obamaadministationen an der sub-prime-Krise: Kein Wort.
Stattdessen hätte Prof. Hengsbach Greenpeace und Attac an der Erstellung der Sozialtesen beteiligen wollen.
Zitat von N.N. im Beitrag #6Heute Morgen wurden in einem - meiner Meinung nach ebenfalls wenig informierten - Beitrag des DR Kultur Stellungnahmen des prominenten, inzwischen emeritierten katholischen Wirtschaftsethikers Friederich Hengsbach eingespielt. Hengsbach geht die Thesen nicht weit genug. Insbesondere kritisiert er, daß Fehlen der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer, die nach seiner Ansicht den Staaten Steuereinnahmen brächte, die Schuldigen an der Finanzmarktkrise an deren Kosten beteilige und schädliche (d.h. vermutlich: kurzfristige)Spekulation verhindere.
Ich glaube nicht mehr, dass der Grund für diesen Stuss fehlende Sachkenntnis ist. Ich glaube eher, es geht um Schuldabwehr. Wer hat denn in Deutschland mit der Finanzkrise diese Milliardenverluste produziert, für die die Steuerzahler gerade stehen muss? Es waren durch die Bank weg die staatlichen Finanzinstitute. Die müssen aus der Schusslinie, deshalb die Nebelwand mit "Bankstern", "Finanztransaktionssteuer", "Hochfrequenzhandel" und all den anderen Sprechblasen. Wären diese Milliardenverluste nicht entstanden bei einem Verbot des Hochfrequenzhandels? Wären diese Milliardenverluste nicht entstanden mit einer Finanztransaktionssteuer? Und wer waren namentlich eigentlich die Verantwortlichen, die "Bankster"? Ach so, so genau wollen wir es gar nicht sagen. Sonst könnte ja der Eindruck entstehen, die "Bankster" sind über weite Strecken die gleichen, die gegen die "Bankster" hetzen.
Zitat von R.A. im Beitrag #4Das ist mir bekannt, lieber Störoperator, und normalerweise stört mich das gar nicht bzw. ich bin meist eher auf der Verteidigerseite zu finden, wenn es um solche alten Kirchenrechte geht. Aber der Kontrast zur aktuellen Stellungnahme ist peinlich. […] Auch die Banker hatten einen juristischen Anspruch auf ihren Bonus. Und wurden trotzdem beschimpft, weil sie diesen dann auch durchsetzen wollten. Nicht alles abzugreifen, was rechtlich durchsetzbar ist - das müßte eigentlich zur Vorbildsfunktion eines Bischofs gehören.
Dann stimme ich mit Ihnen inhaltlich überein. Mir war nicht klar, dass es Ihnen gar nicht um den Reichtum als solchen, sondern nur das Verhältnis zu den Forderungen ging. Insbesondere da oftmals Aufregung über jegliche Art von Geldflüssen vom Staatssäckel zu einer Kirche herrscht, halte ich Ihre Meckerecke jedoch für missverständlich, da sie als ebenso grundsätzliche Kritik aufgefasst werden kann.
Mag ja sein, aber welche Stimmen, die sich zu Anlagen, Bankgeschäften, Investment, Marktwirtschaft oder sonstiges äußern, sind denn NICHT inkompetent? Ich lese zu dem Thema viel, aber vollkommen egal, von wem ein Beitrag kommt, was er aussagt, wie er argumentiert und welches Ziel er hat, es gibt IMMER dutzende Antworten auf den Beitrag, die den Autoren Inkompetenz vorwerfen. Ich bin selber selbstverständlich auch inkompetent, aber ich sehe: bei dem Thema ist es offensichtlich unmöglich kompetent zu sein.
Insofern scheint mir der Vorwurf der Inkompetenz lediglich ein Ausdruck dafür zu sein, dass sich die Autoren korrekterweise zu dem Thema äußern.
Sich dann in einem Erguss zu Bischofsgehälter zu ergehen, ist dann dieselbe Taktik, wie die, die Politikergehälter (oder die der Beamten oder die der Banker) darstellen, eine Neiddebatte. Eine gefühlsmäßiges Eifern, das mit kompetenter Argumentation nichts zu tun hat. Aber in einer Meckerecke muss man ja nicht kompetent sein.
Nun kann man ja fragen, worin denn das Inkompetente der Aussagen des kritisierten Beitrags der Kirchenoberen besteht. Es war nur erkennbar, dass die Nähe zu sozialdemokratischen oder grünen Positionen das Inkompetente darstellt. Nun gibt es ja durchaus hier im Forum die Meinung, dass eine Aussage alleine schon dadurch inkompetent wird, dass sie ein SPD naher oder - oh Graus - grüner Politiker äußert, solche Denkweisen sind mir aber, nun ja, zu einfach. Ich denke, dass die Welt in Wahrheit komplizierter ist, als sich durch eine solche ideologisch gefärbte Brille erkennen läßt.
Aber genau das ist nun auch mein Problem. Da es bei dem Thema Bankenverhalten, Boni und Aktienhandel keine nicht-ideologisch gefärbte Beiträge gibt, bekomme ich nicht die Informationen, die meiner eigenen Inkompetenz entgegenwirken würde.
Aber genug der Inkompetenz. Man kann auch fragen, was die Kirchenoberen bewegt hat, den besagten Beitrag zu publizieren und auch noch gemeinsam, d.h. entgegen der sonst durchaus noch vorhandenen Grenzen gegeneinander. Hier sind denke ich zwei Punkte wichtig, die beides nichts mit Kompetenz in Wirtschaftsdingen zu tun hat
1.) Die Kirchen wollen ein Sprachrohr für ethische Fragen sein. Insofern ist der Tenor des Beitrags ganz in einer Linie dieses Wollens (das unabhängig davon ist, ob die Menschen ihnen das auch abkaufen). Denn Kapitalismus setzt den Egoismus des einzelnen als Basis und alleine mit diesem Begriff ist man bereits in der Domäne der Ethik. 2.) Der Glaube an Gott und Jesus ist keine theoretische Sache. Sie soll und muss sich praktisch auswirken. Insofern ist es gut und richtig, wenn sich Kirchen zu praktischen Fragen äußern, so sollen, ja müssen sich in Politik einmischen.
Beide Punkte machen die Publikation und dessen Tenor verständlich. Aber selbstverständlich darf jeder - sogar jeder evangelische und katholische Christ - eine andere Meinung zu dem Thema haben. Nur eben keine kompetente.
Zitat von Kritiker im Beitrag #9Nun kann man ja fragen, worin denn das Inkompetente der Aussagen des kritisierten Beitrags der Kirchenoberen besteht.
Was ganz einfaches: Die Sozialinitiative schreibt "Nur eine verantwortlich gestaltete Marktwirtschaft ist geeignet, den Wohlstand hervorzubringen, der erforderlich ist, um für alle Menschen ein Leben in Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit zu ermöglichen." Ein Kommentator schreibt darunter (ich darf das direkt kopieren):
Zitat von alias Horst GrünbuschWie anders wird eine Marktwirtschaft gestaltet, als duch die freiwillig geschlossenen Verträge der Wirtschaftssubjekte untereinander? Eine Planwirtschaft kann man gestalten, eine Marktwirtschaft gestaltet sich, wie der Name schon sagt, am Markt, also durch Einvernehmen der Geschäftspartner. Das ist viel edler als durch Herrschaftsspruch der großen staatlichen Wirtschaftsregulierer, die den ihrigen Gewalt antun. Es ist nämlich ein freiwilliger Vertragsschluß wie er von Gott dem Volk Israel oder uns in der Taufe angeboten wurde.
Zitat von Kritiker im Beitrag #9Aber genau das ist nun auch mein Problem. Da es bei dem Thema Bankenverhalten, Boni und Aktienhandel keine nicht-ideologisch gefärbte Beiträge gibt, bekomme ich nicht die Informationen, die meiner eigenen Inkompetenz entgegenwirken würde.
Der Hintergrund sind ja Modelle, die man sich ansehen und nachvollziehen kann. Wenn man einer Aussage mißtraut, schaut man sich eben den Beweis dazu an. Ökonomiestudenten sollten das machen können. (Nunja, leider lernen sie nur noch für Klausuren.)
Zitat von Kritiker im Beitrag #91.) Die Kirchen wollen ein Sprachrohr für ethische Fragen sein. Insofern ist der Tenor des Beitrags ganz in einer Linie dieses Wollens (das unabhängig davon ist, ob die Menschen ihnen das auch abkaufen). Denn Kapitalismus setzt den Egoismus des einzelnen als Basis und alleine mit diesem Begriff ist man bereits in der Domäne der Ethik. 2.) Der Glaube an Gott und Jesus ist keine theoretische Sache. Sie soll und muss sich praktisch auswirken. Insofern ist es gut und richtig, wenn sich Kirchen zu praktischen Fragen äußern, so sollen, ja müssen sich in Politik einmischen.
Beides ist durchaus richtig. So wie Adam Smith nicht von ungefähr Moralphilosoph war. Aber wie wird das umgesetzt? In der Sozialinitiative wird nur an einer einzigen Stelle Bezug auf Gott genommen. Das ist ein bißchen dünn, zumal mich wirklich interessieren würde, inwieweit christliche Nächstenliebe, die stets mit persönlicher Beziehung einhergeht, durch unpersönliches Behördenhandeln gelebt werden kann. Es heißt ja nicht umsonst Nächstenliebe und nicht "ich liebe doch alle, alle Menschen! Ich setze mich doch für euch ein!" Nächstenliebe ist lokal, gebunden an den persönlichen Wirkradius.
Zitat von Kritiker im Beitrag #9Sich dann in einem Erguss zu Bischofsgehälter zu ergehen, ist dann dieselbe Taktik, wie die, die Politikergehälter (oder die der Beamten oder die der Banker) darstellen, eine Neiddebatte. Eine gefühlsmäßiges Eifern, das mit kompetenter Argumentation nichts zu tun hat.
Keineswegs, lieber Kritiker. Jesus hat den Aussätzigen geheilt und der Ehebrecherin vergeben. Er hat gerade nicht nach einer großen Transformation gerufen, die eine menschenwürdige Behandlung Aussätziger und eine Beendigung der sozialen Ächtung von Ehebrecherinnen hätte bringen sollen, denn sein Reich ist ja bekanntlich nicht von dieser Welt. Er hat ein Beispiel gegeben, dem jedermann nach Maßgabe einer freien Gewissensentscheidung folgen konnte oder auch nicht.
Der heilige Martin hat seinen Mantel mit dem frierenden Bettler geteilt und nicht gefordert, der Staat möge den Reichen zur Deckung des Kleidungsbedarfs Mittelloser die Zweitmäntel abnehmen. Das ist wahres Christentum.
Ein bischöfliches Einkommen und die bischöfliche Verfügungsgewalt über zum Teil recht großzügige Liegenschaften und Kirchengeldmittel würden es durchaus gestatten, dass die Oberhirten - Christus oder zB St. Martin folgend - mit gutem Beispiel vorangingen. Aber nein, für moralische Handlungen ist ja nicht mehr der Einzelne zuständig, das Gewissen wird an den Staat delegiert.
Zitat von KritikerDenn Kapitalismus setzt den Egoismus des einzelnen als Basis und alleine mit diesem Begriff ist man bereits in der Domäne der Ethik. [...] Der Glaube an Gott und Jesus ist keine theoretische Sache. Sie soll und muss sich praktisch auswirken. Insofern ist es gut und richtig, wenn sich Kirchen zu praktischen Fragen äußern, so sollen, ja müssen sich in Politik einmischen.
Man kann letztlich allem eine ethische Komponente abgewinnen. Ob man Auto oder Rad fährt bzw. die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, ist dann auch eine ethische Entscheidung, denn es geht ja um die Bewahrung der Schöpfung. Wohin diese ethische Aufladung vorderhand neutraler Fragen führt, hat man ja beim Atomausstieg gesehen: Da haben u.a. Bischöfe über eine Frage entschieden, die in erster Linie von technisch-wirtschaftlicher Relevanz war. Aber in dieser "Ethikkomission" wurde als Prüfungsmaßstab eine moralische Elle angelegt. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, gelangt man irgendwann zu einem Wächterrat nach iranischem Muster.
Aus den Evangelien (und - falls ich mich recht erinnere - zB auch aus dem Werk etwa des Thomas von Aquin) lässt sich meines Erachtens eher der Schluss ziehen, dass für das Christentum eigentlich die Trennung von Staat und Kirche wesenhaft ist und dass insbesondere der Staat nicht dafür missbraucht werden darf, Moralentscheidungen - die ja individuelle Gewissensentscheidungen sind (was Emulgator zu Recht anspricht) - mit staatlichem Zwang durchzusetzen.
Zitat von N. SchneiderKirchen [...] nicht allein dem jenseitigen Seelenheil der Menschen, sondern auch ihrem diesseitigen Wohl verpflichtet [sind,]
dann frage ich mich, wann sich ein Bischof zum letzten Mal in dieser Form zum jenseitigen Seelenheil der Menschen geäußert hat. Denn in diesem Thema liegt doch zweifellos die Kernkompetenz der Kirchen.
Mir geht solches, Entschuldigung, moralische Geschwurbel sonstwo vorbei. Wenn die Inhaber irgendwelcher Firmen (FCB, ADAC, Erzbistum Köln, was weiß ich) sich in goldenen Badewannen voller Krimsekt und mit vielen Gespielinnen lustvoll vergnügen wollen: Von mir aus gerne, viel Spaß! Nur möchte ich damit finanziell nicht behelligt werden. (Und als Steuerzahler freue ich mich kaum über die obszessive staatliche Vernichtung meines Eigentums.) mfG
Zitat von Störoperator im Beitrag #2Mit Ihrer Kritik an dem dummen Geschwafel (sorry, anders kann ich das nicht nennen) der Kirchen in Wirtschaftsfragen gehe ich vollkommen d'accord, werter R. A. Ihr Seitenhieb auf die „gottgewollten und steuerfinanzierten Bezüge“ deutscher Bischöfe geht allerdings in Leere, denn die Staatsleistungen an die Kirchen gehen auf deren Enteignung zurück. Schon die Weimarer Reichsferfassung (Art. 138, übernommen ins Grundgesetz) forderte zwar die „Ablösung“ dieser Leistungen, das hat sich jedoch noch keine Regierung getraut, das wäre zu teuer. Die Kirchen stehen dem im Übrigen gar nicht unbedingt ablehnend gegenüber.
Lieber Störoperator,
als immer mehr überzeugter Anhänger des Geolibertarismus kann ich immer weniger Verständnis für die Entschädigung des Landenteignung aufbringen.
Was viele Liberale, die ansonsten auch gegen die illegitime Ausnutzung eines Gewaltmonopols sind, ignorieren, ist das (größeres) Grundeigentum und Grundherrschaft auch eine Form von Regierung darstellt.
Land kann nicht zusätzlich hergestellt werden (die kleinen, sau-teuren Ausnahmen in einigen Stadtstaaten, deren Kosten aber auch nur der (Stadt-)Staat tragen konnte, lassen wir mal beiseite, das ist auch theoretisch sehr limitiert). Ohne Land läuft gar nichts, keine Produktion, keine Wohnungen. Herrschaftsausübung durch eine Anballung von Land war das Markenzeichen des Feudalismus und später der Aristiokratie im Absolutismus, aber auch konstitutionellen Monarchien wie England vor dem Siegeszug des Kapitalismus.
Traditionelle, klassische Ökonomen (und auch klassische Liberale) haben nicht nur zwischen zwei Produktionfaktoren, Arbeit und Kapital, unterschieden, sondern zwischen 3 Produktionsfaktoren: Arbeit, Kapital und Land.
An Kapital wir Eigentum erworben, in dem es mit Hilfe von Arbeit und bereits legitim erworbenen Eigentum (Kapital) hergestellt wird. Ebenso wird an Konsumgütern und überhaupt an so hergestellten Gütern Privateigentum erworben (falls das Kapital der öffentlichen Hand gehört evt. auch Staatseigentum).
Land aber wurde von niemandem hergestellt, es ist von Natur aus da und ist daher common property (ebenso noch ungeförderte Naturressourcen). Steigende Landpreise werden durch die von der Gesellschaft darum geschaffenen Infrastruktur und gesellschaftlichen und technischen Möglichkeiten hervorgerufen, welche die Nutzungsmöglichkeiten erhöhen. Common property ist übrigens kein Staatseigentum.
Zitat Socialist Confusions
The classical liberal distinctions between land, labor and capital were greatly confused by socialists, and particularly Marxists, who substituted the fuzzy abstract term, "means of production," for all three factors. They also blurred the distinction between common property and state property, for socialists believed, as royalty also believed, that they were the people.
Today, the confusions between land and capital and between state property and common property are shared by socialists and royal libertarians, and only classical liberals keep these distinctions clearly defined. Yet royal libertarians frequently duck the land issue by charging that it is the classical liberals, not the royal libertarians, who have embraced socialist ideas.
Jeder braucht Land als Produktionsfaktor (in unterschiedlichem Ausmaß). Es ist nur fair und billig dafür einen Ausgleich an die Allgemeinheit zu erwarten. Natürlich kann aus Praktikabilitätsgründen das positive Recht Privateigentum an Grundstücken vorsehen, die dann - alleine schon der Rechtssicherheit wegen - nicht Entschädigungslos enteignet werden dürften. Auch schon, um Zentralplanerei vorzubeugen. Da jeder Land braucht könnte man über eine staatliche Zuteilung des Landes nach politischem Gutdünken der Regierung unausweichlich alles in den Dienst des aktuellen, politischen Zeitgeistes stellen und als legitim verkleiden. Ist solches Privateigentum nicht vorgesehen, müssten daher Erbbaurechte an den Meistbietenden versteigert werden (der Erbbauzins aber regelmäßig, nicht nur alle 30 Jahre, an die veränderte jährliche Bodenrente angepasst werden). Hat man solche Privateigentum bietet sich eine Bodenwertsteuer in Höhe von 80 bis 90 Prozent des jährlichen Bodenrentenwertes an. Durch die Abschöpfung der aus dem Grundstück erzielbaren Rendite, der Bodenrente, würde der Verkaufs- und Einkaufspreis des Grundstückes natürlich deutlich abnehmen.
Da es sich bei den enteigneten Werten der Kirchen während der Säkularisierung größtenteils um Ländereien handelt, relativiert sich doch so die als Entschädigung zu zahlende Summe enorm. Zugegebener Maßen aber erst, wenn man auch eine entsprechende Bodenwertsteuer einführen würde, denn ansonsten wäre es einsteigung und unfair.
Man sollte jedoch auch bedenken, dass ohne die Reduzierung kirchlichen Grundbesitzes eine Befreiung von der auf aristokratischer Grundherrschaft basierenden Wirtschaftsordnung kaum möglich gewesen wäre. Selbst bei einer Abschaffung der Leibeigenschaft, die ständigen Grunddienstbarkeiten an einige wenige Grundherren, denen man auch durch technischen Fortschritt, Selbsteigentum und Gewerbefreiheit ansonsten nur sehr bedingt hätte entkommen können, da man Land eben nicht neu produzieren kann, eine Emanzipation vom Land nur quantitativ und das auch nur beschränkt möglich ist, hätten die Entwicklung der modernen, liberalen Gesellschaftsordnung gehemmt, wenn nicht verhindert. Daher musste ja später auch eine Bauernbefreiung her, die eben nicht nur den Ausstieg aus der Leibeigenschaft bedeutete, sondern auch die Möglichkeit der Bauern die Grundlasten relativ günstig abzugelten und die volle Verfügungsgewalt und Eigentum über ihre bisher bearbeitetes (nur (erb)gepachtetes) Grundstück zu erlangen.
Zitat von Hausmann im Beitrag #12Mir geht solches, Entschuldigung, moralische Geschwurbel sonstwo vorbei. Wenn die Inhaber irgendwelcher Firmen (FCB, ADAC, Erzbistum Köln, was weiß ich) sich in goldenen Badewannen voller Krimsekt und mit vielen Gespielinnen lustvoll vergnügen wollen: Von mir aus gerne, viel Spaß! Nur möchte ich damit finanziell nicht behelligt werden. (Und als Steuerzahler freue ich mich kaum über die obszessive staatliche Vernichtung meines Eigentums.) mfG
Bei Gebilden wie dem ADAC oder den Kirchen kann man ja einer finanziellen Belastung leicht entgehen, indem man dem Verein nicht beitritt oder eben austritt. Bei solchen Gebilden, wie einer bigBank, die mit Steuern gerettet werden muss, weil sie zu groß ist, um zu fallen, ist dem nicht so, da ist man als Steuerzahler im Boot. Und da macht man sich schon Gedanken, ob der Geldgeber (Staat) nicht auch Einfluss auf das Geschäftsgebahren dieser Bank haben sollte.
Zitat von Hausmann im Beitrag #12Mir geht solches, Entschuldigung, moralische Geschwurbel sonstwo vorbei. Wenn die Inhaber irgendwelcher Firmen (FCB, ADAC, Erzbistum Köln, was weiß ich) sich in goldenen Badewannen voller Krimsekt und mit vielen Gespielinnen lustvoll vergnügen wollen: Von mir aus gerne, viel Spaß! Nur möchte ich damit finanziell nicht behelligt werden. (Und als Steuerzahler freue ich mich kaum über die obszessive staatliche Vernichtung meines Eigentums.) mfG
Bei Gebilden wie dem ADAC oder den Kirchen kann man ja einer finanziellen Belastung leicht entgehen, indem man dem Verein nicht beitritt oder eben austritt. Bei solchen Gebilden, wie einer bigBank, die mit Steuern gerettet werden muss, weil sie zu groß ist, um zu fallen, ist dem nicht so, da ist man als Steuerzahler im Boot. Und da macht man sich schon Gedanken, ob der Geldgeber (Staat) nicht auch Einfluss auf das Geschäftsgebahren dieser Bank haben sollte.
Trifft zwar nicht auf den ADAC, aber auf die Kirchen auch zu.
Zitat von Kritiker im Beitrag #14Bei solchen Gebilden, wie einer bigBank, die mit Steuern gerettet werden muss, weil sie zu groß ist, um zu fallen, ist dem nicht so, da ist man als Steuerzahler im Boot. Und da macht man sich schon Gedanken, ob der Geldgeber (Staat) nicht auch Einfluss auf das Geschäftsgebahren dieser Bank haben sollte.
Ähm, die größten Klopper haben sich ja wohl gerade die deutschen Staatsbanken geleistet (WestLB, HSH Nordbank und Konsorten), und genau bei denen hat der Staat naturgemäß großen Einfluss aufs Geschäftsgebaren. Da saß doch auch ein Steinbrück im Aufsichtsrat, genau wie bei der IKB ein Staatssekretär namens Jörg Asmussen im AR saß. Eben jener, der später als Nachfolger Jürgen Starks zur EZB delegiert wurde und heute wieder als Staatsekretär bei Andrea Nahles untergekommen ist.
Das Problem ist eher das Zuviel an staatlichem Einfluss und nicht ein Zuwenig. Wie überhaupt dieses too big to fail Paradigma daher rührt, dass alle Banken (und Versicherungen) auf riesigen Paketen an Staatsanleihen sitzen und die Staaten einfach Angst davor haben, dass diese Bonds in Massen auf den Markt fliegen könnten, wenn eine kriselnde Bank mal plötzlich Bares braucht.
Sorry lieber Kritiker, der schon bestehende große staatliche Einfluss ist hier ein großer Teil des Problems und nicht Teil einer Lösung. Wären die Verstrickungen zwischen Staaten und Finanzinstituten nicht so groß, könnten Banken auch mal ganz marktkonform pleite gehen. Da müssten sie nicht mit "Rettungspaketen" aus wieder geborgtem Geld zwangsbeatmet werden.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Calimero im Beitrag #16 Sorry lieber Kritiker, der schon bestehende große staatliche Einfluss ist hier ein großer Teil des Problems und nicht Teil einer Lösung. Wären die Verstrickungen zwischen Staaten und Finanzinstituten nicht so groß, könnten Banken auch mal ganz marktkonform pleite gehen. Da müssten sie nicht mit "Rettungspaketen" aus wieder geborgtem Geld zwangsbeatmet werden.
Nun, in Deutschland wurden zwar tatsächlich die staatlich gelenkten Banken gestützt, aber pleite gegangen ist Lehmann und das hat so große Schockwellen durch das Finanzsystem geworfen, dass andere Banken und Geldhäuser auch in den USA gestützt wurden. Die deutschen Banken waren da eher Folgeschäden. Und die Ursache zu diesem Zeitpunkt waren privatwirtschaftliche Schuldenmacherei und Risikoverschleppung in den USA, nicht die Schulden des Staates.
Die deutsche Bank konnte sich aus eigener Kraft retten, weil sie noch zu viel altes deutsches Bankensystem an der Backe hatte, was vor der Krise eher als Negativposten angesehen wurde.
Ich habe auch nicht dafür plädiert, die Geldhäuser unter staatliche Kontrolle zu stellen, aber wenn Banken sich darauf verlassen wollen, im Zweifel ihre Veruste zu verstaatlichen, weil sich ein Staat einfach nicht leisten kann, derartige Institute pleite gehen zu lassen, dann muss dafür auch ein Preis gezahlt werden. Wie der aussieht, ist erst einmal offen, aber es ist klar, dass ein unkontrolliertes Spiel der Marktkräfte die Krise ja hervorgebracht hat und daher ein "weiter so" nicht angebracht ist.
Umgekehrt wäre natürlich auch von den Banken zu wünschen, die Staaten nicht einfach Schulden anhäufen zu lassen, aber die Schuldenkrise hat wiederum gezeigt, dass das nicht so einfach möglich ist. Staaten einfach den Geldhahn zuzudrehen ist auch keine Lösung, weil die sozialen Folgen den Staat zerreissen, was der Bank nun auch nicht so gelegen kommen kann.
Der rechte Weg ist also ein Schuldensenken ohne Geldhahn zudrehen und ein Risiko absichern ohne stoisches Pleite gehen lassen, der Mittelweg eben. Die freien Kräfte fördern aber nicht die Einhaltung des Mittelwegs, denn wenn einzelne zu ihrem eigenen Vorteil Banken oder Staaten pleite gehen lassen können (und das ist mit den heutigen Marktmechanismen möglich), dann wird das auch getan. Dass dann die linken Kräfte die Gunst der Stunde nutzen wollen, um gleich die volle Kontrolle zu erlangen. Nun ja, nicht gut, aber so geht Politik leider. Mäßigung hat noch nie Gehör gefunden.
Und in genau diese Richtung, eben Mäßigung, verstehe ich den Appell der Kirchen, der ja der Ausgangspunkt war. Dass ein solcher Appell auch mißbraucht wird ist leider politischer Alltag.
Zitat von Kritiker Nun, in Deutschland wurden zwar tatsächlich die staatlich gelenkten Banken gestützt, aber pleite gegangen ist Lehmann
Und dabei (wie auch bei AIG) hat der Staat erheblich mitgemischt. Da kommen viele Faktoren zusammen, aber einer davon ist extrem schlechte Regulierung.
Was viele Leute übersehen ist, dass es auch innerhalb einer Bank Konflikte zwischen denjenigen gibt, die das Geschäft machen und denjenigen, die sie beaufsichtigen und die Risiken überwachen. Wenn jetzt der Staat daher kommt und schreibt eine Risikobemessungsmethode vor, die nachweislich nicht geeignet ist, bestimmte Risiken zu sehen (Fakt!), dann verschieben sich auch die internen Machtverhältnisse deutlich zu Ungunsten der bankinternen Risiko Controller. Punkt 1
Punkt 2. Die Eigenkapitalvorschriften haben ein ganz erhebliches destabilisierendes Element. Machen Banken Verluste, droht die Eigenkapitaldecke unter die regulatorisch geforderte Größe zu fallen. Was tun? Eigenkapital erhöhen dauert lange. Folglich werden Wertpapiere verkauft. Das aber drückt den Preis. Weitere Verluste entstehen, auch bei anderen Banken, die ähnliche Wertpapiere im Portfolio haben. Auch dann, wenn diese (noch) nicht verkaufen. Durch diese positive Rückkoppelung (durch eine Reguierungsanforderung) werden die (Marktwert-) Verluste der Banken vervielfacht.
Jetzt hätte man natürlich gerne ein paar Hedgefonds, die von den niedrigen Preisen gebrauch machen und sie so stützen. Aber die reguliert man ja jetzt auch zu Tode.
Man kann die Geschichte auch von hinten aufzäumen. In keiner Volkswirtschaft gibt es sichere Anlagen. Was fehlt ist jemand der bereit ist, Risiken zu tragen. Ein Teil davon liegt in den Präferenzen (es gibt viele sehr Risiko averse Menschen, mit denen alleine ist eine moderne Ökonomie allerdings nicht zu bewerkstelligen. Ein anderer Teil davon ist gesetzlich vorgeschriben (Regulierung von Banken und Versicherungen) Deswegen werden Risiken abgewälzt auf die wenigen, die bereit sind das zu tun, etwa Bankaktionäre und ansonsten vor Regulatoren versteckt wo immer das legal möglich ist. Sorgt natuerlich auch für super Transparenz.
Zitat von R.A. im Beitrag #5Ansonsten halte ich aber die Formulierung "Wirtschaftsgeschehen" unglücklich. Die Kirchen können etwas dazu sagen, wie Menschen gut miteinander umgehen sollen. Auch wenn sie im Wirtschaftsbereich tätig sind. Das wirtschaftliche Geschehen selber aber übersteigt ihren Horizont, dazu sollten sie besser schweigen.
Mal als Vergleich: Wenn es um Sport geht, können die Kirchen zu fairem Umgang aufrufen. Oder zum Beispiel thematisieren, daß oft Kinder unter starkem Druck stehen, um zu sportlichen Höchstleistungen trainiert zu werden. Aber wenn die Bischofskonferenz anfängt über die beste Form der Abseitsregel zu diskutieren, wäre das ähnlich lächerlich wie ihre Aussagen zur Finanzmarktkontrolle.
Eben, genau. "Unglücklich" ist ein Begriff wie "Wirtschaftsgeschehen" nur dann, wenn man etwas auf die eher technischen Aspekte reduzieren möchte. Das aber halte ich in diesem Zusammenhang für verfehlt.
Zitat Gier anzuprangern z.B. finde ich also ganz o.k.
Könnte es sein, wenn es eine vernünftige Abgrenzung von "Gier" gäbe. Im üblichen Kontext ist "Gier anprangern" nur eine Variante von Neid. Grundsätzlich halte ich es nicht für schlimm, wenn Menschen sich materiell besser stellen wollen. Es gibt natürlich christliche Traditionslinien, die das kritisch sehen. Normalerweise teilt die Kirchenmehrheit diese Sicht nicht - und ich halte es für fragwürdig, wenn dann plötzlich darauf zurückgegriffen wird um bestimmte politische Botschaften zu untermauern. "Gier" kann m. E. nur ein Problem sein, wenn dabei in moralisch fragwürdiger Weise andere Menschen geschädigt werden. Dann ist aber diese Schädigung das zu kritisierende Problem, nicht die Motivation.
Ich wüsste nicht, wozu "Gier" eine über ihre Wortbedeutung hinaus "vernünftige Abgrenzung" bräuchte. Es geht ja nicht darum, den Begriff justiziabel zu machen, sondern Aussagen im Bereich der Ethik zu treffen. Dies nur als Alias von Neid anzusehen, hieße, die Sache linker Polemiker zur allgemeinen Regel zu erheben - warum aber sollte man das tun? "Gier" ist, sowohl in der christlichen Ethik als auch im allgemeinen Sprachgebrauch, ja weit mehr als nur der Wille, sich besser zu stellen. Gier ist eine übersteigerte, nahezu wahnhafte Übertreibung, die vom ganzen Menschen Besitz ergreift, und schon vom Ersten Gebot her aus christlicher Sicht eine selbstverständlich zu verurteilende Sünde.
Ich finde, man sollte nicht den Fehler begehen, linken Angriffe auf unsere Wirtschaftsordnung mit einem bestätigenden Rückzug in die Ayn-Rand-Festung zu begegnen und dann auch Moral und Ethik lediglich als feindliche Waffen zu betrachten, die auf diese Festung abgefeuert werden. Die Linke begeht schon ihrerseits den Fehler, aus der Tatsache, dass eine marktwirtschaftliche Ordnung auf tugendhaftes Verhalten nicht angewiesen ist, um zu funktionieren, aufgrund eines übersteigert gesinnungsethischen Ansatzes herauszulesen, sie sei mit einem solchen Verhalten nicht kompatibel. Dann wundert mich aber immer wieder, wie Verteidiger der Marktwirtschaft anscheinend gerne zu dem Schluss kommen, Moral und Ethik hätten in dem von ihnen präferierten System quasi nichts zu suchen. Vielleicht ist das ein reflexhaftes Verhalten, weil sie es immer nur als Begründung staatlicher Eingriffe erleben - aber das ist, gerade aus christlicher Sicht, ja eben eigentlich nicht der richtige Ansatz. Deswegen halte ich es für völlig korrekt, z.B. den Bankstern ins Stammbuch zu schreiben, dass an ihrem Wertesystem etwas nicht stimmt. Dass sie, aus christlicher Sicht, falschen Göttern opfern. Denn kein Akteur in einer Marktwirtschaft muss ein geldgieriger Sack sein - es sind auch andere Präferenzen durchaus systemkonform. Wenn nicht, hätte ich auch keinen Grund, ein Liberaler zu sein.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von dirk im Beitrag #18Punkt 2. Die Eigenkapitalvorschriften haben ein ganz erhebliches destabilisierendes Element. Machen Banken Verluste, droht die Eigenkapitaldecke unter die regulatorisch geforderte Größe zu fallen. Was tun? Eigenkapital erhöhen dauert lange. Folglich werden Wertpapiere verkauft. Das aber drückt den Preis.
Was natürlich bei einer minimalen Eigenkapitaldecke gaaaanz anders wäre. Dann droht ja auch nur die Insolvenz.
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Zitat von Rayson im Beitrag #19Ich wüsste nicht, wozu "Gier" eine über ihre Wortbedeutung hinaus "vernünftige Abgrenzung" bräuchte.
Sie braucht sie da, wo der Begriff mißbraucht wird. Was bei der Linken üblich ist, und offenbar auch bei den Kirchen.
Zitat Gier ist eine übersteigerte, nahezu wahnhafte Übertreibung, die vom ganzen Menschen Besitz ergreift
Mit dieser Definition bin ich einverstanden. Aber ich sehe nicht direkt, wo die Bischöfe so etwas konkret lokalisiert haben wollen. Egal ob man nun die Ursachen der Finanzkrise mehr beim Staat oder mehr bei den Banken verortet - angesichts der bestehenden Fehlanreize und Strukturprobleme reicht bei den Akteuren "der Wille, sich besser zu stellen" völlig aus als Motivation für ihren jeweiligen Aktivitäten. Von Übersteigerung oder Wahnhaftigkeit konnte ich nicht viel sehen.
Zitat Ich finde, man sollte nicht den Fehler begehen, linken Angriffe auf unsere Wirtschaftsordnung mit einem bestätigenden Rückzug in die Ayn-Rand-Festung zu begegnen ...
Da stimme ich zu, ich bin auch überhaupt kein Ayn-Rand-Fan. Ich bezweifele auch nicht, daß es in unserem Wirtschaftssystem viel zu kritisieren und zu reformieren gibt. Meine Meckerecke richtete sich ausschließlich gegen Inkompetenz und Heuchelei dieser konkreten Kritik.
Zitat Denn kein Akteur in einer Marktwirtschaft muss ein geldgieriger Sack sein - es sind auch andere Präferenzen durchaus systemkonform.
Zitat von Rayson im Beitrag #19Dann wundert mich aber immer wieder, wie Verteidiger der Marktwirtschaft anscheinend gerne zu dem Schluss kommen, Moral und Ethik hätten in dem von ihnen präferierten System quasi nichts zu suchen. Vielleicht ist das ein reflexhaftes Verhalten, weil sie es immer nur als Begründung staatlicher Eingriffe erleben - aber das ist, gerade aus christlicher Sicht, ja eben eigentlich nicht der richtige Ansatz. Deswegen halte ich es für völlig korrekt, z.B. den Bankstern ins Stammbuch zu schreiben, dass an ihrem Wertesystem etwas nicht stimmt. Dass sie, aus christlicher Sicht, falschen Göttern opfern.
Die Bischöfe kritisieren ja auch, daß Marktwirtschaftler angeblich nichts von Moral und Ethik hielten. Aber ich glaube, das ist ein Strohmannargument, das nur jemand zu bringen wagt, der mit Geschäften wenig Ahnung hat. Schließt man Geschäfte ab, ist man natürlich auf die Lauterkeit seines Vertragspartners angewiesen. Jeder Geschäftstätige weiß das und das klappt erstaunlich oft! Als groben Indikator kann man die Zahlen der Gerichte mal vergleichen, weil jedes unmoralische Geschäftsverhalten in einen Streit mündet, der typischerweise vor Gericht landet. Vielleicht ist das auch ein Argument für die Kirchen, sich auf ihr ursprüngliches Geschäft zu besinnen.
Da überwiegen die Streitigkeiten des Normalbürgers nämlich die "B2B"-Gierstreitigkeiten. Die größten Verfahrenszahlen hat man bei der Wohnungsmiete (in D gehören die meisten Mietwohnungen ja Häuslebauern und nicht bösen Hedgefonds), bei Verkehrsunfallschäden und den Arbeits- und Sozialgerichten und --jetzt kommt's-- bei Ehe- und Partnerschaftsstreitigkeiten (wobei man die fairerweise gesagt ja auch nicht per außergerichtlichem Vergleich beilegen darf). Kauf- und ähnliche Geschäfte laufen dagegen aus sicht der Kirchen/Linken erstaunlich reibungslos ab. Erstaunlich deswegen, weil bei Käufen meistens ein Unternehmer beteiligt ist und weil Käufe kaum reguliert sind.
Ich glaube, das sagt recht deutlich, wo die Kirchen am Ehesten Unmoral anprangern können...
Zitat von Rayson im Beitrag #19Dann wundert mich aber immer wieder, wie Verteidiger der Marktwirtschaft anscheinend gerne zu dem Schluss kommen, Moral und Ethik hätten in dem von ihnen präferierten System quasi nichts zu suchen. Vielleicht ist das ein reflexhaftes Verhalten, weil sie es immer nur als Begründung staatlicher Eingriffe erleben - aber das ist, gerade aus christlicher Sicht, ja eben eigentlich nicht der richtige Ansatz. Deswegen halte ich es für völlig korrekt, z.B. den Bankstern ins Stammbuch zu schreiben, dass an ihrem Wertesystem etwas nicht stimmt. Dass sie, aus christlicher Sicht, falschen Göttern opfern. Denn kein Akteur in einer Marktwirtschaft muss ein geldgieriger Sack sein - es sind auch andere Präferenzen durchaus systemkonform. Wenn nicht, hätte ich auch keinen Grund, ein Liberaler zu sein.
Es liegt vielleicht auch daran, dass man zwar Adam Smith gelesen hat, aber leider nur die Hälfte. Man kann The Wealth of Nations nicht richtig verstehen, wenn man The Theory of Moral Sentiments nicht kennt. Man versteht ja auch nicht die Bibel, wenn man davon nur das neue Testament gelesen hat.
Zitat von Rayson Zitat von dirk im Beitrag #18Punkt 2. Die Eigenkapitalvorschriften haben ein ganz erhebliches destabilisierendes Element. Machen Banken Verluste, droht die Eigenkapitaldecke unter die regulatorisch geforderte Größe zu fallen. Was tun? Eigenkapital erhöhen dauert lange. Folglich werden Wertpapiere verkauft. Das aber drückt den Preis.
Was natürlich bei einer minimalen Eigenkapitaldecke gaaaanz anders wäre. Dann droht ja auch nur die Insolvenz.
Ja, natürlich. "Die Banken" hatten vor 2008 eine Eigenkapitalquote von - je nach Rechnung/Gewichtung - 2-10%. Weitaus weniger hätten sie ohne die Eigenkapitalvorschriften auch nicht haben koennen. Nur dann wäre man in der Lage gewesen, die Eigenkapitaldecke als Risikopuffer zu nutzen. Das macht einen erheblichen Unterschied.
Was nützt das regulatorische Kapital, wenn es, wenn man es braucht, nicht eingesetzt werden kann. Ein Risikopuffer sieht anders aus. Das regulatorische Eigenkapital sorgt dafür, dass im Zweifel mehr übrig bleibt, wenn eine Bank in die Krise gerät. Es macht aber ebensolche Krisen wahrscheinlicher und hat über die beschriebene Rückkoppelung eine destabilisierende Wirkung.
Zitat von dirk im Beitrag #24Was nützt das regulatorische Kapital, wenn es, wenn man es braucht, nicht eingesetzt werden kann. Ein Risikopuffer sieht anders aus.
Ok, dann ist dein Kritikpunkt die unterschiedliche Gewichtung von Eigenkapitalanforderungen im Gegensatz zu einer Verpflichtung, z.B. generell 20% EK vorzuhalten?
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
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