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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 41 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

11.03.2014 23:49
#26 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #25
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Wie hieß es? "...halb künstliches Weißnichtwas. Das ist gewiss ungerecht, weil es den Kindern etwas anlastet, wofür sie rein gar nichts können. Aber meine Abscheu ist in solchen Fällen stärker als die Vernunft..."
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Dass eine Schriftstellerin darauf hinweist, gefühlsmäßig, muss zumindest erlaubt sein.


Wenn sie es denn als Ausgangspunkt genommen hätte, um sich von dort aus Aufklärung über ihr Unbehagen und dessen Berechtigung oder seine Grundlosigkeit zu verschaffen. Aber genau das tut sie nicht: Ihr "Abscheu und Ekel" reicht ihr völlig aus, um rhetorisch auszukeilen, mit schwerem Kaliber. Sie bewegt sich auf einem Gebiet, das den Menschen bis ins Innerste nahegeht - dem Leben, den eigenen Nachkommen. Aber sie bewegt sich eben auch in einem Feld von Ideen und Assoziationen, das mit genau diesen Sorgen und Grundängsten im letzten Jahrhundert Entsetzliches angerichtet hat: als "Schutz des Lebens" vor vermeintlicher Entartung und Entstellung: Die Eugenik vor 100 Jahren hat rapide diese fahle Färbung angenommen. Da ist das oberste Gebot, Nüchternheit und Sachkenntnis einzusetzen, nicht willentlich blinde Hysterie. Insofern ist Frau Lewitscharoff, ohne es auch nur zu ahnen, ein Teil des Problems, das sie so schrill anprangert: nämlich die willentlich ignorante Einmischung, die die eigene Erregungsstufe zum Ausweis des Rechthabens nimmt. Da ist sie allerdings nur eine besonders laute und schrille Ausprägung des Zeitgeists - dem wir dann auch Dinge wie die Energiewende, den unbedingten Multikulturalismus und eine zunehmende Infantilisierung jedweden öffentlichen Diskurses zu verdanken haben.

Die kopflose Rhetorik dieser Leute verdeckt ja, unter anderem, daß es sich bei dem, wovor sie sich so entsetzen, in diesem Fall die Reproduktionsmedizin, um nichts Satanisches handelt, um kein wildes Herumpfuschen eines Doktor Frankenstein im Garten des Lebendigen. Es werden eben nicht Schimären, Halbwesen, Mutanten oder "Widernatürliches" ("künstliches Weisnichtwas") erzeugt; sondern es handelt sich bei der künstlichen Befruchtung um genau denselben Vorgang, der bei einer normalen Befruchtung stattfindet. "Genoptimierung", der "Mensch nach Maß", der "designte Mensch" oder dergleichen Phantome sind eben das: Phantome. Ein mögliches Fernziel von Keimbahnmdizin, vielleicht auch über genmanipulierte Stammzellen, könnte vielleicht einmal darauf hinauslaufen, monogenetische Mängel zu beheben (also etwa die unterbrochene Produktion von Proteinen - vor allem auch Ezymen, Hormonen, Botenstoffen, v.a. Neurotransmittern). Zur Zeit ist das reine Utopie: Alles, was darüber hinausgeht, ist, nach allem, was die Genforschung in den letzten 20 an Erkenntnissen über die Steuerungsdependenzen und epigenetischen Einflüsse geliefert hat, reine Illusion. Moralisch dürfte hier die Kompensation von Mängeln (wenn sie sich denn als möglich erweist), so wenig bedenklich sein, wie es das Tragen von Korrekturlinsen bei schwachem Augenlicht oder die Einnahme von Insulin ist. Die aufgeladene Rhetorik von "Biotechnik" überdeckt, daß es sich um ganz bescheidene, schlichteste Eingriffe in die Lebensvorgänge handelt; die Komplexität des Lebens wird auch in 500 Jahren & darüber hinaus verhindern, daß daraus jemals mehr werden wird. Es ist aber ein prinzipeller Unterschied, ob ich diese Einsicht durch Forschung gewinne & die bescheidenen Möglichkeiten für Heilung & Diagnose anwende - oder ob ich aus ahnungsloser Prinzipientreue von vornherein durch ein plus ultra! jede Augenscheinnahme verbieten möchte.

Die PID ist zweifelhafter: zum einen wegen der äußerst geringen Möglichkeiten, sinnvolle Ergebnisse zu erzielen (dh solche mit hoher Aussagekraft, also hoher Korrelation, und ausreichender Spezifität des Befundes), zum anderen, weil der Druck gegen die Implantation bei einem negativen Befund überwältigend ist. Man sollte aber nicht aus den Augen verlieren, daß es sich auch hier um nichts "Unnatürliches" handelt. Auch unter normalen Bedingungen enden drei Viertel aller Schwangerschaften mit einem Spontanabort während des ersten Monats, bei sog. Teratomien - diese Verhältnisse sind gar nicht zu ändern und zeigen sich entsprechend in den hohen Indikationszahlen der PID. Man kann daraus das Verbot der PID moralisch ableiten; man muß es nicht - aber eine vorsätzliche Ahnungslosigkeit zu kultivieren, dürfte, egal wie man sich entscheidet, stets der schlechteste Weg sein.

Nachtrag: Die Einlassungen von Frau Lewitscharoff, wie auch ansonsten die Inhalte dieser Debatte, auch "Feldbefreiungs-Aktionen" (d.h. Zerstörung von experimentellem Saatgut), machen Eines überaus klar: es geht hier überhaupt nicht um Wissenschaft, sondern um Glaubensangelegenheiten - in diesem Fall mit "Biotechnologie" oder "Leben" als Glaubensaxiomen. Von daher auch die völlige Resistenz gegen alle Fakten & die Unverrückbarkeit der Positionen über Generationen hinweg. Alle Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis in den letzten 40 Jahren (also seit dem kurzfristigen Moratorium über rekombinante DNS) sind bei den Gegner der Biotechnologie schlicht nie zur Kenntnis genommen worden: Das Dogma steht unverrückbar fest: was sich wandelt, sind die fallweisen Begründungen, mit denen es postuliert wird, & der jeweilige spezielle Sündenfall, gegen den aufbegehrt wird. Gott ist tot - es lebe bio.

Krischan Offline




Beiträge: 641

12.03.2014 07:53
#27 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Lieber Ulrich Elkmann,

selten habe ich einen so langen Text von Ihnen gelesen, auch ohne den typisch Elkmannesken Duktus - das Thema geht Ihnen nahe? Wem nicht. Und natürlich spielt hier Unkenntnis dessen, was eigentlich passiert bei künstlichen Befruchtungen, eine wesentliche Rolle. Gibt ja einen sehr plausiblen Grund, weshalb es Reproduktionsmedizin gibt - weil eben nicht jede oder jeder auf "natürliche" Weise kann. Genauso wie ich eine Brille trage, andere ein Hörgerät oder einen Herzschrittmacher. Das ist ja auch ein Eingriff in den Lauf der Dinge. Ganz weit gesponnen sind auch Dinge wie Hygiene, Kleidung, Behausung und derlei nun wirklich widernatürlich, unsere Vorfahren habens ja auch 100.000 Jahre ohne ausgehalten

Gottseidank ist unser Kind natürlich entstanden, mit ein wenig hormoneller Nachhilfe, und mit einem Notkaiserschnitt. Vor 100 Jahren noch wären Frau und Kind elendiglich verblutet. Bei einem befreundeten Paar war IVF notwendig. Deren Kind ist zwar nervig, aber normal. Kein Mutant oder Monster.
Ein Hoch auf die Schulmedizin - mit Bachblüten, Eurythmie und D10-Homöopathie hätte es nix genutzt.

Freundlichst,
Krischan

Deutsche Wurst - alles andere ist Käse.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

12.03.2014 09:58
#28 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #26
Nachtrag: Die Einlassungen von Frau Lewitscharoff, wie auch ansonsten die Inhalte dieser Debatte, auch "Feldbefreiungs-Aktionen" (d.h. Zerstörung von experimentellem Saatgut), machen Eines überaus klar: es geht hier überhaupt nicht um Wissenschaft, sondern um Glaubensangelegenheiten - in diesem Fall mit "Biotechnologie" oder "Leben" als Glaubensaxiomen. Von daher auch die völlige Resistenz gegen alle Fakten & die Unverrückbarkeit der Positionen über Generationen hinweg. Alle Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntnis in den letzten 40 Jahren (also seit dem kurzfristigen Moratorium über rekombinante DNS) sind bei den Gegner der Biotechnologie schlicht nie zur Kenntnis genommen worden: Das Dogma steht unverrückbar fest: was sich wandelt, sind die fallweisen Begründungen, mit denen es postuliert wird, & der jeweilige spezielle Sündenfall, gegen den aufbegehrt wird. Gott ist tot - es lebe bio.



Lieber Ulrich Elkmann,

man kann ja versuchen, sich mit allerlei Gedanken aus einer sehr persönlichen Welt nach dem Stand der Wissenschaft auseinanderzusetzen. Ich denke aber, dass die meisten Menschen mit in diesem Sinne nicht kompatiblen Gedanken herumlaufen, allein auch schon deshalb, weil sich im alltäglichen Leben kaum jemand auf diesem Stand halten kann. Der Tabubruch scheint zu sein, dass eine Schriftstellerin solche ihre Gedanken öffentlich ausbreitet, die auszudrücken den Menschen hierzulande höchstens im stillen Kämmerlein gestattet zu sein scheinen. Zumindest lassen die Reaktionen darauf schließen. Ich meine, man kann solche Gedanken zur Kenntnis nehmen, neugierig, was so in den Köpfen anderer Menschen vor sich geht, man muss sie weder korrigieren wollen, noch kommentieren. Warum soll man einen Unterschied machen zwischen den Gedanken der Großtante und irgendeiner Schriftstellerin. Man kann auch reden lassen. Das fällt in unserem Lande schwer.
Mich freut es dagegen in anderen Ländern, dass reden und reden lassen viel leichter fällt. Dann gefällt es manchem Deutschen sich nach einem USA-Besuch über die dummen Amis zu mokieren, nur weil diese halt auch so daherreden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

Gruß, Martin

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.03.2014 10:12
#29 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #28
Ich meine, man kann solche Gedanken zur Kenntnis nehmen, neugierig, was so in den Köpfen anderer Menschen vor sich geht, man muss sie weder korrigieren wollen, noch kommentieren.

Man muss nicht, aber man kann. Genau wie Frau L.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

12.03.2014 10:34
#30 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat
Lieber Ulrich Elkmann,

selten habe ich einen so langen Text von Ihnen gelesen, auch ohne den typisch Elkmannesken Duktus - das Thema geht Ihnen nahe?


Lieber Ulrich Elkmann,

auch ich dachte das gerade.

Und daher möchte ich einen Zwischenton zupfen, weil auch mir es wichtig ist:

Zitat
Das Dogma steht unverrückbar fest:


Mein Frau und ich haben uns für IVF entschieden. Es war ein langer Weg zwischen Hoffen und Bangen und starker psychischer und für meine Frau auch körperlicher Belastung. Am Ende steht nun ein kleiner Mensch, der mir jeden zweiten Tag die Tränen in die Augen treibt vor Glück und der wundervoller nicht sein könnte. Und ich weiß, dass ich ohne IVF dieses Glück hätte nie erfahren dürfen.

Mit anderen Worten:
Ich habe mich für IVF entschieden obwohl da ein „Unwohlsein“ ist, welches mich auch heute nicht ganz loslässt. Dieses Unwohlsein war aber keinesfalls ein feststehendes Dogma - -sonst hätte ich mich ja anders entschieden.
Diese meine eigene kleine Geschichte führt möglicherweise auch dazu, dass ich jemanden der seine Ambivalenz zur künstlichen Befruchtung zum Ausdruck bringt, im Zweifel auch sehr viel „wohlwollender“ lese als es angebracht wäre. Weil ich Nuancen des Konflikts erkenne, der auch in mir getobt hat und mitunter noch tobt.

Ich selbst lege größten Wert auf den Verstand. Ich muß aber eingestehen, dass der Mensch für mich mehr ist als das. Er hat auch einen Glauben, eine Ethik. Er hat eine empfundene Normalität. Warum und wie diese Dinge zustande kommen sei einmal dahingestellt aber sie entwickeln sich teilweise wohl ohne dass der Mensch selbst darauf einen Einfluß hat. Und nun kann es geschehen, dass der Verstand mit diesen Dingen in Widerspruch gerät. Was dann tun?
Eine Antwort mag sein: Ausschließlich dem Verstand folgen. Sie leuchtet ein. Aber so „einfach“ kann ich es mir leider nicht machen. Ich kann die „normierende Kraft“ von Glaube und Ethik und das mit ihr verbundene Empfinden von Normalität, nicht einfach abstreifen und ich glaube mehr sogar, dass sie wichtig sind. Vielleicht als Gegengewicht zum Verstand, weil alles eine Gegengewicht braucht – auch der Verstand. Aber ich kann ihnen den Charakter des Dogmas nehmen. Was dann jedoch bleibt sind „Konflikte“ oder „Ängste“, die ich nicht endgültig auflösen kann und mit denen ich daher leben muß.

Ich habe in dieser Interpretation die Rede von Frau Lewitscharoff gelesen. Höchstwahrscheinlich zu Unrecht – weil sie möglicher Weise sehr viel drastischer denkt-, aber ich will es auch nicht ausschließen, dass sie nur ein eigenes Dilemma sehr ungeschickt formuliert hat.

Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass IVF ein wissenschaftlicher Fortschritt ist, der bisher nur positives Wirken hat und dass es keinen verstandesmäßigen Grund gibt ihn abzulehnen. Obwohl ich das aus eigener Erfahrung so bestätigen kann, stellten sich trotzdem im Verlauf auch Fragen, die ich zum einen mit meinem Verstand nicht beantworten konnte und die zum anderen meine Ethik in Unruhe versetzen. Und wie gesagt, weiß ich auch nicht welche Information es einmal für meine Tochter sein wird, dass Ihr Ursprung eine IVF war.
Leute die nun behaupten es sei gar keine Frage, dass künstliche Reproduktion nicht in Zweifel gezogen werden darf, beziehen aus meiner Sicht viel zu einseitig Stellung.

Deswegen geht mir dieses Thema vielleicht so nah: Eine nicht auflösbare Unruhe in meiner eigenen Ethik, beim gleichzeitigem Erleben des größtmöglichen Glücks.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

12.03.2014 13:24
#31 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #25

Man sollte, denke ich, auch diese zwei Aspekte beachten:
Erstens mal die Frage der Sprache der Schriftstellerei. Da auch klar gesagt ist, wie die ethisch-juristische Beurteilung durch das Gewissen lautet, darf die Sprache nicht das Fühlen auch mal drastisch ausdrücken? Wir wollen uns doch nicht auf eine eindimensionale politisch korrekte Poesie ohne Hyperbeln beschränken lassen, oder?

Zweitens der indirekte Mit-Blick aus den Augen der 'Opfer'. Was werden die Kinder psychisch erleben, wenn sie um ihre Zeugung erfahren? Wir wissen es doch noch gar nicht. Werden sie denn ganz naturverwissenschaftlicht sein und sagen: Tiere werden durch Vater und Mutter gezeugt, Menschen haben auch differenziertere höhere technische Möglichkeiten? Oder werden sie enttäuscht sein? Wird es ihnen egal sein, Hauptsache sie leben, oder fühlen sie sich ärmer? Dass eine Schriftstellerin darauf hinweist, gefühlsmäßig, muss zumindest erlaubt sein.


Der erste Aspekt: Vielleicht wegen meiner ignatianischen Prägung finde ich Ihren Gedanken sehr wichtig, seinen Zwiespalt zwischen der vernünftigen Gewissensentscheidung und dem als unmoralisch erkannten Gefühl ausdrücken zu dürfen. Mein Eindruck ist sogar, daß auch in bestimmten katholischen Kreisen zugunsten einer äußerlichen katholisch-politisch korrekten Haltung die Reflexion der eigenen Gefühle und Impulse unterdrückt wird. Der äußerliche Anschein ist dann harmonisch und einträchtig, im Inneren der Menschen regiert aber eine Art autoritäres Über-Ich und nicht der Jesus-Christus-in-mir. Je nach persönlicher Disposition, mit der der Gläubige das erlebt, integriert er sich in diese Gemeinschaft, indem er an einen Pelagianismus glaubt oder er wendet sich von der als verklemmt und zwanghaft erlebten Gemeinschaft ab oder er wird psychisch krank. Die säkulare politische Korrektheit wirkt ganz ähnlich. Die sich von dieser politisch korrekten Gemeinschaft abwendenden sind die Politikverdrossenen, Islam-Konvertiten usw.

Der zweite Aspekt: Wenn ein Ehepaar sich zur IVF entschließt, ist das daraus entstehende Kind definitiv aus der Liebe heraus gezeugt, gleich wie bei der natürlichen Empfängnis. Wie der Zeugungsakt im Detail war, überlassen wir gewöhnlich der Diskretion unserer Eltern und haben kein Problem damit. Auch für die IVF-gezeugten Kindern seit Louise Brown ist offenbar kein Problem darin gewesen.
Wenn ich die kath. Moraltheologie recht verstehe, ist IVF an sich auch nicht schlecht. Lediglich die praktizierte Methode, Eizellen auf Vorrat zu befruchten, von denen hinterher doch nicht alle implantiert werden sondern sterben, sei schlecht, weil menschliches Leben für einen bestimmten Zweck "bevorratet" wird, obwohl menschliches Leben nur seiner freien Entfaltung überlassen werden darf.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

12.03.2014 13:45
#32 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #31
Lediglich die praktizierte Methode, Eizellen auf Vorrat zu befruchten, von denen hinterher doch nicht alle implantiert werden sondern sterben, sei schlecht, weil menschliches Leben für einen bestimmten Zweck "bevorratet" wird

Ich habe darüber niemals nachgedacht, bevor unsere Entscheidung fiel. Und genau das wurde (völlig unabhängig von katholischer Moraltheologie) etwas was mich sehr beschäftigt -- unter sehr vielen und unterschiedlichen Aspekten. Vor allem weil ich zu der persönlichen Wahrnehmung kam, dass ich die Festellung es handele sich bei einer befruchteten Eizelle um noch keinen Menschen, nicht so einfach finde wie sie klingt.

Die Formulierung "Gott zu spielen" ist sehr pathetisch. Gerade wenn man feststellt, dass diese Auswahl normalerweise durch die Natur völlig unbeobachtet getroffen wird. Aber ich kann nur meine persönliche Erfahrung wieder geben: Wenn man es durchlebt, erscheint es nicht mehr so einfach.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.03.2014 20:31
#33 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #14
Zitat von Noricus im Beitrag #1
Alle Ressentiments sind gleich, doch manche sind gleicher als andere.

Da stimme ich Ihnen zu, lieber Noricus, möchte allerdings zu bedenken geben, dass es Amazon wenig kratzen dürfte, wenn Leute wie Frau L. beim dortigen Einkaufen mit den Zähnen knirschen


Geld knirscht nicht, lieber Frank Böhmert, da gebe ich Ihnen Recht. Doch das Negativimage, das unter anderem in Frau L.s Tirade sichtbar wird, dürfte Amazon schon jucken.

Zitat
- dass es künstlich empfangenen Kindern jedoch erheblichen Schmerz bereiten dürfte, vor solche Ressentiments gestellt zu werden, wie Leute wie Frau L. sie hübsch erwogen äußern; im angeblichen Interesse dieser Kinder, aber letzlich doch: ihnen weh tuend.



Frau L.s Wortwahl ist sehr drastisch, und wenn sie sich gegenüber einem Menschen im Dialog in dieser Weise geäußert hätte, würde ich das als eine grobe Unhöflichkeit empfinden. In der Rede hat sie jedoch ihr Ressentiment belichtet, was dem Gesagten m.E. doch einiges an Schärfe und an Affronteignung nimmt. Sie hat diesen Gedanken ja ausdrücklich als ungerecht und unvernünftig gekennzeichnet (was er meiner Ansicht nach auch ist).

Und aus diesem Grund wird der Gedanke auch irgendwie unangreifbar: Es ist ja nicht etwas, das sie denkt, sondern etwas, das in ihr denkt.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.03.2014 20:49
#34 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #20
Das eigene Unbehagen gegen die Fruchtbarkeitsmedizin damit auszudrücken, dass man die entstandenen Kinder als "Halbwesen" tituliert ist meines Erachtens tatsächlich ein zu-weit-gehen. Denn dieser Begriff ist so auf-regend, dass die danach kommenden Ausführungen, dass sich Frau Lewitscharoff bewusst ist, dass dieser Ausdruck den Kindern Unrecht tut, gemeinhin nicht mehr zur Kenntnis genommen wird.


So ist es zweifellos, lieber Kritiker. Doch kann man das allein Frau L. anlasten? Ist hier nicht auch eine gewisse Diskussionsunkultur am Werk, die nur auf Schlüsselwörter reagiert und den Kontext ignoriert? Hätte es - um es überspitzt zu formulieren - vielleicht gar keinen Fall Sarrazin gegeben, wenn in dem nicht hilfreichen Buch nicht der Ausdruck "Kopftuchmädchen" gefallen wäre?

Zitat
Insofern halte ich die Kritik an Frau Lewitscharoff für berechtigt, aber nicht weil sie in irgend einer Weise gegen eine Trans-Gender Politik gerichtet ist, sondern eben weil sie mit ihren Äußerungen den unschuldigen Kindern Unrecht tut.



Und dessen ist sie sich ja bewusst. Jedes Ressentiment tut jemandem Unrecht. Und Ressentiments hat jeder Mensch. Soll man nun über eigene Ressentiments nicht mehr öffentlich reflektieren, oder sollte man sich einer weniger scharfen Wortwahl befleißigen? Das sind übrigens keine rhetorischen Fragen.

Zitat
Aber eine solche Differenzierung geht im Shitstorm im allgemeinen unter und gerade die selbst-erhobenen Kommentatoren der entsprechenden Politik benutzen solche Ausrutscher gerne, um - unabhängig zu einer tatsächlichen inhaltlichen Verbindung - ihre sowieso verfasste Meinung zu unterstreichen.



Völlig richtig, siehe oben (Reaktion auf Schlüsselwörter). Deshalb musste auch niemand Sarrazins Buch lesen, um es verurteilen zu können.

Zitat
Zumal wenn jegliche Form des Steuern-zahlens als Diebstahl des Staates angesehen wird.



Es wäre dann eher Erpressung als Diebstahl, lieber Kritiker.

TF Offline



Beiträge: 281

12.03.2014 22:16
#35 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #2
Woher kommt eigentlich ausgerechnet in einem liberalen Forum diese geradezu zwanghafte Verteidigung von Quasi-Monopolisten wie Google, Facebook oder Amazon, die nicht nur ihre Marktmacht mißbrauchen, sondern "nebenbei" auch noch praktisch keinerlei Steuern zahlen (die effective tax rate im Auslandsgeschäft von Apple liegt meines Wissens bei 1,4 %) und damit auch keinerlei Beitrag zu der Infrastruktur leisten, die sie selbstverständlich nutzen - ohne die ihr Geschäft aber praktisch von heute auf morgen tot wäre?

Die Einwände von Frau Lewitscharoff gegen Amazon mögen an der Oberfläche irrational wirken, das heißt aber noch lange nicht, dass sie keine Berechtigung haben.

Google ist kein Monopolist und war es nie. Wer will, kann z. B. den früheren Marktführer Yahoo oder Bing in Anspruch nehmen. Amazon ist auch kein Monopolist. Wenn die Leute StudiVZ, SchülerVZ oder nationale Anbieter a la Hyves nicht mehr nutzen wollen, dann ist Facebook offenbar besser. Man kommt auch ganz ohne soziale Netzwerke und Onlinehandel gut durchs Leben. Ich persönlich nutze Ersteres nie und Letzteres selten. Es ist nicht Aufgabe des Staates, ein bestimmtes Ergebnis des Marktgeschehens vorzugeben. Und was heißt Marktmacht "mißrauchen"? Viele Stellen für Geringqualifizierte schaffen? Würden diese angeblich so gequälten Kreaturen dort arbeiten, wenn sie anderswo bessere Konditionen bekämen?

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

13.03.2014 09:42
#36 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Lieber Noricus,

ein Versuch der Antwort auf Ihre beiden "nicht rhetorischen Fragen":

Zitat von Noricus im Beitrag #34
Soll man nun über eigene Ressentiments nicht mehr öffentlich reflektieren....?

Ich dachte bisher, dass es ein wichtiger Bestandteil, vielleicht einer der wichtigsten der Meinungsfreiheit ist, dass man genau das tun kann. Und man sollte es auch. Warum? Weil nur so das Ressentiment ausgären kann. Bei einem selbst und gegebenenfalls auch in der Gesellschaft. Mit anderen Worten kann es ja nur erkannt werden, wenn man darüber reflektiert, kann nur überwunden werden, wenn man es offen auspricht. Und selbst wenn man es nicht überwinden kann, wird man sich seiner bewußt. Und als etwas provokante These: Ressentiments (oder Reflektion über sie) können durchaus hilfreich sein, um Orientierung zu finden und sind nichts prinzipiell schlechtes, wenn sie nicht in die Freiheit und Unversehrtheit eines Menschen eingreifen. Unter diesem Aspekt habe ich ja die Rede von Frau L. zunächst ausschließlich gelesen.

In der Folge der Beiträge, die ich in diesem Forum dazu lesen konnte, habe ich dazugerlernt. Allerdings hat sich meine Einstellung, dass man auch offen über Ressentiments reflektieren sollte eher bestätigt. Gerade weil man dadurch dazulernt.


Zitat von Noricus im Beitrag #34
oder sollte man sich einer weniger scharfen Wortwahl befleißigen?
Ich sehe hier einen pro und einen contra Punkt.

pro scharfer Wortwahl: Man kann damit zuspitzen, auf den Punkt bringen, das Wesen und den Kern des Standpunktes viel einfacher verdeutlichen als mit Umschreibungen, die auf jede Befindlichkeit Rücksicht nehmen.

contra scharfer Wortwahl: Menschen verstehen nur selten das was gesagt wurde, sondern das was sie verstehen wollen. Siehe auch die Sarrazin Debatte und das Wirken von Schlüsselwörtern. Menschen gewichten anders, werden von unterschiedlichen Aspekten getrieben. So habe ja auch ich die Rede von Frau L. zunächst ganz anders gelesen, als viele andere hier.

Trotzdem bin ich eher für die scharfe Wortwahl. Warum?: Weil es anderes keine Diskussion gibt. Wenn es dann eine gibt (in dem Sinne, dass das Argument als Geschenk und nicht als Waffe gesehen wird), wird sich manches klären und sie wird bereichernd sein. Wenn es eine gibt im umgekehrten Sinne (wo Argumente nur Waffen sind), gibt es hinterher nicht mehr Mißverstandene als vorher auch.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

13.03.2014 19:36
#37 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

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Unheilige Wut - "A bissle arg"
Sibylle Lewitscharoff gibt zu, dass die Passage über die Halbwesen "ganz sicher ein Fehler" war. "Die würde ich gerne zurücknehmen. Sie hat Menschen verletzt, das habe ich eingesehen." (So berichtet Adam Soboczynski von einem Hausbesuch bei der Schriftstellerin heute unter dieser Überschrift in: Die Zeit, 13. März 14, S. 50-51)
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Merkwürdigerweise seien die bei der Rede anwesenden Zuhörer gar nicht erschrocken, es gab keine Empörungsrufe, sagt sie und sucht den Grund darin: Es waren vor allem Ältere, die weder mit dem "religiösen Zuschnitt" noch mit der "Wissenschaftsskepsis" Probleme hatten.
"Es gehört zum Übel unserer Zeit, ständig wohlbehalten sprechen zu müssen ... Wir sind schon eine Gesellschaft der beleidigten Leberwürste." Das entschuldige sie aber nicht.
Soboczynski macht sich aus allem diesen Reim: Jeder könne in eine selbst gestellte Falle tappen, weil kein Mensch ganz erklärbar ist und jeder dunkle und helle Seiten hat. Sie zählt eine Liste auf: Irrungen, Unmöglichkeiten, Leichtfertigkeiten, Größenwahn, Verrücktheiten, Wagnisse.

Lewitscharoff ist protestantisch und schwäbisch und vor allem wie wir alle einer dieser beschriebenen Menschen mit den zwei Seelen in der Brust. Sie wollte etwas Kritisches über den Machbarkeits-Aberglauben sagen. Sie sagte es mit den zwei Seelen.
Was hat nicht der große Heidegger mit seinen zwei Seelen Sinniges und Unsinniges über das technische Machens-Zeug definiert und geraunt. Hier gibt es, aktuell durch das Erscheinen der Schwarzen Hefte, wirklichen Wahnsinn zu lesen. Er hat die Ratio der Juden als Rasseeigenschaft verleumdet und träumte von einer Berufung des deutschen Geistes hinter den Christengott zurück zur heidnischen "Größe des Seyns".
Lewitscharoff hat nicht an das bedrückende Nazi-Erbe gedacht, von dem aus die Kritiker ihrer Rede formulieren. Sie will sich bessern, sagte aber hinzu:
"Vielleicht schlage ist in zehn Jahren noch einmal mordmäßig zu." Wer schon drei Literaturpreise bekam, muss am Fenster bleiben.

(Noch eine Bemerkung zur Frage der getöteten überzähligen "Zellhaufen", die für die kath. Kirche "schon Menschen" sind: Weil mittelalterliche Rabbiner - bevor man wusste, dass eine Eizelle vom Samen befruchtet wird - davon ausgingen, dass der Same in den Brutkasten Frau gelegt wird, waren sie sicher, dass ein künftiger Knabe 40 Tage lang noch kein Mensch ist und ein künftiges Mädchen sogar 80 Tage lang, können heutige fromme Juden in diesem Zeitraum von " nur Zellhaufen" reden und damit handeln.)

Gruß
Ludwig Weimer

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.03.2014 07:08
#38 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #37

Lewitscharoff ist protestantisch und schwäbisch und vor allem wie wir alle einer dieser beschriebenen Menschen mit den zwei Seelen in der Brust.

Natürlich. Nur wie passt die Einsicht in die eigene Unvollkommenheit dann zusammen mit der von Frau Lewitscharoff geäußerten abgehobenen Selbstzufriedenheit? Warum zahlt sie nicht mit Kleingeld?
Ich habe überhaupt kein Problem damit, ihre Ansichten wahrzunehmen. Auch nicht ihre Ressentiments. Was aber unangenehm auffällt ist nicht die Äußerung von Vorurteilen, sondern ihre Verwendung für die Übermittlung einer persönlichen Botschaft zur Verbesserung der Welt.
Wer also mit diesem Ziel auf Personengruppen draufhaut, der zeigt m.E. vor allem eine seiner Seelen - seine Affinität gegenüber totalitären Ansichten. Wozu Frau Lewitscharoff selbstverständlich ebenfalls die Freiheit besitzt und unbedingt besitzen soll.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.03.2014 16:05
#39 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

vielen Dank für Ihre Antwort.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht
Trotzdem bin ich eher für die scharfe Wortwahl. Warum?: Weil es anderes keine Diskussion gibt.



M.E. ist dies zweifellos insoweit richtig, als leisere, bedachtere Töne in der Regel unterhalb der Schwelle der öffentlichen Aufmerksamkeit bleiben. Andererseits ziehen Polemik und das scharfe Wort eine Debatte häufig auf die Ebene des ad hominem: Es wird dann nur noch über Befindlichkeiten und nicht mehr über Inhalte diskutiert.

Ich finde es immer sehr aufschlussreich, wenn insbesondere in linken Kreisen jemandem vorgeworfen wird, er habe diese oder jene Gruppe beleidigt. Ob hinter der scharfen Wortwahl vielleicht ein grundsätzlich richtiger Inhalt steht, wird dann nicht mehr gefragt.

Bei der Entblößung eines Ressentiments erübrigt sich die Frage nach dem Richtig oder Falsch. Denn wer ein Ressentiment als solches enthüllt, gesteht damit m.E. zu, dass es wenigstens in der Begründung falsch ist.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

14.03.2014 17:07
#40 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #39
Es wird dann nur noch über Befindlichkeiten und nicht mehr über Inhalte diskutiert.....wenn insbesondere in linken Kreisen jemandem vorgeworfen wird, er habe diese oder jene Gruppe beleidigt. Ob hinter der scharfen Wortwahl vielleicht ein grundsätzlich richtiger Inhalt steht, wird dann nicht mehr gefragt.
Mein Antwort habe ich unter dem Eindruck gegeben, dass das was Sie hier beschreiben eine grundsätzliche Art und Weise ist Politik zu machen, die grundsätzlich ablehnt die eigene Position zu reflektieren und daher alle Sachargumente zu diesem Zweck in Polemik "verwandelt". Man muß daher wohl laut genug tönen -wenn man eine Auseinandersetzung möchte- , damit nicht alle aus Gewohnheit gleich wieder einschlafen. Und dann ist die Kunst, wenn man die Aufmnerksamkeit hat, sich "zurück in die Sache zu retten".

Gerade das macht in meinen Augen ja politische Diskussionen heutzutage so schwer.

Zitat von Noricus im Beitrag #39
Bei der Entblößung eines Ressentiments erübrigt sich die Frage nach dem Richtig oder Falsch. Denn wer ein Ressentiment als solches enthüllt, gesteht damit m.E. zu, dass es wenigstens in der Begründung falsch ist.
Das leidige ist in meinem Ermessen nur, dass die Wahrnehmung eines Ressentiments noch lange nicht heißen muß, dass es tatsächlich eines ist oder in anderen Worten, die Enthüllung als solches garnicht immer so einfach möglich ist.

Ich bin mir für mich ganz persönlich nicht sicher, ob Unterscheidung IVF/nicht IVF -die ich innerlich nicht abstreifen kann- ein Ressentiment ist oder nicht. Unterscheide ich hier, weil es etwas zu unterscheiden gibt oder weil ich ein Ressentiment habe? Das kommt wohl -in diesem Fall- auf den ethischen Standpunkt an.

Ich halte die Beauptung, dass Intelligenz eine vererbliche Komponente hat, für ein Faktum. Viele würden darin ein Ressentiment sehen.

Wenn ich die Position vetrete, gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollten keine Kinder bekommen dürfen, ist das auf jeden Fall ein Ressentiment oder könnte man es mit statistischen Daten über Kindesentwicklung unter diesen Bedingungen zu einer zulässigen sachlichen Abwägung erklären?

Über die Enthüllungen eines Ressentiments werden sich verschieden Menschen oftmals nicht einigen können und manchesmal wird man sogar mit sich selbst ratlos zurück bleiben - Was ich selbst hier erlebt habe. Alles was einem bleibt ist daher möglicherweise die Frage nach Richtig und Falsch und wenn man Glück hat entblößt man damit das Ressentiment in gemeinsamen einvernehmen.

Oftmals wirds aber wohl nicht gelingen, weils "in der Ethik unscharf wird" und die Frage nach Richtig und Falsch an sich bleibt die einzige Orientierung.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Ludwig Weimer Offline



Beiträge: 292

14.03.2014 19:11
#41 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Ein paar tröstliche Gedanken, schon von 1844. Aus: Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum, 1. Der Mensch, Alte und Neue Zeit, Die Freien, § 3 Der humane Liberalismus

„Die Menschen der Nachwelt werden noch manche Freiheit erkämpfen, die Wir nicht einmal entbehren. -

Bleibt die Meinung bestehen, so habe ich (…) meinen Glauben, meine Religion, meine Gedanken, meine Ideale. Darum muss ein allgemein menschlicher Glaube entstehen, der ‚Fanatismus der Freiheit‘. Dies wäre nämlich ein Glaube, welcher mit dem ‚Wesen der Menschen‘ übereinstimmte, und weil nur ‚der Mensch‘ vernünftig ist (Ich und Du könnten sehr unvernünftig sein!), ein vernünftiger Glaube. -

Alles dreht sich um die Frage: Wie frei muss der Mensch sein? Dass der Mensch frei sein müsse, daran glauben Alle; darum sind auch Alle liberal. Aber der Unmensch, der doch in jedem einzelnen steckt, wie dämmt man den? -

Den Leuten zumuten, dass sie ganz Menschen werden, heißt sie auffordern, alle menschlichen Schranken zu stürzen. Das ist unmöglich, weil der Mensch keine Schranken hat. Ich habe zwar deren, aber Mich gehen auch nur die meinigen etwas an, und nur sie können von Mir bezwungen werden. Ein menschliches Ich kann Ich nicht werden, weil Ich eben Ich und nicht bloß Mensch bin.“

Mit Grüßen, L. Weimer

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

20.03.2014 16:53
#42 RE: Gute Ressentiments, böse Ressentiments Antworten

Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #25
Dass eine Schriftstellerin darauf hinweist, gefühlsmäßig, muss zumindest erlaubt sein.

Gefühlsmäßig?
Daß sich die Dame beim abstrakten Gedanken an künstliche Befruchtung mit allen eugenischen und sonstigen Konnotationen, die man sich dazudenken kann, künstl(er)i(s)ch angegruselt fühlt, mag ja sein, aber das hier:

Zitat von Lewitscharoff nach ZR
[daß mir] das gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse derart widerwärtig erscheint, dass ich sogar geneigt bin, Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden sind, als Halbwesen anzusehen. Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe, halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas. Das ist gewiss ungerecht, weil es den Kindern etwas anlastet, wofür sie rein gar nichts können. Aber meine Abscheu ist in solchen Fällen stärker als die Vernunft


ist reine Hochstapelei. Sie tut hier ja so, als könne sie Menschen ansehen, ob sie in vitro gezeugt worden sind oder nicht, und entsprechend, gefühlsmäßig-animalisch, Abscheu gegen sie empfinden. Hätte sie diese Fähigkeit, dann wäre sie selbst ein medizinisches Wunder.

Der angebliche Affekt ist also nur Affektiertheit. Haben wir es hier mit einer Schriftstellerin zu tun, die weniger gefühls- als eher planmäßig dem bedauerlichen Umstand, daß trotz eifriger literarischer Betätigung ihr Bekanntheitsgrad bei weitem nicht den eines bunten Hundes erreicht hatte, per Skandal abhelfen wollte?

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