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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 27 Antworten
und wurde 3.172 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.05.2014 18:32
Thema verfehlt Antworten

Ich mag Broder wirklich. Seine Texte sind witzig, meist kenntnisreich und inhaltlich kann ich sehr oft zustimmen. Aber diesmal hat er eine schwache Leistung geboten.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.05.2014 20:26
#2 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #1
Ich mag Broder wirklich. Seine Texte sind witzig, meist kenntnisreich und inhaltlich kann ich sehr oft zustimmen. Aber diesmal hat er eine schwache Leistung geboten.


Mir ging es ganz ähnlich. Aber eine Karte sticht und das ist die mit dem nicht vorhandenen Initiativrecht.
Was ist das für ein Gesetzgeber der gar kein Gesetz geben kann? Solch eine Legislative wird verhöhnt.
Das Europäische Parlament ist eine Karikatur eines Parlaments.
Und um auf Amerika einzugehen, der Präsident hat kein Initiativrecht. Nur ein Vetorecht. In Amerika verdient der Gesetzgeber seinen Namen, in Deutschland etwas eingeschränkt auch noch, aber das Europäische Parlament ist schlicht unwählbar, weil es seinem Namen nicht gerecht wird.
Ich werde mich an dieser Farce, die sich Europawahl nennt, auf gar keinen Fall beteiligen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

19.05.2014 21:25
#3 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Aber eine Karte sticht und das ist die mit dem nicht vorhandenen Initiativrecht.

Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal. Damit kann man höchstens symbolisch markieren, wie man sich gerne etwas vorgestellt hätte (aber dazu reicht auch ein schlichter Meinungsantrag).
Aber ob man nun einen Vorschlag einreicht, der an der anderen Seite scheitert, oder ob man gar keinen einreichen kann - das gibt sich überhaupt nichts.

adder Offline




Beiträge: 1.073

19.05.2014 21:43
#4 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #3
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Aber eine Karte sticht und das ist die mit dem nicht vorhandenen Initiativrecht.

Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal. Damit kann man höchstens symbolisch markieren, wie man sich gerne etwas vorgestellt hätte (aber dazu reicht auch ein schlichter Meinungsantrag).
Aber ob man nun einen Vorschlag einreicht, der an der anderen Seite scheitert, oder ob man gar keinen einreichen kann - das gibt sich überhaupt nichts.



Comitology wird deutlich überschätzt. Wenn die Europäische Kommission oder der Rat etwas wirklich wollen, dann kann das Parlament dagegen nichts machen.

Noch schlimmer sieht es aus, wenn man das Comitology-Verfahren auch noch auf Exekutiv-Entscheidungen ausdehnt, wie es im Bereich Arzneimittel lange Zeit üblich war. Die Europäische Arzneimittelagentur (damals noch EMEA) gab eine Meinung ('Opinion') zur Zulassungsfähigkeit ab, die Europäische Kommission die entsprechende (oder eben nicht entsprechende, da die Kommission der Opinion nicht folgen muss) Entscheidung ('Decision') - und informierte das Europäische Parlament über die Entscheidung. Der Antragsteller musste solange warten, bis das Parlament die Decision entgegen genommen hatte - ablehnen konnte es nicht. Den Göttern sei dank, dass dieser Unsinn jetzt nicht mehr so gehandhabt wird.

Das Parlament hat übrigens sehr lange und sehr intensiv dafür gekämpft, dass die Kommission es mit nicht relevanten EC-Decisions zu jedem und allem zuschüttet.

Broder hat recht: das Parlament ist - wie auch das BVG festgestellt hat - eine Quatschbude und kein Parlament, das diesen Namen verdient hätte. Ein Gesetzgebungsorgan ist es - im Gegensatz zum Bundestag - nicht. Seine Mitglieder werden in einem undurchsichtigen und vor allem ungleichen Verfahren von der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten gewählt - nicht in einer gleichen Wahl (hoffentlich zumindest in einer freien und geheimen?). Selbst seine Fraktionen und die "Europäischen Parteien" entsprechen in keiner Weise unserem deutschen Parteienbegriff (auch nicht dem eines anderes Mitgliedslandes übrigens).

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.05.2014 22:47
#5 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #3
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Aber eine Karte sticht und das ist die mit dem nicht vorhandenen Initiativrecht.

Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal. Damit kann man höchstens symbolisch markieren, wie man sich gerne etwas vorgestellt hätte (aber dazu reicht auch ein schlichter Meinungsantrag).
Aber ob man nun einen Vorschlag einreicht, der an der anderen Seite scheitert, oder ob man gar keinen einreichen kann - das gibt sich überhaupt nichts.


Wenn egal wäre, wer den Vorschlag macht, könnte das Initiativrecht ja von der Kommission auf den Rat und das Parlament ausgeweitet werden. Aber es ist nicht egal. Und darum liegt es bei der Kommission.
(Hätten wir in Deutschland mit unserem Arbeitsparlament nicht eine ähnliche Situation, würden wir wohl nicht ständig von Gesetzen überflutet.)
Weil derjenige der das Initiativrecht exklusiv besitzt, bestimmt, womit sich alle anderen befassen.
Genau hier liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Nicht das es EU Richtlinien und Verordnungen gibt ist das Problem, sondern womit sie sich befassen. Die Kommission, oder besser: die Regierungschefs, bestimmen, was auf die Agenda kommt, nicht die Repräsentanten die die nationalen Souveräne ins EU-Parlament schicken.

Aber ich finde sehr gut, wie Du die Ähnlichkeiten zwischen der politischen Struktur in Europa und in Deutschland aufgezeigt hast. Hier zeigt sich wie sehr Deutschland das politische System der EU prägt. Nicht nur die Themen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Calimero ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2014 04:50
#6 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Ich werde mich an dieser Farce, die sich Europawahl nennt, auf gar keinen Fall beteiligen.

Wie bitte? Wo es doch in diesem Jahr um die total spannende, richtungsweisende und existenzielle Entscheidung geht, welcher der zwei absolut gegensätzlichen Führer der absolut gegensätzlichen Politblöcke der Konservativen oder Sozialisten fürderhin der Chef der Kommission wird?

Da knistert die Atmosphäre überm Alten Kontinent doch förmlich! Mitmachen! Es geht um alles! Auch um den Frieden und die Völkerfreundschaft, und die Kinder und um Gaia ... letztlich um die Europäische Wurst!

Beste Grüße, Calimero

-------------------------------------------------------
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

adder Offline




Beiträge: 1.073

20.05.2014 08:10
#7 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #6
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Ich werde mich an dieser Farce, die sich Europawahl nennt, auf gar keinen Fall beteiligen.

Wie bitte? Wo es doch in diesem Jahr um die total spannende, richtungsweisende und existenzielle Entscheidung geht, welcher der zwei absolut gegensätzlichen Führer der absolut gegensätzlichen Politblöcke der Konservativen oder Sozialisten fürderhin der Chef der Kommission wird?

Da knistert die Atmosphäre überm Alten Kontinent doch förmlich! Mitmachen! Es geht um alles! Auch um den Frieden und die Völkerfreundschaft, und die Kinder und um Gaia ... letztlich um die Europäische Wurst!

Beste Grüße, Calimero


Ach, es gibt doch sogar Protestparteien, bei denen man sich nicht einmal schuldig fühlen muss. Vielleicht wähle ich Sonneborn ins Parlament. Schlimmer als Schulzi kann der auch nicht sein.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

20.05.2014 08:30
#8 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #6
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Ich werde mich an dieser Farce, die sich Europawahl nennt, auf gar keinen Fall beteiligen.

Wie bitte? Wo es doch in diesem Jahr um die total spannende, richtungsweisende und existenzielle Entscheidung geht, welcher der zwei absolut gegensätzlichen Führer der absolut gegensätzlichen Politblöcke der Konservativen oder Sozialisten fürderhin der Chef der Kommission wird?
Zumindest träumen die Konservativen nicht von der größten Steuererhöhung der Geschichte: 1000.0000.0000.0000,00 €uro, die Konzerne angeblich hinterziehen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

20.05.2014 08:49
#9 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von adder im Beitrag #7

Ach, es gibt doch sogar Protestparteien, bei denen man sich nicht einmal schuldig fühlen muss. Vielleicht wähle ich Sonneborn ins Parlament. Schlimmer als Schulzi kann der auch nicht sein.

Nehmen wir mal an es ist heiß.
Sie verspüren einen Appetit auf leckere Eiscreme. Am besten etwas, was dem italienischen nahe kommt. Sie sehen eine Eisdiele, gehen hoffnungsvoll drauf zu und bemerken, als sie davor stehen: Mist, die verkaufen ja nur Wassereis!
Wählen Sie dann, lieber adder, das cremigste Wassereis?

Nachtrag: "Nehmen" ersetzt durch "Wählen". Die gewünschte Aussage wird so verstärkt und entspricht eher meiner Intention.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.432

20.05.2014 09:52
#10 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #3

Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal.


Die Spieltheorie behauptet das Gegenteil und die Praxis zeigt, dass das Initiativrecht DIE Schlüsselkompoente ist, um Abstimmungen zu gewinnen. Ein prominentes Beispiel ist die Abstimmung zur Hauptstadt Bonn - Berlin. Da haben Statistiker nachgewiesen, dass die Abstimmung auch zu Gunsten von Bonn hätte ausgehen können, wenn nur schon die Reihenfolge der Abstimmungen verändert worden wäre. Hätte man noch zusätzlich die Formulierungen minimal geändert -zum Beispiel spiegelbild Formulierungen: also bei einem Wertepaar xx - yyy nicht: "sind sie sie für xxx" (Ja/Nein), sondern "sind sie gegen xxx"(Ja/Nein), dann hätte Bonn sogar mit weitem Vorsprung gewinnen können.

Natürlich gibt es Abstimmungen, die eine überwältigende Mehrheit haben. Aber für solche Konsensthemen braucht man fast keine Abstimmungen. Abstimmungen sind am nützlichsten bei Interessenskonflikten, wenn sich eben KEIN comon sense, KEINE Konsenspolitik herausgebildet hat. Und in solchen Konfliktfällen entscheidet die konkrete Formulierung vollständig über den Ausgang der Abtsimmung.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.05.2014 11:07
#11 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5
Wenn egal wäre, wer den Vorschlag macht, könnte das Initiativrecht ja von der Kommission auf den Rat und das Parlament ausgeweitet werden.

Könnte - machtpolitisch wäre es egal.
Es wird m. E. deswegen nicht gemacht, weil die Kommission bzw. der Rat keine Lust haben, sich dauernd mit irgendwelchen chancenlosen Vorschlägen zu beschäftigen, die unterbeschäftigte EU-Parlamentarier einkippen.

Zitat
Weil derjenige der das Initiativrecht exklusiv besitzt, bestimmt, womit sich alle anderen befassen.


Schon - aber was nützt ihm das? Es geht ja letztlich nicht um Beschäftigungstherapien, sondern um die Durchsetzung von Positionen. Da nutzt das Initiativrecht wenig.

Zitat
Nicht das es EU Richtlinien und Verordnungen gibt ist das Problem, sondern womit sie sich befassen.


Völlig richtig. Das hat aber nichts mit dem Initiativrecht zu tun, sondern mit der von mir schon im Artikel beklagten mangelhaften Kompetenzabgrenzung der europäischen Ebene insgesamt.
Die EU sollte überhaupt nicht für Glühbirnen etc. zuständig sein - es ist dagegen völlig irrelevant, ob nun Kommission, Rat oder EP auf neue dumme Ideen kommen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.05.2014 11:12
#12 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #10
Zitat von R.A. im Beitrag #3
Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal.

Die Spieltheorie behauptet das Gegenteil ...

Und hat hier ziemlich unrecht. Weil die Spieltheoretiker die entscheidenden Kommunikationsprozesse ausblenden.
Es ist eben nicht so, daß die Initiatoren dem Parlament eine Friß-oder-Stirb-Vorlage hinwerfen, die dann bei geschickter Formulierung eine Mehrheit findet. Sondern die Initiative selber und die Formulierung wird vorher ausgehandelt - ansonsten läßt das EP die Vorlage schon mal aus Prinzip durchfallen.

Man sollte die MdEP nicht unterschätzen. Die mögen zwar wie Kapo Schulz inhaltlich blaß und unqualifiziert sein, gierig und verlogen - aber es sind in großer Mehrheit erfahrene Polit-Taktiker. Die lassen sich nicht über spieltheoretische Finessen die Wurst vom Brot nehmen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.05.2014 11:24
#13 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von adder im Beitrag #4
Wenn die Europäische Kommission oder der Rat etwas wirklich wollen, dann kann das Parlament dagegen nichts machen.
...
Den Göttern sei dank, dass dieser Unsinn jetzt nicht mehr so gehandhabt wird.

Das ist der Punkt. Früher konnte das Parlament wenig gegen den Rat durchsetzen, das hat sich weitgehend geändert.
Wobei es immer noch Defizite gibt, aber das EP ist keine folgenlose "Quatschbude" mehr. Es ist nicht so mächtig wie ein Nationalparlament, aber deutlich wichtiger als ein Landtag.

Zitat
Ein Gesetzgebungsorgan ist es - im Gegensatz zum Bundestag - nicht.


Das US-Repräsentantenhaus wäre dann auch kein Gesetzgebungsorgan. Weil es gegen Senat und Präsident nichts alleine durchsetzen kann.
Ich finde solche Definitionsfragen auch recht müßig. Ob das EP ein "richtiges Parlament" ist oder nicht hängt zu sehr davon ab, wie man das definieren möchte. Ich halte aber wenig von Definitionen, nach denen nur Beispiele wie der heutige Bundestag als "richtiges Parlament" angesehen werden können, und vieles davor oder in anderen Ländern dann plötzlich nicht mehr als Parlament gelten würde.

Wichtig sind mir andere Aspekte: Wofür soll die EU-Ebene überhaupt zuständig sein (m. E. für deutlich weniger als heute) und kann man die Entscheidungsprozesse dort transparenter machen.
Mir ist weniger wichtig, ob nun der Rat oder das EP etwas stärker sind beim Armdrücken.
Aber mir ist wichtig, daß man konkrete Leute auch verantwortlich machen kann - und es nicht nur dieses ominöse "die da oben in Brüssel" gibt.

Zitat
Seine Mitglieder werden in einem undurchsichtigen und vor allem ungleichen Verfahren von der Bevölkerung der Mitgliedsstaaten gewählt


Die verschiedenen Wahlverfahren sind ungleich, aber jedes für sich ist durchsichtig genug.
Und die Verschiedenheit der Wahlverfahren ist korrekt umgesetzter Föderalismus. Zu Recht wird hier NICHT jedem Land ein Einheitsverfahren aufgezwungen - sondern jedes Land entscheidet selber, wie es seine Vertreter im EP auswählt.
Übrigens gibt es in den USA auch kein einheitliches Wahlrecht, auch dort wird die Souveränität der Bundesstaaten respektiert.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

20.05.2014 11:37
#14 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #11
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5
Wenn egal wäre, wer den Vorschlag macht, könnte das Initiativrecht ja von der Kommission auf den Rat und das Parlament ausgeweitet werden.

Könnte - machtpolitisch wäre es egal.
Es wird m. E. deswegen nicht gemacht, weil die Kommission bzw. der Rat keine Lust haben, sich dauernd mit irgendwelchen chancenlosen Vorschlägen zu beschäftigen, die unterbeschäftigte EU-Parlamentarier einkippen.

Zitat
Weil derjenige der das Initiativrecht exklusiv besitzt, bestimmt, womit sich alle anderen befassen.

Schon - aber was nützt ihm das? Es geht ja letztlich nicht um Beschäftigungstherapien, sondern um die Durchsetzung von Positionen. Da nutzt das Initiativrecht wenig.

Zitat
Nicht das es EU Richtlinien und Verordnungen gibt ist das Problem, sondern womit sie sich befassen.


Völlig richtig. Das hat aber nichts mit dem Initiativrecht zu tun, sondern mit der von mir schon im Artikel beklagten mangelhaften Kompetenzabgrenzung der europäischen Ebene insgesamt.
Die EU sollte überhaupt nicht für Glühbirnen etc. zuständig sein - es ist dagegen völlig irrelevant, ob nun Kommission, Rat oder EP auf neue dumme Ideen kommen.



Natürlich hat das was mit dem Initiativrecht zu tun. Wenn klar wäre wer welche Gesetze einbringt, stünden die gewählten Parlamentarier in Konkurrenz zur Komission. Sie könnten sagen: dieses unsinnige Gesetz ist nicht von uns eingebracht worden. Dann wäre vielleicht auch mal so was wie eine Opposition erkennbar.
Den Parlamentariern in der EU fehlt es an Macht und Ausdruck dessen ist die Verweigerung des Rechts, welches zu allererst der Legislative zukommt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.180

20.05.2014 13:03
#15 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
Zitat von Frank2000 im Beitrag #10
Zitat von R.A. im Beitrag #3
Das halte ich für völlig nebensächlich.
Wenn zwei Seiten einem Vorschlag zustimmen müssen, damit er gültig wird, ist das Initiativrecht völlig egal.

Die Spieltheorie behauptet das Gegenteil ...

Und hat hier ziemlich unrecht.


Frank hat schon recht: Die Vorgänge rund um den Hauptstadtbeschluss werden tatsächlich als spieltheoretisches Schulbeispiel gesehen.
Ich bekomme aber die genauen Hintergründe nicht mehr zusammen und finde auf die schnelle auch via Google nichts passendes.

Allerdings:
Die Hauptstadt-Abstimmung wird eben gerade deshalb als "Sternstunde des Parlaments" bezeichnet, weil derartige offene Abstimmungen mit Lagern quer zu allen Parteien und mindestens 3 möglichen Alternativ-Modellen so selten sind.
Im normalen Parlaments-Alltag spielt es keine so große Rolle, wer die Abstimmungsmodalitäten und Reihenfolgen festlegt. Denn die Mehrheit wird sich im Ernstfall immer durchsetzen.
Und speziell dann, wenn man EU-Parlament+Rat als 2-Kammer-Parlament betrachtet (für was einiges spricht) muss eben jedes Gesetz durch beide Kammern und es ist nicht allzu entscheidend, welche Kammer sich nun mit der Materie zuerst beschäfigt.

Und:
Gerade dann, wenn man (wie Broder) den großen Einfluss der EU-Ebene beklagt, müsste man doch eigentlich froh sein, dass das Parlament KEIN Initiativrecht hat. Man stelle sich vor, jeder Hinterbänkler könnte Gesetzesvorhaben auf den Weg bringen. Die Flut der Dinge, mit denen sich die EU beschäftigt würde gewaltig ansteigen (auch dann, wenn die EU zu vielen dieser Dinge am Ende keine Beschlüsse fasst ist allein die Beschäftigung mit immer mehr Themen ja eine versteckte Ausweitung des EU-Machtanspruchs).

Solus Offline



Beiträge: 384

20.05.2014 13:22
#16 RE: Thema verfehlt Antworten

R.A.: Ein weiterer Unterschied ist, dass eine vom Parlament ausgehende Initiative ein entsprechendes Medienecho hervorrufen könnte. Was auch Druck auf den Rat aufbauen kann.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

20.05.2014 13:50
#17 RE: Thema verfehlt Antworten

Lieber Florian,
ein Hinterbänkler reicht nicht. Es müssen schon ein paar mehr sein. Im Deutschen Bundestag müssen sie 5% der Mitglieder zusammenbekommen. Manch Hinterbänkler hat übrigens mehr Legitimation durch einen gewonnen Wahlkreis errungen als mancher Fraktionsführer.
Und ja, das ist die Aufgabe der Hinterbänkler. Nicht der Regierung. Die soll leiten, lenken und beaufsichtigen. Nicht Gesetze auf den Weg bringen.
Genau deshalb hat sie in Amerika eben kein Initiativrecht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.05.2014 15:33
#18 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #16
R.A.: Ein weiterer Unterschied ist, dass eine vom Parlament ausgehende Initiative ein entsprechendes Medienecho hervorrufen könnte. Was auch Druck auf den Rat aufbauen kann.

Das geht auch über Entschließungen ohne den Charakter einer Gesetzesinitiative.

Wobei in der Praxis alle diese Varianten ausscheiden, weil die Medien überhaupt nicht über das EP berichten. Und das liegt nicht an der mangelnden Relevanz - auch wichtige Vorgänge dort überfordern deutsche Redaktionen konsequent.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

20.05.2014 15:40
#19 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #15
Die Vorgänge rund um den Hauptstadtbeschluss werden tatsächlich als spieltheoretisches Schulbeispiel gesehen.

Klar kann man die so sehen - aber nur wenn man die Hintergründe ausblendet.
Spieltheorie stößt in der praktischen Politik schnell an ihre Grenzen ...

Zitat
Die Hauptstadt-Abstimmung wird eben gerade deshalb als "Sternstunde des Parlaments" bezeichnet, weil derartige offene Abstimmungen mit Lagern quer zu allen Parteien und mindestens 3 möglichen Alternativ-Modellen so selten sind.


Was viel über das mangelhafte Parlamentarismus-Verständnis der Deutschen aussagt. Die "Sternstunde" kam im wesentlichen dadurch zustande, daß eine überaus leicht zu verstehende Frage mit einer publikumswirksam emotionalen Debatte verknüpft wurde. Und dann noch ein spannender Showdown. Kommt gut an, hat aber mit der eigentlichen politischen Arbeit nichts zu tun.

Eine "Sternstunde" müßte eigentlich sein, wenn bei sehr widerstreitenden Interessen ein Kompromiß ausgehandelt werden kann, der für alle halbwegs erträglich ist und trotzdem eine sachgerechte und effiziente Lösung darstellt.
Aber so etwas würden die meisten Parlamentskorrespondenten nicht einmal sehen ...


Zitat
Und speziell dann, wenn man EU-Parlament+Rat als 2-Kammer-Parlament betrachtet (für was einiges spricht) muss eben jedes Gesetz durch beide Kammern und es ist nicht allzu entscheidend, welche Kammer sich nun mit der Materie zuerst beschäfigt.


Exakt.

Zitat
Gerade dann, wenn man (wie Broder) den großen Einfluss der EU-Ebene beklagt, müsste man doch eigentlich froh sein, dass das Parlament KEIN Initiativrecht hat.


Völlig richtig.

Ich halte es für absurd, daß genau die EU-Skeptiker die sind, die die angeblichen Machtdefizite des EPs in den Vordergrund schieben.

Im übrigen: Im Prinzip müßte man eine solche Kritik noch viel stärker an die Kommunalparlamente bringen. Das sind nun wirklich keine "Parlamente" (ganz offiziell per Gesetz!) und sie sind auch vergleichsweise unwichtig. Trotzdem sagt keiner: Das sind Quatschbuden, deswegen gehe ich nicht wählen.

Florian Offline



Beiträge: 3.180

20.05.2014 16:59
#20 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17
Lieber Florian,
ein Hinterbänkler reicht nicht. Es müssen schon ein paar mehr sein.



Schon klar. Ich habe mich da vielleicht unklar ausgedrückt als ich schrieb "auf den Weg bringen".

Natürlich muss sich der Abgeordnete Verbündete suchen. Erst für die Initiative, dann für die Abstimmung im Parlament und zum Schluss für die Abstimmung im Rat.
Vermutlich wird damit der Hinterbänkler in 99% der Fälle auch scheitern.

Aber: Er kann diese Aktivitäten dann eben entfalten.
Und auch wenn er am Ende mit seinen Aktivitäten kein Gesetz zu Stande bringt hat er zumindest einmal "Brüssel" mit einem weiteren Thema beschäftigt.
Das kann man gut finden (wenn man das EU-Parlament gestärkt sehen will). Aber wenn man Brüssel ohnehin schon als zu invasiv betrachtet, dann sollte man froh sein, wenn man davon verschont bleibt.


Konkretes Beispiel:
Nehmen wir mal an, ein Münchner CSU-Abgeordnete will bei seinen Wählern punkten und fordert ein EU-Gesetz, das den Frischegrad von Weißwürsten Europaweit festschreibt: "§1 Eine Weißwurst darf das 12 Uhr-Leuten nicht mehr erleben". So was in der Art.
Er verfasst Pressemitteilungen, wird in Talkshows des BR eingeladen, sucht sich Verbündete Abgeordnete im Europa-Parlament etc.
Höchstwahrscheinlich wird er damit keinen Erfolg haben. Aber er schafft es, dass ein weiteres Thema zumindest einmal als "EU-Thema" diskutiert wird. Und erweitert damit den Themenkreis, mit dem sich "Brüssel" beschäftigt.
(Und man bedenke, dass alle 600 Abgeordneten auf ähnliche Ideen kommen werden....).

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

20.05.2014 17:16
#21 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #19

Ich halte es für absurd, daß genau die EU-Skeptiker die sind, die die angeblichen Machtdefizite des EPs in den Vordergrund schieben.

Absurd? So absurd wie der Nichtwähler der darauf besteht politisch interessiert zu sein? Kann er doch gar nicht, sonst würde er ja wählen gehen, oder?
Entweder, oder?
Und als EU-Skeptiker, nicht -Gegner wohlgemerkt, muss ich mich auch entscheiden? Kann nicht für ein nach den demokratischen Prinzipien der Gewaltenteilung ausgestattetes Parlament sein, weil mir genau dieses demokratische Defizit nicht übereinzustimmen scheint mit dem Anspruch den sich die EU selbst stellt, wenn sie sich ein Europäisches Parlament schafft? Nur weil ich skeptisch gegenüber staatsübergreifenden Strukturen bin?
Und wenn ich als Skeptiker von zentralisierten Strukturen, und eine übermächtige Exekutive ist eine solche, mehr Macht für die gewählten Repräsentanten des Souveräns möchte, könnte dies meiner Ansicht nach einer Zentralisierung durchaus entgegenwirken. Was soll daran absurd sein?
Auch ich sehe Absurdes: Unter den ganz und gar nicht skeptischen Freunden einer immer engeren EU werden Skeptiker schon seit langem als in ihrem Denken kontradiktorisch dargestellt, weswegen man ihnen nun die Nähe zu politischen Rändern nachsagt. Wenn hier vorgeworfen wird, es wäre absurd euroskeptisch zu sein und gleichzeitig mehr Macht für die Repräsentanten des Souveräns zu fordern, kann ich das ebenfalls recht widersinnig finden.
Zitat von R.A. im Beitrag #19
Im übrigen: Im Prinzip müßte man eine solche Kritik noch viel stärker an die Kommunalparlamente bringen. Das sind nun wirklich keine "Parlamente" (ganz offiziell per Gesetz!) und sie sind auch vergleichsweise unwichtig. Trotzdem sagt keiner: Das sind Quatschbuden, deswegen gehe ich nicht wählen.

Ich sage nicht, dass sie Quatschbuden sind. In diese Richtung zielt meine Kritik überhaupt nicht. Das sollte eigentlich auch angekommen sein.
Ansonsten:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Kommunalparlament
Kommunalparlament bezeichnet umgangssprachlich die gewählte Volksvertretung auf kommunaler Ebene (Städte, Gemeinden, Landkreise). Siehe auch Gemeinderat.

Gemeinderäte sind aus staatsrechtlicher Sicht keine Parlamente. Sie zählen nicht zur Legislative, vielmehr handelt es sich um Selbstverwaltungskörperschaften innerhalb der Landesexekutive. Es mangelt ihnen an legislativen Befugnissen.
Wesentliches Indiz hierfür ist neben dem Fehlen einer kommunalen Judikative der Umstand, dass an die Stelle einer Verfassung die Gemeindeordnung tritt, welche durch ein Landesgesetz festgeschrieben ist. Die Mitglieder der Stadt- und Gemeinderäte genießen auch nicht den für Parlamentsabgeordnete verfassungsmäßig garantierten Schutz der Immunität und Indemnität. Die Entscheidungen dieser Organe können zudem durch die Kommunalaufsicht aufgehoben oder ersetzt werden.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

20.05.2014 17:38
#22 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #20
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17
Lieber Florian,
ein Hinterbänkler reicht nicht. Es müssen schon ein paar mehr sein.



Schon klar. Ich habe mich da vielleicht unklar ausgedrückt als ich schrieb "auf den Weg bringen".

Natürlich muss sich der Abgeordnete Verbündete suchen. Erst für die Initiative, dann für die Abstimmung im Parlament und zum Schluss für die Abstimmung im Rat.
Vermutlich wird damit der Hinterbänkler in 99% der Fälle auch scheitern.

Aber: Er kann diese Aktivitäten dann eben entfalten.
Und auch wenn er am Ende mit seinen Aktivitäten kein Gesetz zu Stande bringt hat er zumindest einmal "Brüssel" mit einem weiteren Thema beschäftigt.
Das kann man gut finden (wenn man das EU-Parlament gestärkt sehen will). Aber wenn man Brüssel ohnehin schon als zu invasiv betrachtet, dann sollte man froh sein, wenn man davon verschont bleibt.

Ganz und gar nicht. Denn es ist u.U. ein sehr großer Unterschied was für einen Parlamentarier mit einem Wahlkreis im Hintergrund wichtig ist und für einen Regierungschef der sich mit Kollegen zusammensetzt um dann die eigens für seine Belange geschaffene Kommission damit zu beauftragen, sein Gesetz von einem kontrollierten Rat und einem machtlosen Parlament abnicken zu lassen.
Schon möglich, dass mit einem Initiativrecht für das Parlament noch ein paar mehr Gesetze verabschiedet würden, vielleicht würde es ja auch zu Lasten der Gesetzesvorlagen aus der Kommission gehen.
Was mir aber nicht einleuchten will, ist die Begründung für den Erhalt der Übermacht der europäischen Exekutive, dass eine Teilung der Gewalten zugunsten des Parlaments Europa dem Zentralismus näher bringt, anstatt sich von ihm wieder zu entfernen. Die jetzigen Strukturen haben geschaffen womit wir es in Europa zu tun haben. Bevor sich irgendetwas zum Besseren wendet muss Europa die Gewaltenteilung einführen. Sonst bekommen wir ganz sicher einen bürokratischen Superstaat.
Zitat von Florian im Beitrag #20
Konkretes Beispiel:
Nehmen wir mal an, ein Münchner CSU-Abgeordnete will bei seinen Wählern punkten und fordert ein EU-Gesetz, das den Frischegrad von Weißwürsten Europaweit festschreibt: "§1 Eine Weißwurst darf das 12 Uhr-Leuten nicht mehr erleben". So was in der Art.
Er verfasst Pressemitteilungen, wird in Talkshows des BR eingeladen, sucht sich Verbündete Abgeordnete im Europa-Parlament etc.
Höchstwahrscheinlich wird er damit keinen Erfolg haben. Aber er schafft es, dass ein weiteres Thema zumindest einmal als "EU-Thema" diskutiert wird. Und erweitert damit den Themenkreis, mit dem sich "Brüssel" beschäftigt.
(Und man bedenke, dass alle 600 Abgeordneten auf ähnliche Ideen kommen werden....).

Solange die sich mit so etwas beschäftigen und ihnen keine Zeit bleibt, Verbote zu verabschieden, wäre schon was erreicht. Wie so ein Weißwurstgesetz dann von den Kollegen im Parlament beurteilt wird, hat u.U. andere Konsequenzen als wenn solch eine Idee aus der Kommission kommt, weil ein deutscher Minister etwas quer liegt (Gurkengesetz, Glühlampenverbot) und die Kommission "überzeugt".
Vielleicht haben Sie ja auch recht, lieber Florian, aber wie gesagt, ein Grund nicht mehr Gewaltenteilung in der EU zu etablieren ist dies für mich nicht. Überhaupt wüsste ich auf Anhieb keinen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

20.05.2014 20:56
#23 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #19
Ich halte es für absurd, daß genau die EU-Skeptiker die sind, die die angeblichen Machtdefizite des EPs in den Vordergrund schieben.
So absurd ist das gar nicht. Wie du selbst richtig festgestellt hast, ist die erste Frage, welche Befugnisse überhaupt auf der europäischen Ebene anzusiedeln sind. Aber wenn es um genau diese dann auch geht, dann kann ich schon alle verstehen, die für stärkere Befugnisse eines Parlaments statt einer Exekutive eintreten.
Zitat von R.A. im Beitrag #19
Was viel über das mangelhafte Parlamentarismus-Verständnis der Deutschen aussagt. Die "Sternstunde" kam im wesentlichen dadurch zustande, daß eine überaus leicht zu verstehende Frage mit einer publikumswirksam emotionalen Debatte verknüpft wurde. Und dann noch ein spannender Showdown. Kommt gut an, hat aber mit der eigentlichen politischen Arbeit nichts zu tun.

Eine "Sternstunde" müßte eigentlich sein, wenn bei sehr widerstreitenden Interessen ein Kompromiß ausgehandelt werden kann, der für alle halbwegs erträglich ist und trotzdem eine sachgerechte und effiziente Lösung darstellt.
Aber so etwas würden die meisten Parlamentskorrespondenten nicht einmal sehen ...
Das scheint mir dann aber doch zu sehr die Sicht eines politischen Insiders zu sein. Ein Parlament soll ja nicht nur effizient arbeiten, und schon gar nicht soll es das praktisch geräuschlos tun. Idealiter erwarten wir Deutsche, dass wir von dem Streit, der dann gerne auch irgendwann mit einem Kompromiss enden darf, auch richtig etwas mitbekommen, und zwar nicht in Talkshows, sondern in der Vertretung, die wir meinten, zu diesem Behufe gewählt zu haben. Und zwar nicht mit vorbereiteten Statements der Typen aus den Ausschüssen, mit denen die sich vor leeren Rängen gegenseitig langweilen. Vielleicht ist das "mangelhaftes Parlamentarismus-Verständnis", aber wenn dem so sein sollte, dann hat unser Parlamentarismus auf Dauer ein kleines Legitimationsproblem. Und dann sollten wir die Tatsache, dass der europäische Gesetzgebungsprozess de facto geräuschlos unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet (grandiose Ausnahmen wie damals bei den Softwarepatenten bestätigen die Regel) vielleicht als Ausdruck besonderer Professionalität schätzen lernen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Florian Offline



Beiträge: 3.180

20.05.2014 21:10
#24 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #23
nd dann sollten wir die Tatsache, dass der europäische Gesetzgebungsprozess de facto geräuschlos unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet (...)



Hierzu ein kleiner Tipp:
Alle EU-Parlaments-Debatten werden gefilmt.
Viele davon kann man sich in kleinen Clips auf YouTube anschauen.

Hier in kurzen 1-Minuten-Clips ein Beispiel, das Ihnen gefallen wird, lieber Rayson:
Ein libertärer EU-Parlamentarier, der auch noch gut reden kann.

http://www.youtube.com/watch?v=Yt7pVaSiEYk
http://www.youtube.com/watch?v=qPkqFrlJwYs
http://www.youtube.com/watch?v=K25zI65Fgko
http://www.youtube.com/watch?v=QHV9QeEPMlw

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

20.05.2014 22:48
#25 RE: Thema verfehlt Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #19


Im übrigen: Im Prinzip müßte man eine solche Kritik noch viel stärker an die Kommunalparlamente bringen. Das sind nun wirklich keine "Parlamente" (ganz offiziell per Gesetz!) und sie sind auch vergleichsweise unwichtig. Trotzdem sagt keiner: Das sind Quatschbuden, deswegen gehe ich nicht wählen.


Nu ja, So richtig super-pingelig und ultra-spitzfindig müsste man eigentlich sagen, es sind keine "gesetzgebenden Körperschaften" sondern Organe der Verwaltung, gehören also zur Exekutive."Parlament" ist m.E. eher der unspezifische Gemeinbegriff, zum Beispiel für das Schülerparlament in der Penne - da hatten wir formal auch nicht so schrecklich viel zu bestellen, damals . Indessen waren gute Argumente (man konnte/sollte sich entsprechend üben) nicht in den Wind geredet .

Man könnte auch mal ganz locker anfragen, warum "Quatschbude" eigentlich so verpönt ist. Die Formulierung ist natürlich provokativ pöse, pöse , aber warum sich nicht provozieren lassen und zum Ergebnis kommen: Ja, genau DAS ist doch der Sinn der Sache, respektive reflektiert es den Begriff, den man nicht als "veraltet" entsorgen sollte, meine ich. Die mündliche Verhandlung und die rhetorische Leistung (klingt etwas netter als Quatschebude) ist ein prägendes Element (oder besser gesagt sollte sein), welches jenseits (oder diesseits) von rechtswirksamen Beschlüssen, keineswegs als unerheblich oder bedeutungslos abgetan werden sollte. Diktatoren aller Art wissen schon, warum sie als erstes mal das freie Wort unterbinden.

Das Problem ist indessen, dass die öffentliche mündliche Debatte in den Parlamenten, quasi begriffswidrig, auf den Hund gekommen ist, zu Gunsten von apparatschikhaften Abstimmungsmaschinen und Prozeduren aus der Trickkiste. Viele politisch Interessierte schwärmen zurecht von den rhetorischen Leistungen früherer (also gaaaaanz früher) Bundestagsdebatten und vermissen das heute in Anbetracht der Mediokrität, die da vielfach obwaltet, insbesondere auch im EP, um die Kurve zum Thema zu kriegen. Nigel Farage lebt im Wesentlichen davon, dass seine Kollegen im EP, im Gegensatz zu ihm, i.d.R. rhetorische Flaschen sind.

Zitat von R.A. im Beitrag #19
Zitat von Florian im Beitrag #15
Die Vorgänge rund um den Hauptstadtbeschluss werden tatsächlich als spieltheoretisches Schulbeispiel gesehen.

Klar kann man die so sehen - aber nur wenn man die Hintergründe ausblendet.
Spieltheorie stößt in der praktischen Politik schnell an ihre Grenzen ...

Zitat
Die Hauptstadt-Abstimmung wird eben gerade deshalb als "Sternstunde des Parlaments" bezeichnet, weil derartige offene Abstimmungen mit Lagern quer zu allen Parteien und mindestens 3 möglichen Alternativ-Modellen so selten sind.

Was viel über das mangelhafte Parlamentarismus-Verständnis der Deutschen aussagt. Die "Sternstunde" kam im wesentlichen dadurch zustande, daß eine überaus leicht zu verstehende Frage mit einer publikumswirksam emotionalen Debatte verknüpft wurde. Und dann noch ein spannender Showdown. Kommt gut an, hat aber mit der eigentlichen politischen Arbeit nichts zu tun.

Eine "Sternstunde" müßte eigentlich sein, wenn bei sehr widerstreitenden Interessen ein Kompromiß ausgehandelt werden kann, der für alle halbwegs erträglich ist und trotzdem eine sachgerechte und effiziente Lösung darstellt.
Aber so etwas würden die meisten Parlamentskorrespondenten nicht einmal sehen ...



Diese etwas despektierliche Sicht auf jene Debatte teile ich eigentlich nicht, ergibt sich ja aus dem oben Gesagten. Die Schäuble-Rede (von Brandt mit Handschlag "geadelt") bei jener Debatte gilt allgemein als womöglich entscheidungsrelevant, jedenfalls ist diese Vermutung verbreitet und nicht unschlüssig. Man könnte jetzt einwenden, von so was, also argumentativer Rhetorik, darf man sich nicht beeindrucken lassen. Wieso dann nicht die ganze Veranstaltung abschaffen und alles in die Büros und in die Aktenfresserei verlagern?

Ansonsten,lieber R.A., bin ich, offenbar ähnlich wie Sie, auch der Auffassung, dass Broder mit nicht wenigen Argumenten, mal vorsichtig ausgedrückt, sachlich 'n bissle daneben liegt, allerdings auch ausserhalb der besprochenen TV-Debatte. Der eigentliche Hammer ist m.E., dass er auf Fragen von der Art "wie soll's europamäßig denn weitergehen" Antworten verweigert, dankenswerterweise wenigstens explizit. Da macht er es sich zu billig und sollte mal die Frage beantworten, ob er lediglich Clown sein will oder ernsthafter Publizist, meinetwegen mit Kabaretteinlagen und polemischen Schmankerln als Salz in der Suppe. Das changiert immer etwas, nach meinem Geschmack zuviel, respektive geht es arg in die Richtung Salz ohne Suppe.

Herzlichst
Dennis

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