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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 41 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

22.04.2014 15:31
#26 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Lieber Nikosch,

Ihre ursprüngliche These war ja, dass man den hohen Anteil der Nichtwähler mit „nicht Zustimmung“ zu unserer Regierungsarbeit gleichsetzen könne. Ich wollte erläutern, warum ich das nicht so sehe. Im Kern ist meine Aussage, dass wenn man zum Ausdruck bringen wollte nicht mit der politischen Ausrichtung unserer Regierung zufrieden zu sein, man zumindest eine kleine Option hatte bei der letzten Bundestagswahl. Natürlich setzt das Engagement und Wille voraus – der aber eben bei vielen (nicht allen) Nichtwählern nicht vorhanden war. Warum auch immer.

Vielleicht haben wir uns missverstanden. Zunächst argumentieren Sie gegen meine Thesen, um mir dann nach meinem Verständnis doch Recht zu geben.

Zitat von Nikosch im Beitrag #25
Leute wie hier im Forum, also Menschen die so stark politisch interessiert sind, dass sie sich abseits der Massenmedien über Blogs informieren und in Foren diskutieren dürften nicht mehr als 5% der Wähler in Deutschland ausmachen.

Letzten Endes sage ich ja genau das. 95% der Nichtwähler haben, warum auch immer, kein Interesse. Sie fügen sich in den gegebenen Zustand, weil er nicht unangenehm genug ist, um sich nicht zu fügen, vermute ich. Wie bewußt oder unbewußt sie Entscheiden ist letzendlich gleich. Eine Nichtentscheidung ist auch eine Entscheidung mit Folgen.

Zitat von Nikosch im Beitrag #25
Eine "Gegenöffentlichkeit" die in Blogs stattfindet, die, wenn es hoch kommt, einige Tausend Leser haben ist in meinen Augen keine.

Aber sie ist frei zugänglich für jeden der will und den freien Willen vorausgesetzt, über den Erling Plaethe gerade einen sehr lesenswerten Beitrag geschrieben hat, ist die nicht Bereitschaft sich mit der Gegenöffentlichkeit auseinander zu setzen eine Willensbekundung. Unterschiedlich sicher in der Motivation des Individuums, gleich immer in der Wirkung.

Meine Erfahrung ist: Gleich wie viel ich andere versuche zu überzeugen, gleich wie viele ich hier ins Forum lotse, weder ihr denken noch ihr Wahlverhalten beeinflusse ich dadurch maßgeblich.


Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #22
Neben meinem ausdrücklichen Widerspruch Nichtwähler in ihrer Intention gleichzusetzen.
Lieber Erling Plaethe,
ich habe zugegeben sehr unpräzise formuliert und ihren Widerspruch verdient. Ich meinte den großen Teil der Nichtwähler, der nach meiner persönlichen Erfahrung/Einschätzung seine Motivation daraus zieht, dass er zwar irgendwie frustriert ist aber doch mit der Situation als solcher ganz gut leben kann, bzw. zufrieden ist. Solche Leute würde man auch eher selten hier im Forum finden.
Natürlich kann „nicht zu wählen“ auch ein völlig legitimer Weg sein zum Ausdruck zu bringen, dass man nicht einverstanden ist. Um ehrlich zu sein, habe ich genau diese Option sehr lange erwogen vor der Bundestagswahl. Und zwar genau aus diesen Gründen:
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #22
Ich habe etwas anderes gewollt, leider war das nicht im Angebot. Hinzu kam, dass ich meine vorherige Wahlentscheidung bereut habe.
Somit stiegen meine Erwartungen an konstruktive Wahlaussagen. Die gab es nicht. Was es gab, waren stattdessen Aussagen für passive, an Politik nicht interessierte und nur auf billige Köder ansprechende Wähler.

Ich habe mich dann dagegen entschieden nicht zu wählen. Zum einen, weil ich mich abgrenzen wollte von den Nichtwählern, denen es gut genug geht um keine Notwendigkeit zu einer neuerlichen Legitimierung der Entscheidungsträger zu sehen. Zum anderen weil ich glaube, dass nicht zu Wählen keine Alternative ist, welche in unserer parlamentarischen Demokratie Änderungen herbeizuführen imstande ist. Erst einmal wählen und damit zeigen, dass es noch eine andere Öffentlichkeit gibt. Wenn das wahrgenommen wird (von mir aus auch über Parteien, denen man nicht viel zutraut), kann man in dem sich anschließenden Prozess von Neuausrichtung auch auf konstruktive, wählbare Konzepte hoffen.
Ich habe daher gewählt. Ohne Überzeugung, aus rein taktischer Überlegung – leider ohne mein gewünschtes (sehr unwahrscheinliches, oben formuliertes) Ziel einer Veränderung. Ich tat letztendlich selbst das, was ich wünschte, das es auch andere täten. Aus Hoffnung und der Überzeugung, dass es das ist was ich tun muß, wenn ich das denke was ich eben denke.

Ich kann aber auch jeden Nichtwähler verstehen, der letztendlich nicht aus graduellem Desinteresse dazu wurde. Ich war wie gesagt selbst ein halber und in der Überzeugung richtig gehandelt zu haben als ich wählte, habe ich nicht gewählt. Ich versuchte nur die kleine verbliebene Chance auf Veränderung wahrzunehmen, die ich noch sah.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

"Nur die alledümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber." - Don Camillo

Florian Offline



Beiträge: 3.136

22.04.2014 17:33
#27 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von john j im Beitrag #17
"Sie ist eine Vertreterin eines recht neuen Politiker-Typus."

Ist das wirklich so?

"Der typische Lebenslauf lautet wie folgt:
- Sehr langes Studium mit oder ohne Abschluss (fairerweise: das Studium dauert nicht deshalb so lange, weil der Politiker faul oder dumm wäre. Sondern weil er seine Zeit v.a. der politischen Arbeit widmet)."

Wie bspw Guido Westerwelle

"- während und nach dem Studium: VIEL parteipolitische Arbeit (also: Arbeit IN der Partei) und im Dunstkreis der Partei. Evtl. auch Arbeit für einen Bundestagsabgeordneten.
- dann: eigenes Bundestagsmandat und wenn möglich Bundesminister."

Wie bspw Kristina Schroeder. Oder auch wieder Westerwelle, oder Markus Soeder

Oder auch, um etwas tiefer in die Geschichte der BRD einzutauchen, Franz-Josef Strauss oder Helmut Kohl. Sie waren Berufspolitiker - bevor und ausserhalb der Politik hatten sie kaum Verantwortung getragen. Also keine "relativ neue Erscheinung". Und sie tritt bei allen Parteien und politischen Richtungen auf.




Ja, ja, Sie haben schon recht:
Mein Jammern ist z.T. tatsächlich im Stile von "früher war alles besser".
(Und zum Teil liegt es sicher auch daran, dass man wenn man älter wird, einen anderen Blick bekommt:
ich bin jetzt 40 und kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie z.B. ein 30-jähriger die notwendige Erfahrung für ein Ministeramt haben soll. Wenn ich 60 bin, werde ich das wahrscheinlich auch einem 40-jährigen absprechen.).

Aber dennoch:
Es gab da schon einen Wandel.
Natürlich war auch z.B. Kohl ein Berufspolitiker, der nie was anderes machte als Politik.
Aber bevor er in die Bundespolitik ging, hat er sich erst in der Landespolitik einen Namen gemacht. Und davor in der Lokalpolitik.
Bevor er Kanzler wurde war er jahrelang Ministerpräsident.
Strauss war schon über 30 als er zum ersten Mal mit Politik in Berührung kam. Und zwar sehr bodenständig: als Landrat.
Die Besonderheit beim "Typ Nahles" ist der Sprung von der reinen parteiinternen Karriere an die Spitze eines großen Ministeriums.
Und, ja, richtig: auch Markus Söder und Kristina Schröder zähle ich zu diesem Typus (was meine These, dass dieser Typus ein relativ neues Phänomen ist, ja auch stützt).
Westerwelle ist vielleicht ein Grenzfall. Immerhin war er auch eine (relative kurze) Zeit als Anwalt tätig.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

22.04.2014 17:45
#28 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Nikosch im Beitrag #25
Das die AfD bei der Bundestagswahl nicht stärker abgeschnitten hat ist meiner Meinung nach auf folgende Faktoren zurück zu führen

Wenn eine Partei bei einer Wahl schlecht abschneidet, dann liegt das normalerweise an nicht überzeugendem Programm und Personal.
Ich sehe eigentlich überhaupt keinen Grund, warum das hier anders gewesen sein soll.

Zitat
1. Vor allem der moderate Wähler der Mitte scheut das Label "rechtspopulistisch" wie der Teufel das Weihwasser.


Ich würde eher sagen: Dieses Label ist von den rot/grünen so verbraucht worden, daß es für bürgerliche Wähler fast schon attraktiv wirkt.
Auf das Wahlverhalten bei der letzten BTW hat das jedenfalls kaum Auswirkungen gehabt, damals waren die Rechtsausleger-Probleme der AfD noch kein echtes Thema.

Zitat
2. Viele Wähler scheuen sich davor eine "kleine" Partei zu wählen, aus der (nicht ganz unberechtigten) Angst, dass die eigene Stimme "nichts wert" war


Und deswegen entscheiden sie sich fürs Nichtwählen - weil ihre Stimme dann mehr wert ist?
Doch wohl nicht.
Weder die AfD noch andere Parteien haben die Nichtwähler überzeugen können, daß sie eine bessere Alternative zum Berliner Betrieb wären.

Zitat
3. Die AfD steht mit vielen ihrer Forderungen alleine auf weiter Flur. Ein Koalitionspartner mit dem auch nur einige der Positionen hätten umgesetzt werden können wäre weit und breit nicht in Sicht gewesen.


Und das war taktische Blödheit der AfD. Oder der Konstruktionsfehler einer Partei, die zu wenig inhaltliches Fundament hat.

Denn wer sich auf eine wesentliche Forderung versteift, für die keinerlei realistische Durchsetzungschance besteht - den braucht man auch nicht zu wählen. Und unterhalb der kompletten Euro-Abschaffung hatte die AfD eben keine Forderungen, mit der sie in irgendeiner Koalition vielleicht teilweise Verbesserungen hätte in Aussicht stellen können.

Das Ergebnis dieser taktischen Fehlleistung war, daß Merkels Euro-Rettung sich nun auf eine klare demokratische Zustimmung von über 90% der Wähler berufen kann ...

Zitat
Bei einem Ergebnis von 25% der Stimmen für die AfD gebe ich Ihnen sogar recht. Ein solches Ergebnis für eine Partei die zum ersten Mal antritt ist jedoch utopisch.


Es gibt genug Beispiele, daß so etwas auch klappen kann.
Natürlich nicht, wenn man überhastet erst kurz vor der Wahl startet und seine Organisation entsprechend schlecht in Gang kriegt.
Und wenn man - siehe oben - mit Personal und Programm nicht überzeugt.

Nikosch Offline



Beiträge: 115

23.04.2014 08:18
#29 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26
Ihre ursprüngliche These war ja, dass man den hohen Anteil der Nichtwähler mit „nicht Zustimmung“ zu unserer Regierungsarbeit gleichsetzen könne.

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht, meine Replik erfolgte zunächst einmal auf ihre These, dass 90% der Wähler diese Regierung und Politiker gewollt habe. Ich habe daraufhin versucht darzulegen warum ich das anders sehe. Zunächst einmal habe ich in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass das aktuelle Parlament gerade mal von ungefähr der Hälfte der (potentiellen) Wähler gewählt wurde. Die anderen haben entweder einer anderen Partei ihre Stimme gegeben oder keiner Partei. Natürlich kann man über die Motivation von Nichtwählern trefflich streiten. Dies dürfte keine homogene Gruppe sein und es dürfte viele verschiedene Gründe für die Entscheidung nicht zur Wahl zu gehen geben. Ich bleibe jedoch bei meiner Ansicht, dass die Nichtausübung des Wahlrechts eher von Unzufriederheit als von Zustimmung zeugt. Das dies meiner Meinung nach der falsche Weg ist, seine Unzufriedenheit auszudrücken steht auf einem anderen Blatt.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26
Vielleicht haben wir uns missverstanden. Zunächst argumentieren Sie gegen meine Thesen, um mir dann nach meinem Verständnis doch Recht zu geben.
Zitat von Nikosch im Beitrag #25
Leute wie hier im Forum, also Menschen die so stark politisch interessiert sind, dass sie sich abseits der Massenmedien über Blogs informieren und in Foren diskutieren dürften nicht mehr als 5% der Wähler in Deutschland ausmachen.

Letzten Endes sage ich ja genau das. 95% der Nichtwähler haben, warum auch immer, kein Interesse.

An dieser Stelle haben Sie mich tatsächlich missverstanden wobei ich mich eventuell auch missverständlich ausgedrückt habe. Zunächst einmal habe ich immer von allen Wahlberechtigten gesprochen und nicht nur von den Nichtwählern. Bei diesen mag es in der Breite in der Tat so sein, dass kein politisches Interesse vorhanden ist, aber sie sprachen in Ihrem ursprünglichen Beitrag ja von 90% der Wähler und nicht der Nichtwähler. Und dem Gros der Wähler (sowie auch einem Teil der Nichtwähler) möchte ich das politische Interesse garnicht absprechen. Nur nicht in dem Maße wie bei den Diskutanten in Zettels kleinem Zimmer. Die Gründe dafür nenne ich in meinem Beitrag.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #26
(...) ist die nicht Bereitschaft sich mit der Gegenöffentlichkeit auseinander zu setzen eine Willensbekundung. Unterschiedlich sicher in der Motivation des Individuums, gleich immer in der Wirkung.

Dies setzt zum Einen Voraus, das man sich dieser Gegenöffentlichkeit bewusst ist. Persönlich bin ich durch ein Interview mit Zettel auf Welt Online (einem eher traditionellen Massenmedium; q.e.d.) auf diesen Blog gestoßen. Erst durch die Beschäftigung mit diesem Blog habe ich mich auch mit weiteren, ähnlichen politischen Blogs auseinander gesetzt. Davor spielte die politische Blogsphäre für mich keine Rolle und das, obwohl ich mich als politisch sehr interessiert einschätzen würde. Es fehlte einfach das Bewusstsein.
Zum anderen setzt es Zeit voraus. Ich lese vor allem im Forum äußerst selektiv. Themen die mich entweder nicht interessieren oder zu denen ich nichts Substanzielles beitragen kann, lese ich wenn überhaupt nur quer. In der Regel lese ich hier auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause und auf dem Weg nach Hause. Zu Hause komme ich so gut wie nie dazu, da mich mein Familienleben mehr als ausfüllt. Vielen wird es ähnlich gehen.

Zitat von R.A.

Zitat von Nikosch
Viele Wähler scheuen sich davor eine "kleine" Partei zu wählen, aus der (nicht ganz unberechtigten) Angst, dass die eigene Stimme "nichts wert" war


Und deswegen entscheiden sie sich fürs Nichtwählen - weil ihre Stimme dann mehr wert ist?
Doch wohl nicht.



Ich bezog mich hier nicht auf Nichtwähler, sondern auf Wähler, die aus Angst, dass ihre Stimme nichts zählt dann doch wieder den Etablierten (vor allem CDU und SPD) die Stimme gegeben haben, trotz ihrer Unzufriedenheit mit der Politik. Ich bin der festen Überzeugung, dass die AfD den Einzug in den Bundestag locker geschafft hätte wenn sie in den Umfragen vor der Wahl über 5% gelegen hätte. Viele Bürger, gerade der bürgerlichen Mitte, sind der Überzeugung, dass es ihre Pflicht ist wählen zu gehen. Sie scheuen sich jedoch davor eine kleine Partei zu wählen und ihre Stimme vermeintlich zu "vergeuden". Wie schon gesagt kenne ich persönlich eine Menge eben solcher Wähler. Sie wählen nicht aus Überzeugung sondern aus Pflichtgefühl und ehrlich gesagt geht es mir nicht viel anders. Eine überzeugende liberale Alternative kann ich persönlich nicht erkennen und so wähle ich ohne jegliche Begeisterung die einzige Partei die die Freiheit zumindest im Namen hat.

Viele Grüße
Nikosch

_____

”If it tastes good you should sequence it.” Wang Jun

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

23.04.2014 10:23
#30 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Lieber Nikosch,

danke für Ihre Antwort. Ich kann Ihre Gedanken nachvollziehen und sie haben ganz sicher auch Recht, dass meine ursprüngliche These, 90% hätten diese Regierung gewollt so nicht zutrifft, wenn man dabei das Wort „wollen“ als ein sehr „spezifisches Wollen“ versteht.

Mein Punkt der mich umtreibt in letzter Zeit (angefangen mit einem Forenbeitrag von Erling Plaethe, ich weiß nicht mehr genau wo) und den ich versuche zu formulieren, ist die Verantwortlichkeit des Volkes für seine Regierung. Und die sehe ich mittlerweile deutlich stärker korreliert als ehemals.

Lassen Sie mich bitte versuchen meine Gedanken nochmals anders darzulegen. Die Bundestagswahl ergab folgendes Ergebnis (berechnet auf alle Wahlbeteiligten, nicht nur die Wähler).

CDU/CSU 29,7
SPD 18,4
Grüne 6,1
Linke 6,0
Piraten 2,2
FDP 3,4
AFD 3,4
Sonst 4,4
Nichtwähler 28,6

Direkt gewählt haben die amtierende Regierung also 48%.
Zähle ich Grüne, Linke und Piraten noch dazu, die es in meinen Augen ja lieber noch ein bisschen „doller“ hätten und denen die amtierende Regierung in ihrem Irrsinn noch nicht weit genug geht, wären wir bei 62.4%.
Das sind zugegebener Maßen nicht 90% aber schon einmal die absolute Mehrheit der Wahlberechtigten, die diese Regierung gewählt haben, bzw gerne eine Regierung hätten die aus der Sicht der meisten Foristen hier noch deutlich schlimmer wäre.

Kommen wir zu den Nichtwählern. Die habe ich einfach einmal dem Lager der Regierung zugeschlagen und war damit bei überschlägig 90% (dass es genau 90% sind, ist jetzt wirklich Zufall). Ich habe dabei definitiv einen unzulässigen Fehler gemacht, den Dr. Thomas Petersen (dessen Serie "Klopfzeichen aus der Welt der Sozialwissenschaften" ich jedem nur ans Herz legen kann) hier trefflich beschrieben hat. Ich habe von meinen Erfahrungen auf die Allgemeinheit geschlossen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Nichtwähler mehrheitlich in zwei Gruppen zerfallen. 1) Menschen die unzufrieden sind und es lieber noch ein bisschen „doller“ hätten als die Regierung es jetzt schon treibt und 2) (das ist der größte Teil) Menschen, die zwar irgendwie das Gefühl haben nicht einverstanden zu sein, die sich aber in solch kommoden Lebensumständen befinden, dass sie keine Grund sehen eine Änderung herbeizuführen; ein positives Desinteresse also. Ich unterschlage damit den Nichtwähler, den Erling Plaethe beschrieb und den es definitiv gibt. Ich persönliche glaube (bei aller formaler Unzulässigkeit des Schlusses), dass diese Art Nichtwähler eine kleine Minderheit ist; meine Näherung wäre 10% der Nichtwähler. Das ist meine Extrapolation von den Wählern auf die Nichtwähler, da auch dort das Konservativ Liberale Lager (FDP AFD) etwa 10% erhält. Damit würden dann in meiner Logik nochmals knapp 25% Zustimmung durch die Nichtwähler hinzukommen und man wäre bei 62.4 + 25 = 87.4%.

Ich gebe zu, CDU/CSU/SPD/Grüne und Linke als eine große sozialdemokratisierte/linke Partei zu sehen, mit von mir aus extremen Flügeln, ist eine sehr vereinfachte, recht kategorische Betrachtung, welche natürlich keine exakte Beschreibung der Wirklichkeit ist. Aber sie hilft mir persönlich einen Sachverhalt klarer zu sehen:
62.4% der Wahlberechtigten haben einer Politik im Spektrum dieser Positionen ihre Zustimmung direkt erteilt. Von den verbliebenen 37,6 % sehe ich ca. 25% passive Zustimmung und ca. 13 % aktive Ablehnung. Vielleicht ist meine Rechnung nicht richtig, aber mehr als 25% Ablehnung anzunehmen, wäre glaube ich nicht realistisch.

Das ist ein Bild welches mir überhaupt nicht gefällt, aber ich nehme es zur Kenntnis. Der Deutsche Wähler will Politik in dem Spektrum in dem sie gerade gemacht wird. Er hat die freie Wahl dies zu ändern, sich zu informieren oder „Gegenparteien“ zu wählen (wovon es bei der letzten Bundestagswahl mit der FDP und AFD zwei wählbare gab) aber er tut es nicht. Aus welchen Motiven auch immer. Es zählt das Ergebnis: Die amtierende Regierung ist damit kein allzu schlechtes Abbild des Wählerwillens.

Wenn sie nun „bemängeln“, dass die Menschen nun auf die vorhandenen Gegenöffentlichkeiten nicht aufmerksam werden, möchte ich dazu noch zwei Dinge anmerken:

1) Die Menschen suchen nicht nach ihnen, weil sie die Notwenigkeit nicht sehen dies zu tun.
2) Dort wo ich in meinem Bekanntenkreis versuche die Menschen mit dieser Gegenöffentlichkeit vertraut zu machen, herrscht bestenfalls „positives Desinteresse“. Für mich ist das eine freie Willensbekundung mit Ursachen. Keine Willkür oder Unterdrückung.

Wie gesagt: Diese Sicht beschreibt nicht eine detailreiche Wirklichkeit. Sie kategorisiert stark, läßt mich aber klarer sehen. Eine Änderung der Politik in Deutschland wird nur erfolgen können, wenn signifikante Teile der Wahlberechtigten einen Anlaß sehen, sich aus diesem Block von 70 - 90 % aktiver und passiver Zustimmung zurückzuziehen. Denn dies wird notwendigerweise eine Änderung des politischen Angebots nach sich ziehen. So funktioniert wohl eine parlamentarische Demokratie.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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Frank2000 Online




Beiträge: 3.260

23.04.2014 10:26
#31 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #28

Wenn eine Partei bei einer Wahl schlecht abschneidet, dann liegt das normalerweise an nicht überzeugendem Programm und Personal.
Ich sehe eigentlich überhaupt keinen Grund, warum das hier anders gewesen sein soll.



Das war auch bei der AfD so. Es gibt nur ein externes Todeskriterium für eine neue oder kleine Partei: nicht bekannt zu sein. Das traf auf die AfD nicht zu.
95% der Wähler haben sich für ein kräftiges "Weiter-so" entschieden (naja, vielleicht 90%, wenn man die FDP-Wähler noch abzieht). Auch die Nich-Wähler sind für ein Weiter-so.
Genau deswegen habe ich keine Hoffnung mehr für Deutschland. Weil die überwältigende Mehrheit der Wähler entweder vom derzeitigen System der Ausbeutung profitiert (Rentner, Hartzler) oder zu dumm ist, den eigenen Untergang zu erkennen.

Nola Offline



Beiträge: 1.719

23.04.2014 10:49
#32 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #31
Zitat von R.A. im Beitrag #28

Wenn eine Partei bei einer Wahl schlecht abschneidet, dann liegt das normalerweise an nicht überzeugendem Programm und Personal.
Ich sehe eigentlich überhaupt keinen Grund, warum das hier anders gewesen sein soll.



Zitat

(...)Genau deswegen habe ich keine Hoffnung mehr für Deutschland. Weil die überwältigende Mehrheit der Wähler entweder vom derzeitigen System der Ausbeutung profitiert (Rentner, Hartzler) oder zu dumm ist, den eigenen Untergang zu erkennen.



Lieber Frank2000, wie stehen Sie eigentlich zu den Pensionen der Beamten im Gegensatz zu den o.g. ?
Die Diskussion um Anpassung oder ein Überdenken der Beamtenpensionen scheint mir zur Zeit völlig vom Tisch.

Zitat:
17. Juli 2013 | 09.58 Uhr
Pensionen steigen schneller als Rente

http://www.rp-online.de/politik/deutschl...g-aid-1.3543118

Ist die Beamtenversorgung zu üppig?
Die Ruhegelder der Bundesbeamten steigen am 1. August zum zweiten Mal in diesem Jahr um 1,2 Prozent, insgesamt um 2,4 Prozent. Das hatte der Bundestag bereits im Sommer 2012 beschlossen. Die Erhöhung fällt damit etwa zehn Mal stärker aus als die Rentensteigerung (im Westen dieses Jahr 0,25 Prozent). Für einen leitenden Ministerialrat bedeutet das beispielsweise eine Erhöhung des Ruhegelds von 131 Euro auf monatlich 5575 Euro.

Die Durchschnittspension eines Bundesbeamten steigt laut Statistischem Bundesamt von 2680 Euro im Monat auf 2744 Euro. Zum Vergleich: Der sogenannte Eckrentner, also ein Arbeitnehmer, der 45 Jahre statistisch durchschnittlich verdient hat und als Maßstab für einen Durchschnittsrentner herangezogen wird, erhält eine Rente von derzeit monatlich 1266 Euro.

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Nikosch Offline



Beiträge: 115

23.04.2014 11:45
#33 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #30

CDU/CSU 29,7
SPD 18,4
Grüne 6,1
Linke 6,0
Piraten 2,2
FDP 3,4
AFD 3,4
Sonst 4,4
Nichtwähler 28,6

Direkt gewählt haben die amtierende Regierung also 48%.
Zähle ich Grüne, Linke und Piraten noch dazu, die es in meinen Augen ja lieber noch ein bisschen „doller“ hätten und denen die amtierende Regierung in ihrem Irrsinn noch nicht weit genug geht, wären wir bei 62.4%.
Das sind zugegebener Maßen nicht 90% aber schon einmal die absolute Mehrheit der Wahlberechtigten, die diese Regierung gewählt haben, bzw gerne eine Regierung hätten die aus der Sicht der meisten Foristen hier noch deutlich schlimmer wäre.

Kommen wir zu den Nichtwählern. Die habe ich einfach einmal dem Lager der Regierung zugeschlagen und war damit bei überschlägig 90% (dass es genau 90% sind, ist jetzt wirklich Zufall).(...) Das ist meine Extrapolation von den Wählern auf die Nichtwähler, da auch dort das Konservativ Liberale Lager (FDP AFD) etwa 10% erhält. Damit würden dann in meiner Logik nochmals knapp 25% Zustimmung durch die Nichtwähler hinzukommen und man wäre bei 62.4 + 25 = 87.4%.

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

zumindest der Zweite Teil ihrer Betrachtungen ist natürlich relativ spekulativ. Mit ungefähr der gleichen Berechtigung könnte ich folgende Berechnung anstellen:

Die CDU wird von den meißten Wählern (vor allem den Älteren), unabhängig von der konkreten Tagespolitik, immer noch als bürgerliche Partei wahrgenommen die eher über wirtschaftliche Kompetenz als über Sozialkompetenz verfügt. Zusammen mit den Stimmen von AfD und FDP käme das ehemals bürgerliche Lager damit auf 36,5% der Stimmen gegenüber 32,7% für das sozialdemokratische bis linke Lager aus SPD, Grüne, Linke und Piraten.

Die Nichtwähler werden zumindest zu einem großen Teil nicht wählen, da sie für sich keine politische Heimat in der aktuellen Parteienlandschaft sehen. Da das linke Spektrum mit SPD, Grüne, Piraten, Linke, MLPD und so weiter mehr aus ausreichend abgedeckt ist, müsste demnach eigentlich ein größerer Teil als die von ihnen genannten 10% vor allem dem konservativen (nicht liberalen) Lager zugesprochen werden. Denn rechts von der CDU sieht es in Deutschland ziemlich mau aus. Etablierte Parteien sind in der Regel so weit rechts, dass sie für die meißten zu recht unwählbar sind und die AfD, die diese Lücke zu füllen versucht, war bei der Bundestagswahl zu neu, auf diesem Standpunkt bleibe ich.

Übrigens wohnt der Bezeichnung der FDP als Alternative schon ein gewisser Hohn inne. Die FDP ist bei der vorherigen Bundestagswahl mit 15% als Alternative gewählt worden und hat so grandios versagt, dass man es keinem Wähler zum Vorwurf machen kann, wenn er die FDP nicht mehr als wirkliche Alternative betrachtet hat.

Ich möchte außerdem noch darauf hinweisen, dass wir viele Probleme natürlich aus liberaler Sicht betrachten. Konservative sind aber keine Liberalen. Der Schluss, dass konservative Wähler eigentlich Sozialdemokraten sind weil sie liberale Problemstellungen nicht als solche erachten ist meiner Meinung nach unzulässig. Konservative haben in der Regel sehr viel weniger Probleme mit viel Staat.

Um uns beiden zum Schluss noch ein wenig Hoffnung zu geben, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, bin ich der festen Überzeugung, dass auch Politik immer in Pendelbewegungen funktioniert. Die CDU ist genauso Merz wie Merkel und irgendwann wird das Pendel auch wieder zugunsten des wirtschaftsliberalen Flügels ausschlagen. Es bleibt die Hoffnung, dass es bis dahin nicht zu spät ist. Für den Liberalismus als Solchen dagegen habe ich in Deutschland wenig Hoffnung. Dafür sind die Deutschen in der Breite zu staatsgläubig.

Viele Grüße
Nikosch

_____

”If it tastes good you should sequence it.” Wang Jun

Frank2000 Online




Beiträge: 3.260

23.04.2014 16:09
#34 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #32

Lieber Frank2000, wie stehen Sie eigentlich zu den Pensionen der Beamten im Gegensatz zu den o.g. ?



Völlig nebensächlich. Die himmelschreienden Ungerechtigkeiten beim Thema Pensionen entstehen ganz wo anders, zum Beispiel bei der Berechnung der Pension in Abhängigkeit vom letzten Gehalt. Vielleicht schreibe ich dazu einen kleinen Gastbeitrag...

Llarian Offline



Beiträge: 6.920

24.04.2014 00:33
#35 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #30

Kommen wir zu den Nichtwählern. Die habe ich einfach einmal dem Lager der Regierung zugeschlagen und war damit bei überschlägig 90% (dass es genau 90% sind, ist jetzt wirklich Zufall). Ich habe dabei definitiv einen unzulässigen Fehler gemacht, den Dr. Thomas Petersen (dessen Serie "Klopfzeichen aus der Welt der Sozialwissenschaften" ich jedem nur ans Herz legen kann) hier trefflich beschrieben hat. Ich habe von meinen Erfahrungen auf die Allgemeinheit geschlossen. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Nichtwähler mehrheitlich in zwei Gruppen zerfallen. 1) Menschen die unzufrieden sind und es lieber noch ein bisschen „doller“ hätten als die Regierung es jetzt schon treibt und 2) (das ist der größte Teil) Menschen, die zwar irgendwie das Gefühl haben nicht einverstanden zu sein, die sich aber in solch kommoden Lebensumständen befinden, dass sie keine Grund sehen eine Änderung herbeizuführen; ein positives Desinteresse also. Ich unterschlage damit den Nichtwähler, den Erling Plaethe beschrieb und den es definitiv gibt. Ich persönliche glaube (bei aller formaler Unzulässigkeit des Schlusses), dass diese Art Nichtwähler eine kleine Minderheit ist; meine Näherung wäre 10% der Nichtwähler. Das ist meine Extrapolation von den Wählern auf die Nichtwähler, da auch dort das Konservativ Liberale Lager (FDP AFD) etwa 10% erhält. Damit würden dann in meiner Logik nochmals knapp 25% Zustimmung durch die Nichtwähler hinzukommen und man wäre bei 62.4 + 25 = 87.4%.

Erlauben Sie mir dieser Arithmetik eine vierte Gruppe hinzuzufügen: Diejenigen, die es einfach nicht interessiert. Die Menschen müssen gar nicht das Gefühl haben einverstanden oder nicht einverstanden zu sein, es interessiert sie schlicht nicht. Politik muss nicht für jeden die gleiche Bedeutung haben, wer darüber nachdenkt wie er seine Kinder durchbringt, seinen Ausbildungsplatz bekommt oder mit seine Rente durchkommt, hat schlicht andere Sorgen, was sich gerne dadurch verstärkt, dass viele Menschen den Eindruck haben, das wählen sowieso nix bewirkt, weder im positiven noch im negativen. Und ich würde unterstellen, das ist eine sehr heterogene, aber auch eine sehr, sehr grosse Gruppe (nach meinem Dafürhalten die größte).
Man kann sich mal den Gefallen tun und sich Stefan Raabs berühmten Erstwählercheck ansehen. Ist sehr unterhaltsam, zeigt aber auch etwas auf: Es gibt Menschen, insbesondere junge Menschen, die interessiert nicht einmal, was ein Bundeskanzler überhaupt tut, geschweige denn, wer den Job gerade ausübt (eigentlich ist es zu begrüssen, wenn so jemand der Wahl eher fern bleibt). Ebenso gibt es durchaus auch gebildete Menschen, die es nicht juckt. Als ich noch studiert habe lag die Wahlbeteiligung fürs Studentenparlament bei knapp unter 17%. Es hat einfach keinen interessiert. Dabei ist das Studentenparlament durchaus in der Lage real eine ganze Menge Schaden zu produzieren und Geld zum Veruntreuen haben die auch genug, was jeder Studenten bezahlen muss. Juckt aber trotzdem keinen, für den einen ist die nächste Vorlesung, für den anderen die nächste Party wichtiger. Man sollte aus den 83% die nicht wählen nicht darauf schliessen, dass die einverstanden sind, noch das sie dagegen sind. Es juckt sie einfach nicht. Das ist am Ende das Legitimationsproblem der Demokratie: Die Demokratie legt die Macht in die Hand der Masse. Aber nirgendwo steht, dass die überhaupt herschen will.

Natürlich kann man die Legitimation dann irgendwann in Frage stellen. Aber dann muss man zeitgleich das demokratische Prinzip in Frage stellen, dass das produziert. Ich denke man kann die Nichtwähler weder denjenigen zuordnen die zustimmen ("wer schweigt stimmt zu"), noch denjenigen, die dagegen sind ("nur x Prozent haben die Regierung gewählt"). Sie sind schlicht wertneutral. Eine Regierung vertritt die Mehrheit der Wähler (!), nicht die Mehrheit der Wahlberechtigten. Zu mehr tritt sie nicht an und mehr muss sie auch nicht tun. Eine Entscheidung ist nicht illegitim, weil sie nicht von einem Mehrheit der Wahlberechtigten vertreten wird, das ist nicht das Prinzip einer Demokratie ohne Wahlzwang. Ob die Demokratie selber noch legitim ist, wenn sich immer weniger Menschen dafür interessieren (siehe Unis), wäre ein ganz anderes Thema.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

24.04.2014 10:00
#36 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #35
Diejenigen, die es einfach nicht interessiert. Die Menschen müssen gar nicht das Gefühl haben einverstanden oder nicht einverstanden zu sein, es interessiert sie schlicht nicht.
Lieber Llarian,
natürlich gibt es die und ich stimme Ihnen sogar zu (wie ich eigentlich ihrem ganze Text weitesgehend zustimmen kann), dass diese Gruppe wohl den größten Teil der Nichtwähler ausmacht. Ich habe diese Gruppe, höchstwahrscheinlich viel zu unpräzise formuliert unter 2) zusammengefasst:

Zitat
Menschen, die zwar irgendwie das Gefühl haben nicht einverstanden zu sein, die sich aber in solch kommoden Lebensumständen befinden, dass sie keine Grund sehen eine Änderung herbeizuführen; ein positives Desinteresse also.



Lassen Sie mich versuchen, meinen Gedankengang zu präzisieren.

Die Frage die ich mir stelle ist folgende: Warum interessiert sich ein Mensch für Politik, bzw. warum nicht? So sehr man das unmöglich für jedes Individuum richtig beantworten kann glaube ich doch, dass es einen Kern gibt der immer eine Rolle spielt: „Die materielle und freiheitliche Kommodität“ seiner Lebensumstände. Man „muß“ sich politisches Desinteresse leisten können.

Bei Menschen denen Politik gleichgültig ist, spielt (da bin ich mir ziemlich sicher) immer eine gewisse Rolle, dass es ihnen gut genug geht dass sie das auch sein kann. Bei Menschen die sich für Politik interessieren ist es umgekehrt. Ihnen geht es schlecht oder sie sehen ihre eigenen Lebensumstände oder die ihrer Kinder erodieren.
Wenn es Menschen beginnt schlecht zu gehen und sie möglicherweise das Leben, wie sie es führen, substanzielle bedroht sehen, gibt es wohl für jeden einen Punkt an dem politisches Interesse geweckt wird. Beim einen früher, beim anderen später. Ich bin mir ziemlich gewiss, wenn es wirklich ans Eingemachte geht, wird das politische Interesse steigen.

Für was ist Politik gut? Warum gab es das Bedürfnis der Menschen an politischer Teilhabe? Ich denke eine wesentliche Triebkraft war (historisch) gesehen, die Verbesserung der Lebensumstände, nicht ein prinzipielles Interesse an dem Thema an sich. Sind die Lebensumstände gut genug, erlahmt das Interesse irgendwann bei vielen.

Wir haben in Deutschland über Jahrzehnte Wohlstand geschaffen und nun wird er verwaltet aber dabei auch Substanz vernichtet. Unabhängig davon ob die Menschen das so sehen, ist dies für viele ein erträglicher Zustand, für manche ein gewollter und für andere (viele hier im Forum denke ich) ein bedenklicher.
Bei dem Lager derer im erträglichen Zustand vermute ich die allermeisten Nichtwähler. Natürlich denken die nicht einheitlich. Es gibt da Linke, wie Konservative, wie Liberale, wie völlig uninteressierte. Der wesentliche Punkt ist, dass sie nicht wählen und das dafür sicher auch (nicht nur) ein Grund ist, dass es ihnen dazu gut genug geht. Ich interpretiere das als indirekte Zustimmung zum Status Quo, den man vielleicht gerne ändern würde aber trotzdem akzeptiert.

Kern meiner These ist eigentlich nur der:
In Deutschland haben wir ein System in dem eine Mehrheit immer dazu in der Lage sein wird die Politik und gesellschaftliche Ordnung zu bestimmen, wenn sie das will. Das heißt aber nicht im Umkehrschluß, dass die Mehrheit immer auch die Politik und gesellschaftliche Ordnung bestimmt. Das können auch (aktive) Minderheiten tun, nämlich dann wenn es den Mehrheiten nicht wichtig genug erscheint, (den notwendigen Aufwand zu betreiben) ihnen etwas entgegen zu setzen.

Und daher ziehe ich für mich persönlich den Schluß, dass Deutschland die Regierung hat, die es will; gleichgültig wie aktiv oder passiv oder wie auch immer motiviert dieses „Wollen“ ist. Das war ja meine Annahme, um die sich die Diskussion entwickelte.

Eigentlich sind die vielen Nichtwähler und ein recht weit verbreitetes politische Desinteresse durchaus als Kompliment für Deutschland zu interpretieren. Den Menschen geht es einfach gut genug.
Mein politisches Interesse entsteht auch mitnichten aus der Tatsache, dass ich den Status Quo der Lebensumstände nicht fantastisch finden würde in unserem Land. Es gibt kaum bessere Länder, um dort zu leben. Mein politisches Interesse entsteht aus der Tatsache, dass in meinen Augen unserer Gesellschaft das Bewußtsein dafür schwindet, was die Gründe für diesen wunderbaren Zustand sind in dem wir Leben und die Werte auf denen dies aufgebaut wurde.*
Wenn man ihn auch noch nicht einmal am Horizont erahnen kann, sagt mir mein Geschichtsverständnis, dass man sich vor einem Rückfall in die Barbarei immer fürchten sollte. Zugegebenermaßen gehöre ich damit sicher zu denjenigen, bei denen die „Schwelle“ wo politisches Interesse erwacht, vergleichsweise sehr, sehr niedrig liegt. Aber auch bei mir gäbe es sicherlich einen (zumindest theoretischen) Zustand, in dem ich mich für Politik so gut wie nicht mehr interessieren würde.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

*Nachtrag:
Auch andere scheinen diese Befürchtung zu teilen, wie ich gerade las.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
"Nur die alledümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber." - Don Camillo

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.04.2014 16:24
#37 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #31
95% der Wähler haben sich für ein kräftiges "Weiter-so" entschieden

Ja und Nein.
Richtig ist, daß die breite Mehrheit der Bevölkerung (wohl auch incl. der Nichtwähler) keinen grundsätzlichen Wechsel will. Das ist aber nicht dasselbe wie ein "kräftiges" Weiter-so im Sinne von großer Begeisterung.

Und es ist auch verständlich, daß ein grundsätzlicher Wechsel weg vom "System" eher unattraktiv ist. Auch wenn einem viele Sachen im aktuellen Deutschland nicht gefallen mögen - ein großer Wechsel hätte eben neben Chancen auch Risiken. Und die meisten Bürger haben viel zu verlieren, falls die Risiken die Oberhand behalten.

Im Grunde geht es uns im Schnitt doch verdammt gut. Besser als in fast allen anderen Ländern und besser als in allen Zeiten vor uns.
Auch wenn die Politik in Berlin teilweise groteske Fehler macht, wenn diese Milliarden kosten - irgendwie können wir uns das auch leisten.
Es ist durchaus rational, daß die meisten Wähler lieber die bekannten, aber erträglichen Mißstände behalten wollen, anstatt ins große Risiko zu gehen.

Zitat
Genau deswegen habe ich keine Hoffnung mehr für Deutschland.


Das kann ich (obwohl wir uns wahrscheinlich bei der Beurteilung der meisten Probleme einig sind) nicht teilen.
Wir haben eine ganze Reihe von großen Problemen und Trends zum Schlechteren. Aber wir haben auch große Stärke und Trends zum Besseren.
Ich bin fest davon überzeugt, daß die nächste Generation insgesamt besser leben wird als wir - wie das in Friedenszeiten immer so war.

Zitat
Weil die überwältigende Mehrheit der Wähler entweder vom derzeitigen System der Ausbeutung profitiert (Rentner, Hartzler) oder zu dumm ist, den eigenen Untergang zu erkennen.


Es gibt ungerechte Umverteilung, aber nur begrenzt "Ausbeutung". Insbesondere die Rentner wählen auch nicht umbedingt die maximale Steigerung der Umverteilung, sondern oft sehr uneigennützig. Die Hartzler wählen meistens überhaupt nicht.

Wir haben hier ja schon öfters über das Versagen der Koalition ab 2009 geredet (also sowohl über das Einknicken der FDP wie über die Destruktivität der Union). Das war ein Versagen diverser Politiker.
Aber das Wahlergebnis war in Ordnung. Es ist also immer noch möglich in Deutschland Wahlergebnisse gegen mehr Umverteilung zu bekommen.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

24.04.2014 16:49
#38 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #37
...wie das in Friedenszeiten immer so war.
Dürfen wir weiterhin mit Friedenszeiten rechnen?

Ich meine diese Frage ganz ernst und ohne Ironie. Für mich ist eine ganz zentrale Frage, ob unsere Politikrichtung den Frieden sichern kann. Für mich ist dauerhafter Friede sehr eng korreliert mit Wohlstand und aktuell meine ich eine Entwicklung zu erkennen, welche eine Bedrohung des Wohlstands über Substanzverbrauch darstellt. Daher sehe ich persönlich den Frieden nicht als Selbstverständlichkeit an bzw. als eine zwangsläufige Folge unserer Zivilisiertheit (die man sich nur mit Wohlstad leisten kann). Er ist ein immer zartes Pflänzchen, welches die richtige Pflege braucht, dieser Frieden. Werden die Menschen vergessen, wie man es pflegt? Diese Gefahr sehe ich. Sie werden es einfach zu giessen vergessen, weil es ja schon immer gewachsen ist....

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.558

24.04.2014 18:24
#39 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Wer glaubt, Frau Nahles habe beim Versuch, die Grenzen des guten Geschmacks zu erweitern, tapfere Pionierarbeit geleistet, muß jetzt ganz stark sein:

Zitat Gerhard Henschel
_________
Während die Schmetterlinge wie die Pimpfe mit dem Klappspaten die ganze Wahrheit auszugraben versuchten, fahndeten vier zartbesaitete Schneewittchens mit Geige und Gesang unter dem Pflaster nach dem Strand: "Zieh die Schuhe aus, / die schon so lang dich drücken, / lieber barfuß lauf / aber nicht auf ihren Krücken." Als die SPD-Abgeordnete Gisela Böhrk den Liedtext 1978 allen Ernstes in voller Länge im schleswig-holsteinischen Landtag vortrug, wurde viel gelacht in der CDU-Fraktion; der SPD-Oppositionführer Matthiesen unterstellte einem CDU-Abgeordneten, er habe von Lyrik "nichts begriffen, und von Literatur auch nicht!", und Uwe Barschel entfuhr der Satz: "Das ist ja nicht auszuhalten!" War es wahrscheinlich auch nicht. Die Folgen sind bekannt. (Das Blöken der Lämmer: Die Linke und der Kitsch, S.131)
_________

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

24.04.2014 20:39
#40 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #38
Zitat von R.A. im Beitrag #37
...wie das in Friedenszeiten immer so war.
Dürfen wir weiterhin mit Friedenszeiten rechnen? ... Für mich ist dauerhafter Friede sehr eng korreliert mit Wohlstand und aktuell meine ich eine Entwicklung zu erkennen, welche eine Bedrohung des Wohlstands über Substanzverbrauch darstellt.

So ist es. Volkswirtschaftlicher Substanzverbrauch bei gleichzeitiger Vergrößerung der Masse an Transferleistungsempfängern, welche zu allem Übel auch noch großteils aus fernen Kulturen importiert werden und gewollt keinerlei Assimilationsdruck spüren (dürfen). In urbanen Ballungszentren leidet der "soziale Friede" und die öffentliche Sicherheit zunehmend massiver unter Parallelgesellschaften und ihren teils aggressiven männlichen Vertretern ohne echtes Arbeitseinkommen.
Dazu kommen noch die zunehmenden (€uro-induzierten) innereuropäischen Spannungen, die vom politischen Apparat ausgelöst wurden. Unsere früher gute Nachbarschaft leidet! Härten hier, Härten dort, man sucht die Schuld irgendwie immer beim Nachbarn, sucht diesen eventuell für eigenes Versagen verantwortlich zu machen und möglichst zur Kasse zu bitten.

Unsere politischen Elfenbeintürmler blenden aber beide Gefahren - die innere wie die äußere - erfolgreich aus oder stehen dem ganz einfach nur noch hilflos gegenüber. Statt sich den absehbar auf uns zukommenden echten Problemen zu widmen, frickelt man an Gesellschaftsklempnereien und Ökoschwachsinn herum.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

27.04.2014 12:11
#41 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Zitat von Nikosch im Beitrag #25
Eine "Gegenöffentlichkeit" die in Blogs stattfindet, die, wenn es hoch kommt, einige Tausend Leser haben ist in meinen Augen keine.


Wenn einem Rainer Hank in der FAS der Kragen platzt und das auch online gestellt wird, dann lesen das vermutlich ein paar mehr Leute.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

24.10.2014 12:13
#42 RE: Der Narzißmus der Andrea Nahles Antworten

Ein aktueller Kommentar zu Titelheldin des vorliegenden Beitrages, des von mir hier schmerzlich vermißten Andreas Doeding.

Andrea Nahles: Die Nemesis der DINKS

Was diese Frau anrichtet, sollte bei niemandem in Vergessenheit geraten.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

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