Aus einer einst geplanten Antwort an Andreas Döding ist nun ein etwas langer Artikel geworden. Ich war damals der Ansicht, diese Diskussion wäre zu sehr OT und meine Antwort wurde auch immer länger. Das Thema ist so umfangreich, dass der Artikel noch länger hätte werden können...
Es ist eigentlich recht einfach: Kennen Sie aus der Physik irgendetwas, das mit der Idee des freien Willens vereinbar wäre? Weder Kausalität noch Zufall lassen ihn jedenfalls zu. Nehmen wir einfach mal das Gehirn aus der Gleichung heraus. Wenn Sie Ihren Arm bewegen, einen Finger, Ihren Fuß, wenn Sie Ihren Mund öffnen oder schließen - ich denke das können wir als eindeutig einfache physikalische Vorgänge ansehen. Setzen wir das Gehirn wieder in die Gleichung ein, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir haben eine vollständige Kette physikalischer Abläufe - oder eben nicht. Wenn nicht, heißt das, dass an einem Punkt etwas nicht-physikalisches einsetzen muss, das auf die physikalischen Vorgänge einwirkt. Wo besteht da nun der Unterschied etwa zur Levitation? Entweder lassen sich alle physikalischen Abläufe und demnach auch alle menschlichen Handlungen vollständig physikalisch erklären. Oder eben nicht. Kennen Sie einen Hinweis darauf, dass dem nicht der Fall ist?
Soweit die wissenschaftliche Sicht. Was die gesellschaftspolitischen Schlußfolgerungen anbelangt, nun ja. Wenn man davon ausgeht, dass alle Menschen von ihrem Umfeld determiniert sind usw. usf., was sagt das dann über die Entscheidungsträger? Das trifft natürlich auch auf die zu. Und die sollen jetzt besser als die restlichen Menschen wissen, was gut für sie ist, obwohl sie genau den gleichen Zwängen unterworfen sind?
Kurz gesagt: Wissenschaftlich gesehen halte ich den freien Willen für nicht haltbar. Gesellschaftspolitisch und auch allgemein ist es dennoch sinnvoll, davon auszugehen, dass er existiert.
Zitat von Solus im Beitrag #2Nehmen wir einfach mal das Gehirn aus der Gleichung heraus. Wenn Sie Ihren Arm bewegen, einen Finger, Ihren Fuß, wenn Sie Ihren Mund öffnen oder schließen - ich denke das können wir als eindeutig einfache physikalische Vorgänge ansehen. Setzen wir das Gehirn wieder in die Gleichung ein, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir haben eine vollständige Kette physikalischer Abläufe - oder eben nicht. Wenn nicht, heißt das, dass an einem Punkt etwas nicht-physikalisches einsetzen muss, das auf die physikalischen Vorgänge einwirkt. Wo besteht da nun der Unterschied etwa zur Levitation? Entweder lassen sich alle physikalischen Abläufe und demnach auch alle menschlichen Handlungen vollständig physikalisch erklären. Oder eben nicht. Kennen Sie einen Hinweis darauf, dass dem nicht der Fall ist?
Ich habe lange gewartet, bis sich bei mir der physikalische Vorgang des Kommentierens in Bewegung setzte. Lange gewartet nicht wegen einer Verzögerung oder Störung in den physikalischen Vorgängen meines Körpers, sondern weil mein freier Wille Zeit brauchte, um das Für und Wider abzuwägen und die Entscheidung zu treffen, ob physikalische Vorgänge in Gang gesetzt werden sollen, um den Kommentar zu kommentieren.
Zitat von Solus im Beitrag #2Nehmen wir einfach mal das Gehirn aus der Gleichung heraus. Wenn Sie Ihren Arm bewegen, einen Finger, Ihren Fuß, wenn Sie Ihren Mund öffnen oder schließen - ich denke das können wir als eindeutig einfache physikalische Vorgänge ansehen. Setzen wir das Gehirn wieder in die Gleichung ein, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir haben eine vollständige Kette physikalischer Abläufe - oder eben nicht. Wenn nicht, heißt das, dass an einem Punkt etwas nicht-physikalisches einsetzen muss, das auf die physikalischen Vorgänge einwirkt. Wo besteht da nun der Unterschied etwa zur Levitation? Entweder lassen sich alle physikalischen Abläufe und demnach auch alle menschlichen Handlungen vollständig physikalisch erklären. Oder eben nicht. Kennen Sie einen Hinweis darauf, dass dem nicht der Fall ist?
Ich habe lange gewartet, bis sich bei mir der physikalische Vorgang des Kommentierens in Bewegung setzte. Lange gewartet nicht wegen einer Verzögerung oder Störung in den physikalischen Vorgängen meines Körpers, sondern weil mein freier Wille Zeit brauchte, um das Für und Wider abzuwägen und die Entscheidung zu treffen, ob physikalische Vorgänge in Gang gesetzt werden sollen, um den Kommentar zu kommentieren.
Das heißt Sie haben mit einer übersinnlichen Kraft Ihren Körper solange etwas anderes machen - oder auch stillhalten - lassen, bis Sie sich entschlossen haben, einen Kommentar zu schreiben? Und haben zum Schreiben eben jenes Kommentares wieder die gleiche übersinnliche Kraft gebraucht, um ihre Finger auf die Tastatur drücken zu lassen? Darauf läuft es ja wie gesagt hinaus. Entweder Sie postulieren eine solche Kraft, die außerhalb der physkalischen Gesetze steht. Oder Sie tun es nicht. Entweder der ganze Vorgang von Anfang bis Ende ist den physikalischen Gesetzen unterworfen. Oder er ist es nicht. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Zunächst zu Ihrem letzten Singer-Zitat, wegen Freiem Willen und Verantwortung. Oder sagen wir es präziser: Freier Wille und Schuld. Das ist ja eine uralte Sache. Da haben wir nämlich vier Lösungen:
Es gibt keinen Freien Willen und trotzdem Schuld
Es gibt weder Freien Willen und Schuld letztlich auch nicht
Es gibt Freien Wille und Schuld
Es gibt Freien Willen und deswegen keine Schuld
Das erste ist die Position von Mohammed und Luther. Ich zitiere Luther aus seinem Brief "vom unfrei Willen" an Erasmus von Rotterdam, weil er so deutlich und griffig formuliert hat:
Zitat von Martin LutherEs ist also auch dies vor allen Dingen notwendig und heilsam für den Christen, zu wissen, dass Gott nichts zufällig vorher weiß, sondern dass er alles mit unwandelbarem, ewigem und unfehlbarem Willen sowohl vorhersieht, sich vornimmt und ausführt. Durch diesen Donnerschlag wird der freie Wille zu Boden gestreckt und ganz und gar zermalmt.
Einen derart absoluten Gott kennt auch der Islam, wie beispielsweise B16 in der Regensburger Rede angeführt hat. Geistesgeschichtlich nicht ganz unbedeutend ist das Modell, das durch diese beiden Theologien vom Menschen entworfen wird. Man kann gewissermaßen sagen, daß Luthers Zerschmetterung des freien Willens zusammen mit der Aufklärung eine Voraussetzung ist, überhaupt Psychologie zu betreiben. Ob das nun so vernünftig ist, frage ich unten. Singer entspricht dem Zweiten, wie Sie gezeigt haben. Schuld gibt es nicht mehr. Das ist aber nicht zwingend; wir haben mit Luther und Mohammed ja schon zwei Beispiele von Philosophien, für die das kein Problem dargestellt hat (wobei bei Luther die Schuld sowieso unabhängig von konkreten Taten existiert). Das dritte kann man als Relativismus bezeichnen. Schuld wird als praktische Beschränkung des Freien Willens verstanden, wiederum eine Ablehung des Konzepts der Schuld. Das vierte ist die christlich-apostolische Version. Es gibt einen Freien Willen, mit dem man über sei Tun und in letzter Konsequenz seine Beziehung zu Gott entscheiden kann. Man verstehe in "Beziehung zu Gott" eingeschlossen "Beziehung zum Mitmenschen", siehe 1. Joh. 4,20 und Ratzingers Wort dazu in Communionis Notio, Nr. 3.
Nun zum zweiten: Es wird mit Naturwissenschaft argumentiert, aber im Endeffekt steht die Frage nach Verantwortung und Schuld. Aber sind das naturwissenschaftliche Konzepte? Nein. Schuld ist nicht empirisch feststellbar. Sie ist eine Zuschreibung an eine Person. Ebenfalls eine Zuschreibung ist der Freie Wille. Als Zuschreibung existierten beide, genau wie die Schuld. Empirisch-experimentell nachweisbar ist nichts davon. Der Freie Wille ist nämlich das, was die Reproduzierbarkeit eines Experimentes zerstört: Kontrolliere ich, daß der Mensch unter bestimmten experimentellen Bedingungen auf eine bestimmte Weise handelt, dann habe ich von ihm ein willenloses Modell. Mit dem Libet-Experiment bekam man also die Schlußfolgerung über den Freien Willen zurück, die man hereingesteckt hat. Was wenn die Probanden den Experimentator verkohlen wollen? Sage ich, Freier Wille könnte wirken, kann die Reproduktion eines Verhaltens durch identische Bedingungen nicht gewährleistet werden: Der Proband will es plötzlich anders. Da der Freie Wille nicht beobachtet/festgelegt werden kann wie eine Pilleneinnahme, sozusagen ein unbeobachtbarer, unmodellierbarer zufälliger Effekt ist, sind Experimente, die die Frage des Freien Willens klären wollen, mit naturwissenschaftlicher Methodik unmöglich.
Aber immerhin benutzen wir Schuld und Freien Willen in unserem intuitiven Selbstempfinden und im Beziehungsleben. Wenn z.B. bei der Trauung der Trauassistent fragt "Willst Du ...?", dann interessieren keine Neuronen und Experimente, sondern der Wille zur ehelichen Beziehung. Würde man den Freien Willen leugnen, würde man das Beziehungsleben der Menschen überhaupt angreifen, weil dadurch ein Modell eines Menschen entsteht, der nicht mehr eine Person (mit einem Freien Willen) ist, sondern eine Art Automat, den man manupulieren kann. Für Luther wäre es übrigens keine Erniedrigung des Menschen gewesen: Gott ist bei ihm ähnlich automatisch, indem er nämlich automatisch selig macht, wenn man nur glaubt. Weiterhin ist die oben angesprochene Identität von Beziehung zu Gott und Beziehung zum Nächsten bei den Reformierten nicht mehr existent. In der Orthodoxie sagt man konform zu Mt. 5,24, daß Gottesdienst verboten sei, wenn die Beziehung zu einem Menschen noch gestört ist. Im Evangelischen gibt es das gar nicht und im katholischen ist man sich uneinig [vielleicht neigt Ludwig Weimer da der orthodoxen Position zu, würde mich sehr interessieren].
Und hier treffen sich wieder die Enden. Ein automatischer Mensch kann durch eine Gesetzesflut oder durch Konformitätsdruck gesteuert werden, ein Beziehungsmensch handelt nicht mehr gut, wenn er zur guten Tat nur gedrängt wird (Augustinus), und nimmt diesen Drang übel, weil das Verständnis und der Beziehungsbezug fehlt. Ein automatischer Gott --auch der Gott des Klimawandels hängt ja automatisch von unserer Verbrennung ab-- hat damit keine Probleme. Ein Beziehungsgott sehr wohl. Wir sehen also, daß es sich um eine Frage der Theologie oder Philosophie handelt, nicht der Naturwissenschaft. So wie ich mir Gott vorstelle, automatisch oder persönlich liebend, so stelle ich mir das Gemeinschaftsleben vor. Freier Wille oder nicht ist nur ein Zwischenschritt, an dem wir prüfen können, ob wir auf dem Holzweg sind.
EDIT: Verweise auf Gedanken gelöscht, die ich jetzt doch nicht ausführen will.
Zitat von Solus im Beitrag #4Das heißt Sie haben mit einer übersinnlichen Kraft Ihren Körper solange etwas anderes machen - oder auch stillhalten - lassen, bis Sie sich entschlossen haben, einen Kommentar zu schreiben? Und haben zum Schreiben eben jenes Kommentares wieder die gleiche übersinnliche Kraft gebraucht, um ihre Finger auf die Tastatur drücken zu lassen? Darauf läuft es ja wie gesagt hinaus. Entweder Sie postulieren eine solche Kraft, die außerhalb der physkalischen Gesetze steht. Oder Sie tun es nicht. Entweder der ganze Vorgang von Anfang bis Ende ist den physikalischen Gesetzen unterworfen. Oder er ist es nicht. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Ist diese "übersinnliche Kraft" auch physikalischen Gesetzen unterworfen? Was hat "Willen" mit übersinnlichen Kräften und mit physikalischen Gesetzen zu tun?
Zitat von Solus im Beitrag #4Das heißt Sie haben mit einer übersinnlichen Kraft Ihren Körper solange etwas anderes machen - oder auch stillhalten - lassen, bis Sie sich entschlossen haben, einen Kommentar zu schreiben? Und haben zum Schreiben eben jenes Kommentares wieder die gleiche übersinnliche Kraft gebraucht, um ihre Finger auf die Tastatur drücken zu lassen? Darauf läuft es ja wie gesagt hinaus. Entweder Sie postulieren eine solche Kraft, die außerhalb der physkalischen Gesetze steht. Oder Sie tun es nicht. Entweder der ganze Vorgang von Anfang bis Ende ist den physikalischen Gesetzen unterworfen. Oder er ist es nicht. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Ist diese "übersinnliche Kraft" auch physikalischen Gesetzen unterworfen? Was hat "Willen" mit übersinnlichen Kräften und mit physikalischen Gesetzen zu tun?
Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel: Eine Uhr. Und nehmen wir eine, die mit Zahnrädern funktioniert. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Uhr läuft und ihre Zeiger werden sich nach einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Punkt befinden. Oder Sie drehen an der Uhr, ob direkt am Zeiger oder über das Stellwerk. Also auch Ihr Körper. Entweder läuft er wie die Uhr, oder es gibt etwas, das auf Ihren Körper einwirkt, wie Sie auf die Uhr einwirken, wenn Sie sie verstellen. Und dafür ist es egal, an welchem Punkt Sie ansetzen. Entweder die physikalischen Gesetze gelten bis hinunter zu den Elektronen, die um die Atomkerne kreisen. Und das ohne Ausnahme für alle Atome im Universum. Oder sie tun es nicht. Ander gesagt: Entweder Ihr Körper funktioniert wie eine Maschine. Oder er tut es nicht. Entweder er ist genauso vollständig den physikalischen Gesetzen unterworfen, wie die Tastatur, auf der Sie ihren Beitrag verfasst haben, wie der Monitor, auf dem Sie ihn gesehen haben und wie die Kabel, über die der Beitrag an den Server weitergeleitet wurde. Oder er ist es nicht. Ihr ganzer Körper ist aus Atomen zusammengesetzt. Also gibt es nur zwei Möglichkeiten - entweder alle diese Atome sind vollständig den physikalischen Gesetzen unterworfen. Oder sie sind es nicht. Entweder irgendetwas setzt an irgendeinem Punkt an, um Einfluss auf die Atome zu nehmen. Oder nicht.
Was heißt, dass Ihr Wille entweder auf Ihren Körper einwirken kann. Oder eben nicht. Wenn Sie sagen, dass es einen freien Willen gibt, heißt das, dass es etwas gibt, das auf die Bestandteile Ihres Körpers einwirken kann, um eine bestimmte Veränderung auszulösen. Das ist im Vergleich zu Gott, der das Wasser vor Moses teilte, ein Unterschied im Grade aber nicht in der Qualität. D.h. die Frage, ob es einen freien Willen gibt, ist eine Frage des Glaubens wie jede andere, durch nichts verschieden von der Frage ob es einen Gott gibt oder nicht.
Zitat von Solus im Beitrag #2Nehmen wir einfach mal das Gehirn aus der Gleichung heraus. Wenn Sie Ihren Arm bewegen, einen Finger, Ihren Fuß, wenn Sie Ihren Mund öffnen oder schließen - ich denke das können wir als eindeutig einfache physikalische Vorgänge ansehen. Setzen wir das Gehirn wieder in die Gleichung ein, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir haben eine vollständige Kette physikalischer Abläufe - oder eben nicht. Wenn nicht, heißt das, dass an einem Punkt etwas nicht-physikalisches einsetzen muss, das auf die physikalischen Vorgänge einwirkt. Wo besteht da nun der Unterschied etwa zur Levitation? Entweder lassen sich alle physikalischen Abläufe und demnach auch alle menschlichen Handlungen vollständig physikalisch erklären. Oder eben nicht. Kennen Sie einen Hinweis darauf, dass dem nicht der Fall ist?
Ich habe lange gewartet, bis sich bei mir der physikalische Vorgang des Kommentierens in Bewegung setzte. Lange gewartet nicht wegen einer Verzögerung oder Störung in den physikalischen Vorgängen meines Körpers, sondern weil mein freier Wille Zeit brauchte, um das Für und Wider abzuwägen und die Entscheidung zu treffen, ob physikalische Vorgänge in Gang gesetzt werden sollen, um den Kommentar zu kommentieren.
Das heißt Sie haben mit einer übersinnlichen Kraft Ihren Körper solange etwas anderes machen - oder auch stillhalten - lassen, bis Sie sich entschlossen haben, einen Kommentar zu schreiben? Und haben zum Schreiben eben jenes Kommentares wieder die gleiche übersinnliche Kraft gebraucht, um ihre Finger auf die Tastatur drücken zu lassen? Darauf läuft es ja wie gesagt hinaus. Entweder Sie postulieren eine solche Kraft, die außerhalb der physkalischen Gesetze steht. Oder Sie tun es nicht. Entweder der ganze Vorgang von Anfang bis Ende ist den physikalischen Gesetzen unterworfen. Oder er ist es nicht. Etwas dazwischen gibt es nicht.
Lieber Solus, Sie scheinen vom freien Willen eine Voraussetzung zu verlangen die ihn gerade nicht mehr frei sein lassen würde! Eine übersinnliche Kraft soll die Existenz des freien Willens belegen? Warum denn das? Der freie Wille kann nur frei sein, wenn er eben nicht "übersinnlich" determiniert" ist, sondern "innersinnlich". Frei wovon? Das ist die Frage die zu beantworten ist. Soll der freie Wille frei von der Person und ihren Organen sein? Wäre dieser dann noch der Wille dieser Person? Ich denke nicht. Der freie Wille ist personifiziert der derjenigen Person, die ihn in Handlungen, Entscheidungen und Urteilen umsetzt. Gäbe es eine übersinnliche Kraft, welche auf ihn wirkt, wäre er widerlegt und nicht nachgewiesen. In den Determinismus der Entscheidungsbildung wirkt das Individuum mit dem was es geworden ist, fühlt und denkt ein. Anzunehmen, es gäbe keine bewussten Entscheidungen spricht der Realität Hohn. Ich werde hier nicht die Beispiele meines Artikels wiederholen, aber jeder hat für die gleiche Situation nicht nur die Wahl zwischen verschiedenen Optionen, er wählt auch tatsächlich jede aus. Er probiert. Wenn dies kein Nachweis für einen freien Willen sein kann, dann verstehen wir, so fürchte ich, unter einem freien Willen nicht dasselbe. Um es mit Daniel C. Dennett zu sagen, einem Atheisten mit naturalistischen Weltbild: „Determinism is the friend, not the foe, of those who dislike inevitability"
Vor ziemlich genau 6 Jahren hat Zettel (nicht zum ersten Mal) sich über und aus freiem Willen geäußert. Zettel beginnt mit einer Frage, die, egal was sie antworten, die Frage selbst mit ja beantwortet. Denn eine Antwort ist aus freiem Willen zustande gekommen. Oder Nicht?
25.3.08 Gibt es einen freien Willen, ja oder nein? Bitte entscheiden Sie sich für eine Antwort, bevor Sie diesen Artikel lesen! Sie haben sich entschieden? Sie haben sich dafür entschieden, daß es einen freien Willen gibt? Oder haben Sie sich dafür entschieden, daß es keinen freien Willen gibt; daß wir vollständig determiniert sind? Oder haben Sie vielleicht mein Ansinnen, sich zu entscheiden, als eine Zumutung empfunden, sind in Reaktanz gegangen und haben sich entschlossen, die Antwort zu verweigern?
Wie auch immer Ihre Entscheidung ausgefallen ist - offensichtlich haben Sie sie frei getroffen.
Oder hatten Sie den Eindruck, sie unter Zwang zu treffen? Ich hoffe nicht. Wenn doch, dann würde ich Ihnen empfehlen, einen Psychiater aufzusuchen. Aus freien Stücken. Bevor es zu spät ist und etwa jemand auf den Gedanken kommt, Sie wegen einer schweren anankastischen Störung einem Psychiater vorzustellen. Ohne Ihren Willen, vielleicht gegen Ihren Willen.
Nehmen Sie mir diese harten Worte nicht übel, liebe Leser. Ich möchte Sie ja nur auf etwas aufmerksam machen, Sie sozusagen mit der Nase darauf stoßen, was wir alle wissen, außer einigen Philosophen und Neuro- Wissenschaftlern: Wir können, solange wir gesund sind, gar nicht existieren, ohne ständig von unserem freien Willen Gebrauch zu machen.
Einige von uns werden sich noch an diese Diskussion erinnern, vor allem aber daran, mit wieviel "Herzblut" diskutiert wurde.
Vielleicht reizt es Inger und KAA mal wieder zum Schreiben. Würd mich freuen.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #1Aus einer einst geplanten Antwort an Andreas Döding ist nun ein etwas langer Artikel geworden. Ich war damals der Ansicht, diese Diskussion wäre zu sehr OT und meine Antwort wurde auch immer länger. Das Thema ist so umfangreich, dass der Artikel noch länger hätte werden können...
Whow, toller Text und tolle Diskussion, die er bereits angestoßen hat, lieber Erling .
Meine Position dazu (die sich in weiten Teilen mit der von Wolfgang Prinz, s. u., deckt bzw. die ich schlicht überzeugend finde): Es gibt nicht den freien Willen, wie wir ihn uns vorstellen (das bereits als Wink mit Zaunpfahl), aber es ist sinnvoll, weiter an ihn zu glauben (noch einer!), weil die Idee des freien Willens eine wichtige (soziale) Regulationsfunktion erfüllt.
Zunächst ein Nebengedanke: Ich könnte schon den evolutionsbiologischen Anpassungsvorteil eines völlig freien Willens nicht erkennen; der sollte aber irgendwie erkennbar sein, um nicht gleichsam als "heiliger Geist" zu erscheinen, der irgendwann in den Menschen eingefahren ist und gleichsam aus sich selbst heraus besteht und keinen weiteren "Sinn" zu haben braucht. Irgendwie sind wir ja am Ende doch nur ein höheres Wirbeltier mit egoistischem Gen.
Nehmen wir eine Katze. Wenn man ihr ein Wollknäuel hinwirft, dann wird sie einmal danach jagen, ein anderes Mal nicht. Man kann durchaus sagen, daß sich die Katze hier entscheidet, aber ist diese Entscheidung frei? Wir würden wohl sagen: Nö. Neurophysiologisch "bestand" die Entscheidung in einem bestimmten kortikalen Erregungsmuster, das sich eingestellt hat auf der Basis einer bestimmten Reizsituation ("bottom-up"), z. B. Schmerzen im Hinterlauf, fortgeschrittene Dämmerung/Dunkelheit usw. Dieses kortikale Erregungsmuster war die Entscheidung der Katze, liegenzubleiben und das Wollknäuel nicht zu jagen.
Nehmen wir nun Kaspar Hauser in seinem Verließ. Wenn sein Peiniger ihm nun seine Essensration durch eine Klappe hineingereicht hat, er sich der Nahrung anschließend genähert und sie verspeist hat. War diese Handlung Ergebnis der Entscheidung seines freien Willens? Ich würde sagen: nein; mehr noch, ich sehe überhaupt keinen Unterschied im Prozeß gegenüber der oben beschriebenen Katze. Hätte man ihn vorsprachlich fragen können, warum er gegessen hat, dann würde er nicht geantwortet haben "Weil ich es wollte und mich dafür entschieden habe" sondern: "Weil ich Hunger hatte". Eine Antwort, die man entsprechend wohl auch von einer Katze (oder jedem anderen Vertebraten) bekäme. Die Entscheidung bestand in einem neuronalen Erregungsmuster, das eine interne Repräsentation äußerer Reizbedingungen (einschl. Propriozeption) bestand. Vielleicht kann man hier zunächst einmal sehen, daß es zumindest nicht so etwas wie einen angeborenen freien Willen gibt, der gleichsam immer da ist und dem Menschen automatisch innewohnt. Das gleiche gilt übrigens für das, was wir Bewußtsein nennen i. S. des sich selbst bewußt seins.
Was unterscheidet uns aber von Kaspar Hauser? Es ist der soziale Konstruktivismus auf Basis sprachlicher Repräsentationen, die es uns ermöglichen "Ideen" auszutauschen und andere (auch in ihrer Intentionalität/Volition) zu beobachten. Der "freie Wille" ist m. E. eine solche Idee, und er ist eine soziale Konstruktion (aber eine hilfreiche!). Wir erwerben Bewußtsein anhand der Beobachtung des anderen im sozialen Miteinander. Ohne dieses soziale Miteinander kein Bewußtsein. Nicht das Geschlecht ist eine soziale Konstruktion, aber die Kultur, die selbstverständlich determinierend wirkt (so "definieren" sich Westliche Menschen stärker als freie Individuen als Asiaten das tun, d. h. aber eben nicht daß Entscheidungen westlicher Menschen tatsächlich weniger determiniert wären, sie glauben lediglich daß das so sei). Und hier schließt sich m. E. der Kreis zur Evolution. Die Idee des freien Willens hat so eine soziale Regulationsfunktion, genau wie die Idee der Schuld. Das hilft dann wieder dem egoistischen Gen. Und nicht zuletzt deshalb würde ich bei den Schlußfolgerungen auch überhaupt nicht mit Wolf Singer mitgehen und das Strafrecht entsprechend reformieren. Der Freie Wille ist keine Naturtatsache, aber eine kulturelle.
Zitat von http://www.zeit.de/2010/24/Prinz-Interview/seite-4Es gibt dann relative Freiheit in dem Sinne, dass wir uns alle dazu verpflichten, das zu tun, was wir moralisch für akzeptabel halten. Unsere Freiheit besteht darin, uns auf eine bestimmte Weise determinieren zu lassen, zum Beispiel durch vernünftige Argumente. In diesem Sinne gibt es Wahlfreiheit. [...] Wir gehen so miteinander um, als könnte jeder frei entscheiden, und im Rahmen dieser sozialen Praxis sind wir willensfreie Akteure. Darüber hinaus gibt es keine Freiheit. Es ist unsere soziale Praxis, die uns in einer bestimmten Weise determiniert. Willensfreiheit ist keine Naturtatsache; es gibt keinen Menschen auf der Welt, der in seinen Entscheidungen nicht determiniert wäre.
Und als Dankeschön ein kleines Gegengeschenk. Der Hintergrund ist, daß ich meiner Frau von der Diskussion hier über den freien Willen erzählt habe und wir uns seither einen Spaß daraus machen, uns bei Gelegenheit so zu verhalten, als hätten wir keinen:
Es sprach einst ein Mann, der den Müll nach vorn bringen sollte: "Ich will, weiter dösend im Garten, gern geduldig erwarten Ob mein Hirn sich entscheidet: Er will!"
Herzlich, Zettel
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Meister Petz Beiträge: 1.515 07.05.2008 23:47
#65 RE: Noch ein Limerick haha Zitat vormerkenantworten
Lieber Zettel,
wunderbar, ein selbstgeschriebener! Da mach ich auch mit:
Es scheint, als wäre das Sollen Nicht möglich ohne das Wollen Drum die ethische Regung Kantischer Prägung: Am besten, wir wollen das Sollen!
Gute Nacht, Petz
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Solus im Beitrag #2Es ist eigentlich recht einfach: Kennen Sie aus der Physik irgendetwas, das mit der Idee des freien Willens vereinbar wäre?
Kennen Sie aus der Physik irgendetwas, das mit der Idee des freien Willens unvereinbar wäre?
Bitte denken Sie an die Umwelt bevor Sie diesen Kommentar ausdrucken
Zitat von Doeding im Beitrag #10 Meine Position dazu (die sich in weiten Teilen mit der von Wolfgang Prinz, s. u., deckt bzw. die ich schlicht überzeugend finde): Es gibt nicht den freien Willen, wie wir ihn uns vorstellen (das bereits als Wink mit Zaunpfahl), aber es ist sinnvoll, weiter an ihn zu glauben (noch einer!), weil die Idee des freien Willens eine wichtige (soziale) Regulationsfunktion erfüllt.
Damit haben Sie, lieber Andreas, schon mal das wichtigste Problem angesprochen. Es gibt offenbar nicht nur unterschiedliche Sichtweisen in Bezug auf die Freiheit sondern auch auf den freien Willen. Und in der Tat findet man auf Wikipedia die Aussage des nicht einheitlich definierten Begriffs. Wenn man sich überhaupt näher kommen will, um annähernd von demselben Problem zu sprechen, geht es um die Freiheit zu wählen. Dass dieser Wahl ein Wille zugrunde liegt ist durch die Anhänger der Willensfreiheit schon belegt in dem überhaupt eine Wahl getroffen wird. Die Gegner sehen auch darin nichts als Determinismus. An dieser Stelle beginnt die Freiheit ein Ideal zu werden welches von kaum einem Menschen angestrebt wird. Wer will denn völlig frei sein? Ich nicht. Und ich kenne auch niemanden der die Konsequenzen zu tragen bereit wäre. Aber es gibt solche Menschen.
Zitat von Doeding im Beitrag #10Zunächst ein Nebengedanke: Ich könnte schon den evolutionsbiologischen Anpassungsvorteil eines völlig freien Willens nicht erkennen; der sollte aber irgendwie erkennbar sein, um nicht gleichsam als "heiliger Geist" zu erscheinen, der irgendwann in den Menschen eingefahren ist und gleichsam aus sich selbst heraus besteht und keinen weiteren "Sinn" zu haben braucht. Irgendwie sind wir ja am Ende doch nur ein höheres Wirbeltier mit egoistischem Gen.
Der Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung. Wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe lerne ich deren Willen kennen. Mal stark, mal schwach. Meist erscheint er etwas abhängig zu sein von der stärke meines Willens aber das kann auch täuschen. Jedenfalls nehmen Menschen den eigenen Willen nur wahr wenn sie sich sehr genau analysieren. Dem Willen anderer dagegen begegnet man tagtäglich. Er wird logischerweise mit der handelnden Person verbunden, mit wem auch sonst? Handelt eine Person als ausführende eines Willens einer anderen Person finden wir das früher oder später heraus.
Zitat von Doeding im Beitrag #10Nehmen wir eine Katze. Wenn man ihr ein Wollknäuel hinwirft, dann wird sie einmal danach jagen, ein anderes Mal nicht. Man kann durchaus sagen, daß sich die Katze hier entscheidet, aber ist diese Entscheidung frei? Wir würden wohl sagen: Nö. Neurophysiologisch "bestand" die Entscheidung in einem bestimmten kortikalen Erregungsmuster, das sich eingestellt hat auf der Basis einer bestimmten Reizsituation ("bottom-up"), z. B. Schmerzen im Hinterlauf, fortgeschrittene Dämmerung/Dunkelheit usw. Dieses kortikale Erregungsmuster war die Entscheidung der Katze, liegenzubleiben und das Wollknäuel nicht zu jagen.
Das ist mir schon bei Wolf Singer aufgefallen, der Vergleich mit Tieren und mit einfacher Motorik. Das was unser Bewusstsein ausmacht, was uns von Tieren unterscheidet, die Überlegung, das Urteilen waren nicht seine Diskussionsgrundlage. Nicht dass ich hier eine absolut klare Trennung ziehen wollte, nur eignet sich der Mensch in seinem Denken viel besser als Beobachtungsobjekt. Man kann m.E. nicht von einfacher Motorik oder dem Verhalten von Tieren auf eine so komplexe Herausbildung wie die Willensbildung schließen. Unsere Katze, die ich seit 13 Jahren kenne, ist mir noch nicht mit so etwas wie einem freien Willen aufgefallen und ob ich meinen Arm nun hebe oder senke, mag ebenfalls nicht von meinem freien Willen entschieden werden. Um noch einmal auf die Wahrnehmung anderer Personen hinsichtlich meines freien Willens zurückzukommen: Solche Handlungen wie die Bewegung eines meiner Gliedmaßen wird auch von denen nicht als Willensbekundung interpretiert.
Zitat von Doeding im Beitrag #10Nehmen wir nun Kaspar Hauser in seinem Verließ. Wenn sein Peiniger ihm nun seine Essensration durch eine Klappe hineingereicht hat, er sich der Nahrung anschließend genähert und sie verspeist hat. War diese Handlung Ergebnis der Entscheidung seines freien Willens? Ich würde sagen: nein; mehr noch, ich sehe überhaupt keinen Unterschied im Prozeß gegenüber der oben beschriebenen Katze. Hätte man ihn vorsprachlich fragen können, warum er gegessen hat, dann würde er nicht geantwortet haben "Weil ich es wollte und mich dafür entschieden habe" sondern: "Weil ich Hunger hatte". Eine Antwort, die man entsprechend wohl auch von einer Katze (oder jedem anderen Vertebraten) bekäme. Die Entscheidung bestand in einem neuronalen Erregungsmuster, das eine interne Repräsentation äußerer Reizbedingungen (einschl. Propriozeption) bestand. Vielleicht kann man hier zunächst einmal sehen, daß es zumindest nicht so etwas wie einen angeborenen freien Willen gibt, der gleichsam immer da ist und dem Menschen automatisch innewohnt. Das gleiche gilt übrigens für das, was wir Bewußtsein nennen i. S. des sich selbst bewußt seins.
Und dieser Vergleich, lieber Andreas, schließt sich dem vorigen, wie Sie ja selbst feststellen, an. Kasper Hauser in seinem Verließ ist nicht frei. Er steht unter dem Zwang des Willens anderer. Ihr Wille dominiert seinen eigenen. Kenne ich und kann ich bestätigen. Man nennt das auch den Versuch eines Anderen Willen zu brechen. Was uns beide von Kasper Hauser unterscheidet, ist nicht der soziale Konstruktivismus sondern ganz banal die Unterdrückung seines Willens durch einen anderen Willen. Es gibt Gefangene deren Wille stärker ist, als der Wille derjenigen die ihn zur Unterdrückung eines anderen einsetzen. Sie fliehen. Der Wille eines Menschen wird auch in Diktaturen unterdrückt, ich habe das im Blogbeitrag angeschnitten. Es gibt also Willensfreiheit die unterschiedlich stark zum Ausdruck gebracht wird. Je nachdem wie stark der Wille ausgeprägt oder wie stark die Freiheit ihn ausüben zu können, eingeschränkt ist. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass es den freien Willen überhaupt nur in unterschiedlichen individuellen Formen gibt. Und der sich verändern kann. Ich möchte ihn vorerst nur umreißen aber eine Abgrenzung zu ziehen, kann sehr interessant sein. Wie frei könnte eigentlich, um mal ebenfalls einen Tiervergleich zu bringen, der Fuchs in der Falle sein der sich, um zu entkommen, seine Pfote selbst amputiert? Hat er da einen Willen zum Ausdruck gebracht?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8Lieber Solus, Sie scheinen vom freien Willen eine Voraussetzung zu verlangen die ihn gerade nicht mehr frei sein lassen würde! Eine übersinnliche Kraft soll die Existenz des freien Willens belegen? Warum denn das? Der freie Wille kann nur frei sein, wenn er eben nicht "übersinnlich" determiniert" ist, sondern "innersinnlich".
Lieber Erling Plaethe,
Ich habe gerade auch den Artikel von Zettel damals gelesen. Ich glaube das worüber Solus und Sie gerade sprechen ist das, was Zettel so beschrieb:
Zitat von ZettelDas Problem ist, daß der freie Wille nicht in das wissenschftliche Weltbild paßt. Er paßt nicht in ein Weltbild, das sich dermaßen bewährt hat und sich sozusagen minütlich weiter bewährt, daß es nachgerade ein Akt des Mutwillens wäre, es an dieser entscheidenden Stelle zu durchbrechen.
Der freie Wille paßt nicht in das wissenschaftliche Weltbild. Denn dieses Weltbild basiert auf der Überzeugung von der kausalen Geschlossenheit der Welt. Kausale Geschlossenheit, das heißt: Was in der Welt passiert, das hat seine Ursachen auch in dieser Welt, und in ihr allein. Niemand greift da von außen ein. [...] Es gibt ein Dilemma der Willensfreiheit, da beißt die Maus keinen Faden ab. [...] In Frage gestellt wird diese kausale Geschlossenheit der Welt durch Willensfreiheit.
und weiter
Zitat von ZettelDie Willensfreiheit ist also ein Dilemma. Aber das heißt ja nicht, daß man nicht herauskommen könnte aus dem Dilemma.
Die Wissenschaft leistet so etwas immer wieder. Das Zenon'sche Paradox von Achilles und der Schildkröte verschwand mit der Erfindung der Infinitesimalrechnung. Licht - das sind zugleich Wellen und Partikel; für die Quantenmechanik kein Dilemma. Warum soll die Wissenschaft nicht auch eine Lösung für das Dilemma des Bewußtseins der Willensfreiheit finden?
Ob es die Willensfreiheit gibt oder nicht ist aus heutiger Sicht nicht entscheidbar nach meiner Aufassung. Die diesbezügliche Überheblichkeit eines Herrn Singer ist, wie Sie zutreffender Weise anmerken lieber Erling Plaethe, vor allem wegen der gesellschaftlichen Konsequenzen, mehr als bedenklich.
Ich glaube, einem von "physikalischer Bildung geprägten Menschen" ist der Gedanke an einen freien Willen aufgrund des von Zettel skizzierten Dielemmas nicht intuitiv möglich. ich selbst würde spontan ähnlich wie Solus argumentieren und säße damit möglicherweise einer neagtiven Eigenschaft von Bildung auf, die ich unlängst selbst hier im Forum ansprach.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag RE: Mecker-Marginalie: Mal wieder "zeitgemäßer Liberalismus" Wissenschaft ist ja ein evolutionärer Prozess, in dem Menschen auf der Vorarbeit anderer aufbauen. Sie weiter entwickeln. Wenn die Vorarbeit aber in eine Sackkasse führte, kommt die Wissenschaft nicht weiter. Denken Sie an Einsteins Relativitätstheorie. Er hätte sie niemals entwickeln können, hätte er nicht alles was in der Physik in dieser Zeit selbstverständlich war über Bord geworfen. Seine Leistung bestand in meinen Augen mitnichten in einer außergewöhnlichen mathematischen Begabung, sondern in Phantasie und Mut. Phantasie, um sich eine Welt vorzustellen, die man nicht kennt. Mut, die ausgetretene Pfade zu verlassen auf denen alle unterwegs sind. Mut sich lächerlich zu machen, Mut „gesellschaftlich geächtet“ zu werden.
Wir wissen nicht, welchen falschen Wahrheiten wir heute aufsitzen. Wir wissen nicht welche Wege wir verlassen müssen um entscheidend weiter zu kommen. Das gilt für die Naturwissenschaft, wie auch die Philosophie, Gesellschaftswissenschaften oder Politik. Sogar für die Mathematik, die mit „Gödels Unentscheidbarkeit“ ja auch noch ein bisschen was zu verdauen hat. Man kann aber feststellen (gerade auch in der Wissenschaft), dass trotz „Ereignissen wie Einstein“ die Bereitschaft zum Verlassen ausgetretener Pfade gering geblieben ist. Zu sehr ist wohl der Erfolg des evolutionären Teils der Wissenschaft prägend und je mehr sich Bildung in einer Gesellschaft "ausbreitet", umso mehr breitet sich eben auch die Grundlage des evolutionären, wissenschaftlichen Prozesses aus und zementiert die ausgetretenen Pfade immer fester in die wahrgenommen Wirklichkeit.
Physik ist ja keine "Objektive Wahrheit über das Sein an sich", sondern mehr oder weniger eine Regelsammlung die äußerst präzise unsere Wahrnehmung vorhersagen kann. Das vergißt man mitunter, wenn man sich an die Leistungsstärke ihres Regelwerks gewöhnt hat. Um den freien Willen verstehen zu können, reicht das aktuelle Regelwerk der Physik ganz sicher nicht aus. Das heißt aber nicht, dass es ihn nicht gibt. Wenn man daran denkt, welche "Regelverletzungen" die Physik schon durch Weiterenticklung ihrer Regeln zuließ (z. B. Relativität der Zeit, Welle Teilchen Dualismus, Verletzung der Energieerhaltung innerhalb der Plankschen Unschärfe, etc.), warum soll dann nicht auch ein freier Wille durch ein erweitertes Regelwerk einmal erklärt werden können. Auch das Unentscheidbarkeitsproblem, welches bei Gödel seinen Ursprung nahm und das (soweit ich das Überblicke) sehr viele weitreichende Fragen in der Mathematik und theoretischen Informatik aufgeworfen hat, passt nach meinem Verständnis nicht in unser kausal geschlossenes Weltbild. Trotzdem ist es da. Vielleicht findet sich ja dort der freie Wille.
Um ein bisschen zu schwurbeln: Vielleicht braucht es Phantasie und Mut, um den freien Willen in einem physikalischen Weltbild unterzubringen, den heute noch keiner hat. Vielleicht liegt es aber auch in seinem Wesen, dass der freie Wille für den Menschen aus dem für ihn Wahrnehmbaren nicht zu induzieren ist.
Bis das geklärt ist folge ich einem intuitiven Pragmatismus, welcher mir sagt: Die Annahme der Existenz eines freien Willens scheint mir zur Reglung von menschlichem Miteinander zu sinnvolleren Ergebnissen zu führen als die gegenteilige Annahme. Daher begrüße ich sehr, lieber Erling Plaethe, dass Sie gegen eine von Herrn Singer, aus zu großer Selbstgewissheit gewonnen Einschätzung anschreiben, die nachhaltige negative Konsequenzen auf unser Miteinander haben könnte (bzw. aus meiner Sicht hat).
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
"Nur die alledümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber." - Don Camillo
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13Der Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung.
Wenn ich das noch anmerken darf, hat mir diese Bermerkung gerade weitere Einsichten beschert.
Es gibt in der Physik mehr als eine Beobachtung, die sich nicht erklären lässt und um sie erklären zu können, erscheint selbst so etwas wie dunkle Materie durchaus vertretbar.
Verzeihen Sie wenn ich auf der "Physik" so herumreite aber von mir selbst ausgehend glaube ich, dass dieses wissenschaftliche Weltbild in der Tat etwas ist, das Menschen Probleme mit dem freien Willen haben lässt, obwohl sie ihn eigentlich für das richtige Konzept halten.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
"Nur die alledümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber." - Don Camillo
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13Der Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung.
Wenn ich das noch anmerken darf, hat mir diese Bermerkung gerade weitere Einsichten beschert.
Es gibt in der Physik mehr als eine Beobachtung, die sich nicht erklären lässt und um sie erklären zu können, erscheint selbst so etwas wie dunkle Materie durchaus vertretbar.
Verzeihen Sie wenn ich auf der "Physik" so herumreite aber von mir selbst ausgehend glaube ich, dass dieses wissenschaftliche Weltbild in der Tat etwas ist, das Menschen Probleme mit dem freien Willen haben lässt, obwohl sie ihn eigentlich für das richtige Konzept halten.
Vielen Dank für Ihre Antwort, lieber nachdenken_schmerzt_nicht. Ich habe versucht den freien Willen mit dem wissenschaftliche Weltbild zu vereinen, die Entfremdung aufzulösen. Deswegen habe ich auch nicht den von Singer postulierten Determinismus verneint und die Erklärung im Kompatibilismus gesucht. Den Artikel von Zettel und die Diskussion kannte ich bisher nicht.
An dieser Stelle: Vielen Dank an Nola für den Link!
Die Physik spielt für mich, auch beruflich, eine sehr wichtige Rolle. Ich kann Ihnen nur zustimmen. Was sie schreiben kann ich nur unterstreichen, es drückt aus, was ich denke. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch schon Zweifel gehabt hätte. Doch was auch immer diesen freien Willen antreibt, er hat mir einfach mehr Freiheit gebracht. Gerade weil die Handlungsfreiheit stark eingeschränkt war. Schon deshalb kann ich ihn unmöglich verneinen. Selbst wenn nicht nur der freie Wille eine Illusion wäre, sondern mein ganzes Dasein, was machte dies für einen Unterschied? Die Situation ist so wie sie ist, und mein Wille ist ein Instrument mit dem ich arbeiten kann. Ich brauche ihn um meine Handlungsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Ob eingebildet oder nicht, mein Wille führt mich zu Erfolgen wie auch zu Niederlagen. Aber ich weiß wie es ist, wenig freien Willen zu haben. Dieser Zustand hat für mich existiert. Die Grenze ist nicht weit weg und manchmal waren Opfer nötig um zu erhalten was sonst an freiem Willen vielleicht verloren gegangen wäre. Denn unter eingeschränkter Handlungsfähigkeit kann auch der freie Wille eine Einschränkung erfahren. Ich denke, der freie Wille ist sehr relativ und man muss ihn festhalten, will man ihn denn behalten, sobald man sich seiner selbst bewusst wird. Wenn dann ein Hirnforscher kommt und meint, ich solle loslassen, sehe ich etwas sehr Unangenehmes auf mich zukommen. Es ist ja nicht nur das Rechtssystem welches davon betroffen wäre. Es geht auch um die Idee der Formbarkeit des Menschen, mit der wir uns hier im Forum nicht gerade selten auseinandersetzen. Die Armada der Sozialingenieure ist sicher auch sehr angetan von der Idee, dass es keinen freien Willen gibt.
Zitat von Erling PlaetheDer Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung. Wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe lerne ich deren Willen kennen.
Ganz so einfach scheint es mir nicht zu sein. Wir schließen auf den Willen anderer auf Basis von Beobachtungen von deren Handlungen. Daß Indikator und Indiziertes nicht identisch sein müssen, lehrt aber schon die Alltagserfahrung. Selbst wenn einer seinen Willen verbal oder direkt zum Ausdruck bringt, muß das nicht unbedingt der (ganzen) Wahrheit entsprechen.
Zitat Wenn man sich überhaupt näher kommen will, um annähernd von demselben Problem zu sprechen, geht es um die Freiheit zu wählen. Dass dieser Wahl ein Wille zugrunde liegt ist durch die Anhänger der Willensfreiheit schon belegt in dem überhaupt eine Wahl getroffen wird.
Ist die Freiheit der Wahl nicht durch den Willen bestimmt? Ich denke schon, daß es um die Frage geht, ob der Wille selbst frei ist oder nicht. Sie und ich sind nicht frei in der Wahl, heute von einer Autobahnbrücke zu springen, weil wir es nicht wollen. Wenn wir es aber wollen würden, wäre die Entscheidung ja auch nicht mehr frei. Darüber hinaus bin ich aber überzeugt, daß auch der Wille selbst determiniert ist (und nicht frei, dazu unten mehr)
Zitat und ob ich meinen Arm nun hebe oder senke, mag ebenfalls nicht von meinem freien Willen entschieden werden.
Na ja...
Zitat von http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/g...ion/357466.htmlRoths Beleg: Ein OP-Saal in Montreal, Kanada, Mitte des letzten Jahrhunderts. Ein Neurochirurg namens Wilder Penfield beugt sich über den offenen Schädel eines Epilepsie-Patienten und stimuliert mit Elektroden dessen Hirn; der Patient ist bei vollem Bewusstsein. Was sich wie Science-Fiction anhört, ist für den Chirurgen fast eine Routine-Untersuchung – in den 1940er und 50er Jahren operiert er Hunderte von Epileptikern. Mit seinen Elektroden sucht er nach dem „epileptischen Herd“: dem krankhaften Gewebeklumpen, von dem die epileptischen Gewitter im Gehirn ihren Anfang nehmen.
Irgendwann während der OP des epileptischen Mannes trifft der Chirurg mit der Reizelektrode auch das Hirnzentrum, das den Arm steuert – und der Arm des Mannes bewegt sich. Kurios fällt die Antwort aus, als Penfield den Mann daraufhin fragt, warum er denn gerade seinen Arm bewegt habe: „Weil ich es wollte!“, sagt der Mann.
Wir tun was wir wollen? Wohl eher: wir wollen was wir tun.
Zitat Und dieser Vergleich, lieber Andreas, schließt sich dem vorigen, wie Sie ja selbst feststellen, an. Kasper Hauser in seinem Verließ ist nicht frei. Er steht unter dem Zwang des Willens anderer. Ihr Wille dominiert seinen eigenen.
Nein. Er ist nicht frei, sein Verlies zu verlassen, lieber Erling. Aber warum sollte er nicht frei sein, seine Nahrung zu verweigern? Freiheit(jetzt im Sinne von Bewegungs- oder auch politischer Freiheit), ist ja immer nur eine relative, graduelle. Ich behaupte, Hauser war nicht einmal frei zu entscheiden, die Nahrung zu verweigern, weil er das Konzept der Entscheidungsfreiheit nie erlebt, oder richtiger: nie entdeckt hat (es ihm nie vermittelt worden ist). Unser Gehirn ist ja zunächst eine weitestgehende tabula rasa, das erst durch (soziale) Erfahrung mit Inhalt gefüllt wird. Sie haben ja recht, unsere Entscheidungen kommen deutlich komplexer zustande als die einer Katze, aber Komplexität belegt weder einen qualitativen Unterschied (sondern nur einen quantitativen, eben mit Blick auf Komplexität) noch das Konzept der Freiheit. Hausers Entscheidungen waren, aller Mutmaßung nach, vollständig determiniert durch das kreatürliche Bedürfnis zur Vermeidung von Schmerz. Sonst nichts.
Ein anderes Beispiel. Was das Buch Flucht aus Lager 14 u. a. so erschütternd macht, ist daß der Protagonist immer und immer wieder die Formulierung gebraucht "Ich hatte ja keine Ahnung daß es so etwas wie... [beliebige zivilisatorisch-humanistische Errungenschaft] überhaupt gab." Auch sein Verhalten war vollständig, oder nahezu vollständig, determiniert durch den Willen (sic) zu überleben und Schmerz zu vermeiden, und das wäre wohl auch für immer so geblieben, wenn es da nicht jenen älteren Gefangenen gegeben hätte, der ihn mit Konzepten wie Freiheit (oder auch einfach nur Rindfleisch oder die Tatsache, daß es außerhalb des Elektrozaunes überhaupt noch eine andere Welt gab vertraut gemacht hat). Mit dieser Erfahrung aber konnte der Protagonist (oder richtiger sein Gehirn) irgendwann nicht mehr anders als sich zur Flucht entscheiden, oder aus der Sicht der Hirnforscher, so wie ich sie rezipiert habe, formuliert:
Im Moment einer Entscheidung, also in der Sekunde oder eher der Hundertstelsekunde, in der eine Entscheidung stattfindet, bildet sich dies in einem spezifischen Aktivierungszustand des betreffenden Gehirnes ab. Dieses ist dann aber nur in diesem einen und nicht gleichzeitig in einem der denkbaren anderen Zustände, in denen es hätte sein können. Daß es aber in genau diesem (Entscheidungs)Zustand ist, ist determiniert durch zeitlich proximal vorausgegangenen Zustände ebendieses Gehirns (=unmittelbar vorausgegangene Abwägungs und Entscheidungsprozesse). Diese wiederum sind determiniert durch die zeitlich distalen Aktivierungszustände ebendieses Gehirns (Lebensgeschichte, Erfahrungen, Lerngeschichte sensu Pawlow und Skinner, Sozialisation usw.). Die Annahme eines "Freien Willens" wäre hier, sehen Sie mir bitte diese blöde Formulierung nach, lieber Erling: eine unnötige Zusatzannahme die nichts zusätzlich erklärt oder beschreibt, außer vielleicht dem subjektiv ausgeprägten psychologischen Bedürfnis, daß es einen Freien Willen geben möge, weil wir uns damit besser fühlen würden und unserer Fähigkeit, uns diesen selbst subjektiv zu konstruieren.
Das ist natürlich schrecklich deterministisch und auch reduktionistisch. Aber es ist eben auch ein recht simples Modell und wird von der Datenlage, soweit ich sie dereinst rezipiert habe, mehrheitlich gestützt. Und wenn man hier weitere Annahmen (wie z. B. den Freien Willen) machen will, müßte man schon erklären, welche Phänomene menschlicher Entscheidungsfindung und Volition dann zusätzlich oder besser erklärt werden können bzw. durch obige Vorstellungen nicht hinreichend erklärt werden können.
Ergänzung: Diesem Zitat aus Ihrem Beitrag an n_s_n möchte ich dagegen voll und ganz zustimmen:
Zitat Wenn dann ein Hirnforscher kommt und meint, ich solle loslassen, sehe ich etwas sehr Unangenehmes auf mich zukommen. Es ist ja nicht nur das Rechtssystem welches davon betroffen wäre. Es geht auch um die Idee der Formbarkeit des Menschen, mit der wir uns hier im Forum nicht gerade selten auseinandersetzen. Die Armada der Sozialingenieure ist sicher auch sehr angetan von der Idee, dass es keinen freien Willen gibt.
Das empfinde ich aber auch nicht als widersprüchlich: Der Mensch ist formbar, aber daraus leitet sich nicht im geringsten das Recht einzelner oder von Gruppen ab, gegenüber anderen als "Former" aufzutreten und das Formen zu institutionalisieren. Das ist völlig unabhängig von der Frage, ob konkrete Entscheidungen, die wir treffen nun "frei" sind oder nicht. Anders herum: Selbst wenn der Freie Willen belegbar wäre, würde sich die Sozialingenieure davon nicht schrecken lassen, fürchte ich, sondern die (Hirn)Forscher (und deren Ergebnisse) anzweifeln, die die Willensfreiheit behaupteten .
Wer alles deterministisch, also im Rahmen einer zwingenden Kausalkette, erklärt, ist nicht berechtigt, antideterministische Auffassungen zurückzuweisen, denn die müssen ja auch durch Determination verursacht sein.
Um den Determinismus zu retten, könnte man jetzt den Begriff des "Irrtums" oder abgeleitete Begriffe wie "Irrlehre" u. dgl. anführen, das funktioniert aber nicht: Wenn die Sonne nicht irrtümlich mal im Westen aufgehen kann, können sich auch alle Wesen unter der Sonne nicht "irren", schließlich folgen sie ja denselben Naturgesetzen - abgesehen davon, dass die Natur nicht Naturgesetzen folgt, sondern dass wir der Natur "Gesetze" beilegen, die die Natur offenbar nicht wahrnimmt - sie hätte sich schon totgelacht.
Dadurch also, dass Singer im Diskurs vermeintlichen Freiheitshirngespinsten "widerspricht", hat er schon die angeblich inexistente Freiheit bewiesen, genauso könnte er Widerspruch gegen gegen Sonne, Mond und Sterne einlegen. "Neu" ist die ganze Singerei natürlich eh nicht - eine Neuauflage des laplace'schen Dämons und ähnlicher, noch älterer Überlegungen.
Zitat Entscheidungen dürfen nicht undeterminiert ablaufen.
So Singer, zitiert von Erling Plaethe. Herr Singer hat offenbar Humor, wenn auch versehentlich, das zeigt der Begriff "dürfen" (ohne Freiheit vorauszusetzen sinnlos) im gegebenen Kontext
Im Übrigen hat niemand bis dato Kausalität als solche da draußen beobachtet. Vielmehr ist die Kausalität unser Ding, mit dem alles da draußen verknüpft zu werden pflegt. Da drinnen gibt's aber auch noch......und da versagt die Kausalität fallweise deutlich - da draussen seit der Quantenphysik desgleichen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13Der Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung.
Wenn ich das noch anmerken darf, hat mir diese Bermerkung gerade weitere Einsichten beschert.
Es gibt in der Physik mehr als eine Beobachtung, die sich nicht erklären lässt und um sie erklären zu können, erscheint selbst so etwas wie dunkle Materie durchaus vertretbar.
Ja, lieber n_s_n, die dunkle Materie ist aber zunächst ein hypothetisches Konstrukt, um Phänomene in der physikalischen Welt zu erklären, die man sich ohne dieses Konstrukt zunächst nicht erklären kann. Welches beobachtbare Phänomen aber läßt sich denn nichtohne das hypothetische Konstrukt des Freien Willens erklären? (Bauchgefühle und Wünsche gilden nicht ;-)
Im Übrigen hat niemand bis dato Kausalität als solche da draußen beobachtet. Vielmehr ist die Kausalität unser Ding, mit dem alles da draußen verknüpft zu werden pflegt.
Beides gilt für den "Freien Willen" aber auch, lieber Dennis?
Ich habe das Gefühl, dass weder Herr Singer, noch Sie, lieber Erling Plaethe, noch andere Kommentatoren, definiert haben, was freier Wille eigentlich IST.
Jeder scheint da seine anderen Vorstellungen zu haben. Anders kann ich Feststellungen wie "der freie Wille muss determiniert sein" nicht verstehen. Für mich muss der freie Wille ein Zufalls-Element haben, sonst kann ich das nicht mit dem Begriff frei verbinden. Es muss eine Auswahl geben.
Und die Meinung von Solus oder Herrn Singer, dass die Prozesse im Gehirn vollständig mit klassischer Physik beschreibbar sind, sind schlicht falsch. Die Undeterminiertheit der quantenmechanischen Entscheidungen haben meiner Meinung nach auch Auswirkungen auf das Gehirn. Ich bin ziemlich sicher, dass die Ursache-Wirkung Kette, wenn man eine Handlung eines genügend hochentwickelten Tieres analysiert, irgendwann im Mischmasch quantenmechanischer Ja-Nein Entscheidungen verschwindet.
Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung und werden niemals eine Ahnung haben, was eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung hervorgerufen hat. Genau das ist für mich der Hinweis auf die Freiheit. Dass es dabei durchaus Situationen gibt, in denen die Ursache der Entscheidung feststellbar ist, ist kein Widerspruch zu dieser Aussage. Denn es gibt auch automatische, nicht-freie Reaktionen. Mein Computer ist so ein Beispiel.
Aber diese Gedanken von mir beruhen auf einer bestimmten Vorstellung von dem, was freier Wille ist. Andere scheinen da andere Vorstellungen zu haben. Insofern ist eine Diskussion erst sinnvoll, wenn man beschreibt, wie man sich diesen Begriff vorstellt.
Zitat von Kritiker im Beitrag #21 Anders kann ich Feststellungen wie "der freie Wille muss determiniert sein" nicht verstehen.
Hat das jemand so gesagt? Nach meinem Verständnis wäre eine Willensentscheidung, für die man Determinanten entdeckte, die wirksam sind ohne daß das Individuum davon weiß, ja gerade nicht mehr frei?
Zitat Für mich muss der freie Wille ein Zufalls-Element haben, sonst kann ich das nicht mit dem Begriff frei verbinden. Es muss eine Auswahl geben.
Gerade wenn der Zufall regierte, regierte doch nicht mehr das Subjekt? Wer entscheidet denn dann? Doch nicht das Individuum, sondern eine Würfelneigung des Gehirns?
Zitat Die Undeterminiertheit der quantenmechanischen Entscheidungen haben meiner Meinung nach auch Auswirkungen auf das Gehirn. Ich bin ziemlich sicher, dass die Ursache-Wirkung Kette, wenn man eine Handlung eines genügend hochentwickelten Tieres analysiert, irgendwann im Mischmasch quantenmechanischer Ja-Nein Entscheidungen verschwindet.
Das wäre dann doch auch wieder Zufall oder verstehe ich da was falsch? Es entscheidet sozusagen Schroedingers Katze und wieder nicht das Individuum? Bzw. das Individuum durch den zufälligen Moment, in dem es als Beobachter auf die eigenen Entscheidungsprozesse blickt (Katze tot-Katze lebt)? Wo wäre wiederum hier die Freiheit zu suchen?
Zitat Wir haben keine Ahnung und werden niemals eine Ahnung haben, was eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung hervorgerufen hat. Genau das ist für mich der Hinweis auf die Freiheit.
Wie das? Für mich wäre das ein Hinweis auf die Begrenztheit (wissenschaftlicher) Erkenntnismöglichkeiten bzw. die Antwort auf die Frage, ob wir mit unserem Erkenntnissystem ebendieses Erkenntnissystem überhaupt verstehen können. Und erneut: Was ist daran ein Hinweis auf Freiheit?
Zitat Aber diese Gedanken von mir beruhen auf einer bestimmten Vorstellung von dem, was freier Wille ist. Andere scheinen da andere Vorstellungen zu haben. Insofern ist eine Diskussion erst sinnvoll, wenn man beschreibt, wie man sich diesen Begriff vorstellt.
Sie hätten ja mal anfangen können, indem Sie Ihre Vorstellung vom Freien Willen just hier erläutert hätten . Aber gängig ist m. E. daß Wille und Entscheidungen dann "frei" sind, wenn der Entscheidungsprozeß bzw. die Willensbildung dem Subjekt verfügbar ist, also bewußt erfolgt. Wenn das Subjekt also über die Determinanten der Entscheidung (operationalisiert als "Argumente") "frei" verfügen kann; erst dann hat es eine Wahl. Wenn Determinanten einer Entscheidung oder der Willensbildung nicht unter dem Einfluß des Individuums stehen (weil sie dem Subjekt z. B. nicht gewahr sind), dann kann man auch nicht den Einfluß dieser Determinanten auf den Entscheidungsprozeß (und das Ergebnis) kontrollieren. Dann wäre man in seiner Entscheidung (zunächst nur graduell) unfrei. Die Befundlage, daß es solche unbewußten Determinanten gibt, ist ziemlich überwältigend, nicht nur aus der Hirnforschung. Im Grunde handelt es sich dabei letztlich auch um das olle Freudsche Konzept den Unbewußten, das unsere Handlungen, Strebungen und Entscheidungen in seiner überwiegenden Mehrheit steuert. Oder Skinnersche Konditionierungsprozesse, die eine ganze Reihe von Entscheidungen steuern mögen, von denen wir aber glauben, daß sie frei wären, einfach weil wir uns des Konditioniertseins, unserer Lerngeschichte, nicht bewußt sind.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Ganz so einfach scheint es mir nicht zu sein. Wir schließen auf den Willen anderer auf Basis von Beobachtungen von deren Handlungen. Daß Indikator und Indiziertes nicht identisch sein müssen, lehrt aber schon die Alltagserfahrung.
Richtig, lieber Andreas. Wir schließen aufgrund unserer alltäglichen Wahrnehmung und/oder unserer kulturellen Prägung auch auf einen dreidimensionalen Raum und eine linear verlaufende Zeit. Wenn ich das richtig verstanden habe, stellt die Relativitätstheorie diese Annahmen in Frage; sie sind aber nichtsdestoweniger völlig ausreichend, um den Alltag zu bewältigen.
Ebenso ist die Annahme eines freien Willens eine Heuristik, mit der man sehr weit kommt. Wohl deshalb, weil die etwaige Determiniertheit des menschlichen Handelns so fuzzy ist, dass man ihr kaum mit Erfolgsaussicht auf den Grund gehen kann. Jedenfalls nicht als in dieser Hinsicht nicht vorgebildeter Mensch, der in einer konkreten Situation in Sekunden- oder Minutenschnelle eruieren muss, warum ein Mensch gerade so und nicht anders handelt.
Was die Konsequenzen des (Nicht-)Vorhandenseins des freien Willens für das Strafrecht angeht, so ist Folgendes zu sagen: Natürlich wäre unser Schuldstrafrecht ("Schuld" im Sinne des Anders-Handeln-Könnens) ohne die Annahme des freien Willens schwer begründbar. Aber wir sperren ja auch heute schon schuldunfähige Menschen weg, nämlich dann, wenn sie für die Allgemeinheit gefährlich sind. (Ich möchte in diesem Zusammenhang die entsprechende österreichische Norm nicht vorenthalten, weil ihre doch recht explizite Sprache keinen Zweifel daran lässt, dass das Schuldstrafrecht auf dem Postulat des freien Willens beruht.) Das heißt, der freie Wille spielt letztlich nur für die Begründung, nicht aber für das Ergebnis der Freiheitsentziehung eine Rolle.
Zitat von Erling PlaetheDer Wille ist keine metaphysische Komponente, er ist eine Beobachtung. Wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe lerne ich deren Willen kennen.
Ganz so einfach scheint es mir nicht zu sein. Wir schließen auf den Willen anderer auf Basis von Beobachtungen von deren Handlungen. Daß Indikator und Indiziertes nicht identisch sein müssen, lehrt aber schon die Alltagserfahrung. Selbst wenn einer seinen Willen verbal oder direkt zum Ausdruck bringt, muß das nicht unbedingt der (ganzen) Wahrheit entsprechen.
Nein, muss es nicht. Aber um einer Selbsttäuschung aus dem Weg zu gehen und die Beobachtung vieler zu etwas wie einer Tatsache zu machen finde ich es geeignet darauf hinzuweisen, dass der freie Wille beobachtbar ist.
Zitat Wenn man sich überhaupt näher kommen will, um annähernd von demselben Problem zu sprechen, geht es um die Freiheit zu wählen. Dass dieser Wahl ein Wille zugrunde liegt ist durch die Anhänger der Willensfreiheit schon belegt in dem überhaupt eine Wahl getroffen wird.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Ist die Freiheit der Wahl nicht durch den Willen bestimmt? Ich denke schon, daß es um die Frage geht, ob der Wille selbst frei ist oder nicht.
Nein, eben nicht, wenn man den Willen abgekoppelt als frei betrachtet, reden wir tatsächlich von einem Phantom. Das tue ich aber nicht. Wovon soll der Wille denn frei sein? Er darf ja gar nicht frei sein von der Erfahrung und dem Wissen des Individuums dem er inhärent ist. Das ist ja der Punkt weshalb Determinismus und freier Wille sich nicht widersprechen. Das habe ich auch so im Blogbeitrag und auch hier schon zum Ausdruck gebracht. Und ich habe im Blogbeitrag mehrere Beispiele genannt wie der Wille sich sehr wohl gegen den Körper und seine Bedürfnisse wenden kann. Als Beweis für die Existenz des freien Willens. Natürlich können Sie von der Autobahnbrücke springen, frei wählend.
Zitat und ob ich meinen Arm nun hebe oder senke, mag ebenfalls nicht von meinem freien Willen entschieden werden.
Zitat von http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/g...ion/357466.htmlRoths Beleg: Ein OP-Saal in Montreal, Kanada, Mitte des letzten Jahrhunderts. Ein Neurochirurg namens Wilder Penfield beugt sich über den offenen Schädel eines Epilepsie-Patienten und stimuliert mit Elektroden dessen Hirn; der Patient ist bei vollem Bewusstsein. Was sich wie Science-Fiction anhört, ist für den Chirurgen fast eine Routine-Untersuchung – in den 1940er und 50er Jahren operiert er Hunderte von Epileptikern. Mit seinen Elektroden sucht er nach dem „epileptischen Herd“: dem krankhaften Gewebeklumpen, von dem die epileptischen Gewitter im Gehirn ihren Anfang nehmen.
Irgendwann während der OP des epileptischen Mannes trifft der Chirurg mit der Reizelektrode auch das Hirnzentrum, das den Arm steuert – und der Arm des Mannes bewegt sich. Kurios fällt die Antwort aus, als Penfield den Mann daraufhin fragt, warum er denn gerade seinen Arm bewegt habe: „Weil ich es wollte!“, sagt der Mann.
Ja, ein gutes Beispiel für die Existenz des freien Willens. Ich meinte dagegen eher die Bewegung meines Armes ohne mich darauf zu konzentrieren und es explizit zu wollen. Mittlerweile können ja schon Rollstühle nur durch den Willen des Patienten gelenkt werden. Das muss trainiert werden, aber es funktioniert.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Wir tun was wir wollen? Wohl eher: wir wollen was wir tun.
Da im o.g. Beispiel die Handlungsfreiheit nicht mehr gegeben ist: Der Patient will, was die Maschine dann tut. Mit Handlungsfreiheit: Wenn ich will, was ich tue und ich tue es, habe ich getan, was ich wollte.
Zitat Und dieser Vergleich, lieber Andreas, schließt sich dem vorigen, wie Sie ja selbst feststellen, an. Kasper Hauser in seinem Verließ ist nicht frei. Er steht unter dem Zwang des Willens anderer. Ihr Wille dominiert seinen eigenen.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Nein. Er ist nicht frei, sein Verlies zu verlassen, lieber Erling. Aber warum sollte er nicht frei sein, seine Nahrung zu verweigern?
Sag ich doch gar nicht.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Freiheit(jetzt im Sinne von Bewegungs- oder auch politischer Freiheit), ist ja immer nur eine relative, graduelle. Ich behaupte, Hauser war nicht einmal frei zu entscheiden, die Nahrung zu verweigern, weil er das Konzept der Entscheidungsfreiheit nie erlebt, oder richtiger: nie entdeckt hat (es ihm nie vermittelt worden ist). Unser Gehirn ist ja zunächst eine weitestgehende tabula rasa, das erst durch (soziale) Erfahrung mit Inhalt gefüllt wird. Sie haben ja recht, unsere Entscheidungen kommen deutlich komplexer zustande als die einer Katze, aber Komplexität belegt weder einen qualitativen Unterschied (sondern nur einen quantitativen, eben mit Blick auf Komplexität) noch das Konzept der Freiheit. Hausers Entscheidungen waren, aller Mutmaßung nach, vollständig determiniert durch das kreatürliche Bedürfnis zur Vermeidung von Schmerz. Sonst nichts.
Schon klar, dass Sie darauf hinauswollten. Nur bezweifle ich das. Obwohl er immer eingesperrt war (ich übernehme das mal theoretisch) hat ein jedes Baby einen starken Willen, der durch solch eine Behandlung gebrochen wird. Kommen Sie mich mal besuchen, wenn mein Enkel da ist (2 Jahre alt). Der kann Ihnen zeigen, was freier Wille bedeutet.
Zitat von Doeding im Beitrag #17Ein anderes Beispiel. Was das Buch Flucht aus Lager 14 u. a. so erschütternd macht, ist daß der Protagonist immer und immer wieder die Formulierung gebraucht "Ich hatte ja keine Ahnung daß es so etwas wie... [beliebige zivilisatorisch-humanistische Errungenschaft] überhaupt gab." Auch sein Verhalten war vollständig, oder nahezu vollständig, determiniert durch den Willen (sic) zu überleben und Schmerz zu vermeiden, und das wäre wohl auch für immer so geblieben, wenn es da nicht jenen älteren Gefangenen gegeben hätte, der ihn mit Konzepten wie Freiheit (oder auch einfach nur Rindfleisch oder die Tatsache, daß es außerhalb des Elektrozaunes überhaupt noch eine andere Welt gab vertraut gemacht hat). Mit dieser Erfahrung aber konnte der Protagonist (oder richtiger sein Gehirn) irgendwann nicht mehr anders als sich zur Flucht entscheiden,...
Der freie Wille ist in ihm wieder aktiviert worden. Der kann vor sich hin schlafen durch die Unterdrückung, was aber nicht heißt, dass er nicht mehr vorhanden wäre.
Zitat von Doeding im Beitrag #17oder aus der Sicht der Hirnforscher, so wie ich sie rezipiert habe, formuliert:
Im Moment einer Entscheidung, also in der Sekunde oder eher der Hundertstelsekunde, in der eine Entscheidung stattfindet, bildet sich dies in einem spezifischen Aktivierungszustand des betreffenden Gehirnes ab. Dieses ist dann aber nur in diesem einen und nicht gleichzeitig in einem der denkbaren anderen Zustände, in denen es hätte sein können. Daß es aber in genau diesem (Entscheidungs)Zustand ist, ist determiniert durch zeitlich proximal vorausgegangenen Zustände ebendieses Gehirns (=unmittelbar vorausgegangene Abwägungs und Entscheidungsprozesse). Diese wiederum sind determiniert durch die zeitlich distalen Aktivierungszustände ebendieses Gehirns (Lebensgeschichte, Erfahrungen, Lerngeschichte sensu Pawlow und Skinner, Sozialisation usw.). Die Annahme eines "Freien Willens" wäre hier, sehen Sie mir bitte diese blöde Formulierung nach, lieber Erling: eine unnötige Zusatzannahme die nichts zusätzlich erklärt oder beschreibt, außer vielleicht dem subjektiv ausgeprägten psychologischen Bedürfnis, daß es einen Freien Willen geben möge, weil wir uns damit besser fühlen würden und unserer Fähigkeit, uns diesen selbst subjektiv zu konstruieren.
Eine Entscheidung zur Flucht ist keinen die in Sekunden stattfindet. Nicht mal der Zeitpunkt. Höchstens der Start. Alles andere geht einem monatelang, ja, jahrelang durch den Kopf. Das für und wieder wird immer wieder abgewogen. Auch in diesem Abwägungsprozess zeigt sich der freie Wille, sonst würde sich derjenige gar keine Gedanken darüber machen oder das Erzählte für leeres Gewäsch halten. Nein, es muss schon auf fruchtbaren Boden fallen können. Dieser ist der freie Wille. Ob stark oder schwach, bei vielen erhält er sich auch in grausamster Knechtschaft. Und kann wieder aktiviert werden. Mir ist es ein Rätsel wie Wissenschaftler meinen können dies nachvollziehen zu können. Ich halte das letzte Zitat für an der Realität der von uns beschriebenen Fälle vorbeigedacht und vorbeiexperimentiert. Oder um es mit Peter Bieri zu sagen:
Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Bieri...n_als_PhilosophBieri kritisiert diese Argumentation als Kategorienfehler: „denken wir uns jemand, der ein Bild zerlegte, um herauszufinden, was es darstellt ... Es geht nie gut, wenn wir Fragen, die sich auf der einen Beschreibungsebene stellen, auf einer anderen beantworten.“
Zitat von Doeding im Beitrag #17Und wenn man hier weitere Annahmen (wie z. B. den Freien Willen) machen will, müßte man schon erklären, welche Phänomene menschlicher Entscheidungsfindung und Volition dann zusätzlich oder besser erklärt werden können bzw. durch obige Vorstellungen nicht hinreichend erklärt werden können.
Oh, das kommt mir bekannt vor. So argumentieren eben auch die Klimahysteriker. Sie knallen ihre Modelle auf den Tisch, welche die Realität nicht abbilden und behaupten, solange nichts Besseres vorgelegt wird, gilt was sie sagen.
Zitat von Kritiker im Beitrag #21Ich habe das Gefühl, dass weder Herr Singer, noch Sie, lieber Erling Plaethe, noch andere Kommentatoren, definiert haben, was freier Wille eigentlich IST.
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