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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 72 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

18.03.2014 14:26
#26 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #24
Ohne diese konkreten Menschen gibt es keinen Islam.


Natürlich gibt es den Islam vorher: Der ist präexistent, wie ein Platonscher Archetyp. Daß er erst nach der Offenbarung durch seinen Propheten von den Gläubigen gelebt gelebt werden kann, steht auf einem anderen Blatt. Der Unbedingtheitsanspruch (inklusive der Unmöglichkeit der historischen Relativierung) ergibt sich ja daraus, daß das Ziel der irdischen Komponente die größtmögliche Angleichung an das unveränderbare himmlische Original ist.

Zitat von R.A. im Beitrag #24
Ein spezielles Prozessionsverbot nur für Pastafaris wäre GG-widrig.


Beim semantischen Vorbild, den Rastafaris, gehört aber zum unabdingbaren Brauchtum das Rauchen von ganja, herb, hemp, Grass, vorzugsweise als "Joint-so-groß-wie'n-Ofenrohr" (Hannes Wader) - natürlich auch auf Prozessionen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.03.2014 14:35
#27 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #23
Wenn du wissen möchtest, warum, hätte ich da Links für dich

Danke. Da zeigst Du Punkte im FAZ-Artikel auf, bei denen ich Deiner Kritik voll zustimme.

Zitat

Zitat
Weil der Artikel ja eigentlich nur beschreibt, daß Storch diese Positionen hat und daß diese inzwischen in der AfD in den Programmen auch auftauchen.

Was eben nicht stimmt.



Jein.
Daß Storch diese Positionen vertritt, ist wohl klar. Im EP-Programm stehen sie nicht drin (was die FAZ aber auch nicht behauptet). Wohl aber im Landesprogramm Sachsen.
Das habe ich leider online nicht zur Überprüfung gefunden - wenn die FAZ da falsche Tatsachen behaupten würde, wäre das schon ein Hammer.

Zitat
Da kennst du die Position von Frau Storch besser als diese selbst.


Ich stehe ja als Folge der eifrigen Netzwerkbemühungen der Dame schon lange auf ihrer Facebookliste. Und was ich da bisher mitbekommen habe, paßt völlig zum FAZ-Artikel (strittig bleibt natürlich die Frage, wie sehr das der AfD zuzurechnen ist). Ihr Dementi mag beim konkreten Zitat richtig sein - aber ich habe ansonsten keinen Zweifel, daß sie das vertritt, was sie hier konkret vielleicht nicht explizit gesagt hat.
Auch hier müßte man den Text des Sachsenprogramms kennen - darauf nimmt die FAZ hier ja Bezug.

Zitat
Ich verstehe wirklich nicht, wie du als ansonsten kritischer Geist einer solchen in Methode und Inhalt plump-denunziatorischen Meinungsmache blind vertrauen kannst.


Von "blind vertrauen" kann keine Rede sein. Aber ich recherchiere nicht bei jedem Artikel komplett den Hintergrund.
Ich habe auch nur auf die Aspekte eingehen wollen, die Llarian aufgegriffen hat. Also auf die Frage, ob es die Generation unserer Eltern diskreditiert, wenn man die heute von Storch vertretenen Positionen für falsch hält.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

18.03.2014 14:38
#28 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #26
Natürlich gibt es den Islam vorher

Sicher. Aber in seiner präexistenten Form stellt er noch keine Bauanträge ;-)

Zitat
Beim semantischen Vorbild, den Rastafaris, gehört aber zum unabdingbaren Brauchtum das Rauchen von ganja, herb, hemp, Grass,


Auch ein interessanter Punkt: Wenn die Religionsfreiheit mit dem Strafrecht kollidiert.
Das mit den in anderen Religionen so notwendige Menschenopfer sieht der deutsche Gesetzgeber ja auch ziemlich intolerant.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

18.03.2014 16:19
#29 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #27
Daß Storch diese Positionen vertritt, ist wohl klar. Im EP-Programm stehen sie nicht drin (was die FAZ aber auch nicht behauptet). Wohl aber im Landesprogramm Sachsen.
Sieht so aus. Leider kann man das auf der Homepage des Landesverbands nicht einsehen (seltsam genug). Aber die These im FAZ-Artikel ist ja, dass Storch und ihre Kohorten, unterstützt vom "Calvinisten" Lucke, quasi die gesamte Partei übernommen hätten, nicht nur den Landesverband Sachsen. Und selbst bei dem muss man davon ausgehen, dass er auf die fragwürdigen Programmpunkte selbst gekommen ist, schließlich ist Frau Petry als Rechtsausleger der AfD bekannt (allerdings scheint zumindest die "Deutschquote" für Radiosendungen keine zu sein).
Zitat von R.A. im Beitrag #27
Ich habe auch nur auf die Aspekte eingehen wollen, die Llarian aufgegriffen hat. Also auf die Frage, ob es die Generation unserer Eltern diskreditiert, wenn man die heute von Storch vertretenen Positionen für falsch hält.
Ja, mein Einwurf ist etwas OT, aber wenn sich jemand ausgerechnet auf diesen FAZ-Artikel beruft, schwillt mir einfach der Kamm.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

18.03.2014 16:23
#30 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #25
Was korrekt ist - jedenfalls im Sinne "zusätzliche neue Rechte für Schwule". Denn nur über die wird konkret politisch diskutiert.
Aber da muss ich dann wieder reingrätschen: Es ist, wenn man den gesamten Kontext des Artikels in der FAZ kennt, alles andere als ein Zufall, dass diese Präzisierung nicht vorgenommen wird. Aus dem Artikel geht nicht hervor, dass sich dies nur auf zusätzliche Rechte erstrecken soll - und es gehört nicht viel Phantasie dazu, dies für Absicht zu halten. Es soll die Assoziation erweckt werden, als befinde sich die gesamte Partei quasi auf einem Kreuzzug gegen Muslime und Schwule. Wer so agitiert, muss die eigentliche Aussage dann auch gar nicht mehr tätigen: AfD -> böse Rechte.

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notquite Offline



Beiträge: 506

18.03.2014 18:54
#31 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #14
Zitat von Llarian im Beitrag #1
Zitat:Frau von Storch möchte gerne Volksabstimmungen zum Moscheebau haben. Da kann man unterschiedlich zu stehen, aber es ist eine Meinung, die man haben kann.

Man kann natürlich auch so eine Meinung haben, aber diese halte ich durchaus für grundrechtswidrig. Denn es geht Storch ja NICHT darum, daß es generell mehr Bürgerbeteiligung geben soll, und daß über Bauprojekte grundsätzlich per Abstimmung entschieden wird. Sondern es soll ausschließlich über Moscheen abgestimmt werde - bei einem Kirchenneubau wäre ihr das wohl nicht recht.
Und so sehr ich gewisse Islamisierungstrends kritisch sehe - eine spezielle Rechtseinschränkung (und das Baurecht ist ein sehr grundlegendes Recht) nur für Muslime halte ich für schlimm.


Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen den Grundrechten, die Muslimen nach heute gängiger Auslegung des Grundgesetzes offenbar zustehen - das Land, für das der Parlamentarische Rat das Grundgesetz schuf, hatte damals grob geschätzt einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 0,0 % (und nebenbei hätte wohl kein Mitglied dieses Rates auch nur im Traum daran gedacht, dass man ihre offen formulierten Worte dereinst als Legitimation für Ehe- und Adoptionsrechte von Homosexuellen missbrauchen könnte) - und jenen dritter Parteien (DITIB, Katar, Saudi-Arabien, you name it). Mit dem Bau von Moscheen aus einer "muslimischen Kirchensteuer" hätte wohl niemand Probleme, zumal angesichts der hervorragenden Integration die Anzahl und Größe der Bauten sicher überschaubar bleiben würde. Inwieweit hingegen im Grundgesetz das Recht ausländischer Mächte verankert sein soll, ihren jeweiligen religiösen Wahn mittels Öl-Milliarden in Architektur zu giessen, erschliesst sich mir nicht. Und genau dieser Teil der angeblichen Religionsfreiheit (deren passiver Anteil durch die hiesigen Muslime jenen einzelnen Tag mit Füßen getreten wird) ist der eigentliche Kern des Problems.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

18.03.2014 20:22
#32 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #31
Zitat von R.A. im Beitrag #14
Zitat von Llarian im Beitrag #1
Zitat:Frau von Storch möchte gerne Volksabstimmungen zum Moscheebau haben. Da kann man unterschiedlich zu stehen, aber es ist eine Meinung, die man haben kann.

Man kann natürlich auch so eine Meinung haben, aber diese halte ich durchaus für grundrechtswidrig. Denn es geht Storch ja NICHT darum, daß es generell mehr Bürgerbeteiligung geben soll, und daß über Bauprojekte grundsätzlich per Abstimmung entschieden wird. Sondern es soll ausschließlich über Moscheen abgestimmt werde - bei einem Kirchenneubau wäre ihr das wohl nicht recht.
Und so sehr ich gewisse Islamisierungstrends kritisch sehe - eine spezielle Rechtseinschränkung (und das Baurecht ist ein sehr grundlegendes Recht) nur für Muslime halte ich für schlimm.


Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen den Grundrechten, die Muslimen nach heute gängiger Auslegung des Grundgesetzes offenbar zustehen - das Land, für das der Parlamentarische Rat das Grundgesetz schuf, hatte damals grob geschätzt einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 0,0 % (und nebenbei hätte wohl kein Mitglied dieses Rates auch nur im Traum daran gedacht, dass man ihre offen formulierten Worte dereinst als Legitimation für Ehe- und Adoptionsrechte von Homosexuellen missbrauchen könnte)


In Österreich steht das Staatsgrundgesetz aus dem Jahr 1867 heute noch im Verfassungsrang. Soll man das so interpretieren, wie es Kaiser Franz Joseph intendiert hat? Dann bliebe von einem effektiven Grundrechtsschutz wohl weniger übrig, als es wünschenswert ist.

Was die vorgeschlagene Volksabstimmung über Moscheebauten betrifft, ist ja nicht nur die Religionsfreiheit, sondern auch Art. 3 GG betroffen. Warum nur Moscheen und nicht andere religiöse Bauten bzw Bauwerke mit vergleichbarem Publikumsverkehr? Hier gibt es wohl kaum sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung.

Das Problem ist doch nicht die Moschee, sondern das, was ggf in ihr gepredigt wird. Und das lässt sich in einer Großmoschee viel unauffälliger beobachten als im Hinterzimmer eines Kulturzentrums, in dem sich jeden Freitagnachmittag eine handverlesene Schar von Gläubigen trifft.

Weshalb das Adoptions- und Eherecht für Homosexuelle ein Missbrauch des Grundgesetzes sein soll, erschließt sich mir auch nicht. Das Schleswig-Holsteinische OLG hat jedenfalls die im Ausland (USA) erfolgte Adoption eines Kindes durch ein Lesbenpaar anerkannt, weil diese nicht "in eklatantem Widerspruch zu wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts" stehe (Zitat nach LTO).

Flaccus Offline



Beiträge: 31

18.03.2014 20:37
#33 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Llarian,

ich danke Ihnen für Ihre ausführliche Antwort. Tut mir leid wegen der trockenen Abhandlung, die nun folgt. Ich wünschte, ich könnte klar und lebendig zugleich schreiben.

Zum Verständnis: Ich möchte nicht ethische auf intellektuelle Urteile reduzieren, und zwar in dem Sinne, dass man nur mit Logik + Empirie schon etablieren könnte, was gut und was schlecht ist. Ich habe auch nicht über diejenigen Leute gesprochen, welche dogmatisch irgendwas für gut oder schlecht halten. Es kann aber den Fall geben, dass jemand argumentativ etwas als gut oder schlecht ableitet und dabei neben ethischen Setzungen in seine Argumentation auch Tatsachenurteile als Prämissen einbaut. Diese Tatsachenurteile kann man auf Wahrheit oder Falschheit prüfen - gemessen daran, was man zum Zeitpunkt der Prüfung über die Welt so alles an Informationen hat. Auf diese Weise werden ethische Urteile zeitabhängig, da sie indirekt von dem sich wandelnden Informationsstand des Urteilenden abhängen. Meine beiden analogen Beispiele, Verbot gemischrassiger Ehe und rechtliche Benachteiligung homosexueller Partnerschaften, sind solche Fälle, wo alle Argumentationen aus der Vergangenheit (zumindest die mir bekannten) inzwischen überholt sind, weil sie sich gewisser Tatsachenbehauptungen bedienen, die vor dem Hintergrund des heutigen Informationsstandes falsch sind. Die Argumentation bleibt formal korrekt (schlüssig), aber sie ist nicht mehr gültig, weil sie falsche Prämissen enthält. In diesem Sinne kann man auch ein ethisches Urteil dieses nicht-dogmatischen Typs, ebenso wie eine Tatsachenbehauptung, als "wahr" oder "falsch" bezeichnen.

Zitat von Llarian
Ist es Erkenntnis ? Oder ist es Meinung ? Zwei völlig unterschiedliche Dinge. Gerade diese spezielle Meinung unterliegt durch die letzten 2000 Jahre massivem Wandel. Und es ist nicht auszuschliessen, gerade wenn sich die deutsche Bevölkerung so weiterentwickelt, wie sie das heute tut, dass wir in 50 Jahren wieder einen 175 einführen. Deswegen finde ich das nicht richtig, aber ich wäre sehr, sehr zurückhaltend zu meinen, sowas könne nicht mehr passieren, weil man soviel weiss.



Dass Wissen unethisches Verhalten leider nicht immer verhindern kann, darüber sprach ich gar nicht. Ich habe auch nicht behauptet, dass Informationen selbst nicht ebenfalls überholt sein können. Meine Aussage war bloß: Schlüssige ethische Argumentationen können durch sich verändernde Informationen zu unterschiedlichen Zeiten gültig oder ungültig sein, die abgeleiteten ethischen Urteile vielleicht gestern wahr, heute falsch, morgen wieder wahr sein. Heute freilich sind gewisse Argumentationen die gemischrassige oder gleichgeschlechtliche Ehe betreffend ungültig. Man hätte ja gerne eine Ethik, deren Urteile über die Zeiten hinweg verbindlich sind, aber in dem Moment, wo man anfängt, ethische Argumentationen mit Hilfe von Tatsachenurteilen aufzubauen, kriegt man das nicht mehr zwingend. Wenn man das nicht aushält, dann ist es bloß konsequent (wenn auch dürftig ), sich von den Tatsachen weg und zur Dogmatik hin zu bewegen.

Zitat von Llarian
Sie können sich gar nicht vorstellen, dass auch ein anderer Standpunkt legitim oder intellektuell begründbar sein könnte.



Doch, doch, durchaus. Ich kann mir gut vorstellen, dass man sagt:

(1) Wenn A, B und C wahr sind oder als ethische Axiome angenommen werden, dann folgt das ethische Urteil D, wenn aber W, X und Y wahr sind oder als ethische Axiome angenommen werden, dann folgt das ethische Urteil Z. Und zwar auch dann, wenn D und Z konträre Widersprüche sind. In dem Sinne kann es natürlich unterschiedliche Ethiken gleichzeitig geben. Das hängt dann halt von A bis C bzw. W bis Y ab, worüber man ggf. einfach nicht streiten kann.

Davon sprach ich aber nicht. Mein Szenario lautet:

(2) Wenn A, B und X(t), dann C(t).

Dabei ist X(t) ein Tatsachenurteil und hängt von der Zeit t ab. A und B sind ethische Urteile, gerne axiomatisch gesetzt. C(t) ist auch ein ethisches Urteil, hängt aber wegen der Zeitabhängigkeit von X selbst auch von t ab. Im Beispiel der gemischtrassigen Ehe könnten etwa stehen:

A = Zwei beliebige consenting adults (gleich welcher Hautfarbe, sonstige Ausschlussgründe mal außen vor) sollen das Recht zu heiraten haben.
B = Das nach A bestehende Recht ist nur dann verwirkt, wenn durch die Heirat ein Schaden der Form Z entsteht.
X(t) = Es entsteht bei einer Heirat von p und q (für zwei feste, zu einem Zeitpunkt t lebende consenting adults p und q) ein Schaden der Form Z.
C(t) = p und q haben nicht das Recht zu heiraten.

Wenn man die Wahrheit von X nicht mehr etablieren kann, ist diese Ableitung von C hinfällig, und C ist als ethisches Urteil ungültig abgeleitet worden, also "falsch" (falls man nicht eine andere, gültige Ableitung findet, aber, keine Angst, die so Argumentierenden kochen eh immer dasselbe alte Zeug auf).

In einem möglichen nächsten Schritt (davon sprach ich in meinem Kommentar aber schon nicht mehr) kann man schauen, ob A und B in (2) mit den ethischen Hintergrundannahmen, die man so hegt, vereinbar sind. Und dann könnte man A und B in eine Hierarchie dieser Hintergrundannahmen einordnen, so dass bei zwei einander widersprechenden Prämissen die höherwertige sticht und die geringerwertige aufgegeben wird. Für einen Liberalen müssten A und B also mit der Freiheit eines jeden Individuums, alles zu tun, was nicht die Freiheitsrechte eines anderen Individuums beschränkt, vereinbar sein. Für einen Liberalen käme es also sehr darauf an, was Z ist. Frau von Storch, könnte ich mir vorstellen, machte dagegen eher schwache oder einem Liberale fremde Annahmen an Z (falls sie überhaupt in der Form argumentierte).

(In (1) müsste man A, B, C einerseits und W, X und Y andererseits ebenso auf Vereinbarkeit mit den Hintergrundannahmen testen. Bei genügend scharfen Hintergrundannahmen kriegt man, vermute ich, niemals beide Gruppen vereinbar, falls D und Z konträr sind. Vielleicht ließe sich eine Version des Liberalismus formulieren, in der man das streng beweisen kann. Das ist aber bloß Spekulation von mir.)

Über A und B in (2) kann man schwerlich streiten, das geht allenfalls bei gemeinsamen Hintergrundannahmen, also zum Beispiel in liberalen Kreisen. Gut streiten lässt sich über die Wahrheit von X zu einem bestimmten Zeitpunkt t. Als "Idiot[en]" habe ich jemanden bezeichnet, der an C(t) festhält, als wäre es etabliert, auch wenn X(t) falsch ist oder doch bedenklich wackelt. Das wäre doch auch idiotisch, oder?

In letzter Zeit (mein ganz subjektiver Eindruck) schleicht sich auch in Zettels Raum und Zettels kleines Zimmer so eine gefühlige Art und Weise, Stellung zu beziehen, ein: spricht viel über eigenes Unwohlsein bei einer bestimmten Sache (als Argument dagegen? - wie Mutti in der Wahlarena im September gegenüber dem schwulen Fragesteller), fühlt sich verfolgt vom vermeintlichen Tugendterror*, kramt Gedankenfiguren aus der kulturkonservativen Mottenkiste hervor. Das sind Anwandlungen, die ich eigentlich immer mit den Grünen assoziiere oder mit den Störchen dieser Welt. Vermutlich handelt es sich um einen Zug unserer Zeit. Würde es allerdings dem Zeitgeist nicht auf eine viel schönere Weise spotten, wenn man sich wieder etwas mehr auf rationales Analysieren verlegte?

* Und von der schwulen Sittenpolizei, die jetzt auch noch mit Syllogismen kommt. Wobei, das gab's ja früher auch schon, nannte man Scholastik.

Flaccus Offline



Beiträge: 31

18.03.2014 20:42
#34 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Noch zum Argument der gemischtrassigen Ehen im Speziellen: Ich dachte an den Fall Loving vs. Virginia von 1967, bei dem der Oberste Gerichtshof in den USA das Verbot gemischtrassiger Ehen mit Verweis auf den 14. Verfassungszusatz in allen US-Südstaaten kippte. Für den Staat Virginia verteidigte Assistant Attorney General R. D. McIlwaine III (!) den "Racial Integrity Act", indem er sagte (zitiert nach http://www.encyclopediavirginia.org/Loving_v_Virginia_1967)

Zitat
that Virginia law did not violate the Fourteenth Amendment, and that even if it did it would be legitimate on the grounds that it protected the state from the "sociological [and] psychological evils which attend interracial marriages.



Und er zitierte Studien

Zitat
that intermarried families are subjected to much greater pressures and problems than those of the intramarried and that the state's prohibition of interracial marriage for this reason stands on the same footing as the prohibition of polygamous marriage, or incestuous marriage or the prescription of minimum ages at which people may marry and the prevention of the marriage of people who are mentally incompetent.



Das sind gleich mehrere Tatsachenbehauptungen. Kann man heute zum Beispiel noch wahrheitsgemäß behaupten, dass "interracial marriage" dieselben Konsequenzen habe wie "marriage of people who are mentally incompetent"? Ich glaube, man kann heute schon mit einiger Sicherheit sagen, dass beide Formen der Ehe nicht gleichgesetzt werden können - ohne auch nur eine der beiden ethisch werten zu wollen. Das ist ähnlich gelagert wie das "Argument", wonach eine Schwulenehe aus denselben Gründen zu verbieten sei wie eine Ehe zwischen einem Mann und seinem Hund. Sowas liest man überraschend oft. Ich kritisiere gar nicht die vermeintliche Verwerflichkeit solcher Vergleiche, nein, ich finde sie einfach in epistemischer Hinsicht unglücklich. Was ich mir mit "idiotisch" zu übersetzen erlaube.

Bei der Gouverneurswahl in Virginia im November 2013 trat der vielseitig talentierte Robert Sarvis, Jahrgang 1976, für die Libertarian Party an ("Virginia: Open-minded & open for Business") und holte gegen einen Sozialdemokraten und einen konservativen Hardliner achtbare 6,5 %. Er ist mit einer Schwarzen verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. In einem Wahlkampfvideo sagt er mit Verweis auf Loving vs. Virginia (http://www.youtube.com/watch?feature=pla...d&v=dpdvq8-Xmbk):

Zitat von Robert Sarvis
If it weren't for the courage of the Lovings, I might not have been able to marry the woman I love. But today, Virginia still isn't for all lovers. That's why I want to honor the Loving legacy and lead the fight now in this election to recognize same-sex marriage in Virginia.



Das ist doch mal was! Sarvis hat übrigens in jüngeren Wählersegmenten und bei Wählern mit Collegeabschluss Werte bis 15% geholt (was den schwulenfeindlichen Konservativen trotz mancher wirtschaftliberaler Position vermutlich knapp den Wahlsieg gekostet hat) und diese politische Bewegung scheint in den USA eine Zukunft zu haben. Auch hier wieder ein Fall von "Amerika, Du hast es besser..:": Die Amis haben die Libertarians mit Gary Johnson oder Robert Sarvis, wir hingegen haben die altbackene, das bisher an sich vernünftige Spektrum ihrer Positionen nun durch konservativen Schwachsinn zum Negativen komplettierende AfD mit Frau von Storch und ihren Fanboys.

Zur Bell-Kurve:

Zitat von Llarian
Wir wissen heute, dass Intelligenz massiv genetisch vererbt wird (auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen, siehe Sarrazin Debatte). Es ist wissenschaftlich recht gut abgesichert. Ebenso wissen wir, dass Intelligenz nicht gleich über alle Bevölkerungsgruppen verteilt ist. Ich will nicht zu tief in die Materie gehen, aber das Stichwort wäre die Bell-Kurve. Auch das ist zunächst ein Fakt. Unter dem Standpunkt, dass es wichtig ist, möglichst viele intelligente Nachfahren zu haben, kann man wozu kommen ? Genau.



Sie hätten ein vollständiges Argument daraus machen können, dann wäre es einfacher, dies zu diskutieren.

Setzen Sie übrigens zu Demonstrationszwecken gerne den Rassistenhut auf. Es ist so wertvoll, wenn man sich klar macht, woran genau falsche Argumentationen scheitern. Wir machen das viel zu selten. Stattdessen wird die gewünschte moralische Haltung oft eher andressiert. An den Schulen sieht man das manchmal sehr schön: Da werden junge Leute zu terriermäßigen Anti-Rassismus-Blockwarten abgerichtet, die die unendliche moralische Verderbtheit ihrer Groß- und Urgroßeltern ritualisiert und theatralisch anprangern können, wie in einer Kampf- und Kritiksitzung während der chinesischen Kulturrevolution. Sich dann zum Beispiel an der Uni Vorteile auf Kosten anderer zu verschaffen, zu betrügen, sich Dinge zu erschleichen, kurzum: unter den Bedingungen eines nicht optimalen Systems das für sich noch günstigste Ergebnis herauszuschlagen und sich ins halbwegs Trockene zu retten, das ist dann aber für just dieselben jungen Leute in einem anderen Kontext wiederum kein Problem. Und so kommt man ins Zweifeln, ob sie ihre so ostentativ vor sich hergetragene Moral auch verstanden haben. So ist es halt, wenn der Intellekt aus der Ethik verdrängt wird. In dem Moment, wo man nicht imstande ist zu sagen, warum dieses oder jenes schlecht ist, bleibt alles bloße Dogmatik und Dressur.
Ich habe vor geraumer Zeit einmal einen Artikel von Bernhard Schlink über seine Erfahrungen in einem juristischen Seminar mit deutschen Studenten und amerikanischen Austauschstudenten gelesen, und von dem mühseligen Prozess, die deutschen Studenten ihre dressurbedingte Brille abnehmen und sie ihre Vorfahren als unter schwierigen Bedingungen handelnde Menschen und nicht bloß als Nazis sehen zu lassen. Ich finde den sehr klugen Artikel im Moment leider nicht mehr. Glauben Sie mir, lieber Llarian, meine Milde in moralischen Fragen gegen unsere Vorfahren und meine Strenge gegen manchen Zeitgenossen (zumal einen gebildeten) vertragen sich gut.

Ich bin kein Soziologe, Entwicklungsbiologe oder sonstwas, dilettiere hier also völlig. Im deutschen und englischen Wikipedia-Artikel stehen einige Einwände gegen die von Ihnen wohl angedachte Interpretation des Bell-Befundes. Das sind größtenteils Einwände, wie sie einem Linken, vermute ich, sofort einfallen würden (und die mir nicht alle unberechtigt erscheinen). Abgesehen davon fallen mir spontan noch mindestens zwei weitere Einwände dagegen ein, den Bell-Befund in einem Argument gegen die gemischtrassige Ehe zu verwerten:

(1) Warum sind dann zum Beispiel nicht alle Ehen mit einem ostasiatischen und einem nicht-ostasiatischen Partner verboten, diese sind ja laut Bell nachweislich die intelligentesten? Und innerhalb der Ostasiaten: Nur die ganz Klugen? Und was ist mit denjenigen Schwarzen, die's nach oben geschafft und die Weißen überflügelt haben? Bell allein gibt an und für sich noch kein Kriterium, wo man den Schnitt ansetzt zwischen der Gruppe derer mit wertvollem Erbgut einerseits und dem Kruppzeug andererseits, auf dass letzteres ersteres nicht verunreinige.

Wenn schon, dann müsste man Ehen ab einem bestimmten IQ-Unterschied (welchem?) verbieten und IQ-verwandte Ehepartner mit hohem IQ zum ungeschützten Kopulieren bis zum Gehtnichtmehr verdonnern (vielleicht findet sich ja ein Beamter, der den Vollzug des Gesetzes überwacht ).

(2) Wenn man schon mit dem höheren Nutzen weiß-weißer Kinder für die Gesellschaft gegenüber schwarz-weißen oder schwarz-schwarzen argumentiert, muss man dann nicht auch etwas zur Gewichtung sagen? Angenommen, ein WW-Kind ist 3 Nützlichkeitspunkte wert, ein SW-Kind 2, ein SS-Kind bloß 1. Und angenommen, jede Ehe bringt genau 1 Kind hervor. Dann könnte ich das "Problem" doch auch so lösen, dass SW-Ehen sogar verbindlich werden, SS-Ehen aber verboten, und dann hat jede schwarze Person ein 2- statt ein 1-Punkte-Kind hervorgebracht, genauso viele weiße Personen ein 2- statt ein 3-Punkte-Kind, und wir sind wieder eben, oder habe ich mich vertan? Mit entsprechender Nützlichkeitsgewichtung kriegen Sie damit unter genau denselben Prämissen, nämlich unter anderem einer starken, rassistischen Interpretation des Bell-Befundes, völlig unterschiedliche Konklusionen, und man kann mitnichten so einfach sagen, dass aus Bell schon das Verbot der gemischtrassigen Ehe folgte.

Dasselbe Problem mit der Homo-Ehe: "Wir Homos" haben in der Vergangenheit schon kaum für Nachwuchs gesorgt und "Ihr Heteros" werdet auch unter dem Revival des § 175 nicht plötzlich wieder in den Karnickel-Modus zurückfallen. Bzw. die irrationale Verweigerung der völligen Gleichstellung rettet Deutschland auch nicht vor dem noch nachhaltigeren Abschalten des Karnickel-Modus'. Uns unsere Freiheitsrechte zu nehmen oder gar uns zu drangsalieren hat keinen Einfluss auf die austrocknenden Krippen des deutschen Volkes, wie auch das Verbot gemischtrassiger Ehen die gesellschaftliche Intelligenz nicht merklich verändern würde, wage ich zu vermuten (von der logischen Unabhängigkeit von Ehe und Kinderzeugung mal abgesehen).

Ich weiß nicht, von welchen Angstvisionen von einem zukünftigen Deutschland Leute wie Frau von Storch in unruhigen Träumen wohl heimgesucht werden. Eine in sozialen Kämpfen zwischen vielen Alten und wenigen Jungen langsam zerbrechende Gerontokratie oder felix Eurabia, wo der Muezzin über ihrem zwangsverschleierten Haupt vom zum Minarett umgebauten Kirchturm herunterträllert? Was auch immer sie sich dagegen prophylaktisch einfallen lassen möge, Schwuchtel-Bashing wird wohl nicht das goldene Rezept sein. Damit zu meinem Ceterum censeo: Schade, dass man in der AfD (und oft auch unter Liberalen im Allgemeinen) so konsequent selbstzerstörerisch ist und lieber den Zuspruch junger, gebildeter Wählerschichten in den Wind schlägt anstatt einen gewissen konservativen, diese Wählerschichten abschreckenden Ballast einer Prüfung zu unterziehen. Ein Vorschlag zur Güte wäre: Frau von Storch könnte es doch machen wie David Cameron, der für die Homo-Ehe ist, weil er ein Konservativer ist. Mich selbst überzeugt das, aber das stößt bei zu vielen Freunden zeitloser ethischer Wahrheiten einfach an unüberwindliche Grenzen.

Beste Grüße

Flaccus

notquite Offline



Beiträge: 506

18.03.2014 21:08
#35 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #32
Zitat von notquite im Beitrag #31
Zitat von R.A. im Beitrag #14
Zitat von Llarian im Beitrag #1
Zitat:Frau von Storch möchte gerne Volksabstimmungen zum Moscheebau haben. Da kann man unterschiedlich zu stehen, aber es ist eine Meinung, die man haben kann.

Man kann natürlich auch so eine Meinung haben, aber diese halte ich durchaus für grundrechtswidrig. Denn es geht Storch ja NICHT darum, daß es generell mehr Bürgerbeteiligung geben soll, und daß über Bauprojekte grundsätzlich per Abstimmung entschieden wird. Sondern es soll ausschließlich über Moscheen abgestimmt werde - bei einem Kirchenneubau wäre ihr das wohl nicht recht.
Und so sehr ich gewisse Islamisierungstrends kritisch sehe - eine spezielle Rechtseinschränkung (und das Baurecht ist ein sehr grundlegendes Recht) nur für Muslime halte ich für schlimm.


Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen den Grundrechten, die Muslimen nach heute gängiger Auslegung des Grundgesetzes offenbar zustehen - das Land, für das der Parlamentarische Rat das Grundgesetz schuf, hatte damals grob geschätzt einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 0,0 % (und nebenbei hätte wohl kein Mitglied dieses Rates auch nur im Traum daran gedacht, dass man ihre offen formulierten Worte dereinst als Legitimation für Ehe- und Adoptionsrechte von Homosexuellen missbrauchen könnte)
Was die vorgeschlagene Volksabstimmung über Moscheebauten betrifft, ist ja nicht nur die Religionsfreiheit, sondern auch Art. 3 GG betroffen. Warum nur Moscheen und nicht andere religiöse Bauten bzw Bauwerke mit vergleichbarem Publikumsverkehr? Hier gibt es wohl kaum sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung.


Kein Widerspruch. Neben dieser formalen Abwesenheit einer etwaigen Diskriminierung wäre es natürlich auch strategisch gesehen deutlich cleverer, verbal eine generelle Einbindung der Bevölkerung bei jeglichen religiösen Bauten einzufordern - im Wissen, dass von einer derartigen Regelung nur expandierende Religionsgemeinschaften ohne nennenswerte Infrastruktur betroffen wären. Die Kirchen zählen wohl kaum zu dieser Gruppe.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

18.03.2014 21:18
#36 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von notquite im Beitrag #35
Zitat von Noricus im Beitrag #32
Zitat von notquite im Beitrag #31
Zitat von R.A. im Beitrag #14
Zitat von Llarian im Beitrag #1
Zitat:Frau von Storch möchte gerne Volksabstimmungen zum Moscheebau haben. Da kann man unterschiedlich zu stehen, aber es ist eine Meinung, die man haben kann.

Man kann natürlich auch so eine Meinung haben, aber diese halte ich durchaus für grundrechtswidrig. Denn es geht Storch ja NICHT darum, daß es generell mehr Bürgerbeteiligung geben soll, und daß über Bauprojekte grundsätzlich per Abstimmung entschieden wird. Sondern es soll ausschließlich über Moscheen abgestimmt werde - bei einem Kirchenneubau wäre ihr das wohl nicht recht.
Und so sehr ich gewisse Islamisierungstrends kritisch sehe - eine spezielle Rechtseinschränkung (und das Baurecht ist ein sehr grundlegendes Recht) nur für Muslime halte ich für schlimm.


Vielleicht sollte man unterscheiden zwischen den Grundrechten, die Muslimen nach heute gängiger Auslegung des Grundgesetzes offenbar zustehen - das Land, für das der Parlamentarische Rat das Grundgesetz schuf, hatte damals grob geschätzt einen muslimischen Bevölkerungsanteil von 0,0 % (und nebenbei hätte wohl kein Mitglied dieses Rates auch nur im Traum daran gedacht, dass man ihre offen formulierten Worte dereinst als Legitimation für Ehe- und Adoptionsrechte von Homosexuellen missbrauchen könnte)
Was die vorgeschlagene Volksabstimmung über Moscheebauten betrifft, ist ja nicht nur die Religionsfreiheit, sondern auch Art. 3 GG betroffen. Warum nur Moscheen und nicht andere religiöse Bauten bzw Bauwerke mit vergleichbarem Publikumsverkehr? Hier gibt es wohl kaum sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung.


Kein Widerspruch. Neben dieser formalen Abwesenheit einer etwaigen Diskriminierung wäre es natürlich auch strategisch gesehen deutlich cleverer, verbal eine generelle Einbindung der Bevölkerung bei jeglichen religiösen Bauten einzufordern - im Wissen, dass von einer derartigen Regelung nur expandierende Religionsgemeinschaften ohne nennenswerte Infrastruktur betroffen wären.


Dann hätte man eine indirekte Diskriminierung. Ich bin übrigens grundsätzlich gegen eine Bürgerbeteiligung* bei Verwaltungsentscheidungen. Wessen Vorhaben die in der jeweiligen Bauordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, der soll bauen können, ohne der Willkür der Gemeinschaft ausgeliefert zu sein.

*NACHTRAG: jedenfalls wenn diese das Ergebnis des Verfahrens bindend bestimmen kann

Llarian Offline



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18.03.2014 23:30
#37 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #22
Ehegattensplitting? Selbiges reflektiert wirtschaftliche Verhältnisse (Unterhaltsverpflichtung, "Wirtschaftsgemeinschaft" könnte man das auch nennen) und "fördert" eigentlich nichts.

Selbstverständlich ist das eine Förderung, es ist ein Steuerverzicht seitens des Staates, der sich ursprünglich auf den besonderen Schutz der Familie bezieht. Wenns keine Förderung ist, dann kann man doch leicht drauf verzichten, oder ? :)

Zitat
Ist eigentlich die Anrechnung des Partnereinkommens bei gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im Hinblick auf Sozialleistungen auch eine Förderung? Gibt es schon lange, schon zu Zeiten der früheren "Arbeitslosenhilfe".


Eigentlich nicht, denn soweit ich mich erinnere war diese Anrechnung nicht vom Zusammenleben in Form eines Paares abhängig, sondern vom Faktum einer Wohngemeinschaft. Und das wäre eine andere Baustelle. Diese Anrechnung bekommen auch alle Gruppen, die überhaupt keine Lebensbeziehung zueinander haben. Und steuerlich auch nicht gefördert werden.

Zitat
Komischerweise ist das in rechten-/AfD-Kreisen kein Aufreger. Da wird dann auf die rein wirtschaftlichen Verhältnisse abgestellt.


Ehrlich gesagt glaube ich das gar nicht mal. Der Staat in seiner unendlichen Gier hebt natürlich gerne auf wirtschaftliche Verhältnisse ab. Die Religiösen oder Rechten haben ein grundsätzliches Problem schon mit dem Begriff der "Homo-Ehe". Es ist ein grundsätzliches Ablehnen der staatlichen Anerkennung dieser Form des Zusammenlebens. Die Steuer spielt da meines Erachtens nach nur eine untergeordnete Rolle. Es ist einfach der Wunsch etwas Ungleiches nicht gleich nennen zu müssen. Meines Erachtens nach ein legitimer Wunsch, der sich ja auch in der unterschiedlichen Begrifflichkeit im deutschen Recht niedergeschlagen hat.

alteseuropa Offline



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19.03.2014 11:08
#38 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat
Meines Erachtens nach ein legitimer Wunsch, der sich ja auch in der unterschiedlichen Begrifflichkeit im deutschen Recht niedergeschlagen hat.


Nur die Journalisten scheinen das abändern zu wollen. Da war schon einmal zu lesen, daß Guido Westerwelle "mit seinem Mann" irgendwohin gereist ist. Der Satz löste bei mir Heiterkeit aus und ich fragte mich, ob wohl der Lebenspartner (so würde ich ihn in jedem Fall nennen) dann davon spricht, daß er "mit seiner Frau" Guido verreist sei.
Wenn ein Mann von "seinem Mann" spricht, stelle ich mir etwas ganz anderes vor, so könnte beispielsweise ein Kapitän, der gerade einen besonders tüchtigen Steuermann angeheuert hat, sagen: "Dieser Könner ist mein Mann!".

Nola Offline



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19.03.2014 13:19
#39 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von alteseuropa im Beitrag #38

Zitat
Meines Erachtens nach ein legitimer Wunsch, der sich ja auch in der unterschiedlichen Begrifflichkeit im deutschen Recht niedergeschlagen hat.

Nur die Journalisten scheinen das abändern zu wollen. Da war schon einmal zu lesen, daß Guido Westerwelle "mit seinem Mann" irgendwohin gereist ist. Der Satz löste bei mir Heiterkeit aus und ich fragte mich, ob wohl der Lebenspartner (so würde ich ihn in jedem Fall nennen) dann davon spricht, daß er "mit seiner Frau" Guido verreist sei.
Wenn ein Mann von "seinem Mann" spricht, stelle ich mir etwas ganz anderes vor, so könnte beispielsweise ein Kapitän, der gerade einen besonders tüchtigen Steuermann angeheuert hat, sagen: "Dieser Könner ist mein Mann!".




Ach der Herr Westerwelle, oder muß man jetzt korrekt Frau Westerwelle sagen?
Ich gönne ihm sein privates Glück, hoffentlich genießt er es recht lange. Eine Rückkehr auf die politische Bühne scheint Schnee von gestern. Rhetorisch noch so geschickt, würde ihm heute kein Wähler mehr abnehmen, daß er meint was er sagt.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Llarian Offline



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20.03.2014 01:11
#40 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #33
Meine beiden analogen Beispiele, Verbot gemischrassiger Ehe und rechtliche Benachteiligung homosexueller Partnerschaften, sind solche Fälle, wo alle Argumentationen aus der Vergangenheit (zumindest die mir bekannten) inzwischen überholt sind, weil sie sich gewisser Tatsachenbehauptungen bedienen, die vor dem Hintergrund des heutigen Informationsstandes falsch sind.

Und schon in dieser Aussage liegen zwei gewichtige Probleme, lieber Flaccus. Zum einen die Einschränkung die Sie selber machen, nämlich die Argumente die Ihnen bekannt sind. Es mag hunderte Argumente geben, die Ihnen nicht bekannt sind. Schwerwiegender noch ist allerdings die Aussage, dass alle Ihnen bekannten inzwischen überholt sind, denn das postuliert eine endgültige Wahrheit, weil etwas Sie nicht überzeugen konnte. Es ist meine Lebenserfahrung das Menschen eine Sache oder ein Argument völlig unterschiedlich bewerten können und beide Seiten sind in sich schlüssig. Das folgt schon aus der simplen Erkenntnis, dass so etwas wie eine objektive Wahrheit nicht existiert, es existiert immer nur eine subjektive Abbildungsfunktion, die auf unserer Lebenserfahrung basiert. Daher mag es sehr wohl Rassisten geben, deren Rassismus sich auch und gerade aus ihrer Sachkenntnis speist. Simpel und doof formuliert: Wer in Duisburg aufwächst oder in Kreuzberg hat rein intelektuell einen ganz andere Sicht als jemand, der in Buxtehude oder Friedrichshain groß wird (Dazu gibt es diesen wirklich genialen Satz: Tolleranz wächst mit dem Abstand zum Problem). Das ist auch keine Frage von Ethik sondern von ganz realer Lebenserfahrung.

Zitat
(1) Wenn A, B und C wahr sind [...]


Auch wenns unhöflich ist, das ist mir bei weitem zu theoretisch und man verliert sich da rasend schnell im syntaktischen Urwald. Wir können gerne am konkreten Beispiel argumentieren, aber diese Formalisierung hilft (zumindest mir) dabei nicht, sondern baut nur neue Probleme auf.

Zitat
Als "Idiot[en]" habe ich jemanden bezeichnet, der an C(t) festhält, als wäre es etabliert, auch wenn X(t) falsch ist oder doch bedenklich wackelt. Das wäre doch auch idiotisch, oder?


Aber schon diese Aussage basiert auf ihrem Vorurteil, nämlich darauf, dass X (jetzt lasse ich mich wirklich darauf ein....) tatsächlich falsch ist. Das setzt nicht nur vorraus, dass Sie alle denkbaren X kennen, es setzt ebenso vorraus, dass sie alle X objektiv bewerten können. Und das halte ich für weit vermessen. Und sehen Sie noch einmal nach: Das was Sie jetzt hier eingeschränkt schreiben ist nicht das selbe, wie Sie vorher uneingeschränkt geschrieben haben.

Zitat
In letzter Zeit (mein ganz subjektiver Eindruck) schleicht sich auch in Zettels Raum und Zettels kleines Zimmer so eine gefühlige Art und Weise, Stellung zu beziehen, ein: spricht viel über eigenes Unwohlsein bei einer bestimmten Sache (als Argument dagegen? - wie Mutti in der Wahlarena im September gegenüber dem schwulen Fragesteller), fühlt sich verfolgt vom vermeintlichen Tugendterror*, kramt Gedankenfiguren aus der kulturkonservativen Mottenkiste hervor.


Vielleicht. Ist mir nicht im selben Maße aufgefallen, zumal hier sehr, sehr unterschiedliche Leute schreiben. Ich für meinen Teil schreibe meine Gedankenfiguren weniger aus einer kulturkonservativen Sicht (Kultur ist für mich eher ein Schimpfwort) sondern daraus, dass ich unsere Gesellschaft immer weiter erodieren sehe und mich tatsächlich dabei nicht wohl fühle. Es ist immer weniger mein Land und meine Gesellschaft. Ist das Kulktur ? Ich weiss nicht. Konservativ ist es jedenfalls eher weniger, denn auch wenn diese Erosion von mir als sehr schlecht empfunden wird, so will ich nicht auf einen Zustand vor 30 Jahren zurück sondern einen neuen Zustand etablieren, der dem Ideal freiheitlicher Rechtsstaat näher kommt.

Llarian Offline



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20.03.2014 01:54
#41 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #34
Noch zum Argument der gemischtrassigen Ehen im Speziellen: Ich dachte an den Fall Loving vs. Virginia von 1967, bei dem der Oberste Gerichtshof in den USA das Verbot gemischtrassiger Ehen mit Verweis auf den 14. Verfassungszusatz in allen US-Südstaaten kippte.

Zwei Dinge dabei: Zum einen reden wir von Verboten und Bewertungen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Man kann der Meinung sein, dass solche Ehen schlecht sind, ohne sie deshalb zu verbieten. Bestimmte Nahrungsmittel sind auch nicht gesund, deswegen verbietet man sie trotzdem noch nicht (okay, einige Grüne wollen auch das). Und nur weil das Argument, dass in diesem Prozess widerlegt wurde, ein so schlechtes ist, heisst das ja nicht, dass nicht andere existieren. Ich habe in meiner Bekanntschaft ein inzwischen verheiratetes Paar bestehend aus einem türkischen Mann und einer deutschen Frau. Der Vater der Frau war zunächst gegen die Beziehung, weil sie viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Er hat sich damit irgendwann arrangiert. Aber Recht hat er trotzdem behalten. Die kulturellen Unterschiede machen eine solche Ehe nicht einfacher und die Kinder haben es deutlich schwerer als "unikulturelle" Kinder. Deswegen muss man solche Beziehungen nicht verbieten. Aber das Argument bleibt trotzdem richtig, solche Beziehungen sind nicht einfach und die Kinder haben es schwerer. Man muss nicht alles direkt in den Ja/Nein Pool schmeissen und alles gleich verbieten. Aber die Probleme wegzureden oder als veraltet, gar idiotisch, beiseite zu wischen, ist trotzdem falsch.

Zitat
Setzen Sie übrigens zu Demonstrationszwecken gerne den Rassistenhut auf. Es ist so wertvoll, wenn man sich klar macht, woran genau falsche Argumentationen scheitern.


Das sehe ich weniger entspannt, denn nicht jede Argumentation ist falsch oder scheitert, nur weil sie unethisch ist. Man kann den Atombombenwurf auf eine japanische Großstadt oder den Feuersturm von Dresden durchaus sachlich argumentieren. Was nichts daran ändert das es ein Massenmord war, der ethisch in höchstem Maße abstossend ist. Ich setze mir solche Hüte nicht gerne auf, vor allem dann nicht, wenn die Gefahr besteht, dass man am Ende nicht widerlegt dasteht.

Zitat
(1) Warum sind dann zum Beispiel nicht alle Ehen mit einem ostasiatischen und einem nicht-ostasiatischen Partner verboten, diese sind ja laut Bell nachweislich die intelligentesten? Und innerhalb der Ostasiaten: Nur die ganz Klugen? Und was ist mit denjenigen Schwarzen, die's nach oben geschafft und die Weißen überflügelt haben? Bell allein gibt an und für sich noch kein Kriterium, wo man den Schnitt ansetzt zwischen der Gruppe derer mit wertvollem Erbgut einerseits und dem Kruppzeug andererseits, auf dass letzteres ersteres nicht verunreinige.


Zum einen, es geht nicht ums Verbieten, sondern erstmal ums Bewerten. Zum anderen sind auch Rassisten nicht blöd: Sich selber definiert man immer als wichtig, klug, bedeutend, auch wenns tatsächlich nicht der Fall ist. Das ist natürlich inkonsequent, aber menschlich. Es sind auch breite Mehrheiten dafür, Steuersünder härter zu bestrafen. Sie meinen sich damit aber nicht selber. Sich selber nimmt man aus. Das was Sie hier anbringen ist ein berechtigter Vorwurf gegen Inkosequenz und doppelte Standards aber nicht gegen das Argument selber. Doof gesprochen: Hitler hatte auch schwarze Haare.

Zitat

(2) Wenn man schon mit dem höheren Nutzen weiß-weißer Kinder für die Gesellschaft gegenüber schwarz-weißen oder schwarz-schwarzen argumentiert, muss man dann nicht auch etwas zur Gewichtung sagen? Angenommen, ein WW-Kind ist 3 Nützlichkeitspunkte wert, ein SW-Kind 2, ein SS-Kind bloß 1. Und angenommen, jede Ehe bringt genau 1 Kind hervor. Dann könnte ich das "Problem" doch auch so lösen, dass SW-Ehen sogar verbindlich werden, SS-Ehen aber verboten, und dann hat jede schwarze Person ein 2- statt ein 1-Punkte-Kind hervorgebracht, genauso viele weiße Personen ein 2- statt ein 3-Punkte-Kind, und wir sind wieder eben, oder habe ich mich vertan? Mit entsprechender Nützlichkeitsgewichtung kriegen Sie damit unter genau denselben Prämissen, nämlich unter anderem einer starken, rassistischen Interpretation des Bell-Befundes, völlig unterschiedliche Konklusionen, und man kann mitnichten so einfach sagen, dass aus Bell schon das Verbot der gemischtrassigen Ehe folgte.


Auch dies ist ein Argument gegen die Konsequenz, nicht gegen die eigentliche Argumentation.

Zitat
"Wir Homos" haben in der Vergangenheit schon kaum für Nachwuchs gesorgt


Das ist eine überaus interessante Behauptung. Ich gebe zwar zu, dass mein Wissenstand hier wirklich sehr begrenzt ist, aber ich lerne ja gerne zu. Ich würde da zwei Sachen zu anbringen: Zum einen weiss man (meines Wissens) bis heute nicht, warum jemand schwul wird (und ich glaube nicht, dass es genetische Ursachen haben kann). Eine ganz gängige These ist, dass das auch mit dem Verhältnis der Gesellschaft zum Schwulsein zusammenhängt. Jemand, der noch nicht festgelegt ist, sieht ja auch das, was um ihn herum passiert. Um Hannibal Lecter zu zitieren: Wir begehren was wir sehen. Die Idee mancher Leute, ich sage nicht, dass das die meine ist, ist die, dass wenn man die Wahrnehmung der sexuellen Identität von anderen verändert, man auch diese Entwicklung verändert. Soweit ich es sehe wird in muslimischen Länder sehr viel so argumentiert, wenn man sich dort überhaupt die Mühe macht nicht direkt alles mit dem Koran zu erwürgen. Zum anderen ist es zumindest meine Beobachtung (ich bin in einer Kleinstadt aufgewachsen), dass früher auch schwule Männer irgendwann verheiratet wurden. Vielfach um den Schein zu wahren. Und dann kam durchaus auch Nachwuchs, es ist ja nicht so, dass das nicht möglich wäre.
Unbesehen bleibt das Problem von 1,4 Kindern pro Frau dadurch trotzdem erhalten. Ich wollte nur das kaum ein wenig angreifen.

Zitat
Was auch immer sie sich dagegen prophylaktisch einfallen lassen möge, Schwuchtel-Bashing wird wohl nicht das goldene Rezept sein.


Also ich kann darin, dass man keine Homoehe möchte, kein Schwuchtel-Bashing erkennen. Ich kann den Wunsch, gerade kirchlicher Kreise, nachvollziehen, dass man den Begriff Ehe durchaus auch gerne für heterosexuelle Partnerschaften behalten möchte. Es ist nicht das selbe. Man kann es gleich stellen (ist ein ganz anderes Fass), aber es ist immer noch nicht das selbe. Für mich stellt sich das eher so dar wie der Unterschied zwischen Mann und Frau: Mann und Frau sind sich gleich gestellt, gleich an Rechten, gleich an Pflichten (oder es sollte so sein). Aber Mann und Frau sind nicht gleich. Wenn ein schwules Pärchen (oder auch sonst irgendeine Gruppe) für sich eine Lebensgemeinschaft bilden will, dann soll die das tun. Aber sie soll es nicht Ehe nennen. Eine Ehe besteht auch nicht aus drei Leuten, auch wenn es bestimmt Leute gibt, die das gerne möchten. Das ist auch eine Frage von Definitionen. Und wie Konfuzius mal bemerkt hat: Wenn die Begriffe sich verwirren, ist die Welt in Unordnung.

Zitat
Schade, dass man in der AfD (und oft auch unter Liberalen im Allgemeinen) so konsequent selbstzerstörerisch ist und lieber den Zuspruch junger, gebildeter Wählerschichten in den Wind schlägt anstatt einen gewissen konservativen, diese Wählerschichten abschreckenden Ballast einer Prüfung zu unterziehen.


Ich finde das genauso schade, denn für mich wird der Laden dadurch genauso unattraktiv (wie gesagt, ich vertrete das Recht eine Meinung zu haben, deswegen nicht die Meinung selbst). Allerdings hat Herr Lucke mit seiner Aussage, er sei kein Liberaler, ja schon das Wesentliche von sich gegeben. Die AfD begreift sich nicht als liberal sondern als der Vakuumfüller rechts der CDU. Das ist für mich genauso schade, damit kann ich nix anfangen.

Zitat
Ein Vorschlag zur Güte wäre: Frau von Storch könnte es doch machen wie David Cameron, der für die Homo-Ehe ist, weil er ein Konservativer ist.


Ich mache einen dritten Vorschlag: Der Staat hat damit ob jemand mit einem anderen zusammenlebt, nix zu tun. Und glauben tu ich das, weil ich ein Liberaler bin.

Flaccus Offline



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24.03.2014 09:24
#42 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Llarian,

abermals vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich weiß nicht, wie groß das Interesse an dem Thema nach einigen Tagen der Unterbrechung noch ist. Wenn Sie nicht möchten, dann fühlen Sie sich nicht genötigt, auf die folgende Replik noch einzugehen.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Meine beiden analogen Beispiele, Verbot gemischrassiger Ehe und rechtliche Benachteiligung homosexueller Partnerschaften, sind solche Fälle, wo alle Argumentationen aus der Vergangenheit (zumindest die mir bekannten) inzwischen überholt sind, weil sie sich gewisser Tatsachenbehauptungen bedienen, die vor dem Hintergrund des heutigen Informationsstandes falsch sind.


Und schon in dieser Aussage liegen zwei gewichtige Probleme, lieber Flaccus. Zum einen die Einschränkung die Sie selber machen, nämlich die Argumente die Ihnen bekannt sind. Es mag hunderte Argumente geben, die Ihnen nicht bekannt sind.



Ich wäre gespannt, diese Argumente zu hören. Das Problem ist, dass die Verfechter von Positionen wie der Benachteiligung homosexueller Partnerschaften oder dem Verbot gemischtrassiger Ehen uns immer wieder dieselben, zigfach diskutierten Argumentationen auftischen. Bestenfalls ist es alter Wein in neuen Schläuchen.

Zitat von Llarian

Schwerwiegender noch ist allerdings die Aussage, dass alle Ihnen bekannten inzwischen überholt sind, denn das postuliert eine endgültige Wahrheit, weil etwas Sie nicht überzeugen konnte.


Wie in meinem letzten Beitrag geschrieben: auch die den Urteilen zugrundeliegenden Tatsachen können immer wieder neu bewertet werden und man kann ggf. durchaus zum alten, zwischenzeitlich überholten Wissensstand zurückkehren. Ich sprach ja gerade gegen die Annahme endgültiger Wahrheiten, sondern für die Tatsachenprüfung jeweils auf der Höhe der Zeit. Das ist intellektuell redlicher und verspricht in meinen Augen auch mehr Freiheit als die ewigen fruchtlosen Kämpfe "tradierte Wahrheit vs. Zeitgeist". In diesen Kämpfen gewinnt typischerweise die jüngere Mannschaft, weil sie im wortwörtlichen Sinne den längeren Atem hat, und das ältere Team blockiert so lange, bis es ausstirbt oder hinreichend dezimiert ist. Und so möchte man ja eigentlich weder eine Gedankenklärung in ethischen Fragen gestalten noch einen Rechtsstaat aufbauen.

Zitat von Llarian

Es ist meine Lebenserfahrung das Menschen eine Sache oder ein Argument völlig unterschiedlich bewerten können und beide Seiten sind in sich schlüssig. Das folgt schon aus der simplen Erkenntnis, dass so etwas wie eine objektive Wahrheit nicht existiert, es existiert immer nur eine subjektive Abbildungsfunktion, die auf unserer Lebenserfahrung basiert.


Lieber Llarian, diese rhetorische Zuflucht sollten Sie nicht nehmen. Natürlich kann man im philosophischen Kämmerlein viel über die Objektivität der externen Welt oder der Regeln unseres Denkens nachsinnen, nichtsdestotrotz haben wir diesseits der Philosophie doch alle unsere fünf Sinne, wir beherrschen unsere Sprache und vor allem ist die Logik als Instrument formalen Argumentierens, wie der gesunde Menschenverstand sie sieht, für uns alle gleichermaßen kalt und dieselbe. Ich glaube schon, dass wir nicht so tief an den Grundfesten gegenseitigen menschlichen Verstehens rütteln müssen.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

(1) Wenn A, B und C wahr sind [...]


Auch wenns unhöflich ist, das ist mir bei weitem zu theoretisch und man verliert sich da rasend schnell im syntaktischen Urwald. Wir können gerne am konkreten Beispiel argumentieren, aber diese Formalisierung hilft (zumindest mir) dabei nicht, sondern baut nur neue Probleme auf.



Tut mir leid wegen der formalistischen Zumutung, aber einen besseren Weg zur Prüfung der eigenen Gedanken und zum klaren Herüberbringen derselben kenne ich nicht. Mir ist bewusst, dass diese von uns gepflegte Form des Austausches naturgemäß nicht so tief schürfen kann, dass man die Probleme in wirklich zufriedenstellender Weise auseinandernimmt. Vielleicht nehmen Sie meinen formalistischen Overkill ja zu einem späteren Zeitpunkt als Anregung.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Als "Idiot[en]" habe ich jemanden bezeichnet, der an C(t) festhält, als wäre es etabliert, auch wenn X(t) falsch ist oder doch bedenklich wackelt. Das wäre doch auch idiotisch, oder?


Aber schon diese Aussage basiert auf ihrem Vorurteil, nämlich darauf, dass X (jetzt lasse ich mich wirklich darauf ein....) tatsächlich falsch ist. Das setzt nicht nur vorraus, dass Sie alle denkbaren X kennen, es setzt ebenso vorraus, dass sie alle X objektiv bewerten können. Und das halte ich für weit vermessen.



Ich sprach in dem Zusammenhang von einem ganz konkreten X(t) (nicht: “alle denkbaren”). Jemand bringt eine bestimmte Argumentation, um ein logisches Urteil zu begründen, und benutzt dabei die konkrete Tatsachenbehauptung X(t). Nach den Spielregeln ist die Argumentation ungültig, sobald die Wahrheit von X(t) nicht mehr etabliert ist. Und was die prinzipielle Überprüfbarkeit von Tatsachenbehauptungen anbetrifft, so habe ich meinen vom gesunden Menschenverstand getragenen Optimismus weiter oben schon geäußert.

Flaccus Offline



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24.03.2014 09:41
#43 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Vorab: Ich spreche immer über's ethische Bewerten, nicht über's Verbieten. Typischerweise kommt aber vor einer Forderung nach einem Verbot eine negative ethische Bewertung. Ich möchte die Verbieter schon auf der ersten Stufe, dem Bewerten, angreifen. (Nochmals mit der Bitte um Entschuldigung für das viele Geschreibsel...)

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Noch zum Argument der gemischtrassigen Ehen im Speziellen: Ich dachte an den Fall Loving vs. Virginia von 1967, bei dem der Oberste Gerichtshof in den USA das Verbot gemischtrassiger Ehen mit Verweis auf den 14. Verfassungszusatz in allen US-Südstaaten kippte.


Zwei Dinge dabei: Zum einen reden wir von Verboten und Bewertungen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Man kann der Meinung sein, dass solche Ehen schlecht sind, ohne sie deshalb zu verbieten. Bestimmte Nahrungsmittel sind auch nicht gesund, deswegen verbietet man sie trotzdem noch nicht (okay, einige Grüne wollen auch das). Und nur weil das Argument, dass in diesem Prozess widerlegt wurde, ein so schlechtes ist, heisst das ja nicht, dass nicht andere existieren. Ich habe in meiner Bekanntschaft ein inzwischen verheiratetes Paar bestehend aus einem türkischen Mann und einer deutschen Frau. Der Vater der Frau war zunächst gegen die Beziehung, weil sie viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Er hat sich damit irgendwann arrangiert. Aber Recht hat er trotzdem behalten. Die kulturellen Unterschiede machen eine solche Ehe nicht einfacher und die Kinder haben es deutlich schwerer als "unikulturelle" Kinder. Deswegen muss man solche Beziehungen nicht verbieten. Aber das Argument bleibt trotzdem richtig, solche Beziehungen sind nicht einfach und die Kinder haben es schwerer. Man muss nicht alles direkt in den Ja/Nein Pool schmeissen und alles gleich verbieten. Aber die Probleme wegzureden oder als veraltet, gar idiotisch, beiseite zu wischen, ist trotzdem falsch.



Wie würde denn, lieber Llarian, eine Argumentation aussehen, die sich aufbauend auf der bestimmt wahren Beobachtung, dass Kinder aus interkulturellen Ehen in mancherlei Hinsicht im sozialen Miteinander eine Hypothek mit sich herumtragen, dazu aufschwingt, interkulturelle Ehen für moralisch schlecht zu erklären? Ich spreche doch überhaupt nicht davon, dass es Kinder eines schwarzen Vaters und einer weißen Mutter nicht manchmal schwerer haben könnten, oder dass Kinder, die von einem schwulen Paar adoptiert wurden, in der Schule gehänselt werden könnten. Ich frage bloß: Wie genau kann man auf logisch gültige Weise daraus ein ethisches Verdikt gegen die Ehen selbst machen, aus denen diese Kinder hervorgegangen sind (bzw. gegen die Möglichkeit, durch Adoption an solche Eltern zu geraten)? Und wie kriegt man es hin, dabei nicht falsche Tatsachen zu behaupten? Es ist ja nicht die Ehe selber, welche diesen Kindern schadet, wage ich zu behaupten (genausowenig wie es das bloße Faktum ist, zwei Mamas und keinen Papa zu haben, der Kindern, die in eine solche Konstellation geraten sind, schadet). Man müsste, um so zu argumentieren, die Schädlichkeit gemischtrassiger Ehen (bzw. der Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare) als solcher behaupten. Gibt es gegenwärtig Anlass, diese Schädlichkeit zu vermuten? Jedenfalls: Das ließe sich prinzipiell überprüfen, es ist eine Tatsachenbehauptung. Und wenn man nun sagte, gemischtrassige Ehen oder Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare seien zwar an und für sich OK, aber die Folgeprobleme rechtfertigten eine Negativbeurteilung, nach welchem moralischen Prinzip hat man denn da geurteilt? Die meisten Ethiken, die ich kenne, setzen in irgendeiner Weise voraus, dass der Verurteilte für sein Tun verantwortlich ist (Ausnahme: Erbsünde, aber das ist ja auch Stuss...). Das wäre ja so, als würde man das Tragen von Handtaschen für unmoralisch erklären, weil es so viele Taschendiebe gibt. Der Witz dabei ist sowieso, dass hier die Diskriminierungswilligen ja typischerweise just diejenigen sind, welche für das schlechte Klima, unter dem die Kinder evtl. leiden, erst sorgen. Die Ehrlichkeit dieses von selbsternannten Familien- und Kinderfreunde vorgebrachten Anliegens würde ich hinterfragen wollen.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

(1) Warum sind dann zum Beispiel nicht alle Ehen mit einem ostasiatischen und einem nicht-ostasiatischen Partner verboten, diese sind ja laut Bell nachweislich die intelligentesten? Und innerhalb der Ostasiaten: Nur die ganz Klugen? Und was ist mit denjenigen Schwarzen, die's nach oben geschafft und die Weißen überflügelt haben? Bell allein gibt an und für sich noch kein Kriterium, wo man den Schnitt ansetzt zwischen der Gruppe derer mit wertvollem Erbgut einerseits und dem Kruppzeug andererseits, auf dass letzteres ersteres nicht verunreinige.


Zum einen, es geht nicht ums Verbieten, sondern erstmal ums Bewerten. Zum anderen sind auch Rassisten nicht blöd: Sich selber definiert man immer als wichtig, klug, bedeutend, auch wenns tatsächlich nicht der Fall ist. Das ist natürlich inkonsequent, aber menschlich. Es sind auch breite Mehrheiten dafür, Steuersünder härter zu bestrafen. Sie meinen sich damit aber nicht selber. Sich selber nimmt man aus. Das was Sie hier anbringen ist ein berechtigter Vorwurf gegen Inkosequenz und doppelte Standards aber nicht gegen das Argument selber. Doof gesprochen: Hitler hatte auch schwarze Haare.



Sie haben Recht, ich hätte von Bewerten, nicht Verbieten schreiben sollen. Das ändert nichts an der Aussage, welche ansonsten schon ein Argument gegen die logische Konsequenz, die aus Bell da gezogen wird (also: gemischtrassige Ehen sind moralisch schlecht), ist, denn die Konsequenz folgt halt nicht.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

(2) Wenn man schon mit dem höheren Nutzen weiß-weißer Kinder für die Gesellschaft gegenüber schwarz-weißen oder schwarz-schwarzen argumentiert, muss man dann nicht auch etwas zur Gewichtung sagen? Angenommen, ein WW-Kind ist 3 Nützlichkeitspunkte wert, ein SW-Kind 2, ein SS-Kind bloß 1. Und angenommen, jede Ehe bringt genau 1 Kind hervor. Dann könnte ich das "Problem" doch auch so lösen, dass SW-Ehen sogar verbindlich werden, SS-Ehen aber verboten, und dann hat jede schwarze Person ein 2- statt ein 1-Punkte-Kind hervorgebracht, genauso viele weiße Personen ein 2- statt ein 3-Punkte-Kind, und wir sind wieder eben, oder habe ich mich vertan? Mit entsprechender Nützlichkeitsgewichtung kriegen Sie damit unter genau denselben Prämissen, nämlich unter anderem einer starken, rassistischen Interpretation des Bell-Befundes, völlig unterschiedliche Konklusionen, und man kann mitnichten so einfach sagen, dass aus Bell schon das Verbot der gemischtrassigen Ehe folgte.


Auch dies ist ein Argument gegen die Konsequenz, nicht gegen die eigentliche Argumentation.



Vielleicht missverstehen wir uns einfach bloß. Wenn ich aufzeige, dass die Schlussfolgerung nicht zwingend ist, dann ist die Argumentation ungültig, oder?

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Wir Homos" haben in der Vergangenheit schon kaum für Nachwuchs gesorgt


Das ist eine überaus interessante Behauptung. Ich gebe zwar zu, dass mein Wissenstand hier wirklich sehr begrenzt ist, aber ich lerne ja gerne zu.



In der Region, aus der ich stamme, hat man früher als Codewort für Schwule "Junggesellen" gesagt, womit man unverheiratete Männer mittleren Alters und aufwärts bezeichnet hat. Ich kenne in der Tat einige wenige Männer, die geheiratet und Kinder gezeugt haben und erst in späteren Jahren im Licht der sich verbessernden gesellschaftlichen Situation, ihr Coming Out hatten. In meiner ganz subjektiven Wahrnehmung sind diese aber in der Minderheit. Über das "kaum" in meiner Aussage mag man streiten, da komme ich Ihnen gerne entgegen. Wie dem auch sei, wir sind vermutlich irgendwo um die 5 % der Bevölkerung und damit im Vergleich zur heterosexuellen Mehrheit sicherlich minderbelastet, was die Schuld am demographischen Wandel betrifft.

Zitat von Llarian

Ich würde da zwei Sachen zu anbringen: Zum einen weiss man (meines Wissens) bis heute nicht, warum jemand schwul wird (und ich glaube nicht, dass es genetische Ursachen haben kann). Eine ganz gängige These ist, dass das auch mit dem Verhältnis der Gesellschaft zum Schwulsein zusammenhängt. Jemand, der noch nicht festgelegt ist, sieht ja auch das, was um ihn herum passiert. Um Hannibal Lecter zu zitieren: Wir begehren was wir sehen. Die Idee mancher Leute, ich sage nicht, dass das die meine ist, ist die, dass wenn man die Wahrnehmung der sexuellen Identität von anderen verändert, man auch diese Entwicklung verändert. Soweit ich es sehe wird in muslimischen Länder sehr viel so argumentiert, wenn man sich dort überhaupt die Mühe macht nicht direkt alles mit dem Koran zu erwürgen.


Ich bin über den aktuellen Erkenntnisstand nicht informiert, kenne aber Forschungen, die in der "nature vs. nurture" – Debatte in Richtung "nature" deuten. Ich wage darüberhinaus zu behaupten, dass es weiterhin einen klaren Druck in Richtung "Bitte nicht schwul werden!" gibt, und jeder Homosexuelle wird sich in seinem Leben in der Situation befunden haben, von innen oder von außen mit dem mehr oder minder starken Wunsch konfrontiert zu sein, "normal" zu werden. Glauben Sie mir, es gibt diesen Druck, und es klappt nicht: man wird typischerweise weder zur Hetero- noch zur Homosexualität konvertiert. Unsere bloße Existenz widerlegt, was da "in muslimischen Ländern" oder anderenorts so argumentiert wird. Wir sind zahlenmäßig nicht mehr als früher, man sieht uns jetzt nur.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Was auch immer sie sich dagegen prophylaktisch einfallen lassen möge, Schwuchtel-Bashing wird wohl nicht das goldene Rezept sein.


Also ich kann darin, dass man keine Homoehe möchte, kein Schwuchtel-Bashing erkennen.



Mich würde interessieren, wie man eine nicht-negative Einstellung gegenüber Schwulen hegen und zugleich gegen die Eheöffnung sein kann. Im speziellen Fall der Frau von Storch empfehle ich einen Blick in den auf ihrer Homepage veröffentlichten offenen Brief an Erzbischof Zollitsch (http://www.beatrixvonstorch.de/offener-b...bert-zollitsch/).

Zitat von Llarian

Ich kann den Wunsch, gerade kirchlicher Kreise, nachvollziehen, dass man den Begriff Ehe durchaus auch gerne für heterosexuelle Partnerschaften behalten möchte. Es ist nicht das selbe. Man kann es gleich stellen (ist ein ganz anderes Fass), aber es ist immer noch nicht das selbe. Für mich stellt sich das eher so dar wie der Unterschied zwischen Mann und Frau: Mann und Frau sind sich gleich gestellt, gleich an Rechten, gleich an Pflichten (oder es sollte so sein). Aber Mann und Frau sind nicht gleich.


Nichts anderes möchten wir ja: gleich an Rechten zu sein. Was wir gegenwärtig nicht sind. Männer und Frauen sind gleich an Rechten, homo- und heterosexuelle Paare sollen es auch sein. Sie sagen selbst, dass man der Meinung sein kann, zwei Dinge seien verschieden (Mann und Frau), aber man könne sie gleichstellen. Aus der Verschiedenheit folgt nicht die Ungleichstellung (womit ich die Verschiedenheit selbst gar nicht festgestellt haben möchte). Ich persönlich wäre bereit, es anders zu nennen, wenn einige Kindergarten-Seelchen in unserem semi-säkularen Staat anders nicht leben könnten, und bezahlte auch gerne jedesmal eine 10 € - Buße, wenn ich wider die allgemeine Semantik-Vorgabe von "meinem Ehemann" spräche. Ich bin sogar aktiv dafür, dass wir das genau so machen, denn am Ende stünden jene "kirchlichen Kreise" umso blamierter da und das Unchristliche an ihrem Verlangen träte offen zutage.

Zitat von Llarian

Wenn ein schwules Pärchen (oder auch sonst irgendeine Gruppe) für sich eine Lebensgemeinschaft bilden will, dann soll die das tun. Aber sie soll es nicht Ehe nennen. […] Das ist auch eine Frage von Definitionen. Und wie Konfuzius mal bemerkt hat: Wenn die Begriffe sich verwirren, ist die Welt in Unordnung.


Lieber Llarian, im Haus unserer Sprache sind wir die Herren. Es steht uns insbesondere frei, diese Definition zu erweitern. Keine bisherige Ehe wird dadurch zur Nicht-Ehe. Und es wäre auch nach der neuen Definition glasklar, was eine Ehe ist und was nicht. Welcher Art könnte die "Unordnung" denn sein, die Sie da heraufschimmern sehen? Übrigens, beschäftigen sie sich mit der Kulturgeschichte der Ehe (es reicht schon, dies nur für die westliche Welt zu tun), Sie werden eine frappierende Wandlungsfähigkeit der Auffassungen feststellen (freilich nicht über die Mann + Frau-Grenze hinaus, aber sicherlich über die Grenze dessen, was uns heute als das Spezifische an der ehelichen Verbindung von Mann + Frau hochgehalten wird, hinaus. Und damit meine ich nicht Kinderzeugung, das klappt meines Wissens auch ohne Trauschein).

Zitat von Llarian

Eine Ehe besteht auch nicht aus drei Leuten, auch wenn es bestimmt Leute gibt, die das gerne möchten.


Das ist das klassische "slippery slope" – Argument. Wenn aus Homo-Ehe Multi-Ehe folgt, warum dann nicht bereits aus Hetero-Ehe? Ich sehe die Verbindung zwischen beiden nicht, das sind einfach zwei verschiedene Themen. Übrigens, die real existierenden polygamen Verhältnisse (keine Multi-Ehen, aber so ähnlich) sind heterosexueller Natur sind. Wenn wir also aus einer der beiden Ehen ein "slippery slope" – Argument drechseln wollen, dann eher nicht aus der Homo-Variante. Der amerikanische Philosoph John Corvino (selber schwul, also natürlich hoffnungslos biased ), hat zu dem Argument Interessantes geschrieben: http://www.salon.com/2013/03/10/same_sex...t_never_get_it/

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Ein Vorschlag zur Güte wäre: Frau von Storch könnte es doch machen wie David Cameron, der für die Homo-Ehe ist, weil er ein Konservativer ist.


Ich mache einen dritten Vorschlag: Der Staat hat damit ob jemand mit einem anderen zusammenlebt, nix zu tun. Und glauben tu ich das, weil ich ein Liberaler bin.



Das ist freilich der allerbeste Vorschlag, da stimme ich Ihnen zu! Da er leider so schnell nicht realisiert werden wird, peilen wir doch bis dahin als Liberale wenigstens die zweitbeste Lösung an: unser aller Gleichberechtigung vor dem Gesetz.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

24.03.2014 12:06
#44 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Werter Flaccus,

erlauben Sie mir bitte ein paar Zeilen anzumerken.

Zitat
peilen wir doch bis dahin als Liberale wenigstens die zweitbeste Lösung an: unser aller Gleichberechtigung vor dem Gesetz

Formal wie faktisch gilt das bereits in der Bundesrepublik Deutschland: Die Gleichstellung des Individuums vor dem Gesetz.

Zitat
Männer und Frauen sind gleich an Rechten, homo- und heterosexuelle Paare sollen es auch sein.

Nach meinem Verständnis, werter Flaccus, vermischen Sie zwei Dinge:
„Gleiche Rechte haben“ und „Sich durch individuelle Entscheidung in gleichen Lebenssituationen wieder finden.“

Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob heterosexuelle Lebensgemeinschaften eine steuerliche Begünstigung durch den Staat erfahren sollten. Meiner Meinung nach sollte ein Staat, wenn er schon eingreift, eher das erfolgreiche Erziehen von Kindern fördern (und man kann möglicherweise das Ehegattensplitting als vom Zeitgeist überholten Versuch verstehen, dies zu tun).
Wenn der Gesetzgeber aber letztendlich beschließt bestimmten Formen der Partnerschaft zu fördern (egal wie unsinnig es erscheint), ist dies keine „nicht Gleichberechtigung“ von Individuen vor dem Gesetz.

Mit der gleichen Logik könnte man die Tatsache, dass man den Spitzensteuersatz zahlt und andere nicht, als „Nicht Gleichberechtigung vor dem Gesetz“ verstehen. Was sie nicht ist - gleichgültig, wie man über die Sinnhaftigkeit unseres Steuerrechts denkt.

Zitat
Wie genau kann man auf logisch gültige Weise daraus ein ethisches Verdikt gegen die Ehen selbst machen, aus denen diese Kinder hervorgegangen sind (bzw. gegen die Möglichkeit, durch Adoption an solche Eltern zu geraten)? Und wie kriegt man es hin, dabei nicht falsche Tatsachen zu behaupten? Es ist ja nicht die Ehe selber, welche diesen Kindern schadet, wage ich zu behaupten (genausowenig wie es das bloße Faktum ist, zwei Mamas und keinen Papa zu haben, der Kindern, die in eine solche Konstellation geraten sind, schadet).

Bitte lassen Sie mich drei Anmerkungen hierzu machen:

- Ein ethisches Verdikt könnte man damit begründen, dass man nur die Situation der Kinder betrachtet und dazu eine sehr negative Einschätzung innerhalb der eigenen Ethik hat. (Was nicht heißt, dass dies meine Position ist.)

- Ob die Ehe selbst den Kindern schadet, wäre in meinen Augen eine interessante Frage mit vielen Facetten. Wie ist es, als Kind zwischen zwei sehr Unterschiedlichen Kulturen aufzuwachsen? Ist es ohne Auswirkungen, ist es bereichernd oder fehlt eher die Klarheit einer einzelnen (kulturellen) Identität?
Ich kenne keine (wissenschaftlichen) Untersuchungen hierzu, halte die Frage aber für alles andere als einfach.

- Selbiges gilt für zwei gleichgeschlechtliche Elternteile. Nach meiner persönlichen Auffassung sind Frauen und Männer in Emotionalität, Rationalität, Ethik, Sprachgebrauch, Kommunikation und vielen anderen Dingen äußerst unterschiedlich. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kinder auf diese Unterschiede stark reagieren, sie definitiv wahr nehmen.
Auch hierzu kenne ich keine (wissenschaftlichen) Untersuchungen, es würde mich aber ehrlicherweise überraschen, wenn die „geschlechtliche Zusammensetzung“ der erziehenden Eltern, oder möglicherweise eine „Alleinerziehung“ keinerlei Auswirkung auf das aufwachsende Kind hätte – Gleichgültig ob positiv oder negativ - beides wäre prinzipiell möglich.
Objektiv feststellen zumindest kann man, dass Wirbeltiere ein bestimmtes (zwischen den Gattungen natürlich auch sehr unterschiedliches) Aufzuchtverhalten zu bevorzugen scheinen und nicht viele verschiedene Entwürfe, gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Was auch immer die Gründe dafür sein mögen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Flaccus Offline



Beiträge: 31

24.03.2014 20:28
#45 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

herzlichen Dank für Ihren Beitrag, auf den ich gerne eingehe.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Zitat von Flaccus

peilen wir doch bis dahin als Liberale wenigstens die zweitbeste Lösung an: unser aller Gleichberechtigung vor dem Gesetz


Formal wie faktisch gilt das bereits in der Bundesrepublik Deutschland: Die Gleichstellung des Individuums vor dem Gesetz.



Ich fürchte, nicht alle unsere Gesetze reflektieren dies bereits. Wenn Sie denjenigen Menschen heiraten möchten, den Sie lieben, dann haben Sie dieses Recht, wenn ich dies möchte, dann habe ich dieses Recht nicht. Ich sehe nicht, inwiefern ich als Individuum Ihnen hier gleichgestellt bin.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Zitat von Flaccus

Männer und Frauen sind gleich an Rechten, homo- und heterosexuelle Paare sollen es auch sein.


Nach meinem Verständnis, werter Flaccus, vermischen Sie zwei Dinge:
„Gleiche Rechte haben“ und „Sich durch individuelle Entscheidung in gleichen Lebenssituationen wieder finden.“



Diese Aussage verstehe ich leider nicht.

Unter Liberalen müsste doch die folgende, einfache Denkweise einleuchtend sein: Erlaubt ist alles, was nicht ausdrücklich verboten ist. Und ausdrücklich verboten werden darf etwas nur dann, wenn die Freiheitsrechte mindestens eines weiteren Individuums betroffen wären, bliebe die Handlung erlaubt. Ich gestehe wohl zu, dass man Situationen konstruieren kann, in denen die Freiheitsrechte unterschiedlicher Individuen konkurrieren, insofern ist dieses liberale Mantra in Wirklichkeit nur so eine Art Heuristik, mit der man starten kann. Im konkreten Fall sehe ich so eine Konfliktsituation aber beim besten Willen nicht. Wessen Freiheitsrechte sind verletzt, wenn mein Partner und ich heiraten?

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob heterosexuelle Lebensgemeinschaften eine steuerliche Begünstigung durch den Staat erfahren sollten.


Die urliberale Antwort lautete wohl: sollten sie nicht.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Wenn der Gesetzgeber aber letztendlich beschließt bestimmten Formen der Partnerschaft zu fördern (egal wie unsinnig es erscheint), ist dies keine „nicht Gleichberechtigung“ von Individuen vor dem Gesetz.


Tut mir leid, ich verstehe Sie in dem Punkt nicht. Das selektive Gewähren von Privilegien ist an und für sich bereits eine Nicht-Gleichberechtigung. Wenn schon, dann für alle, oder eben für keinen.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Mit der gleichen Logik könnte man die Tatsache, dass man den Spitzensteuersatz zahlt und andere nicht, als „Nicht Gleichberechtigung vor dem Gesetz“ verstehen. Was sie nicht ist - gleichgültig, wie man über die Sinnhaftigkeit unseres Steuerrechts denkt.


Das Bestehen nicht haargenau desselben Steuersatzes für alle und auf alles erscheint mir schon als eine Nicht-Gleichberechtigung. "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" ist das Zuteilungsprinzip im zukünftigen kommunistischen Paradies, erdacht von Karl Marx im Jahre 1875 (--> Kritik des Gothaer Programms, geht aber zurück auf den frz. Sozialisten Louis Blanc). Der Knackpunkt dabei scheint mir zu sein, wer vorliegende Bedürfnisse eines Individuums bzw. wer dessen Fähigkeiten erst einmal feststellt, bevor entsprechend gegeben oder genommen werden kann. Ich wage zu prognostizieren, dass Verteilungskämpfe vorprogrammiert sind. Und er ist ja auch da, der Streit: jahraus, jahrein haben wir die Hände in den Taschen aller anderen und versuchen einander beim Zank um das größte Stück vom vermeintlich gemeinsamen Kuchen zu übertrumpfen.

Ich finde es paradox, dass in unserer Debatte gerade mir der Vorwurf entgegengebracht wird, ich tendierte dazu, Dinge objektivieren und endgültig feststellen zu wollen, über die man in Wahrheit prinzipiell Dissens haben könnte. Ich schwinge doch hier durchaus die Subjektivitätskeule und sage, dass der Staat blind sein muss gegenüber den Lebensentwürfen der Bürger und nicht deren Bedürfnisse oder Fähigkeiten in einer Nutzenhierarchie ordnen darf; vielmehr müssen wir die Einschätzung v.a. der Bedürfnisse eines Individuums nur einer einzigen Person überlassen, nämlich dem betreffenden Individuum selbst. Alles andere führt zu Verteilungskämpfen und erschwert ein zivilisiertes Zusammenleben. Das erscheint mir als eine der Hauptmotivationen für den Zuspruch zu einer liberalen Ethik. Objektivierend bin ich nur da, wo es um die Prüfung von Tatsachen geht, bevor wir diese gegeneinander ins Feld führen.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

- Ein ethisches Verdikt könnte man damit begründen, dass man nur die Situation der Kinder betrachtet und dazu eine sehr negative Einschätzung innerhalb der eigenen Ethik hat. (Was nicht heißt, dass dies meine Position ist.)


Ja, und wenn man diese negative Einschätzung nicht dogmatisch etabliert oder metaphysisch herleitete (was typischerweise getan wird), sondern mit Bezug auf feststellbare Tatsachen, dann könnte man sogar drüber reden und schauen, ob da was dran ist, da bin ich ganz bei Ihnen.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

- Ob die Ehe selbst den Kindern schadet, wäre in meinen Augen eine interessante Frage mit vielen Facetten. Wie ist es, als Kind zwischen zwei sehr Unterschiedlichen Kulturen aufzuwachsen? Ist es ohne Auswirkungen, ist es bereichernd oder fehlt eher die Klarheit einer einzelnen (kulturellen) Identität?
Ich kenne keine (wissenschaftlichen) Untersuchungen hierzu, halte die Frage aber für alles andere als einfach.


Das ist auch so eine typisch deutsche Debatte, diese vermeintliche Unsicherheit in der eigenen Kultur. Natürlich reflektiert jeder Mensch auf die eigenen Identität und hat das Bedürfnis, diese zu definieren. Nur, dann tue man dies eben! Ich jedenfalls bin Deutscher und obendrein Schwabe, und hier am Neckar wohnen ja sowieso die besten Menschen überhaupt. Ich werde den Eindruck nicht los, die ganzen Debatten über Ausländer, europäische Identität, Schwule, Mütterrente, Veggie-Day und was es sonst noch alles gibt, sind ein Symptom für die tiefe Unsicherheit, die oftmals beide Seiten in den Debatten in ihrer eigenen deutschen Haut verspüren. Das versperrt dann den Blick für einfache ethische Einsichten und Leute wie Frau von Storch meinen dann, sie müssten u.a. auf meinem Rücken ihre Dämonen bekämpfen.

Ich wage zu behaupten, dass kulturelle Vermischung in der Menschheitsgeschichte kein so seltener Vorgang ist. Kulturelle Identitäten können nun einmal in Fluss geraten, und oft geschieht dies in Person von interkulturell geborenen Kindern. Wer dies verhindern wollte, der müsste wirklich Vermischung verhindern und pro Segregation sein, ansonsten werden Menschen wohl immer die von ihrem Umfeld errichteten Gräben zu überwinden trachten und werden, ihren starken Wünschen folgend, dann auch gute Eltern sein, die ihren Kindern genügend an Identität mitgeben können. Das sehe ich eher locker.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

- Selbiges gilt für zwei gleichgeschlechtliche Elternteile. Nach meiner persönlichen Auffassung sind Frauen und Männer in Emotionalität, Rationalität, Ethik, Sprachgebrauch, Kommunikation und vielen anderen Dingen äußerst unterschiedlich. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Kinder auf diese Unterschiede stark reagieren, sie definitiv wahr nehmen.
Auch hierzu kenne ich keine (wissenschaftlichen) Untersuchungen, es würde mich aber ehrlicherweise überraschen, wenn die „geschlechtliche Zusammensetzung“ der erziehenden Eltern, oder möglicherweise eine „Alleinerziehung“ keinerlei Auswirkung auf das aufwachsende Kind hätte – Gleichgültig ob positiv oder negativ - beides wäre prinzipiell möglich.
Objektiv feststellen zumindest kann man, dass Wirbeltiere ein bestimmtes (zwischen den Gattungen natürlich auch sehr unterschiedliches) Aufzuchtverhalten zu bevorzugen scheinen und nicht viele verschiedene Entwürfe, gleichberechtigt nebeneinander bestehen. Was auch immer die Gründe dafür sein mögen.


Das weite Spektrum aller Wirbeltiere (!) vermag ich nicht auf einmal zu überblicken. Sie meinen Säugetiere, oder? (Nebenbei: "Die Natur" als Quelle der Moral würde ich lieber mit Vorsicht konsultieren...) Eine Antwort auf das Argument, wonach (wenn überhaupt) nur die heterosexuelle Ehe die Wohlfahrt des Kindes gewährleiste, sollte folgende Aspekte berücksichtigen:

(1) Die heterosexuelle Ehe tut dies ja leider bei weitem nicht immer. Auch dort geht vieles schief. Und dort, also bei verschiedengeschlechtlichen Ehen, scheint das gelungene Aufwachsen von Kindern doch auch nicht an der Verschiedengeschlechtlichkeit der Eltern festgemacht zu werden. Ich habe jedenfalls noch nie jemanden sagen hören: Unser Torben-Niklas ist so wohlgeraten, weil meine Frau und ich untenrum nicht gleich aussehen und eine hormonell oder sozial unterschiedliche Prägung haben. Sehen Sie mir die blumigen Worte nach, aber diese Geschlechtermetaphysik habe ich noch nie einen intelligenten Menschen ernsthaft vertreten hören, es sei denn, es geht gegen die Homos, dann passt es gut rein. Das wird nicht zuletzt der Individualität beider Eltern nicht gerecht. Hier wird ein Maßstab herangezogen, der genau so gewählt ist, dass gleichgeschlechtliche Paare von vornherein daran scheitern müssen, während er unscharf genug ist, damit Fälle faktischen Scheiterns heterosexueller Kinderaufzucht nicht sofort zu seiner Infragestellung führen.

(2) Der etwas schiefe Rekurs auf ein vermeintlich gefährdetes Kindswohl ist ein eher deutsches Spezifikum der Debatte. In den USA, zum Beispiel, entzündet sich viel mehr Streit an der Definition dessen, was "marriage" ist (weil sozialer Status nicht so sehr am Kinder-Haben zu hängen scheint, vermute ich), weniger an der Rolle, die Kinder in solchen marriages neuen Typs spielen könnten. In Deutschland scheint man weniger an der Definition zu knabbern, sondern baut inzwischen die Kinder als Verteidigungslinie und malt aufgeregterweise Horrorszenarien von durch Schwulen verdorbene Kinder an die Wand auf.

(3) Vollends subjektiv: Ich kann wirklich nur für mich sprechen, aber ich würde nicht viele meiner Fähigkeiten oder meiner Eigenschaften als Person irgendwie in eine direkte Beziehung zu meinem Geschlecht als Mann setzen (wie wohl ich Ihnen mit der Beobachtung entgegenkomme, dass es durchaus Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Temperament und Neigungen zu geben scheint, mit genügend Ausnahmen, die die Regel bestätigen). Ich glaube, da stehen eher die Heteros unter dem starken Eindruck einer nicht immer ganz aufgeklärten Tradition, die zur Festigung ihrer sozialen Muster und Rezepte (die ja so blöd gar nicht immer sind, zugegeben) mit viel und mehr oder minder subtilem Nachdruck uns zum Beispiel sagen möchte, was alles "typisch Mann" oder "typisch Frau" sei. Als Schwuler müssen Sie in Ihrem Leben so oder so die gängigen Rollenbilder in Frage stellen und blicken irgendwann gleichsam aus einer Außenperspektive auf gewisse Dinge, von der aus man dann die Rituale und Fixiertheiten so mancher stolzen Heteros eher mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt.

(4) Empirisch argumentiert: Vielleicht möchten Sie zum Beispiel einen Blick in den engl. Wikipedia-Artikel s.v. "LGBT parenting" werfen, wo sie im Detail den wissenschaftlichen Konsens zitiert finden, wonach Aufwachsen bei gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Eltern nicht zu signifikanten Unterschieden in der Kindesentwicklung führt, insbesondere was die Einnahme sozialer Rollen als Männer oder Frauen und die sexuelle Orientierung anbetrifft. Der Artikel spricht u.a. von etwas mehr als 270.000 Kindern, die im Jahr 2005 in den USA in same-sex households aufwuchsen. Es ist also auch nicht so, dass wir mit einer entsprechend liberalisierten Gesetzgebung Neuland betreten und ein Wagnis mit offenem Ausgang eingehen würden. Dieses Experiment haben wir längst gemacht - und es ist gut ausgegangen.


Beste Grüße

Flaccus

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

25.03.2014 11:47
#46 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat
Und dort, also bei verschiedengeschlechtlichen Ehen, scheint das gelungene Aufwachsen von Kindern doch auch nicht an der Verschiedengeschlechtlichkeit der Eltern festgemacht zu werden.


Natürlich nicht. Weil es für diese Eltern eine Selbstverständlichkeit ist, die nicht thematisiert werden muß, genauso wenig wie die Tatsache, daß Menschen zwei Beine haben.

Im übrigen bin ich der Ansicht, daß nicht gleichgestellt werden kann, was nicht gleich ist.

Soll jeder nach seiner Fasson leben, aber bitte die Kinder in Ruhe lassen - wenn er selbst eines zeugt, ist es seine Sache, aber er hat nicht das Recht auf ein Kind, von anderen gezeugt. Wenn man gleichgeschlechtlich leben will, ist man DEFINITIV unfruchtbar. Wieso wird das nicht akzeptiert? Wenn ein heterosexuelles Paar unfruchtbar ist und den Wunsch nach einem Kind hat, ist es eine Gnade, eines adoptieren zu dürfen. Aber das Kind hat das Recht auf die (potentiell) beste Situation, und sollte nicht mit der zweitbesten vorliebnehmen müssen.

Sehr lesenswert: Bernhard Lassahn: Die Ehe stirbt an vergiftetem Obstsalat. (Falls ich schon einmal darauf hingewiesen haben sollte, bitte ich mir das nachzusehen.)

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

25.03.2014 11:58
#47 Westerwelle Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #39
Eine Rückkehr auf die politische Bühne scheint Schnee von gestern.

Das will er wohl auch gar nicht:
http://www.westerwelle-foundation.com/

Prospero Offline



Beiträge: 66

25.03.2014 12:01
#48 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von alteseuropa im Beitrag #46
Aber das Kind hat das Recht auf die (potentiell) beste Situation, und sollte nicht mit der zweitbesten vorliebnehmen müssen.

Und eine homosexuelle Partnerschaft ist diese "zweitbeste" Situation?

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

25.03.2014 12:04
#49 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Flaccus,

mein Versuch Ihnen zu Antworten, meine unklar formulierten Aussagen zu präzisieren:

Zitat

Zitat
Nach meinem Verständnis, werter Flaccus, vermischen Sie zwei Dinge:
„Gleiche Rechte haben“ und „Sich durch individuelle Entscheidung in gleichen Lebenssituationen wieder finden.“

Diese Aussage verstehe ich leider nicht.


Ich meine damit den Unterschied zwischen Gleichheit in den Anfangsbedingungen und Gleichheit im Endzustand.
Nach meiner persönlichen Überzeugung hat das Streben nach Gleicheit nur etwas in den Anfangsbedingungen zu suchen. Gleichheit über den Endzustand zu definieren wäre in meinen Augen antiliberal und in höchstem Maße ungerecht.
Daher ist in meinen Augen die Argumentation nicht zulässig zu sagen es herrsche Ungleichheit, weil für zwei Menschen (unter gleichem geltenden Recht) zwei unterschiedliche Lebensumstände entstehen.
Lassen Sie mich ein möglicherweise etwas aus dem Zusammenhang gerissenes Beispiel bringen. Auf einer Autobahn gilt Tempo 100. Ich fahre gerne schnell, es gibt mir ein tolles Lebensgefühl – Ich darf es aber nicht. Mein Onkel tuckert gerne mit 80 auf der Autobahn, um Sprit zu sparen. Ihm gibt das ein tolles Lebensgefühl. Ist das fehlende Gleichberechtigung vor dem Gesetz, weil mein Onkel unter geltendem Recht Spaß haben kann und ich nicht?
Ich persönlich sage: „Nein.“ Auch wenn ich Tempolimits an vielen Stellen für völlig unsinnig halte.

Zu den Punkt, inwieweit es dem Staat (der Gemeinschaft) erlaubt sein sollte Regelungen auszusprechen (also Eheeinschränkungen, Tempolimits oder was auch immer), lassen Sie mich später etwas sagen. An dieser Stelle würde es meine Gedankengänge vermischen und unklar machen. Und es ist in meinen Augen wichtig sie zu trennen, um Klarheit zu bekommen.


Zitat
Wenn Sie denjenigen Menschen heiraten möchten, den Sie lieben, dann haben Sie dieses Recht, wenn ich dies möchte, dann habe ich dieses Recht nicht.

Nein kann ich nicht.
Ich bin katholisch verheiratet und habe mich von meiner Frau getrennt. Ich kann meine jetzige Partnerin, die ich liebe, nicht katholisch heiraten. Ich kann aber sehr wohl mit ihr zusammenleben, wie ich es für richtig erachte. Und ich bin mit diesem Leben sehr glücklich – auch wenn ich in der Religion zu der ich mich bekenne gewissermaßen „geächtet“ bin. Das gleiche Glück können Sie sehr wohl auch mit dem Menschen den sie lieben haben und keiner hindert Sie daran.

Nun mögen Sie anmerken, ich vermenge „Staat“ und „Kirche“. Das ist zwar richtig aber ich möchte auf folgendes hinaus:
Sie haben die Freiheit mit dem Menschen das selbstbestimmte Leben zu führen, welches Sie wollen. Wie viel freier wollen Sie sein? Mir ist ehrlich gesagt nicht klar, warum es eine Beschränkung der Freiheit ist, das Zusammenleben nicht staatlich beglaubigt "Ehe" nennen zu dürfen (Sie können zu ihrem Liebsten zuhause den ganzen Tag "Mein lieber Ehemann." sagen. Mache ich mit meiner Frau auch, also nicht Ehemann - und nebenbei bemerkt geben sie ja selbst zu bedenken, dass unser Steuerercht an nahezu allen Stellen ungerecht ist. Da ist also die "steuerliche Ungerechtigkeit der Ehe" im Zweifel nur eine kleine von vielen.


Lassen Sie mich das bitte weiter ausführen:

Zitat

Zitat
Man kann sicherlich geteilter Meinung darüber sein, ob heterosexuelle Lebensgemeinschaften eine steuerliche Begünstigung durch den Staat erfahren sollten.

Die urliberale Antwort lautete wohl: sollten sie nicht.


Die urliberale Sicht ist ist wohl, dass der Staat die innere und äußere Sicherheit, bzw. die Unversehrtheit des Individuums zu garantieren hat und sonst nichts.
Für mich (auch wenn wir uns hier in einem sehr liberalen Forum befinden) ist es durchaus eine berechtigte Frage, ob diese „urliberale Sicht“ immer die sinnvollste ist. Das mag möglicherweise auch daran liegen, dass ich gewisse „reaktionäre Tendenzen“ im Sinne der Rückwärtsgewandheit besitze.
Aus diesem Grund kann ich zumindest nicht kategorisch ausschließen, dass eine Gemeinschaft (und als ihr Stellvertreter der Staat) Regeln über diese Grundlagen hinaus erlässt, um das Zusammenleben in einer gewissen Weise zu ordnen. Es muß dabei aber sichergestellt sein, dass diese Regeln für alle in gleichem Maße gelten.

Ganz sicher ist es ein schmaler Grat wo Eingriffe zulässig sind und vor allem wie granular sie sein dürfen. Da kann man stundenlang diskutieren.

Die Frage in „unserem Fall“ wäre also folgende:
Wenn eine Gemeinschaft (Gesellschaft, Staat) zu dem Schluß kommt, dass eine bestimmte Form der Lebensführung ihrer Mitglieder allen zuträglich ist, dürfte sie dann Regeln erlassen die diese Form der Lebensführung begünstigt?

Die Urliberale Antwort ist nein. Ich halte es (ohne festgelegt zu sein) aber zumindest für zulässig zu bezweifeln, ob die urliberale Antwort die sinnvollste ist. Das würde dann ein Streit zwischen liberalen und konservativen Kräften bedeuten, nicht aber zwischen „Gleichheit“ und „Ungleichheit“ vor dem Gesetz.
Ich glaube einfach unser Staat (die Gemeinschaft) will die klassische Familie als Grundlage seines Wohlstandes stärken. Ob seine Maßnahmen dazu die geeigneten sind, darüber läßt sich sicher streiten. Dass er damit ein Werturteil über Menschen fällt, sehe ich nicht.


Ich versuche jetzt einmal zuzuspitzen:

Zitat
Ich schwinge doch hier durchaus die Subjektivitätskeule und sage, dass der Staat blind sein muss gegenüber den Lebensentwürfen der Bürger und nicht deren Bedürfnisse oder Fähigkeiten in einer Nutzenhierarchie ordnen darf

Ich ersetze Staat durch Gemeinschaft und konstatiere, dass aus dieser Sicht folgt: Wenn die Gemeinschaft sähe, dass ihre Grundlagen in dem Maße erodieren dass ihr Fortbestand gefährdet ist, darf Sie nicht eingreifen. Das ist eine urliberale Sicht, aber nicht meine.


Zitat
Das ist auch so eine typisch deutsche Debatte, diese vermeintliche Unsicherheit in der eigenen Kultur. Natürlich reflektiert jeder Mensch auf die eigenen Identität und hat das Bedürfnis, diese zu definieren. Nur, dann tue man dies eben! Ich jedenfalls bin Deutscher und obendrein Schwabe, und hier am Neckar wohnen ja sowieso die besten Menschen überhaupt. Ich werde den Eindruck nicht los, die ganzen Debatten über Ausländer, europäische Identität, Schwule, Mütterrente, Veggie-Day und was es sonst noch alles gibt, sind ein Symptom für die tiefe Unsicherheit, die oftmals beide Seiten in den Debatten in ihrer eigenen deutschen Haut verspüren. Das versperrt dann den Blick für einfache ethische Einsichten und Leute wie Frau von Storch meinen dann, sie müssten u.a. auf meinem Rücken ihre Dämonen bekämpfen.


Ich kann sehr vielem hier zustimmen, möchte aber darauf hinweisen dass Ihre Einschätzung des Fräulein Storch sehr viel Unterstellung beinhaltet. Ich kann ihre Meinung sehr viel weniger emotional und sachlicher wahrnehmen – ohne zu wissen, ob ich damit recht habe. Ich weiß allerdings nicht, wie sinnvoll es ist jemandem zu unterstellen er würde auf meinem Rücken seine Dämonen bekämpfen. Sicher nicht sinnvoller als Wirklich zu verstehen suchen, was ihn umtreibt. Und da könnten vernünftige Gründe dabei sein.

Das mit der Identität meinte ich übrigens so, dass ohne starkes „ich“ und akzeptierte Identität ein Mensch immer ein „wandelndes Problem“ ist. Ich behaupte nicht, dass interkulturelle Kinder diese Problem notwendiger Weise haben müssen. Anfälliger für dieses Problem sind sie auf jeden Fall. Meine persönliche Erfahrung sagt: „Sehr viel anfälliger.“ Daraus kann man wenn man mag, durchaus vernünftige Argumente konstruieren.


Zitat
Die Natur" als Quelle der Moral würde ich lieber mit Vorsicht konsultieren

Ich habe niemals und werde niemals die Natur als Beispiel für eine Moral anführen. Moral ist ein gesellschaftliches Konstrukt, welches das Zusammenleben organisiert. Natur benötigt keine Moral, sie „arbeitet“ rein zweckorientiert. Und genau das war mein Punkt.
Ich glaube nicht, dass Ehe als Sonderstatus rein aus einer Moral heraus entstanden ist. Im Gegenteil, ich denke sie ist viel mehr zweckgebunden entstanden und die Moral wurde danach konstruiert. Das gesellschaftliche Konstrukt eben, das sicherstellt, dass der „richtige Zweck“ – die Erhaltung der Art - verfolgt wird. Die Erhaltung der eigenen Art, kann nicht an Maßstäben irgendeiner Ethik gemessen werden. Einen solchen Versuch würde ich bestenfalls dekadent nennen.

Bitte verstehen Sie das was ich jetzt schreibe nicht falsch. Es ist als wertfreie und (meine) subjektive Feststellung zu verstehen.

Zitat
…Ich glaube, da stehen eher die Heteros…

In meinem Privaten Umfeld befinden sich einige Menschen, die gleichgeschlechtliche Partner bevorzugen. Ich erwische mich niemals bei dem Gedanken, dass ich denke „ihr Homos“. Ob sie es glauben oder nicht, für mich ist das kein wesentliches Charakteristikum, welches das Individuum ausmacht. Ich nehme es gar nicht bewußt wahr. Und ich bin ziemlich sicher, dass das den meißten so geht. (zumindest kenne ich persönlich nicht einen Menschen, der da einen anderen Anschein erweckt)
Ich habe manchesmal den persönlichen Eindruck, dass auf die Unterscheidung Homo/Hetero von „Homo Seite“ weitaus mehr Augenmerk gerichtet wird als umgekehrt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Flaccus Offline



Beiträge: 31

27.03.2014 10:38
#50 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Nach meiner persönlichen Überzeugung hat das Streben nach Gleicheit nur etwas in den Anfangsbedingungen zu suchen. Gleichheit über den Endzustand zu definieren wäre in meinen Augen antiliberal und in höchstem Maße ungerecht.


Da bin ich völlig Ihrer Meinung!

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Daher ist in meinen Augen die Argumentation nicht zulässig zu sagen es herrsche Ungleichheit, weil für zwei Menschen (unter gleichem geltenden Recht) zwei unterschiedliche Lebensumstände entstehen.
Lassen Sie mich ein möglicherweise etwas aus dem Zusammenhang gerissenes Beispiel bringen. Auf einer Autobahn gilt Tempo 100. Ich fahre gerne schnell, es gibt mir ein tolles Lebensgefühl – Ich darf es aber nicht. Mein Onkel tuckert gerne mit 80 auf der Autobahn, um Sprit zu sparen. Ihm gibt das ein tolles Lebensgefühl. Ist das fehlende Gleichberechtigung vor dem Gesetz, weil mein Onkel unter geltendem Recht Spaß haben kann und ich nicht?
Ich persönlich sage: „Nein.“ Auch wenn ich Tempolimits an vielen Stellen für völlig unsinnig halte.


Dass Tempolimits an vielen Stellen völlig unsinnig sind, da kann ich Ihnen auch nur beiflichten. Beim Rest des Zitats muss ich widersprechen. Ihr Argument besteht also darin: Es herrscht in Wirklichkeit Gleichberechtigung, denn ein Schwuler, wenn er heiraten möchte, kann ja eine Frau heiraten (und einem Heterosexuellen ist es ja auch untersagt, einen Mann zu heiraten). So, wie auf der Autobahn an Stellen, wo man nur 80 fahren darf, eben alle gleichermaßen das "Recht" haben, 80 zu fahren - und nicht 100, obwohl einzelnen dies lieber wäre. Eine bessere Analogie als die Geschwindigkeitsbegrenzung wäre freilich gewesen, Linkshändern das Schreiben mit der linken Hand zu verbieten, und zwar mit der Begründung, wenn sie schreiben wollen, dann können sie ja die rechte Hand benutzen.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Zitat von Flaccus

Wenn Sie denjenigen Menschen heiraten möchten, den Sie lieben, dann haben Sie dieses Recht, wenn ich dies möchte, dann habe ich dieses Recht nicht.


Nein kann ich nicht. Ich bin katholisch verheiratet und habe mich von meiner Frau getrennt. Ich kann meine jetzige Partnerin, die ich liebe, nicht katholisch heiraten. [...] Nun mögen Sie anmerken, ich vermenge „Staat“ und „Kirche“. Das ist zwar richtig [...]



Sie sind ein angenehmer Diskussionspartner, da Sie die Gegenargumente gleich mitliefern. Es tut mir ehrlich leid für Sie, dass die private Gemeinschaft, der Sie angehören, eine in meinen Augen so unrealistische und empathiearme Einstellung pflegt. Aber, wie Sie selbst sagen: Zwischen der Mitgliedschaft in einer privaten Gemeinschaft einerseits und dem Staatsbürger-Sein andererseits besteht natürlich der entscheidende Unterschied, welcher die Analogie zwischen Verbot der (weltlichen) Eheschließung für homosexuelle Paare und katholischem (kirchlichem) Wiederverheiratungsverbot zunichte macht.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Wie viel freier wollen Sie sein?


Verzeihen Sie mir, aber die Frage ist furchtbar. Die Schranken meiner Freiheit sind allein die Freiheiten der anderen. Innerhalb dieser Schrank (und da bewegen wir uns in dieser Frage) darf es eine Einschränkung gemäß "Jetzt ist doch aber mal gut!" oder "Wozu denn noch mehr?" nicht geben. Wer entscheidet denn sonst, wie weit er geht, wenn nicht der Einzelne?

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Mir ist ehrlich gesagt nicht klar, warum es eine Beschränkung der Freiheit ist, das Zusammenleben nicht staatlich beglaubigt "Ehe" nennen zu dürfen


Darauf kann man gleich mehrere Dinge antworten:

1. aus liberaler Sicht: Es ist eine Beschränkung meiner Freiheit, weil es die Freiheit keines anderen tangierte, falls ich es dürfte. Ergo muss ich es dürfen. Zudem, innerhalb meiner Freiheit muss ich (aus liberaler Sicht) nicht einmal Gründe nennen, warum ich etwas tun möchte oder nicht (wem gegenüber denn auch?).

2. zu diesen Gründen: Wie würden Sie reagieren, wenn man Ihnen die Möglichkeit zur (weltlichen) Eheschließung nähme? Oder diese durch eine abgeleitete Zweite-Klasse-Version mit einem eher monströsen bürokratischen Namen ersetzte? Es ist mir nicht klar, wie man wie Sie die Ehe vermeintlich verteidigen und just bei dieser Verteidigung so wenig Bewusstsein dafür zeigen kann, was die Ehe für ein Paar und für "die Gesellschaft" bedeuten kann. Mir persönlich mag dieses Label auch wie eine Äußerlichkeit erscheinen, und es wäre töricht, den Wert und die Bedeutung meiner Partnerschaft daran aufzuhängen, da haben Sie Recht. Sie wissen aber auch, dass die Ehe eine soziale Institution ist, an der zwar unmittelbar nur die beiden Partner beteiligt sind, die aber mittelbar stark auf Dritte bzw. in die Gesellschaft hinein wirkt. Erlauben Sie mir an Ihren selbst bezeugten konservativen Sinn zu appellieren und Sie daran zu erinnern, was für ein Gut eine Ehe sein kann, wenn dadurch einer Partnerschaft der Segen der Gemeinschaft, in der sie eingebettet ist, vermittelt wird, und wenn umgekehrt diese Partnerschaft dadurch die Gemeinschaft stabilisiert. Es gibt genügend homosexuelle Paare, denen dieser nach außen gerichtete Aspekt der Ehe wichtig ist, und diesen Leuten mit falschen Argumenten die Eheschließung zu verwehren, das erscheint mir nicht nur herzlos, nein, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es die Ehe selbst beschädigt. Es macht aus einer der Inklusion und dem Zusammenhalt dienenden Institution eine zu verteidigende, altmodische Trutzburg, über die ein Haufen geltungsbedürftiger Krähen zu wachen scheint und jeden wegpickt, der Teilhabe möchte. Wenn man sich fragt, warum bei jüngeren Generationen die Ehe sich nicht mehr der früheren Beliebtheit erfreut, dann sollte man auch mal über diesen Punkt nachdenken.

3. Es geht ja vielen auch nicht explizit um die Ehe als solche, sondern um die Ehe als Mittel zu einer ersehnten Akzeptanz. Mir erscheint dieses Recht ein sehr natürlicher Schlusspunkt, wo man sagen kann: Wenn wir diesen erreicht haben, dann sind wir dort angekommen, wo wir hinwollten.

4. Aus Sicht einer Minderheit, die eine Geschichte der Verfolgung hinter sich hat, ist es verständlich, dass man versucht, zur eigenen Absicherung für die Zukunft starke Rechtstitel zu erwerben. Es gab nirgendwo in den zivilisierten Ländern, wo die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet wurde, den ernsthaften und hartnäckigen Versuch, dieses Rad zurückzudrehen. Einem Ehepaar seine (de jure) Ehe annullieren oder herabstufen zu wollen, so wenig Anstand hat dann doch zum Glück kaum einer.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

und nebenbei bemerkt geben sie ja selbst zu bedenken, dass unser Steuerercht an nahezu allen Stellen ungerecht ist. Da ist also die "steuerliche Ungerechtigkeit der Ehe" im Zweifel nur eine kleine von vielen.


Ein Unrecht wird nicht dadurch zu Recht, dass es daneben noch weiteres Unrecht gibt, oder?


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Für mich (auch wenn wir uns hier in einem sehr liberalen Forum befinden) ist es durchaus eine berechtigte Frage, ob diese „urliberale Sicht“ immer die sinnvollste ist. Das mag möglicherweise auch daran liegen, dass ich gewisse „reaktionäre Tendenzen“ im Sinne der Rückwärtsgewandheit besitze.
Aus diesem Grund kann ich zumindest nicht kategorisch ausschließen, dass eine Gemeinschaft (und als ihr Stellvertreter der Staat) Regeln über diese Grundlagen hinaus erlässt, um das Zusammenleben in einer gewissen Weise zu ordnen. Es muß dabei aber sichergestellt sein, dass diese Regeln für alle in gleichem Maße gelten.


Dass Sie so denken, tut mir leid, aber dagegen kann ich wohl kaum argumentieren und wir werden uns in dieser grundlegenden ethischen Frage eher uneins bleiben. Der letzte Satz dieses Zitats steht meiner Meinung nach freilich im Widerspruch zum Rest.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Wenn eine Gemeinschaft (Gesellschaft, Staat) zu dem Schluß kommt, dass eine bestimmte Form der Lebensführung ihrer Mitglieder allen zuträglich ist, dürfte sie dann Regeln erlassen die diese Form der Lebensführung begünstigt?


Inwiefern es mir und meinem Partner "zuträglich" ist, nicht heiraten zu dürfen, dieses Mysterium erschließt sich mir nicht. Ich habe weiter oben anzudeuten versucht, dass es obendrein dem Rest der Gesellschaft auch eher schaden dürfte. Welchen Nutzen es für alle Nicht-Homosexuellen stiftet, dass Homosexuelle nicht heiraten dürfen, das ist mir jedenfalls schleierhaft.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Ich glaube einfach unser Staat (die Gemeinschaft) will die klassische Familie als Grundlage seines Wohlstandes stärken. Ob seine Maßnahmen dazu die geeigneten sind, darüber läßt sich sicher streiten. Dass er damit ein Werturteil über Menschen fällt, sehe ich nicht.


Das verstehe ich leider auch nicht. Der Staat bevorzugt, was ihm vermeintlich am meisten nützt, aber tut dies nicht wertenderweise? Was bedeutet dann das Wort "werten" noch?

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Ich versuche jetzt einmal zuzuspitzen:

Zitat von Flaccus

Ich schwinge doch hier durchaus die Subjektivitätskeule und sage, dass der Staat blind sein muss gegenüber den Lebensentwürfen der Bürger und nicht deren Bedürfnisse oder Fähigkeiten in einer Nutzenhierarchie ordnen darf


Ich ersetze Staat durch Gemeinschaft und konstatiere, dass aus dieser Sicht folgt: Wenn die Gemeinschaft sähe, dass ihre Grundlagen in dem Maße erodieren dass ihr Fortbestand gefährdet ist, darf Sie nicht eingreifen. Das ist eine urliberale Sicht, aber nicht meine.



"Staaten" oder "Gemeinschaften" sind nach liberalem Credo in der Tat nicht Träger moralischer Rechte, nur Individuen. Unabhängig davon würde mich aber sehr interessieren, inwiefern eine Öffnung der Ehe die Grundlagen unserer Gemeinschaft "erodieren" ließe. Was heißt das denn?


Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Ich kann sehr vielem hier zustimmen, möchte aber darauf hinweisen dass Ihre Einschätzung des Fräulein Storch sehr viel Unterstellung beinhaltet. Ich kann ihre Meinung sehr viel weniger emotional und sachlicher wahrnehmen – ohne zu wissen, ob ich damit recht habe. Ich weiß allerdings nicht, wie sinnvoll es ist jemandem zu unterstellen er würde auf meinem Rücken seine Dämonen bekämpfen. Sicher nicht sinnvoller als Wirklich zu verstehen suchen, was ihn umtreibt. Und da könnten vernünftige Gründe dabei sein.


Ich habe mir weiter oben bereits erlaubt, Frau von Storchs Schreiben an Erzbischof Zollitsch zu verlinken. Ansonsten verweise ich auf die den Internetauftritt der "Initiative Familienschutz", hinter der die Zivile Koalition e.V. (Vorstand Beatrix und Sven von Storch) steht. Ohne das Fass dieses leidigen Bildungsplans aufmachen zu wollen: diese selbsternannten Familienschützer neigen durchaus zu der einen oder anderen Entstellung, und die Art und Weise, wie sie die Dinge entstellen und eine allmächtige "Schwulen-Lobby" an die Wand malen, lässt mich eben auf jene "Dämonen" schließen, die ich andeutete. Frau von Storch ist das Beispiel für ein Milieu, das Homosexuelle einerseits und Ehe & Familie andererseits begrifflich auseinanderdividieren möchte und es so darstellt, als ob die Rechte der ersteren einen Schaden für letztere bedeuteten. Zumal, es gibt unter uns Homosexuellen natürlich auch Ehepaare (wenn auch nicht de jure) und manchmal sogar Familien.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

[...] ich denke [die Ehe] ist viel mehr zweckgebunden entstanden und die Moral wurde danach konstruiert. Das gesellschaftliche Konstrukt eben, das sicherstellt, dass der „richtige Zweck“ – die Erhaltung der Art - verfolgt wird. Die Erhaltung der eigenen Art, kann nicht an Maßstäben irgendeiner Ethik gemessen werden. Einen solchen Versuch würde ich bestenfalls dekadent nennen.


Dass früher die exklusive Verbindung von staatsbürgerlicher Mündigkeit, Heirat und Kinderaufzucht viel Sinn ergab, das will ich gar nicht bestreiten. Nur sind wir in der westlichen Welt nicht nur in dieser Hinsicht nach Linderung der ärgsten Überlebensnöte in eine Phase eingetreten, wo wir getragen von unserem materiellen Wohlstand (so wir ihn denn nicht verschleudern oder durch unsere Sozialismusaffinität zunichte machen ) uns "dekadent" der Selbstverwirklichung anheim geben und Luxusprojektchen wie die Homo-Ehe durchführen können. Die Art sehe ich nicht gefährdet; dieses tapfere, unermüdliche Unkraut, das sich Menschheit nennt, ist nicht klein zu kriegen, beißt sich halt doch irgendwie immer durch und scheint sich ja auch langsam und unter vielen selbstverschuldeten Rückschlägen mit einer stoischen Beharrlichkeit emporzuarbeiten. Lieber nachdenken_schmerzt_nicht, sehen Sie doch nicht so sehr die Dekadenz in den Dingen und richten Sie Ihre Augen lieber auf den expandierenden Wohlstand der Menschheit und auf die wunderbare Möglichkeit, darauf vermeintliche Luftschlösser wie die Homo-Ehe errichten zu können.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht

Ich habe manchesmal den persönlichen Eindruck, dass auf die Unterscheidung Homo/Hetero von „Homo Seite“ weitaus mehr Augenmerk gerichtet wird als umgekehrt.


Das ist ganz normal. Die Minderheit bleibt halt immer zu einem gewissen Grad fremd in einer Welt, deren Ausgestaltung durch die Mehrheit erfolgt. Es ist halt im Großen und Ganzen Euer Universum, sozusagen. Und die Default-Unterstellung ist eben "hetero". Aber keine Angst, das wollen wir nicht auch noch ändern, wir sind ja tolerant.

Beste Grüße

Flaccus

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