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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 72 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

27.03.2014 19:35
#51 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #50
Sie wissen aber auch, dass die Ehe eine soziale Institution ist, an der zwar unmittelbar nur die beiden Partner beteiligt sind, die aber mittelbar stark auf Dritte bzw. in die Gesellschaft hinein wirkt. Erlauben Sie mir an Ihren selbst bezeugten konservativen Sinn zu appellieren und Sie daran zu erinnern, was für ein Gut eine Ehe sein kann, wenn dadurch einer Partnerschaft der Segen der Gemeinschaft, in der sie eingebettet ist, vermittelt wird, und wenn umgekehrt diese Partnerschaft dadurch die Gemeinschaft stabilisiert.


An dieser Stelle möchte ich einhaken, lieber Flaccus. Die Ehe wirkt doch nur auf Dritte bzw. in die Gesellschaft hinein, weil sie vom Gesetz gegenüber anderen Modellen des Zusammelebens privilegiert wird. Stabilisierend würde eine Ehe auf die Gemeinschaft wohl dann wirken, wenn wir ein rigides Scheidungsrecht hätten. Aber dies würde wohl die aus der Weltliteratur hinlänglich bekannten Ehegefängnisse reproduzieren (oder Menschen von der Eheschließung abschrecken). Unser liberales Scheidungsrecht ist zwar für den Einzelnen, der eine Ehe beenden will, von Vorteil, der stabilisierenden Wirkung der Ehe auf die Gesellschaft ist es jedoch ziemlich abträglich.

Ich denke, man muss sich hier entscheiden: Wenn man will, dass die Ehe so eine Art Basis-Institution der Gesellschaft ist, dann müsste man die Lösungsmöglichkeiten drastisch reduzieren, also auf Fälle beschränken, in denen die Fortführung der Ehe wirklich unzumutbar ist. Möchte man hingegen zwei Menschen ein Zusammenlebensmodell in Form eines - verzeihen Sie den Mangel an Romantik - typisierten Dauerschuldverhältnisses zur Verfügung stellen, dann opfert man die Stabilisierungswirkung, denn es wäre ja kaum zu rechtfertigen, diese zwei Menschen an den einmal von ihnen geschlossenen Vertrag zu binden, auch wenn sie diesen einvernehmlich auflösen wollen.

Der von der derzeitigen Rechtslage unternommene Versuch, zwischen diesen beiden Polen auszugleichen, ist meines Erachtens zum Scheitern verurteilt - was sich auch in der Realität der Institution Ehe widerspiegelt. Ich meine damit wohlgemerkt nicht das gesellschaftliche Idealbild einer lebenslangen, in guten wie in schlechten Tagen haltenden Partnerschaft zwischen zwei Menschen, sondern die Wirklichkeit mit Scheidungsquoten, die irgendwo zwischen 33 und 50 Prozent liegen und Paaren, die ihr Zusammenleben nur deshalb auf die Basis der Ehe stellen, weil es sich bei ihnen wirtschaftlich lohnt.

Zitat
Es geht ja vielen auch nicht explizit um die Ehe als solche, sondern um die Ehe als Mittel zu einer ersehnten Akzeptanz.



Meiner Ansicht nach sind nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften nicht weniger akzeptiert als die Ehe (das war vor wenigen Jahrzehnten noch nicht so). Und der Nimbus der Ehe leidet meines Erachtens an den oben geschilderten Umständen.
Dem Argument, dass man aus Gleichheitsgründen Homosexuellen die Ehe nicht verwehren darf, verschließe ich mich nicht. Im Gegenteil: Ich halte es für zutreffend. Aber wenn man vorträgt, das Upgrade der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Homo-Ehe diene der Akzeptanz von Homosexuellen/Homosexualität, dann liegt dem meines Erachtens das angesichts der geltenden Rechtslage unrealistische Idealbild der Ehe und eine den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechende Einschätzung einer sozialen Differenzierung zwischen der Ehe und nichtehelichen Lebensgemeinschaften zugrunde.
Vielleicht irritiert mich auch, dass hier mit m.E. fragwürdigen Argumenten gegen die m.E. fragwürdigen konservativen Argumente der Gegner der Homo-Ehe argumentiert wird.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

27.03.2014 21:56
#52 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Werter Flaccus,

Zitat
Sie sind ein angenehmer Diskussionspartner, da Sie die Gegenargumente gleich mitliefern.

Ist der Sinn einer Diskussion also demnach am Ende Recht zu behalten? Dann würden wir uns möglicherweise in dieser Ansicht unterscheiden. Unter dieser Prämisse verstehe ich aber zumindest ihre Antworten besser.

Zitat
Unabhängig davon würde mich aber sehr interessieren, inwiefern eine Öffnung der Ehe die Grundlagen unserer Gemeinschaft "erodieren" ließe. Was heißt das denn?

Das zum Beispiel habe ich nie behauptet. Wenn Sie erinnern war ihr Standpunkt (zumindest habe ich ihn so verstanden), dass für homosexuelle Menschen nicht gleiches Recht in Deutschland gilt. Ich wollte veranschaulichen, warum man das aus meiner Sicht möglicherweise auch anders sehen kann (nicht muss). Sie tun das nicht, trotzdem wollte ich ihnen den Gedankengang erläutern. Möglicherweise dumm von mir.

Zitat
Dass Sie so denken, tut mir leid

Danke für ihr Mitgefühl. Auch wenn ich mich dadurch ebenfalls nicht akzeptiert fühle.

Zitat
Aber keine Angst, das wollen wir nicht auch noch ändern, wir sind ja tolerant.

Eine sehr vieldeutige Formulierung, womöglich verstehe ich sie anders als sie gemeint war.
Über meine eigene Toleranz würde ich niemals selbst urteilen wollen. Für irgendeine Gruppe, derer ich mich zugehörig fühle und über deren Gesamtheit an Idividuen ich erschreckend wenig weiß, schon gar nicht. Insofern haben Sie mir Orientierung gegeben, wenn Sie (als ein toleranter Mensch) Toleranz nicht für meine Stärke zu halten scheinen und das dabei sogar ausgesprochen höflich formuliert.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

28.03.2014 03:09
#53 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Flaccus,

ich will gar nicht im Einzelnen auf jeden Punkt eingehen, aber zwei Gedanken erscheinen mir noch nicht gefallen zu sein:

1. Sie fordern Toleranz. Aber auch ihre Toleranz hat Grenzen, nämlich da, wo es darum geht anderer Leute Moralverständnis zu respektieren. Es gibt Menschen, die halten den Begriff Ehe für heilig, in der christlichen Kirche, und man sollte nicht vergessen, dass offiziell mehr als die Hälfte der Deutschen immernoch Christen sind, ist eine Ehe ein Sakrament von Mann und Frau. Wenn Sie diesen Begriff für sich einfordern, dann treten Sie diesen Leuten auf die Füsse, man könnte auch sagen, Sie negieren deren Werte. Sehr tolerant ist das nicht, jedenfalls nicht da, wo es um ein Wort und um einen Wert geht. Wenn Sie durch das Rechtsinstitut der Lebenspartnerbeschaft benachteiligt sind, dann könnte man darüber reden. Aber anderen ihr Sakrament nehmen zu wollen ist kein Schritt zu mehr Toleranz sondern zu weniger, denn alles was passiert ist eine Entwertung des Begriffes für alle. Sie werden nicht mehr respektiert, Sie zerstören lediglich die Begrifflichkeit. Warum kann man sich keinen eigenen Begriff suchen ? Ich für meinen Teil bin bewusst nicht verheiratet. Weil ich diesen ganzen gesellschaftlichen Popanz, den Sie so möchten, rundheraus ablehne. Ich spreche von meiner Gefährtin oder von meiner Frau (beides keine Begriffe mit denen jemand ein Problem hat, auch wenns manchmal für Verwirrung sorgt). Dazu brauche ich kein Stück Papier oder eine staatliche Genehmigung. Wenn Sie von ihrem Mann sprechen wollen, dann tun Sie es doch einfach. Aber warum müssen Sie es Ehe nennen ?

2. Ich möchte Ihnen nichts unterstellen, aber wenn ich diese Diskussion sonst erlebe, dann gehts am Ende immer nur um eins: Geld. Nahezu alle "Vorteile" der Ehe, wie beispielsweise Bestimmungsrecht im Krankenhaus, was gerne zitiert wird, kann man privat problemlos haben. Im Lebenspartnerschaftsgesetz ist alles enthalten. Alles ? Nein. Alles nicht, eine Ausnahme ist drin: Die Steuer. Und darum gehts meistens. Und ich stimme überhaupt nicht zu, dass eine Erweiterung des Splittings auf Lebenspartnerschaften eine zweitbeste Lösung darstellt. Es stellt überhaupt keine Lösung dar, sondern das Gegenteil. Das Splitting ist ein Überbleibsel aus einer Zeit in der nahezu alle Ehen Kinder bekommen haben und Frauen vielfach nicht gearbeitet haben. Beides ist überholt, das Splitting ist schlicht überholt. Nur kriegen wir es kaum abgeschafft, weil vielzuviele davon profitieren, selbst in einem liberalen Forum kann man sich die Finger an dem Thema wundschreiben (Sein schafft eben Bewusstsein). Wenn das jetzt noch erweitert wird, dann wirds nur zementiert. D.h. ein schlechter Zustand wird noch vergrössert. Das kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Ich sehe auch den moralischen Anspruch nicht: Es gibt keine Gleichheit im Unrecht. Wenn etwas falsch läuft oder falsch konstruiert ist, dann sollte man es nicht so umkonstruieren, dass noch andere Gruppen den Vorteil ziehen können. Wir können gerne gemeinsam dafür antreten das der Staat sich aus Beziehung raushält. Aber die Vergrösserung von Vorteilen einzelner Gruppen sehe ich nicht nur neutral, ich halte sie für weit schlimmer als den Jetzt-Zustand.

Flaccus Offline



Beiträge: 31

28.03.2014 08:18
#54 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Noricus,

danke für Ihren Kommentar. Ich glaube, Sie sprechen einen berechtigten Punkt an.

Zitat von Noricus

An dieser Stelle möchte ich einhaken, lieber Flaccus. Die Ehe wirkt doch nur auf Dritte bzw. in die Gesellschaft hinein, weil sie vom Gesetz gegenüber anderen Modellen des Zusammelebens privilegiert wird. Stabilisierend würde eine Ehe auf die Gemeinschaft wohl dann wirken, wenn wir ein rigides Scheidungsrecht hätten. Aber dies würde wohl die aus der Weltliteratur hinlänglich bekannten Ehegefängnisse reproduzieren (oder Menschen von der Eheschließung abschrecken). Unser liberales Scheidungsrecht ist zwar für den Einzelnen, der eine Ehe beenden will, von Vorteil, der stabilisierenden Wirkung der Ehe auf die Gesellschaft ist es jedoch ziemlich abträglich.


An eine Stabilisierung in dem Sinne, dass man sich mit einer Eheschließung in eine bestimmte Lebenssituation begibt, auf die man dann formalrechtlich festgelegt ist und schwer nur herauskommt, habe ich nicht gedacht. Mir ging es nicht um eine durch die Ehe bewirkte Stabilisierung der Gesellschaft im juristischen, sondern im sozialen Sinne. Eine Stabilisierung, die alleine von der hohen Wertschätzung kommt, die die Ehe in unserer Gesellschaft ja noch immer hat. Vielleicht muss ich einschränken und sagen: eine Stabilisierung, die von der hohen Wertschätzung kommt, die die Ehe in dem Milieu hat, aus welchem ich stamme (das manche etwas schief mit "bürgerlich" beschreiben) und in das ich sie natürlicherweise eingebettet sehe. Und zwar meine ich das folgendermaßen (sehen Sie das folgende bitte als mein bürgerliches Coming Out ): die unausgesprochene "Theorie" der Ehe, wie ich sie aus der Perspektive zum Beispiel meiner Familie sehe, geht von einer besonderen Würdigung der Paarbeziehung als Verantworts- und Fürsorgebeziehung aus. Die Ehe ist das äußere Zeichen, in einer solchen Beziehung zu stehen, und die den Eheleuten nahestehenden Menschen drücken mit ihrer (natürlich nicht rechtlich zu verstehenden) Zustimmung zur Ehe ihre wohlwollende Akzeptanz dieser konkreten Beziehung aus (früher hätte man gesagt: ihren "Segen"). In diesem Sinne signalisieren Eheleute durch die Eheschließung der Gemeinschaft, in der sie leben (womit eine viel kleinere Teilmenge der großen, anonymen Gesellschaft gemeint ist), dass sie deren Werte teilen und repräsentieren, und die Gemeinschaft erkennt dies an. Welches Geschlecht die beiden Eheleute haben, erscheint mir bei der so verstandenen Ehe völlig egal. Ich bin selbstredend gegen jeden Versuch, diese Ehevorstellung anders als im Sinne einer persönlichen moralischen Verpflichtung zu interpretieren.

(Wenn man in diesem Forum kommentiert, stellt man sich manchmal vor dem Abschicken eines Posts die Frage: Willst Du das jetzt wirklich so in den Äther hinauslassen? Der letzte, gar sehr besinnliche Absatz fällt wohl in diese Kategorie. )

Zitat von Noricus

Ich meine damit wohlgemerkt nicht das gesellschaftliche Idealbild einer lebenslangen, in guten wie in schlechten Tagen haltenden Partnerschaft zwischen zwei Menschen, sondern die Wirklichkeit mit Scheidungsquoten, die irgendwo zwischen 33 und 50 Prozent liegen und Paaren, die ihr Zusammenleben nur deshalb auf die Basis der Ehe stellen, weil es sich bei ihnen wirtschaftlich lohnt.


Vielleicht war ich auch einfach etwas vorschnell und habe dieses von mir geteilte Idealbild anstelle der Wirklichkeit gesetzt, und mein Argument verliert seine Berechtigung dadurch, dass ein nicht unerheblicher Teil der geschlossenen Ehen dieses Idealbild eben nicht verwirklichen. Ein Kollege von mir, der demnächst heiratet, hat uns bei der Verkündung seiner Heiratspläne gleich im nächsten Satz gesagt, er habe den heiratsbedingten Steuervorteil für sich durchkalkuliert und sei zum dem Schluss gekommen, dass er, wenn er soviel an Steuern spart, seine Lebensgefährtin, mit der er zusammenlebt, ja auch heiraten kann. Ich muss zugeben, diese Haltung lässt mich ein wenig fremdeln. Die Assoziation "Steuernsparen" wäre mir beim Thema Heiraten vermutlich gar nicht gekommen. Aber die Eltern dieses Kollegen sind halt auch "links", was will man also erwarten? Ich muss Ihnen Recht geben, lieber Noricus, viele scheinen die Ehe als vorteilhaftes rechtliches Rahmenkonstrukt für die Zeit der Dauer der Partnerschaft zu sehen, das jedoch mit dem Ende der Beziehung dann eben seine Funktion verliert und gelöst werden kann. Ich bin sehr dafür, dass sich daran rechtlich auch nichts ändert, betrachte diesen Blick auf die Ehe aber mit Skepsis und wollte ihn für mich nicht übernehmen. In einer so verstandenen Ehe, das gebe ich zu, wird die von mir angedachte Stabilitätwirkung wohl nicht erreicht.

Zitat von Noricus

Meiner Ansicht nach sind nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften nicht weniger akzeptiert als die Ehe (das war vor wenigen Jahrzehnten noch nicht so).


Wie gesagt, in dem Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, sieht man das eher nicht so. Unter Bekannten und Kollegen ist das anders. Es kommt halt drauf an, wie die Partnerschaft selbst ist, würde ich sagen. Dort, wo sie "stimmt", würde ich persönlich das Vorhandensein eines Trauscheines natürlich auch nicht für wesentlich erachten, muss aber sagen, dass mir selbst nicht immer ganz klar ist, warum man dann auf den Trauschein verzichtet.

Zitat von Noricus

Und der Nimbus der Ehe leidet meines Erachtens an den oben geschilderten Umständen. Dem Argument, dass man aus Gleichheitsgründen Homosexuellen die Ehe nicht verwehren darf, verschließe ich mich nicht. Im Gegenteil: Ich halte es für zutreffend. Aber wenn man vorträgt, das Upgrade der eingetragenen Lebenspartnerschaft zur Homo-Ehe diene der Akzeptanz von Homosexuellen/Homosexualität, dann liegt dem meines Erachtens das angesichts der geltenden Rechtslage unrealistische Idealbild der Ehe und eine den heutigen Verhältnissen nicht mehr entsprechende Einschätzung einer sozialen Differenzierung zwischen der Ehe und nichtehelichen Lebensgemeinschaften zugrunde.
Vielleicht irritiert mich auch, dass hier mit m.E. fragwürdigen Argumenten gegen die m.E. fragwürdigen konservativen Argumente der Gegner der Homo-Ehe argumentiert wird.


Ja, dieses von mir vorgebrachte Argument mag in der Tat empirisch fragwürdig sein. Sehen Sie es als den gutmeinten Versuch, meinem Kritiker nachdenken_schmerzt_nicht zu signalisieren, dass ich hier ja eigentlich just seine Wertvorstellung hochhalte (vermute ich zumindest), er aber meiner Meinung nach Leuten wie Frau von Storch auf den Leim geht, die mit ihrer üblen Rhetorik der Ehe schadet und aus Sicht eines die Ehe in meinem Sinne Wertschätzenden falsch liegt. Frau von Storch tut damit nicht nur den Homosexuellen Unrecht, sie tut eben auch der Ehe Unrecht.

Beste Grüße

Flaccus

Flaccus Offline



Beiträge: 31

28.03.2014 08:26
#55 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

ich bin ein wenig überrascht, dass Sie so verschnupft reagieren und ich Ihnen offenbar auf die Füße getreten bin. Ich dachte eigentlich, ich hätte (von kleinen Spitzen abgesehen ) zwar hart, aber zur Sache diskutiert. Schieben Sie's auf meine Unerfahrenheit mit der Kommunikation in Internetforen; ich habe ein schlechtes Gefühl dafür, was wie rüberkommt, sodass meine diskussionsfreudige und vielleicht mit zu viel nur im direkten Gespräch ersichtlichem Humor durchsetzte Art erscheint, als hegte ich schlechte Absichten. Falls Sie sich beleidigt fühlen, dann bitte ich jedenfalls um Entschuldigung.


Herzlich

Flaccus

Flaccus Offline



Beiträge: 31

28.03.2014 08:57
#56 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Llarian,

nochmals danke für Ihren Beitrag. Zwei kurze, nicht böse gemeinte Kommentare (siehe bitte meine kurze Note an nachdenken_schmerzt_nicht):

1. Laut dt. Wikipedia, s.v. Religionen in Deutschland, beträgt die Gesamtzahl der Christen in Deutschland ca. 62%. Die engl. Wikipedia, s.v. Recognition of same-sex unions in Germany, zitiert mehrere allesamt im Jahr 2013 durchgeführte Umfragen, wonach zwischen 2/3 und 3/4 aller Deutschen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare befürworten, jeweils mit Mehrheiten auch unter den Anhängern der Union, soweit ich das überblicke. Die von mir vertretene Position ist also gegenwärtig in Deutschland mehrheitsfähig, und es muss eine breite Überschneidung zwischen Christen und Befürwortern der gleichgeschlechtlichen Ehe geben. Insofern sind, glaube ich, "die Hälfte der Deutschen", wie Sie schreiben, eher keine guten Zeugen gegen meine Auffassung.

Sicherlich könnten sich bestimmte Christen durch meine Forderung zu wenig "respektiert" fühlen. Nur bin ich mir nicht sicher, ob die staatliche Zivilehe dieselbe ist wie jenes Sakrament, an dessen Exklusivität solche Christen festhalten wollen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin ganz dafür, dass private Gemeinschaften ihre eigenen Regeln festlegen und insbesondere meinen Ehemann () und mich von zumindest manchen ihrer Sakramente ausschließen dürfen. Es muss selbstverständlich gewährleistet sein, dass die freie Glaubensausübung solcher Gemeinschaften auch dort sichergestellt ist, wo sie Unterschiede machen wollen, die der Staat nicht machen darf. Ich "negiere" deren Werte also mitnichten, sage nur, dass diese Regeln im weltlichen Bereich ihre Gültigkeit nicht besitzen können (in einem Rechtsstaat zumindest). Diese hier angedachte Form von "Respekt" riecht doch ein bisserl arg nach demjenigen Respekt, den nicht aufzubringen zum Beispiel Kurt Westergaard kritisiert wurde. Auf diese Grundlage wollen wir unser Zusammenleben doch nicht stellen.

Wie meinerseits die optimale Kommunikationsstrategie wäre, um auch diese Christen von der Richtigkeit meiner Position zu überzeugen, das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich frage mich aber, ob es nicht besser wäre, sich mit der Überzeugungsarbeit nicht auf die noch unentschlossenen und weniger dogmatischen Leute am gemäßigten Rand des Spektrums meiner Kritiker zu konzentrieren.

2. Um Steuervorteile geht's mir doch gar nicht, wie bereits in meiner Antwort an Noricus geschrieben. Übrigens, die eingetragene Lebenspartnerschaft hat durch ein BVerfG-Urteil vom Juni 2013 bereits das Ehegattensplitting. Und wenn's darum geht, dieses abzuschaffen, bin ich sowieso sofort bei Ihnen. Den Grundsatz "Es gibt keine Gleichheit im Unrecht" sehe ich dagegen skeptischer.

Beste Grüße

Flaccus

Solus Offline



Beiträge: 384

28.03.2014 11:15
#57 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #56
Ich "negiere" deren Werte also mitnichten, sage nur, dass diese Regeln im weltlichen Bereich ihre Gültigkeit nicht besitzen können (in einem Rechtsstaat zumindest).

In einem säkularen Staat jedenfalls nicht. Was mir hier auch mit die Krux der Sache zu sein scheint.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

28.03.2014 12:50
#58 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Werter Flaccus,

Zitat
ich bin ein wenig überrascht, dass Sie so verschnupft reagieren und ich Ihnen offenbar auf die Füße getreten bin. Ich dachte eigentlich, ich hätte (von kleinen Spitzen abgesehen

Warum sind Spitzen (auch kleine) notwendig? Es erweckt beim mir den Eindruck, dass sie damit werten. Dazu Zweierlei.
1) Ich persönlich schätze das wertende Element in einer Diskussion nicht.
2) Wenn mich jemand persönlich wertet und dieses Utreil negativ ist, finde ich das nicht höflich, auch wenn es eben so formuliert ist. Da ich nur ein Mensch bin kann ich mich nunmal der Wirkung solcher Werturteile nicht vollständig entziehen.

Zitat
Sehen Sie es als den gutmeinten Versuch, meinem Kritiker nachdenken_schmerzt_nicht zu signalisieren, dass ich hier ja eigentlich just seine Wertvorstellung hochhalte (vermute ich zumindest), er aber meiner Meinung nach Leuten wie Frau von Storch auf den Leim geht

Wenn ich diesen Satz lese erscheint mir, dass sie Menschen (zumindest mich an dieser Stelle) kategorisieren, in Werteschubladen ablegen und entsprechend argumentieren. Ich habe nirgendwo geschrieben, dass ich Frau Storchs Ansichten teile. Um ganz präzise zu sein: Ausser dem was hier in der Diskussion dazu steht, weiß ich garnichts von ihr. (Also dass Sie wohl gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ist, weil das anscheinend ihren persönlichen Werten widerspricht.)
Darüber hinaus ist die Frage ob homosexuelle Paare Zugang zur Ehe haben sollen, eine Frage zu der ich mir den Luxus erlaube keine Meinung zu haben. Weil sie mich nicht wirklich interessiert, weil ich mich nicht bertroffen fühle und weil ich der Überzeugung bin, das nicht jeder zu allem eine Meinung braucht.

Um es noch einmal zu sagen:
Ich erwiderte auf ihren Einwurf in Deutschland gelte nicht gleiches Recht für alle und habe versucht auszuführen, warum man das auch anders sehen kann. Ich wollte Ihnen erläutern, warum man aus meiner Sicht die Sache mindestens aus zwei zulässigen Blickwinkeln betrachten kann. Und damit erscheint es mir notgedrungen, dass man Frau Storch (nachem was ich dieser Diskussion hier entnommen habe) auch wohlwollender interpretieren kann, als Sie das tun. Das sagt rein garnichts über meine persönliche Position aus.
Meine Position ist, wenn man denn eine daraus machen möchte, dass man auch in der Kategorisierung von Frau Storch (die man in dem Artikel findet) einen Stereotypen erkennen kann. Nur werden bestimmte Stereotype in unserer Gesellschaft nicht so genannt (bzw. erkannt), weil der Common Sense sie (über moralische Argumente) längst zu einer Wahrheit erhoben hat.

Ich nehme desweiteren wahr, dass Sie mir gleichsam eine persönliche Position unterstellen die ich nicht besitze und drauf hin sogar, sehr höflich, aber trotzdem ein negatives Werturteil fällen.... "ich gehe auf den Leim" eine unhöfliche Formulierung wäre, "meine intellektuelle Kapazität reicht nicht dazu aus, richtig und falsch zu trennen oder ich leide an einer ethischen dysfunktion." Für mich drückt das zumindest keine wirkliche Toleranz gegenüber einer von Ihrer eigenen Meinung abweichenden aus. Zu Toleranz gehört für mich fundamental der Respekt vor "anders denkenden", den ich in einer Formulierung wie "geht auf den Leim", völlig gleich ob sie auf mich zutrifft oder nicht, nicht erkennen kann.

Diese Art und Weise der Diskussionführung mag ich persönlich nicht, was ich unter anderem in einem meiner Gastbeiträge versucht habe zu erläutern.

Ihre Entschuldigung, von der ich nicht glaube dass Sie notwendig war, akzeptiere ich natürlich. Nicht notwendig übrigens deswegen, weil Ihre dargelegten Ansichten forenregelkonform und überaus höflich formuliert sind. Dass es mir nicht gefällt.... ja mei.... was mir alles nicht gefällt.....


Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

29.03.2014 12:06
#59 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #56
nochmals danke für Ihren Beitrag. Zwei kurze, nicht böse gemeinte Kommentare (siehe bitte meine kurze Note an nachdenken_schmerzt_nicht)

Keine Sorge, lieber Flaccus, ich nehme das ganz sicher nicht böse. Wir haben hier einen Unterschied: Mich betrifft es nicht, insofern habe ich da keine emotionalen Anteile. Ich betrachte die Ehe als staatliche Institution ohnehin als total entwertet, so sehr, dass ich selber trotz aller Vorteile die der Staat dafür gewährt (alleine bei mir wären es inzwischen zwischen 30000 und 50000 Euro netto, die ich gespart hätte) bisher keinen Grund gesehen habe mir eine "staatliche Erlaubnis" zu holen mit meiner Partnerin das Leben zu verbringen. Es ist gerade dieses öffentliche, dass viele für so wichtig halten, dass mich total abstösst. Insofern: Für mich eine intelektuelle Debatte, keine persönliche. (Von der Steuer abgesehen.)

Zu 1: Wenn ich spontan auf die Strasse gehe und eine Umfrage mache, ob der Bedarf von Dihydrogenmonxid nicht dringend reglementiert und eingeschränkt werden muss, dann werde ich dafür mit aller Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit erhalten (übrigens nicht meine Idee, den Jux haben sich schon Leute gemacht). Ebenso würde ich Mehrheiten (oder zumindest viel Zustimmung) erhalten Managergehälter auf 200.000 Euro zu beschränken, den Strompreise für Bleihütten ("Dreckschleudern") auf 50 Cent zu setzen und, Klassiker, die Todesstrafe für Kinderschänder ins Gesetz zu schreiben. Umfragen sind schlicht Schall und Rauch, sie sind extrem davon abhängig wie gefragt wird und vor allem kostet es überhaupt nix heute so und morgen so zu sagen. Das Thema ist nicht ansatzweise reflektiert, die Leute sehen die Konsequenzen nicht. Wenn ich jemanden auf der Strasse frage "Wollen Sie, dass auch Homosexuelle heiraten können ?", dann kostet es den überhaupt nichts ja zu sagen. Er kann sich auch alles darunter vorstellen, von einer Lebenspartnerschaft bis zu einer selbstdefinierten Teezeremonie (schönen Gruss von Mick Jacker und Jerry Hall). Wenn der selbe Mann aber am Sonntag in der Kirche von seinem Pfarrer gefragt wird, ob das Sakrament der Ehe ein besonderes ist, worüber auch nur die Religionen entscheiden sollten, dann wird er dem genauso oft zustimmen. Vielleicht weil er es dann aus anderen Licht sieht. Vielleicht weil er es reflektiert hat. Vielleicht (!) auch, weil es ihm schnurzegal ist, was er in einer Umfrage in ein Mikrofon spricht.

Wer in einer Kirche ist, muss begrenzt damit leben, dass selbige auch ihre Regeln macht. Sonst muss er austreten. So lange ich Teil der Kirche bin, muss ich auch (etwas, was mir zur Zeit sehr, sehr schwer fällt, ist hier schon mal diskutiert worden) deren Meinung zu einem Grad mittragen.

Die alles entscheidende Frage ist wer definieren darf was eine Ehe ist. Und hier ist das Problem: Die Kirche definiert und der Staat will definieren. Beides geht aber nicht. Der Staat hätte gut daran getan einen eigenen Begriff zu finden. Hat er aber nicht. Sollte er aber, denn er ist der zweite. Insofern würde ein sauberer Kompromiss eher so aussehen, dass der Staat definierte, dass er nur eine Lebenspartnerschaft (oder wie er sein Konstrukt nennen will) für alle anerkennt und die Ehe denen überlässt, die darin noch einen Wert sehen. Nur, machen wir die Wette: Darum gehts ja gar nicht. Wir könnten das so machen und morgen würden diverse Verbände trotzdem die Ehe für Homosexuelle fordern. Weil es, zumindest meines Erachtens nach, nicht um Gleichstellung geht (die ist längst erreicht) sondern um den verzweifelten Ruf nach Akzeptanz (nicht Toleranz) durch die gesamte Bevölkerung, inklusive Kirche. Ich kenne durchaus einige Homosexuelle, denen es um Anerkennung geht, dass ihr "Ehe" die selbe ist wie die "Ehe" wie zwischen zwei Heteros. Das ist aber nicht der Fall. Und das wird auch durch gezielte Begriffsverwirrung nicht der Fall. Akzeptanz erzwingt man nicht durch die Hintertür der Begriffsdefinition.

Zitat
Diese hier angedachte Form von "Respekt" riecht doch ein bisserl arg nach demjenigen Respekt, den nicht aufzubringen zum Beispiel Kurt Westergaard kritisiert wurde.


Ich denke kritisieren darf man das schon. Man sollte jemanden nicht mit Mord drohen oder gar schlimmeres, aber die Kritik muss sich Westergaard schon gefallen lassen, genauso wie sich Terry Gilliam auch Kritik für das Leben des Brian anhören muss oder die Titanic für ihre Kruzifix-Klorollen. Natürlich sind das Respektlosigkeiten. Und natürlich darf man die kritisieren. Wenn ich einen Polen-Witz erzähle, dann ist das auch respektlos. Eine Respektlosigkeit für deren Freiheit ich eintrete, aber die durchaus kritisiert werden darf.
Das man heute gegenüber der Kirche oder Gläunigen zunehmend respeklos auftritt ist fast schon common-sense. Nun gibt es bis auf ein paar Relikte keinen echten Gesetze, die diesen Respekt erzwingen. Man muss einen Gläubigen nicht respektieren für das was er glaubt. Aber man bekommt irgendwann ein argumentatives Problem, wenn man für sich selber Toleranz (was dem Respekt nicht fern liegt) oder gar Akzeptanz einfordert, aber selber keinen aufbringt. Nicht dass man nicht inkonsequent sein darf.

Zitat
Den Grundsatz "Es gibt keine Gleichheit im Unrecht" sehe ich dagegen skeptischer.


Der ist aus gutem Grund ziemlich fest verankert. Versuchen Sie sich mal das Strafrecht vorzustellen ohne diesen.

[EDIT: Falsches Wort Sakrileg gegen richtiges getauscht. Danke für den Hinweis.]

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

29.03.2014 20:59
#60 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #54
Vielleicht muss ich einschränken und sagen: eine Stabilisierung, die von der hohen Wertschätzung kommt, die die Ehe in dem Milieu hat, aus welchem ich stamme (das manche etwas schief mit "bürgerlich" beschreiben) und in das ich sie natürlicherweise eingebettet sehe. Und zwar meine ich das folgendermaßen (sehen Sie das folgende bitte als mein bürgerliches Coming Out ): die unausgesprochene "Theorie" der Ehe, wie ich sie aus der Perspektive zum Beispiel meiner Familie sehe, geht von einer besonderen Würdigung der Paarbeziehung als Verantworts- und Fürsorgebeziehung aus. Die Ehe ist das äußere Zeichen, in einer solchen Beziehung zu stehen, und die den Eheleuten nahestehenden Menschen drücken mit ihrer (natürlich nicht rechtlich zu verstehenden) Zustimmung zur Ehe ihre wohlwollende Akzeptanz dieser konkreten Beziehung aus (früher hätte man gesagt: ihren "Segen"). In diesem Sinne signalisieren Eheleute durch die Eheschließung der Gemeinschaft, in der sie leben (womit eine viel kleinere Teilmenge der großen, anonymen Gesellschaft gemeint ist), dass sie deren Werte teilen und repräsentieren, und die Gemeinschaft erkennt dies an.

Zitat von Noricus

Meiner Ansicht nach sind nichteheliche heterosexuelle Lebensgemeinschaften nicht weniger akzeptiert als die Ehe (das war vor wenigen Jahrzehnten noch nicht so).


Wie gesagt, in dem Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, sieht man das eher nicht so.



Könnte man dann nicht etwas provokant fragen (und ich hoffe, Sie empfinden das nicht als unhöflich, lieber Flaccus), dass Ihr Milieu gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften toleranter werden und diese nicht als defizitär ansehen sollte? Dies ist nämlich genau der Punkt, dessentwegen ich Ihren Ausführungen nicht folgen kann.

Wenn es ein zulässiges Argument für die Homo-Ehe ist, dass nach den Wertvorstellungen bestimmter gesellschaftlicher Kreise allein die Ehe der akzeptierte Ausdruck einer stabilen Paarbeziehung ist, dann kann man sich meines Erachtens nicht wirklich gegen das Argument stellen, dass nach dem ethischen Empfinden gewisser anderer Milieus nur eine Verbindung verschiedengeschlechtlicher Partner eine Ehe sein kann.

Anders formuliert: Wenn die Gesellschaft oder eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe nur dann bereit ist, homosexuelle Partnerschaften zu akzeptieren, wenn diese in der Form der Ehe gelebt werden (und "Ehe" heißen), dann ist das m.E. kein Argument für die Homo-Ehe, sondern vielmehr eines gegen die entsprechende Wertvorstellung der Gesellschaft/gesellschaftlichen Gruppe.

Zitat
Es kommt halt drauf an, wie die Partnerschaft selbst ist, würde ich sagen. Dort, wo sie "stimmt", würde ich persönlich das Vorhandensein eines Trauscheines natürlich auch nicht für wesentlich erachten, muss aber sagen, dass mir selbst nicht immer ganz klar ist, warum man dann auf den Trauschein verzichtet.



Das könnte zum einen damit zu tun haben, dass man sein Privatleben nicht vor dem Staat offenbaren möchte; zum anderen damit, ggf. nicht einer ruinösen Scheidung ausgeliefert zu sein. Hauptgrund dürfte aber der Bedeutungsverlust der Ehe sein, der m.E. - wie gesagt - von der Liberalisierung des Scheidungsrechts kommt. Und dieser Bedeutungsverlust ist nicht nur ein rechtlicher, sondern auch ein sozialer: Die Ehe ist für die meisten Menschen ein Lebensmodell neben (und nicht über) anderen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

29.03.2014 23:31
#61 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #59
Es ist gerade dieses öffentliche, dass viele für so wichtig halten, dass mich total abstösst. Insofern: Für mich eine intelektuelle Debatte, keine persönliche. (Von der Steuer abgesehen.)

Für mich ist es eine intellektuelle Debatte die Ehe in Verbindung mit dem Staat zu bringen und sich deshalb zu einer eingegangenen Partnerschaft nicht öffentlich bekennen zu wollen.
Eheleute haben nicht den Staat im Kopf wenn sie heiraten, das tun hauptsächlich jene, die, warum auch immer, begründen müssen, warum sie nicht heiraten wollen.
Denn das öffentliche Bekenntnis ist keine altmodische Marotte oder eine überholte Tradition, dessen tieferen Sinn kaum noch jemand erkennt und das wie diese Tradition selbst, längst vom Zeitgeist überholt wurde.
Das öffentliche Bekenntnis ist unverzichtbarer Teil einer monogamischen Lebensweise als Gesellschaftsnorm und eine sehr wichtige Voraussetzung für eine zivilisierte Lebensweise der Gesellschaft insgesamt. Es ist eine Nachricht an die anderen Mitgliedern der Gesellschaft, dass zwei Menschen für einander da sein wollen und die Suche nach einem Partner beendet haben - und selbst nicht mehr gesucht werden wollen.
So die Idee aus meiner Sicht.
Das kann natürlich auch alles ohne öffentliches Bekenntnis durchgeführt werden. Aber dann fehlt einfach das Risiko des öffentlichen Scheiterns.
Die Ehe ist m.E. vor allem etwas für Mutige. Für Menschen die bereit sind, etwas zu riskieren und ein Teil ihrer Freiheit für die Liebe zu opfern - öffentlich, so dass sie auch daran gemessen werden können. Auch in moralischer Hinsicht ist das aller Ehren wert.

Unter diesem Aspekt kann ich den Wunsch homosexueller Paare gut verstehen, die Institution der Ehe auch für sich zu ermöglichen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Flaccus Offline



Beiträge: 31

30.03.2014 20:19
#62 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Llarian,

danke für den pfiffigen Beitrag.

Zitat von Llarian

Ich betrachte die Ehe als staatliche Institution ohnehin als total entwertet, [...]


Zum Schmunzeln: Der Schwule scheint unter den Debattanten die höchste Wertschätzung für die Ehe zu hegen.

Zitat von Llarian

Es ist gerade dieses öffentliche, dass viele für so wichtig halten, dass mich total abstösst.


Dass Öffentliches und Partnerschaft per se so etwas wie Gegenpole sind, da sind wir uns, glaube ich, recht einig. Warum ich dennoch für die (Zivil-)Ehe für Schwule und Lesben eintrete, wird hoffentlich im Folgenden nochmals klarer.

Zitat von Llarian

Wenn ich spontan auf die Strasse gehe und eine Umfrage mache, ob der Bedarf von Dihydrogenmonxid nicht dringend reglementiert und eingeschränkt werden muss, dann werde ich dafür mit aller Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit erhalten (übrigens nicht meine Idee, den Jux haben sich schon Leute gemacht).


Andersrum wird ein Schuh draus, lieber Llarian: Hätten Sie vor, sagen wir, 30 Jahren den gemeinen Mann auf der Straße nach seiner Zustimmung zur Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare gefragt, dann hätte er reagiert wie auf einen vermeintlich gefährlichen chemischen Kampfstoff oder ein Umweltgift: Nein, klingt suspekt, wollen wir nicht, wo kämen wir denn hin?! Heute, 30 Jahre später, ist der gemeine Mann aufgeklärter (er weiß, um im Bilde zu bleiben, dass es sich doch bloß um Wasser handelt). Und schon äußert er das informierte und richtige Votum: Ja, Homo-Ehe, kein Problem, bitte schön!
Es ist ja gerade so, dass diese Bewusstseinsveränderung der Leute eben keine tumbe Bauchentscheidung wie die Todesstrafe für Kinderschänder ist, sondern, ich würde sagen, das Produkt eines allmählichen Bekanntwerdens mit einer zuvor ängstlich gemiedenen Thematik. Das ist kein Schnappschuss, das ist der greifbare Erfolg von Aufklärung.

Zitat von Llarian

Das Thema ist nicht ansatzweise reflektiert, die Leute sehen die Konsequenzen nicht.


Es gibt keine "Konsequenzen". Die Homos freut's, den Heteros ist's mehr oder minder wurscht. Und wenn's die eigenen homosexuellen Kinder, Verwandten, Freunde, Gemeindemitglieder sind, die da jetzt heiraten dürfen, dann ist das doch auch schön für die Heteros. Das war ja gerade der Aufhänger dieses ganzen Threads: Wo sind denn die empirisch nachweisbaren negativen Konsequenzen der Eheöffnung? Heutzutage wird man einen solchen Nachweis vergeblich zu führen versuchen.

Zitat von Llarian

bis zu einer selbstdefinierten Teezeremonie (schönen Gruss von Mick Jacker und Jerry Hall)


Ich fürchte, mein Wissen über die einstigen Jugendidole meines Vaters und deren private Exzentrizitäten reicht nicht weit genug, um diese Ihre Bemerkung zu kapieren.

Zitat von Llarian

Wenn der selbe Mann aber am Sonntag in der Kirche von seinem Pfarrer gefragt wird, ob das Sakrileg der Ehe ein besonderes ist, worüber auch nur die Religionen entscheiden sollten, dann wird er dem genauso oft zustimmen.


Da kommen Sie aber mal in einen evangelischen Gottesdienst. Mag sein, dass die Schäfchen zustimmen würden, aber wenn sich herausstellte, dass damit Front gegen Schwule gemacht wird, würde das politisch bewusste und rot-grün-lastige Kirchenvolk dem Pfarrer prompt den Marsch blasen, in bester Tradition selbstbewusster protestantischer Frömmigkeit.

Zitat von Llarian

Der Staat hätte gut daran getan einen eigenen Begriff zu finden. Hat er aber nicht. Sollte er aber, denn er ist der zweite.


Ja, vermutlich hätte er einen eigenen Begriff finden sollen, hätte er dem Konflikt aus dem Weg gehen wollen. Ob er aber wirklich der zweite ist, das zu untersuchen führte uns nun weit in den Nebel der Historie zurück. Freilich ist das Deutsche Reich Bismarcks mit seiner Einführung der Zivilehe erst nach dem Christentum mit dessen Ehe gekommen, aber inwiefern es nicht doch ein Staat (das Römische Reich?) war, das vor dem Christentum die Ehe für sich monopolisiert hatte (wo es zunächst nicht die eine Glaubensgemeinschaft in unserem Teil der Welt gab, die die Ehe in der Hand hatte), das vermag ich nicht zu entscheiden. Faktisch jedenfalls sind die Ehe im Standesamt und die Ehe vor dem Altar längst zwei unterschiedliche Dinge (was ja auch das Personenstandsrecht in Deutschland reflektiert). Eigentlich müssten die Kirche doch bereits bei der verschiedengeschlechtlichen standesamtlichen Ehe darauf pochen, dass diese nicht "Ehe" heißen dürfe, dann die Ehe gehört ja ihnen und sie waren zuerst da.

Zitat von Llarian

Insofern würde ein sauberer Kompromiss eher so aussehen, dass der Staat definierte, dass er nur eine Lebenspartnerschaft (oder wie er sein Konstrukt nennen will) für alle anerkennt und die Ehe denen überlässt, die darin noch einen Wert sehen.


Die Ehe also zum Beispiel mir überließe?

Zitat von Llarian

Nur, machen wir die Wette: Darum gehts ja gar nicht. Wir könnten das so machen und morgen würden diverse Verbände trotzdem die Ehe für Homosexuelle fordern.


Mag sein, aber diese diversen Verbände hätten dann halt anders als im Moment nicht Recht.

Zitat von Llarian

Weil es, zumindest meines Erachtens nach, nicht um Gleichstellung geht (die ist längst erreicht) sondern um den verzweifelten Ruf nach Akzeptanz (nicht Toleranz) durch die gesamte Bevölkerung, inklusive Kirche. Ich kenne durchaus einige Homosexuelle, denen es um Anerkennung geht, dass ihr "Ehe" die selbe ist wie die "Ehe" wie zwischen zwei Heteros. Das ist aber nicht der Fall. Und das wird auch durch gezielte Begriffsverwirrung nicht der Fall. Akzeptanz erzwingt man nicht durch die Hintertür der Begriffsdefinition.


1. Worum es jeweils einzelnen Paaren oder Individuen geht, das müssen wir denen überlassen.
2. OK, ob die Gleichstellung nun erreicht ist oder nicht und ob die "Ehe" zwischen Partnern desselben oder verschiedenen Geschlechts dasselbe ist, darüber könnten wir fröhlich weiterdiskutieren und kämen auf keinen grünen Zweig.
3. Akzeptanz ist ein Motiv (kein schlechtes), ein anderes, nicht zu unterschätzendes, ist Sicherheit: Vergessen Sie nicht, dass jeder Homosexuelle die Geschichte der Verfolgung kennt, die hinter uns liegt. Je stärker die Rechtstitel sind, die wir jetzt erwerben, desto sicherer können wir uns in Zukunft wähnen, denken zumindest viele (darunter ich). Die Logik ist doch klar: Wer jemals wieder verfolgen will, der wird sich nicht gegen die "eingetragene Lebenspartnerschaft" stellen müssen (die bloß ein einfaches Gesetz ist), sondern gegen den Grundrechtstitel "Ehe" (und deren Tradition). In den USA, wo die Debatte richtigerweise viel mehr als eine Debatte um Grundrechte geführt wird, wissen die Gegner der Gleichstellung: So, wie man den Schwarzen so schnell nicht wieder das Wahlrecht wegnehmen kann, kann man den Homos nicht wieder ihre Bürgerrechte entziehen, wenn man sie ihnen erst einmal zugestanden hat.
4. Eine einmal bestehende Rechtslage kann auf die Einschätzung der Bevölkerung stark wirken. Das hat man z.B. seit 2001 bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft gesehen: Sobald es diese gibt, findet ein Umdenken in der Bevölkerung statt oder beschleunigt sich die Akzeptanz. Mit der Eheöffnung wird es nicht anders sein. Sobald diese da ist, wird es nicht mehr viele Jahre dauern, bis den semantischen Einwand, eine Ehe sei per Definition nur zwischen Mann und Frau, fast niemand mehr versteht. Insofern kann man, Ihren Punkt aufgreifend, durch die Hintertür der Begriffsdefinitionen Akzeptanz durchaus erzwingen (wobei ich neutraler "bewirken" schreiben würde, denn eine Situation à la "Und akzeptierest Du mich nicht, so brauch' ich Gewalt" gibt es ja nun auch nicht).

Zitat von Llarian

Aber man bekommt irgendwann ein argumentatives Problem, wenn man für sich selber Toleranz (was dem Respekt nicht fern liegt) oder gar Akzeptanz einfordert, aber selber keinen aufbringt. Nicht dass man nicht inkonsequent sein darf.


Ich verstehe unter Toleranz Gleichheit vor dem Gesetz (und "Bitte schlagt mich nachts in einer dunklen Gasse nicht zusammen, weil ich schwul bin!"). Diese dürfte ich fordern, auch wenn ich ein spitzzüngiger Religionsverächter wäre (was ich nicht bin). Das Argument "Ist doch klar, dass die den Schwulen Ihre Rechte nicht gewähren wollen, denn die Schwulen respektieren ja nicht deren Sakramente oder machen sich gar noch lustig drüber!" kann eine psychologische Erklärung für das Verhalten mancher Gegner der Gleichstellung sein, ist aber natürlich als moralisches oder gar juristisches Argument völlig untauglich. Inkonsequent wäre es erst, wenn ich selbst die Einschränkung der freien Religionsausübung z.B. der Frau von Storch forderte.

Zitat von Llarian

Zitat von Flaccus

Den Grundsatz "Es gibt keine Gleichheit im Unrecht" sehe ich dagegen skeptischer.


Der ist aus gutem Grund ziemlich fest verankert. Versuchen Sie sich mal das Strafrecht vorzustellen ohne diesen.



Touché. Dennoch: Dann kann doch nicht die Konsequenz sein, das bestehende Unrecht zu verteidigen. Dann muss man dafür sein, dieses auch noch zu beseitigen. Den ganzen Elan sehe ich aber ganz einseitig gegen die Gleichstellung eingesetzt, nicht aber für das hehre Projekt "Staat, raus aus dem Ehegeschäft!".

Beste Grüße

Flaccus

Flaccus Offline



Beiträge: 31

30.03.2014 20:25
#63 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Noricus,

ich darf das Hineingeraten des Stabilisierungsarguments in die Diskussion nochmals kurz rekapitulieren: nachdenken_schmerzt_nicht sprach von der Vorstellung, eine gleichgeschlechtliche Gemeinschaft könne man aus semantischen Gründen nicht "Ehe" nennen, denn eine solche sei nach Definition eben zwischen Mann und Frau. Mein Argument besteht nun darin überlegen, was denn eine Ehe ausmacht, und dann abzuprüfen, ob gleichgeschlechtliche Partnerschaften diese Kriterien erfüllen. Ich entgegnete nachdenken_schmerzt_nicht daher, dass eine wesentliche (vielleicht heutzutage die wichtigste?) Funktion der Ehe auch durch gleichgeschlechtliche Paare verwirklicht werden könne, nämlich die von mir (nach Ihrem Einhaken weiter erläuterte) soziale Stabilisierung.

Ich sage zweierlei:

1. Die Ehe ist eine Verbindung, die durch die Verwirklichung bestimmter abstrakter Güter bestimmt (meinetwegen sogar: definiert) ist. Ich sprach von Verantwortung und Fürsorge und meinte, deren öffentliches Bekunden vor der sozialen Gemeinschaft, in der das Paar lebt, stabilisiere diese Gemeinschaft. (Dies ist natürlich nicht als vollständige Aufzählung aller Ehemerkmale gemeint.)

2. Die Wertschätzung der Ehe kommt (zumindest in bestimmten Kreisen) gerade davon, dass sie diese Güter verwirklicht.

Meine Frage an Sie lautet nun: Welches (abstrakte oder wie auch immer beschaffene) Gut wird denn dadurch verwirklicht, dass exklusiv Mann und Frau in der Ehe verbunden sind? Meinetwegen, man kann mit meiner unter Punkt 1. versuchten Definition der Ehe nicht einverstanden sein und sagen: Ehe bedeutet Mann und Frau, es geht nicht (nur) um die Verwirklichung abstrakter Werte, basta. Aber worauf gründet man dann noch die Wertschätzung der Ehe? Dient der Ausschluss gleichgeschlechtlicher Verbindungen an und für sich denn irgendeiner Sache von Wert? Oder geht es den Leuten, die in meiner unter 1. versuchten Definition die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner so sehr vermissen, bloß um semantischen Purismus? Diese Leute wären dann etwa das semantische Analogon zu den Orthographiezuchtmeistern, die ein Problem damit haben, dass man Schifffahrt jetzt mit drei -f- schreibt.

Gleichzeitig meinen Sie, lieber Noricus, die Ehe hätte ja ohnehin ihre Wert in der Bevölkerung eingebüßt. Falls dem so wäre, dann verstünde ich erst recht nicht, warum man etwas, das keinen besonderen Wert hat, gegen eine Definition, wie ich sie unter 1. vorschlage, verteidigen wollte.

Zitat von Noricus

Könnte man dann nicht etwas provokant fragen (und ich hoffe, Sie empfinden das nicht als unhöflich, lieber Flaccus), dass Ihr Milieu gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften toleranter werden und diese nicht als defizitär ansehen sollte? Dies ist nämlich genau der Punkt, dessentwegen ich Ihren Ausführungen nicht folgen kann.


Provokant fragen sollte man sogar, lieber Noricus. Das bringt die Dinge ja bloß auf den Punkt. Ich schätze die Diskussion in diesem Forum als Möglichkeit, meine Position auszutesten und mögliche Einwände kennenzulernen. Es wäre geradezu unhöflich, mir meine Fehler nicht zu nennen.

Dass meinem Milieu manchmal die Toleranz etwas abhanden kommt, das will ich nicht abstreiten. Dass allerdings nichteheliche Lebensgemeinschaften für defizitär gehalten werden, das habe ich freilich auch nicht gesagt. Ich sagte nur, der Akt des öffentlichen Bekenntnisses zu der Lebensgemeinschaft, den wir Eheschließung nennen, stiftet einen großen Nutzen. Ich käme nicht auf die Idee, Beziehungen ohne Trauschein als solche für weniger wert zu erachten. Ich meinte nur, dass durch eine formale Eheschließung zusätzlich ein nach außen gerichteter Wert entstehen kann. Und dass das Rechtsinstitut "Ehe" gerade auf Verwirklichung dieses Wertes angelegt ist. Deswegen auch meine Nachfrage, warum man in einer Partnerschaft, die "stimmt", nicht gleich heiratet. Man kann nun wie Sie darauf hinweisen, dass man andere Gründe für das Nicht-Eingehen dieses Schrittes haben kann, die durchaus triftig sein können. Intolerant gegen eine solche Entscheidung möchte ich auf gar keinen Fall erscheinen.

Beste Grüße

Flaccus, mit Dank auch an Erling Plaethe für seinen guten Beitrag

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

30.03.2014 21:09
#64 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #63


1. Die Ehe ist eine Verbindung, die durch die Verwirklichung bestimmter abstrakter Güter bestimmt (meinetwegen sogar: definiert) ist. Ich sprach von Verantwortung und Fürsorge und meinte, deren öffentliches Bekunden vor der sozialen Gemeinschaft, in der das Paar lebt, stabilisiere diese Gemeinschaft. (Dies ist natürlich nicht als vollständige Aufzählung aller Ehemerkmale gemeint.)

2. Die Wertschätzung der Ehe kommt (zumindest in bestimmten Kreisen) gerade davon, dass sie diese Güter verwirklicht.

Meine Frage an Sie lautet nun: Welches (abstrakte oder wie auch immer beschaffene) Gut wird denn dadurch verwirklicht, dass exklusiv Mann und Frau in der Ehe verbunden sind?


Meines Erachtens keines, lieber Flaccus. Wie gesagt, denke ich, dass es Gleichheitserwägungen nahelegen, auch die Homo-Ehe zuzulassen.

Ich sehe aber nach wie vor nicht, dass man die Übernahme von Fürsorge und Verantwortung füreinander nicht auch anders als durch die Eheschließung bekunden kann. Vielleicht darf ich das an einem Beispiel erläutern: In meinem Bekanntenkreis gibt es ein (heterosexuelles) Paar, das zuerst einmal in eine gemeinsame Wohnung gezogen ist, dann ein Kind bekommen und dann mal geheiratet hat. Alles in gebührendem zeitlichem Abstand zueinander. Spätestens als sie schwanger wurde, hatte ich den Eindruck, dass die es ernst meinen. Wie die Gemeinschaft, der ich angehöre, durch diese Eheschließung stabilisiert wurde, erschließt sich mir nicht. Nach welchem Modell die Leute aus meiner Entourage zusammenleben, hat meines Erachtens keine Auswirkungen auf mich. Für mich hat sich nichts geändert, außer dass meine Bekannte jetzt einen anderen Nachnamen hat. Destabilisierend wirkt hingegen eine Trennung (als Freund beider Partner sitzt man dann ja zwischen den Stühlen), und aufgrund des liberalen Scheidungsrechts bietet die Ehe dagegen ja auch keinen wirklichen Schutz mehr.

Vielleicht kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner, weil Ihr* Bild von der Ehe deutlich heller und kräftiger gemalt zu sein scheint als meines.

Zitat
Gleichzeitig meinen Sie, lieber Noricus, die Ehe hätte ja ohnehin ihre Wert in der Bevölkerung eingebüßt. Falls dem so wäre, dann verstünde ich erst recht nicht, warum man etwas, das keinen besonderen Wert hat, gegen eine Definition, wie ich sie unter 1. vorschlage, verteidigen wollte.



Lieber Flaccus, ich verteidige die Ehe ja überhaupt nicht. Und ich darf noch einmal auf das m.E. überzeugende Gleichheitsargument hinweisen. Aber Sie können jetzt vielleicht verstehen, warum ich subjektiv nicht nachvollziehen kann, dass es manchen Homosexuellen so wichtig ist, das (m.E. von einem Wertverlust betroffene) Institut der Ehe zur Verfügung zu haben.

* EDIT: Groß- statt irrtümlicher Kleinschreibung.

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

30.03.2014 21:11
#65 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat
Die alles entscheidende Frage ist wer definieren darf was eine Ehe ist. Und hier ist das Problem:


Eben nicht. Es ist kein Problem, weil jahrhundertelang, wenn nicht länger, unter Ehe die Verbindung zwischen Mann und Frau betrachtet wurde. Dieser Begriff ist für diese Verbindung gedacht - fern von jeder Wertung.

Zitat
Akzeptanz erzwingt man nicht durch die Hintertür der Begriffsdefinition.


Völlig richtig.

alteseuropa Offline



Beiträge: 259

30.03.2014 21:25
#66 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin ganz dafür, dass private Gemeinschaften ihre eigenen Regeln festlegen und insbesondere meinen Ehemann ()


Mit Verlaub, werter Flaccus, sollten wir uns jemals begegnen und Sie keine Frau sein und mir Ihren Lebenspartner/Geliebten/Partner/Freund als "Ehemann" vorstellen, müßte ich meine Heiterkeit aus Höflichkeit unterdrücken, wohingegen ich Sie, würden Sie einen der von mir genannten Begriffe benutzen (wahrscheinlich noch mehr Bezeichnungen möglich), selbstverständlich völlig neutral begrüßen würde.
Auch wenn es sicher immer Homosexuelle gegeben hat und sie sich entweder kurzzeitig Geliebte oder auch dauerhafte Partner gewählt haben, so sind sie doch sicher in unserer europäischen Kulturgeschichte nie auf die Idee gekommen, das als Ehe zu bezeichnen.
Was Sie möchten, ist, der Mehrheit den Begriff Ehe wegzunehmen und ihm eine neue Bedeutung zu geben. Ich halte das für Orwellschen Neusprech, wenn Dinge, die nicht gleich sind, gleich bezeichnet werden sollen.
Ein Stuhl wird niemals ein Tisch, auch wenn eine Minderheit möchte, daß man ihn so bezeichnet.
Wie jemand sein Privatleben gestaltet, ist mir übrigens völlig egal, und ein anderer Mitdiskutant schrieb ja auch schon, daß Sie Ihren Partner privat so nennen können, wie Sie wollen.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

30.03.2014 21:38
#67 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Flaccus im Beitrag #62
Andersrum wird ein Schuh draus, lieber Llarian: Hätten Sie vor, sagen wir, 30 Jahren den gemeinen Mann auf der Straße nach seiner Zustimmung zur Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare gefragt, dann hätte er reagiert wie auf einen vermeintlich gefährlichen chemischen Kampfstoff oder ein Umweltgift: Nein, klingt suspekt, wollen wir nicht, wo kämen wir denn hin?! Heute, 30 Jahre später, ist der gemeine Mann aufgeklärter (er weiß, um im Bilde zu bleiben, dass es sich doch bloß um Wasser handelt). Und schon äußert er das informierte und richtige Votum: Ja, Homo-Ehe, kein Problem, bitte schön!

Das richtige Votum? Dann war das also gar keine Meinungsumfrage, sondern eine Gesinnungsprüfung?
Das ist jetzt nicht völlig unernst gemeint. Da heute jemand, der von der Idee "Homo-Ehe" nicht überzeugt ist, leicht als homophob angesehen werden könnte und, was schwerer wiegt, möglicherweise selbst diesen Schluß ziehen würde, besteht eine starke Motivation, der "Homo-Ehe" in der Befragung zuzustimmen, nur um nicht als homophob zu gelten oder sich selbst dafür halten zu müssen. Konformismus ist eine starke Kraft, und insbesondere bei einem Thema, für das sie sich vielleicht nur am Rande interessieren, versuchen wohl viele einfach dem zu folgen, was sie für die Mehrheitsmeinung halten*. Deshalb ist eine Umfragemehrheit für die Eheschließung Homosexueller heute ebenso mit Vorsicht zu interpretieren wie früher eine Mehrheit dagegen (oder gegen Homosexualität allgemein).

(EDIT) * oder für das, was der Befrager nach ihrer Einschätzung am liebsten hören will

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

30.03.2014 21:43
#68 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Noricus, eine theoretische Frage:
Die Liebe geht mitunter seltsame Wege.
Gesetzt den Fall zwei Menschen lernen sich kennen. Der eine flirtet, weil er in einer festen Beziehung lebt und testen will, ob er (noch) attraktiv ist und der andere sucht eine(n) Partner(in).
Nach einer gewissen Zeit merkt der Suchende, dass der Flirtende in einer festen Verbindung lebt.
Gibt sich der Suchende nun mehr Mühe die Dinge zu seinen Gunsten zu verändern, wenn er weiß, dass der Flirtende nicht verheiratet ist oder wenn er weiß, dass er verheiratet ist?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Flaccus Offline



Beiträge: 31

31.03.2014 08:44
#69 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Noricus,

das "Stabilisierungsargument" ist von allen Argumenten, die ich hier in der Diskussion bisher gebracht habe, sicherlich mein schwächstes. Die Schwäche haben Sie auch richtig aufgedeckt: Ob das Argument zieht, das hängt von der der Ehe beigemessenen Wertigkeit ab, und diese wiederum ist sicherlich stark milieu- oder gruppenabhängig. Insofern, sehen Sie's bitte als einen bestimmt nicht für jedermann überzeugenden Versuch an, Leuten, deren Bild von der Ehe so hell und so kräftig gemalt ist wie das meine , klarzumachen, dass man gerade von ihrer eigenen Sichtweise her zu meiner Schlussfolgerung gelangt.

Es kommt für mein Argument erschwerend hinzu, dass 1. für mich ganz persönlich eine gewisse Reibung zwischen der Ehe als einem öffentlichen Gut und der Intimität einer Partnerschaft besteht und es 2. zugegebenermaßen etwas drollig wirkt, wenn eine Gruppe erwachsener Leute im übertragenen Sinne dahin sinkt und quasi flehentlich ruft: Bitte, wir brauchen Stabilisierung!

Insofern, zumindest im Gespräch mit Ihnen betrachte ich das Stabilisierungsargument als kassiert.

Zitat von Noricus

Wie gesagt, denke ich, dass es Gleichheitserwägungen nahelegen, auch die Homo-Ehe zuzulassen.



Das freut mich natürlich sehr.

Beste Grüße

Flaccus

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

31.03.2014 11:29
#70 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #67
Da heute jemand, der von der Idee "Homo-Ehe" nicht überzeugt ist, leicht als homophob angesehen werden könnte und, was schwerer wiegt, möglicherweise selbst diesen Schluß ziehen würde, besteht eine starke Motivation, der "Homo-Ehe" in der Befragung zuzustimmen, nur um nicht als homophob zu gelten oder sich selbst dafür halten zu müssen. Konformismus ist eine starke Kraft, und insbesondere bei einem Thema, für das sie sich vielleicht nur am Rande interessieren, versuchen wohl viele einfach dem zu folgen, was sie für die Mehrheitsmeinung halten
Dieser Punkt ist in meinen Augen sehr wesentlich und er ist letzten Endes auch das, an dem ich mich in der Diskussion hier am meisten reibe.

Zitat von Flaccus im Beitrag #62
Hätten Sie vor, sagen wir, 30 Jahren den gemeinen Mann auf der Straße nach seiner Zustimmung zur Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare gefragt, dann hätte er reagiert wie auf einen vermeintlich gefährlichen chemischen Kampfstoff oder ein Umweltgift: Nein, klingt suspekt, wollen wir nicht, wo kämen wir denn hin?! Heute, 30 Jahre später, ist der gemeine Mann aufgeklärter (er weiß, um im Bilde zu bleiben, dass es sich doch bloß um Wasser handelt). Und schon äußert er das informierte und richtige Votum: Ja, Homo-Ehe, kein Problem, bitte schön!
(fette Hervorhebungen durch mich)

Ich habe in meinem Gastbeitrag meine Gedanken über die Moral als Instrument in der politischen Debatte formuliert.
Ich glaube hier ein solches Beispiel moralischer Argumentation zu beobachten, das viele Menschen nicht (mehr) als solches wahrnehmen.
Das wertende (also moralische) Element in einer Diskussion dient letztendlich, wie Fluminist völlig richtig anmerkte, dem Erzeugen von Konformitätsdruck und ist somit nichts anderes als eine „Marketingwaffe“, um in einer Diskussion als Sieger hervorzugehen die nicht dazu dient tiefere Einsichten zu erhalten, sondern um als Meinungssieger den „Platz zu verlassen“. Ein Hinweis auf den moralischen Grundtenor sehe ich in den von mir fett gekennzeichneten Hervorhebungen im Zitat, die klar wertenden Charakter haben.

Die Befürwortung der Ehe für gleichgeschlechtlicher Paare ist aus meiner Sicht eben weder richtig, noch aufgeklärt. Sie ist eine Position, die sich sachlichen, inhaltlichen Argumenten stellen muß. In dieser dann kann es und soll es nicht das Ziel sein zu einem moralischen Werturteil zu kommen, sondern zu einem Modus Vivendi, der alle Positionen im Rahmen des Grundgesetzes und des Rechtsstaates befriedet.
Das Wort „richtig“ bezieht sich in obigem Zusammenhang auf „moralische Kategorien“ und in meine Augen kann es in moralischen Kategorien per definitionem kein „richtig“ oder „falsch“ geben, es sei den man erhebt Absolutheitsanspruch für eine bestimmte Moral - was in meinen Augen immer sehr gefährlich ist.
Um nicht falsch verstanden zu werden, nach dem Motto "anything goes": Abolutheitsanspruch von Moral kann zulässig sein in meinen Augen, nämlich wenn sich aus einer Moral „Handlungen“ induzieren, welche die Unversertheit des Individuums bzw. unser Grundgesetz verletzen, kann eine Moral die das nicht tut Absolutheitsanspruch gegenüber der anderen erheben. In meinen Augen ist das hier aber nicht der Fall.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich sage ausdrücklich nicht,
- dass alle Menschen, die die gleichgeschlechtliche Ehe ablehnen ohne Ressentiments sind.
- dass viele Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht genau auf dieselbe Weise in meinen Augen unzulässig argumentieren.
- dass durch die Feststellung „Die Befürwortung der Ehe für gleichgeschlechtlicher Paare ist aus meiner Sicht nicht (moralisch) richtig.“ ebendiese damit zwangsläufig implizit falsch ist. (Sie ist einfach ein wertneutraler Standpunkt.)

Lassen Sie mich folgende hypothetische Position eines Menschen formulieren, der gleichgeschlechtliche Partner bevorzugt:
„Ich lehne die gleichgeschlechtliche Ehe ab da ich sie als den Versuch sehe, einen Unterschied in Lebensentwürfen einzuebnen welcher mir persönlich wichtig ist.
Ich befürworte eine (analog der Ehe) Möglichkeit vor dem Staat (der Gemeinschaft) eine Bindung mit meinem Partner einzugehen, die uns juristisch und ökonomisch aneinander bindet und als Zeichen des „Ja zueinander“ nach außen verstanden wird.
Ich anerkenne die Ehe als Institution zwischen Mann und Frau. Ich anerkenne, dass der Staat (die Gemeinschaft) dieser Ehe ein besondere Rolle zukommen lässt, weil sie durch das Potential Kinder zu bekommen (und damit für den Erhalt der Gemeinschaft zu sorgen in der auch ich lebe), eine besondere Rolle spielt.

Ich hielte eine solche Position für sehr gut nachvollziehbar.

Definitiv gibt es Ressentiments in unserer Gesellschaft gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Aber das ist nichts Besonderes. Es gibt Ressentiments gegen Katholiken, gegen Linke, wie Rechte, gegen Liberale, gegen Hundebesitzer, gegen Raucher, Dummschwätzer wie mich, Bayernfans und viele andere Gruppen. Die wird es immer geben. Freiheit und Rechtsstaat bedeuten, dass diese Ressentiments nicht zu Handlungen (individuell, wie auch staatlich organisiert) führen, welche die Unversehrtheit des Individuums und seine Rechte nach dem Grundgesetz angreifen.

Etwas das ich glaube in Gesellschaften zu beobachten, ist übrigens der Umstand dass historisch "in Handlungen kultivierte Ressentiments", sobald sie überwunden werden, beginnen einen Gegepol zu entwickeln. Dieser Gegenpol ist so gemeint, dass sich diejenigen die über das ursprüngliche Ressentiment "freiheitsverletzende Handlungen" legitimierten, sich nun selbst einem in der Breite gepflegten Ressentiment ausgesetzt sehen. Aus meiner Sicht ist dies zum Beispiel ein wesentlicher Grund des derzeit schlechten öffentlichen Bildes der katholischen Kirche oder des "weißen, heterosexuellen Mannes".
Diese Erkenntnis ist nach meinem Dafürhalten auch eine starke Motivation dafür darauf zu achten, dass man selbst keine Ressentiments auslebt. Je weiter und stärker man das tut, wird es eine umso stärkere Gegenbewegung geben, sobald eine Gesellschaft diese Ressentiments überwindet.


In meinen Augen, werter Flaccus, ist Ihre Position eine sehr persönliche (auch wenn ich damit vielleicht falsch liege):
Sie wünschen sich eine von Ihnen wahrgenommen Bürgerlichkeit für Ihren persönlichen Lebensentwurf. Das ist überaus legitim. Es ist aber nicht Legitim eine wie auch immer geartete „Richtigkeit“ für diese Position abzuleiten. Sie gehen in meinen Augen dabei sehr „leichtfertig“ über Positionen hinweg, die die Ehe historisch abgeleitet als etwas völlig anderes sehen, als „nur ein offizielles Bekenntnis“ zueinander. Ehe ist in unserem Kulturkreis (zumindest für viele Menschen) etwas religiös motiviertes, das natürlich über die Säkularisierung auch in den Staat Eingang fand. Sie ist ebenfalls assoziiert mit Kindern und was Katholiken betrifft ist sie eines der sieben Sakramente, also eines der sieben sichtbaren Zeichen eines „handelnden Gottes“ auf Erden.
Damit ist nicht gesagt, dass diese Sicht der Ehe richtiger ist als Ihre. In meinen Augen ist sie aber nicht weniger legitim. Dass Sie darüber nach meinem Empfinden sehr leichtfertig hinweggehen, irritiert mich persönlich. Womöglich weil für mich auch das letztendlich ein Ressentiment ist. Ein Ressentiment gegen das Fühlen und Denken von Menschen, welches einem selbst fremd ist.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

31.03.2014 16:49
#71 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #68
Lieber Noricus, eine theoretische Frage:
Die Liebe geht mitunter seltsame Wege.
Gesetzt den Fall zwei Menschen lernen sich kennen. Der eine flirtet, weil er in einer festen Beziehung lebt und testen will, ob er (noch) attraktiv ist und der andere sucht eine(n) Partner(in).
Nach einer gewissen Zeit merkt der Suchende, dass der Flirtende in einer festen Verbindung lebt.
Gibt sich der Suchende nun mehr Mühe die Dinge zu seinen Gunsten zu verändern, wenn er weiß, dass der Flirtende nicht verheiratet ist oder wenn er weiß, dass er verheiratet ist?



Das kommt zweifellos darauf an, lieber Erling Plaethe, ob der Suchende der Ehe einen besonderen Wert zumisst. Wenn er das tut, dann wird die Entdeckung, dass der Flirtende vermählt ist, die Beziehungsambitionen wohl zumindest beeinträchtigen. Wer die Ehe nicht als etwas Besonderes ansieht, wird sich eher von anderen Parametern beeinflussen lassen, z.B. dem Vorhandensein von Kindern in der Beziehung des Flirtenden oder ob diese einen glücklichen Eindruck macht. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich denke, dass sich die meisten Suchenden bei einem unglücklich verheirateten Kinderlosen mehr Hoffnungen machen als bei einer/m in einer glücklichen Beziehung stehenden Mutter/Vater von vier Kindern.

Llarian Offline



Beiträge: 7.124

31.03.2014 22:42
#72 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Lieber Flaccus,

bitte verzeihen Sie mir, dass ich nicht auf alle Fäden eingehen kann, da fehlt mir einfach die Zeit zu. Deshalb betreite ich jetzt ein bischen Pickerei, ich würde auch gerne mehr schreiben, aber das artet irgendwann aus, zudem haben schon andere viele wichtige Punkte besser beschrieben als ich, die muss ich kaum aufgreifen.

Zitat
Zum Schmunzeln: Der Schwule scheint unter den Debattanten die höchste Wertschätzung für die Ehe zu hegen.


Das ist erstaunlicherweise oft so. Einige der konservativsten Menschen, die ich kennengelernt habe, waren schwul, was ziemlich dafür spricht, dass sexuelle Prägung eben doch unabhängig von gesellschaftlicher Meinung ist.

Zitat
Andersrum wird ein Schuh draus, lieber Llarian: Hätten Sie vor, sagen wir, 30 Jahren den gemeinen Mann auf der Straße nach seiner Zustimmung zur Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare gefragt, dann hätte er reagiert wie auf einen vermeintlich gefährlichen chemischen Kampfstoff oder ein Umweltgift:


Denkbar. Aber es wäre genausoviel wert gewesen. Mein Argument bezog sich darauf was solche Umfragen wert sind: Nix.

Zitat
Es ist ja gerade so, dass diese Bewusstseinsveränderung der Leute eben keine tumbe Bauchentscheidung wie die Todesstrafe für Kinderschänder ist, sondern, ich würde sagen, das Produkt eines allmählichen Bekanntwerdens mit einer zuvor ängstlich gemiedenen Thematik. Das ist kein Schnappschuss, das ist der greifbare Erfolg von Aufklärung.


Wohl eher eine von politischer Korrektheit. Ich wäre gerade bei solchen Themen sehr, sehr vorsichtig, was Veränderungen angeht, die man meint zu erkennen. Ich glaube zwar auch, dass die Stimmung heute eine andere ist, aber sie ist auch ängstlicher was öffentliche Meinung angeht. Wenn ich Ihnen heute offen sage, dass ich den ganzen CO2 Bullshit nicht mehr sehen kann und das im Wesentlichen für einen gigantischen Betrug halte, dann werde ich in grossen Gruppen damit geradezu gefährlich anecken. Obschon das meine Meinung ist. Was Menschen wirklich denken bekommen Sie so nicht raus. Und schon gar nicht heute.

Zitat
Es gibt keine "Konsequenzen".


Doch, die gibt es durchaus. Sie wollen Sie nur nicht sehen oder wahrhaben. Es gibt die Konsequenz, dass der Begriff Ehe in seiner bisherigen Definition geschliffen wird. Es gibt die Konsequenz, dass gesellschaftliche Grundstrukturen in Frage gestellt werden. Es gibt eine Erosion, die damit zusammenhängt. Simples Beispiel: Es gibt in unserem Grundgesetz einen besonderen Schutz der Ehe (eine eigentlich unglückliche Konstruktion, aber man hat früher das Problem nicht gesehen, da Ehe mit Familie gleichgesetzt wurde). Wenn der Begriff erweitert wird, dann wird er ebenso geschwächt. Das mag Ihnen nichts ausmachen, vielleicht freut es Sie sogar, aber es hat wenig Sinn die Veränderung zu verschweigen.

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Wo sind denn die empirisch nachweisbaren negativen Konsequenzen der Eheöffnung? Heutzutage wird man einen solchen Nachweis vergeblich zu führen versuchen.


Nachweise sind im soziologischen ohnehin meistens totaler Unsinn, vielzuviele Variablen. Wenn man diese Forderung erhebt, dann ist man wirklich sehr schnell bei "anything goes". Ich halte nicht so viel von gesellschaflicher Experimentiererei. Wenn eine Gesellschaft irgendwann nicht mehr funktioniert, kann man nicht einfach wieder einen Stopfen draufmachen. Nehmen Sie ein viel unverfänglicheres Beispiel: Es gibt in Deutschland seit 40-50 Jahren eine sehr massive Bewegung Richtung Kinderlosigkeit. Über die Motive kann man jetzt lange diskutieren, aber die Entwicklung ist da. Jetzt kann man sich auf den Standpunkt stellen und sagen es gäbe keine Konsequenzen. Doch, die gibt es ganz selbstverständlich. Wir zerstören gerade unsere Gesellschaft. Nun würde ich nicht so weit gehen uns sagen, die "Homo-Ehe" wird alles zerstören, das wäre unsinning, aber es macht keinen Sinn zu bestreiten, dass Konsequenzen da sind.

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Ich fürchte, mein Wissen über die einstigen Jugendidole meines Vaters und deren private Exzentrizitäten reicht nicht weit genug, um diese Ihre Bemerkung zu kapieren.


http://www.welt.de/print-welt/article564...u-Hochzeit.html

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Eigentlich müssten die Kirche doch bereits bei der verschiedengeschlechtlichen standesamtlichen Ehe darauf pochen, dass diese nicht "Ehe" heißen dürfe, dann die Ehe gehört ja ihnen und sie waren zuerst da.


Genaugenommen tut die Kirche das. Die katholische Kirche gibt einen feuchten Schmiss auf das, was der Staat in die Ehe definiert. Man respektiert die Gesetzlage und das war es dann auch.

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Die Ehe also zum Beispiel mir überließe?


Nein, gerade nicht Ihnen.

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Mag sein, aber diese diversen Verbände hätten dann halt anders als im Moment nicht Recht.


Sie haben auch jetzt nicht "Recht" sondern nur eine Meinung.

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2. OK, ob die Gleichstellung nun erreicht ist oder nicht und ob die "Ehe" zwischen Partnern desselben oder verschiedenen Geschlechts dasselbe ist, darüber könnten wir fröhlich weiterdiskutieren und kämen auf keinen grünen Zweig.


Eigentlich nicht, denn es ist keine Diskussion sondern eine Frage von Definition. Über Definitionen kann man nicht diskutieren. Sie wollen anders definieren, darüber kann man diskutieren. Nicht über das, was eine Definition ist.

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Je stärker die Rechtstitel sind, die wir jetzt erwerben, desto sicherer können wir uns in Zukunft wähnen, denken zumindest viele (darunter ich).


Das halte ich für Traumtänzerei, lieber Flaccus, noch dazu für eine gefährliche Illusion. Es sind nicht Gesetz oder Titel, die ihre Freiheit garantieren, es sind Menschen. Und Sie ändern nicht das Denken der Menschen, wenn Sie deren Werte in Frage stellen oder umdefinieren. Wenn sich wirklich das Denken der Menschen in eine andere Richtung dreht (durchaus denkbar bei der derzeitigen Bevölkerungsentwicklung), dann wird ihr Rechtstitel nicht das Papier wert sein, auf dem er steht. Verzeihen Sie mir den Zynismus, aber versuchen Sie mal mit ihrem Ehetitel in den Iran zu reisen und schauen mal nach, was ihr Rechtstitel dann wert ist. Ganz simpel gesagt, wenn breite Mehrheiten was gegen Schwule haben, dann juckt es die überhaupt nicht welche Rechtstitel dieses für sich eingenommen haben.

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Eine einmal bestehende Rechtslage kann auf die Einschätzung der Bevölkerung stark wirken.


Sagen Sie doch gleich das richtige Wort: Erziehung.

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Das hat man z.B. seit 2001 bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft gesehen: Sobald es diese gibt, findet ein Umdenken in der Bevölkerung statt oder beschleunigt sich die Akzeptanz.


Wie haben es nur andere Ländern geschafft, ohne das Gesetz das selbe zu erreichen ?!?

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Mit der Eheöffnung wird es nicht anders sein. Sobald diese da ist, wird es nicht mehr viele Jahre dauern, bis den semantischen Einwand, eine Ehe sei per Definition nur zwischen Mann und Frau, fast niemand mehr versteht. Insofern kann man, Ihren Punkt aufgreifend, durch die Hintertür der Begriffsdefinitionen Akzeptanz durchaus erzwingen (wobei ich neutraler "bewirken" schreiben würde, denn eine Situation à la "Und akzeptierest Du mich nicht, so brauch' ich Gewalt" gibt es ja nun auch nicht).


Tatsächlich ist es Gewalt. Und zwar die Gewalt der political correctness. Das geht aber schief. Vor 20 Jahren hat man auch geglaubt, dass wenn man das Wort Neger verbietet, man plötzlich keinen Rassismus mehr sieht (das Gegenteil dürfte richtig sein). Vor 10 Jahren waren es dann die Ausländer, die Zigeuner und was es sonst noch so alles gibt. Alles Wörter getilgt vom Antlitz der Öffentlichkeit. Aber deswegen ist es doch nicht weg. Zu glauben man können Homophobie politisch korrekt verbieten ist einfach lachhaft, sorry der Deutlichkeit wegen. Dieser Zwang erreicht genau das Gegenteil von dem, was er erreichen soll, er baut Druck auf den Kessel, das einzige wozu das dient ist das gute Gewissen derjenigen, die schon vorher das Wort Neger nie benutzt hätten. Wenn nicht viele Schwulengruppen das Wort schwul selber verwendet hätten, wäre es heute genauso verboten und wir würden nur noch von homosexuell reden. Wenn Sie das Wort Ehe für sich reklamieren wird das nicht dazu führen, dass mehr Menschen das anerkennen. Sie werden nur erstmal keinen Begriff dafür haben. Aber genauso wie viele Menschen heute von "Südländern" oder "Facharbeitern" reden statt von Türken oder Arabern reden, wenn es um Kriminalität geht, so wird man einen neuen Begriff für Sie und ihre Ehe finden. Worte zu ändern, ändert nicht das Denken, es verwirrt nur. Und im schlimmsten Fall schlägst ins Gegenteil.

Zitat
Ich verstehe unter Toleranz Gleichheit vor dem Gesetz


Es geht nicht um Gesetze, die Gleichstellung ist lange erreicht. Wir reden über Definitionen und die können Sie nicht aus dem Gesetz ableiten. Und da spielen selbstredend moralische Kategorien eine Rolle. Sie wollen etwas. Andere wollen es vielleicht nicht.

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Dennoch: Dann kann doch nicht die Konsequenz sein, das bestehende Unrecht zu verteidigen. Dann muss man dafür sein, dieses auch noch zu beseitigen. Den ganzen Elan sehe ich aber ganz einseitig gegen die Gleichstellung eingesetzt, nicht aber für das hehre Projekt "Staat, raus aus dem Ehegeschäft!".


Tja, leider daneben: Alice im Wunderland (2)

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

01.04.2014 06:39
#73 RE: Ein paar Gedanken zur Moral und unseren Eltern Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #71
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #68
Lieber Noricus, eine theoretische Frage:
Die Liebe geht mitunter seltsame Wege.
Gesetzt den Fall zwei Menschen lernen sich kennen. Der eine flirtet, weil er in einer festen Beziehung lebt und testen will, ob er (noch) attraktiv ist und der andere sucht eine(n) Partner(in).
Nach einer gewissen Zeit merkt der Suchende, dass der Flirtende in einer festen Verbindung lebt.
Gibt sich der Suchende nun mehr Mühe die Dinge zu seinen Gunsten zu verändern, wenn er weiß, dass der Flirtende nicht verheiratet ist oder wenn er weiß, dass er verheiratet ist?



Das kommt zweifellos darauf an, lieber Erling Plaethe, ob der Suchende der Ehe einen besonderen Wert zumisst. Wenn er das tut, dann wird die Entdeckung, dass der Flirtende vermählt ist, die Beziehungsambitionen wohl zumindest beeinträchtigen. Wer die Ehe nicht als etwas Besonderes ansieht, wird sich eher von anderen Parametern beeinflussen lassen, z.B. dem Vorhandensein von Kindern in der Beziehung des Flirtenden oder ob diese einen glücklichen Eindruck macht. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich denke, dass sich die meisten Suchenden bei einem unglücklich verheirateten Kinderlosen mehr Hoffnungen machen als bei einer/m in einer glücklichen Beziehung stehenden Mutter/Vater von vier Kindern.

Eine Ehe zu beenden ist weitaus aufwendiger (und teurer) als eine Lebensgemeinschaft.
Aber Sie haben natürlich recht, lieber Noricus, meine These setzt vorraus, dass der Ehe ein besonderer Wert beigemessen wird.
Eine Sicht, die sich übrigens mit zunehmendem Alter herausbilden kann. Wie ich zu berichten weiß.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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