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Dieses Thema hat 45 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

02.06.2014 23:59
Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Warum ich das Hauen und Stechen um den Kommissionspräsidenten gar nicht so schlimm finde.

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.06.2014 11:38
#2 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Blogbeitrag von Meister Petz in Zettels Raum
Man kann den geringen Einfluss des Parlamentes und die starke Stellung des Rates für nützlich oder schädlich halten. Tatsache ist, wir haben es mit Institutionen zu tun, die so oder so eine ungeheure Macht haben. Es stehen Entscheidungen an, die die Zukunft der Bürger Europas prägen werden. Und jeder von den Bürgern seines Staates gewählte Regierungschef, sei der Name Cameron, Orban, Faymann oder Merkel, ist zunächst seinen Wählern verantwortlich, die ihm anvertraute Macht in deren Sinne zu nutzen.


Wer repräsentiert denn den Souverän? Die Regierungschefs die nie ein Parlament brauchten und das EP nur als Feigenblatt benutzten oder das EP welches gerade gewählt wurde und um dessen Wahlbeteiligung auch die Regierungschefs buhlten?
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, als noch dieses Parlament, dass sich bemüht aus seiner Rolle am Katzentisch der Europapolitik herauszuwachsen?
Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?

Und zu guter Letzt:

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Ist Juncker vielleicht nicht der Richtige? Das kann man fragen. Aber das hätte sich die Bundeskanzlerin fragen sollen, bevor sie im März nach Dublin fuhr und ihn durchsetzte.


Als politisch ausgesprochen stark interessierter Nichtwähler gebe ich Forian Eder vollkommen recht wenn er schreibt:

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Wer sich nun über den Wählerwillen hinwegsetzt, der braucht sich erstens nie mehr wieder um Glaubwürdigkeit zu bemühen. Zweitens bestraft er die Wähler und ruft den Nichtwählern zu: gut gemacht. Wozu wählen gehen?


Junker wäre ebenso wenig mein Kandidat gewesen wie Schulz. Und ich hätte auch nicht einen Torry-Abgeordneten wählen können. Aber das ist nicht der Punkt, jedenfalls jetzt noch nicht. Die Frage wäre eher: Wer will eigentlich das alle zur Wahl stehenden potenziellen Parlamentarier überall gewählt werden können?
Schließlich könnte man auch ein solches Prozedere als Einschränkung der staatlichen Souveränität auffassen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 12:49
#3 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #1
Warum ich das Hauen und Stechen um den Kommissionspräsidenten gar nicht so schlimm finde.

Vielen Dank für diesen Beitrag, da kann ich mich nur anschließen.

Letztlich ist das eine recht normale politische Personaldebatte - auf EU-Ebene natürlich etwas komplizierter.

Natürlich hat die GroKo mit der Präsentation ihrer "Spitzenkandidaten" den falschen Eindruck erweckt, die Wahl würde alleine über den Rats-Präsidenten entscheiden. Was man halt so erzählt im Wahlkampf, um sich wichtig zu machen.
Es wäre der Job der Medien gewesen, die Bürger korrekt zu informieren. Was sie (wie so oft) nicht getan haben.

Aber dieses Versäumnis nun mit großer Empörung über die angeblichen "undemokratischen Machenschaften" der zuständigen Spitzenpolitiker zu kompensieren ist ziemlich daneben.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

03.06.2014 12:55
#4 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Das politische System der EU ist halt sehr speziell.
Gar nicht unbedingt schlechter, aber deutlich anders als z.B. das bundesdeutsche System.

Erstens Fraktionsbildung:

Ein wichtiger praktischer Unterschied ist, dass die Fraktionsbildung im Europaparlament (EP) anders funktioniert als im Bundestag (BT).

Bei der BT-Wahl gibt es zwar auch einzelne Landeslisten, die die jeweilige Landes-Partei souverän aufstellt. (Parteichefin Merkel hat z.B. formal Null Einfluss auf die Kandidatenaufstellung in Hessen. Und auch realiter ist der Einfluss gering. Das gilt für die Landesliste und noch mehr für die Direktkandidaten).
Rein juristisch ist am Wahltag daher auch nicht gewährleistet, dass ein Abgeordneter, der aus Hessen (egal ob über Liste oder als Direktkandidat) in den Bundestag einzieht, dann auch tatsächlich der Unions-Fraktion angehört. (Und erst recht nicht ist vorab zwingend gewährleistet, dass CSU und CDU eine Fraktionsgemeinschaft bilden werden).
Aber jenseits des juristischen ist dies wenigstens FAKTISCH klar und ein hessischer CDU-Wähler darf davon ausgehen, dass sein Abgeordneter sich um eine Merkel-Kanzlerschaft bemühen wird, sofern es die Mehrheiten hergeben.

Auf EU-Ebene ist das anders. Da ist die Fraktionsbildung viel loser und findet zum Teil erst nach der Wahl statt.
Es ist auch keineswegs zwingend, dass alle Mitglieder einer europaweiten "Parteienfamilie" sich zu einer Fraktion zusammenschließen.

Exkurs: Interessant wäre z.B. gewesen, welcher Fraktion sich die Bayernpartei om Erfolgsfall angeschlossen hätte. Deren europäisches Parteienbündnis EFA bildet zusammen mit den Grünen eine gemeinsame Fraktion im EP (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Gr%C3%B...schen_Parlament ). Aber ob die deutschen Grünen in einer Fraktion mit der rechtskonservativen Bayernpartei hätten sitzen wollen?

Zweitens: Abstimmungsverhalten der Fraktionen:

Im Europaparlament gibt es auch keine "Regierungsfraktionen" bzw. "Oppositionsfraktionen".
Einfach deshalb, weil die Kommission nicht auf eine ständige Parlaments-Mehrheit angewiesen ist. Mehrheiten bilden sich daher spontan und laufen auch oft quer zu den einzelnen Fraktionen. Die landsmannschaftliche Herkunft kann bei Einzelfragen wichtiger sein als die Fraktionszugehörigkeit.


Drittens: "Spitzenkandidaten":

Der Begriff "Spitzenkandidat" ist bei der EP-Wahl eigentlich sinnlos.

Genaugenommen ist der Begriff auch bei BT-Wahlen problematisch. Denn der SPD-Spitzenkandidat wird ja von einem Bundesparteitag festgelegt.
Dessen Teilnehmer sind allerdings nicht identisch mit der künftigen SPD-Fraktion und noch nicht einmal die gleichen Personen, die die SPD-Landeslisten festlegen. Ernsthaft bindend ist die Ausrufung eines Spitzenkandidaten daher nicht.
(Zum Beispiel war bei der Landtagswahl 2008 in Bayern der CSU-Spitzenkandidat Günther Beckstein. Die CSU-Fraktion hat sich dann NACH der Wahl für Horst Seehofer als Ministerpräsident ausgesprochen).

Bei EP-Wahlen ist die Ausrufung eines "Spitzenkandidaten" noch sinnloser.
Erstens einmal können Spitzenvertreter der EVP zwar einen "Spitzenkandidaten" benennen. Auf die tatsächliche Zusammensetzung der EVP-Fraktion und auf deren Entscheidungsffindung haben sie aber noch viel weniger Einfluss als die Parteipolitiker auf Bundesebene.
Und zweitens ist es auf EU-Ebene durchaus NICHT üblich EP-Abgeordnete zu Kommissaren zu befördern. Die Gewaltentrennung ist auf EU-Ebene in dieser Hinsicht klarer als auf Bundesebene.
Juncker ist z.B. überhaupt nicht als Kandidat für die EP-Wahl angetreten. Ihn als "Spitzenkandidat" zu bezeichnen ist daher ohnehin falsch. Er war auf keinem einzigen Wahlzettel tatsächlich Kandidat.



Fazit:
Die EU-Abgeordneten haben viel weniger Fraktionszwang als die BT-Abgeordneten. Sie haben viel mehr Spielraum bei der Fraktionsbildung. Es gibt keine klare Einsortierung von Fraktionen in "Regierungsfraktionen". Und es gibt eine klarere personelle Trennung zwischen Parlament und Regierung/Kommission.

Alles dies ist aus dem "lebendige Demokratie"-Blickwinkel eigentlich doch sogar eher positiv.
Es führt aber eben dazu, dass es keinen Autimatismus geben kann, nach dem ein vor der Wahl präsentierter "Spitzenkandidat" dann tatsächlich gewählt wird.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 13:03
#5 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wer repräsentiert denn den Souverän?

Alle Beteiligten. Wie im US-Kongreß oder in Deutschland bei Bundesrat/Bundestag. Jeder repräsentiert halt einen anderen Aspekt.

Zitat
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, ...


M. E. überhaupt nicht. Der Rat besteht aus den Repräsentanten der Mitgliedsländern. Es geht die EU nichts an, von wem sich die Länder jeweils repräsentieren lassen.
Es steht jedem EU-Land frei, seinen Regierungschef in Direktwahl bestimmen zu lassen - oder darauf zu verzichten. Die gegenwärtige EU-Konstrukion ist also völlig korrekt und föderalistisch.

Zitat
Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?


???

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Ist Juncker vielleicht nicht der Richtige? Das kann man fragen. Aber das hätte sich die Bundeskanzlerin fragen sollen, bevor sie im März nach Dublin fuhr und ihn durchsetzte.


Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen.
In Dublin hatte Merkel (und Kollegen) eine gewisse Auswahl. Nämlich eine auf EVP-Mitglieder beschränkte. Und da war offenbar Stand damals Juncker die beste Wahl.

Wenn es nun bessere Ideen geben sollte (insbesondere auch von Kandidaten außerhalb der EVP) oder wenn sich angesichts von Junckers Wahlniederlage neue Kandidaten finden - wieso sollte man die nicht nehmen?

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Wer sich nun über den Wählerwillen hinwegsetzt, der braucht sich erstens nie mehr wieder um Glaubwürdigkeit zu bemühen. ...


Richtig, weil trivial.
Paßt nur nicht zur konkreten Situation. Dem Wahlergebnis (EVP 28%, letzte Wahl 36%) ist nun wirklich nicht zu entnehmen, daß "DER Wählerwille" Herrn Juncker haben möchte.

Zitat
Wer will eigentlich das alle zur Wahl stehenden potenziellen Parlamentarier überall gewählt werden können?


Niemand, der ein föderalistisches Europa will.
Wenn ein Kandidat in einem Mitgliedsland keine politische Gruppierung findet, die ihn unterstützt - dann kann er in diesem Land nicht gewählt werden. Das ist aber dann persönliches Pech dieses Kandidaten - mehr nicht.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

03.06.2014 13:17
#6 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Lieber R.A.,
wenn Du Sätze von mir zerrupfst die nicht besonders perfekt formuliert sind, solltest Du Dich nicht wundern, wenn sie danach keinen Sinn mehr ergeben.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 14:08
#7 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #6
Lieber R.A.,
wenn Du Sätze von mir zerrupfst die nicht besonders perfekt formuliert sind, solltest Du Dich nicht wundern, wenn sie danach keinen Sinn mehr ergeben.

Mea culpa, ich wollte hier nichts sinnwidrig zerrupfen.
Aber ganz ehrlich: Ich verstehe nicht, was Du hier gemeint hast.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 14:16
#8 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #4
Ein wichtiger praktischer Unterschied ist, dass die Fraktionsbildung im Europaparlament (EP) anders funktioniert als im Bundestag (BT).

Es hat sich eine andere Praxis herausgebildet, aber in der Theorie läuft das fast gleich: Es gibt einzelne Landeslisten. Jedes Bundesland entsendet seine Vertreter in den Bundestag.
Und dort können (nicht müssen) sich gleichgesinnte Listen zusammentun.

Wir haben halt in Deutschland nur die CSU als landestypische Besonderheit. Aber es spräche grundsätzlich wenig dagegen, daß auch andere Landeslisten eigenständig anträten.

Nur ein Punkt ist anders: Die Qualifikation über 5% wird bundesweit gerechnet.

Zitat
Im Europaparlament gibt es auch keine "Regierungsfraktionen" bzw. "Oppositionsfraktionen".
Einfach deshalb, weil die Kommission nicht auf eine ständige Parlaments-Mehrheit angewiesen ist.


Das ist eigentlich im Bundestag gar nicht so viel anders. Die "Notwendigkeit" einer beständigen Mehrheit ergibt sich eigentlich nur indirekt: Ein Bundeskanzler kann auch wieder vom Parlament abgewählt werden. Er muß sich also darum kümmern, dort strukturell eine Mehrheit hinter sich zu wissen. Während ein EU-Kommissionspräsident nach Wahl seine Amtszeit ungestört ausleben kann.

Ansonsten aber wäre es auch in Deutschland möglich, daß der Bundestag nach gehabter Kanzlerwahl mit wechselnden Mehrheiten über die Sachfragen abstimmt.
Ich persönlich rechne damit, daß sich auch im EP Mehrheitsverhältnisse stabilisieren. Weil es immer mehr echte Entscheidungen zu fällen gibt, und damit die Notwendigkeit von Bündnissen über eine einzelne Frage hinweg.

Zitat
Der Begriff "Spitzenkandidat" ist bei der EP-Wahl eigentlich sinnlos.
Genaugenommen ist der Begriff auch bei BT-Wahlen problematisch.


Richtig. Er ist eigentlich bei allen Parlamentswahlen fragwürdig. Auch auf kommunaler Ebene hat der "Spitzenkandidat" keine wirkliche Bedeutung - insbesondere wenn mit Kumulieren die Wähler die Spitze völlig neu bestimmen können.

Zitat
Zum Beispiel war bei der Landtagswahl 2008 in Bayern der CSU-Spitzenkandidat Günther Beckstein. Die CSU-Fraktion hat sich dann NACH der Wahl für Horst Seehofer als Ministerpräsident ausgesprochen


Man stelle sich mal die Medienreaktion vor, die FDP hätte sich so einen "Wählerbetrug" geleistet ...

Zitat
Und zweitens ist es auf EU-Ebene durchaus NICHT üblich EP-Abgeordnete zu Kommissaren zu befördern. Die Gewaltentrennung ist auf EU-Ebene in dieser Hinsicht klarer als auf Bundesebene.


Was ist sehr begrüße.

Zitat
Alles dies ist aus dem "lebendige Demokratie"-Blickwinkel eigentlich doch sogar eher positiv.
Es führt aber eben dazu, dass es keinen Autimatismus geben kann, nach dem ein vor der Wahl präsentierter "Spitzenkandidat" dann tatsächlich gewählt wird.


Volle Zustimmung.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

03.06.2014 14:58
#9 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2

Zitat von Blogbeitrag von Meister Petz in Zettels Raum
Man kann den geringen Einfluss des Parlamentes und die starke Stellung des Rates für nützlich oder schädlich halten. Tatsache ist, wir haben es mit Institutionen zu tun, die so oder so eine ungeheure Macht haben. Es stehen Entscheidungen an, die die Zukunft der Bürger Europas prägen werden. Und jeder von den Bürgern seines Staates gewählte Regierungschef, sei der Name Cameron, Orban, Faymann oder Merkel, ist zunächst seinen Wählern verantwortlich, die ihm anvertraute Macht in deren Sinne zu nutzen.


Lieber Erling, ich habe ja gar nichts gegen eine politikwissenschaftliche Debatte zum Thema, und freue mich darauf, sie zu führen. Aber nicht im laufenden Prozess.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wer repräsentiert denn den Souverän? Die Regierungschefs die nie ein Parlament brauchten und das EP nur als Feigenblatt benutzten oder das EP welches gerade gewählt wurde und um dessen Wahlbeteiligung auch die Regierungschefs buhlten?

Die Frage ist doch, ob ein europäischer Souverän existiert oder - wie ich behaupte - eine Kopfgeburt der Intellektuellen ist. Übrigens ist letzteres eine Wahrnehmung, wie sie maximal in Deutschland und anderen EU-verherrlichenden Mitgliedsstaaten vorherrscht. Die Juncker-Kritiker-Länder - allen voran UK - haben das nie getan.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, als noch dieses Parlament, dass sich bemüht aus seiner Rolle am Katzentisch der Europapolitik herauszuwachsen? Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?

Weiß ich nicht, das ist vermutlich eine Frage des Standpunktes - will man die USE oder nicht. Aber ist denn der Zentralismus nicht am pursten, wenn ein Parlament, dessen eigener Präsident ihm sogar demokratische Mängel bescheinigt, völlig losgelöst von der Politik der Mitgliedsstaaten die Entscheidungen trifft?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Ist Juncker vielleicht nicht der Richtige? Das kann man fragen. Aber das hätte sich die Bundeskanzlerin fragen sollen, bevor sie im März nach Dublin fuhr und ihn durchsetzte.

Als politisch ausgesprochen stark interessierter Nichtwähler gebe ich Forian Eder vollkommen recht wenn er schreibt:

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Wer sich nun über den Wählerwillen hinwegsetzt, der braucht sich erstens nie mehr wieder um Glaubwürdigkeit zu bemühen. Zweitens bestraft er die Wähler und ruft den Nichtwählern zu: gut gemacht. Wozu wählen gehen?


Junker wäre ebenso wenig mein Kandidat gewesen wie Schulz. Und ich hätte auch nicht einen Torry-Abgeordneten wählen können.


[/quote]
Aber lieber Erling, damit schluckst Du doch vorbehaltlos die Kröte, die dir vorgesetzt wurde. Nämlich, dass eine Entscheidung für Juncker der Wählerwille ist. Das bestreite ich.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Aber das ist nicht der Punkt, jedenfalls jetzt noch nicht. Die Frage wäre eher: Wer will eigentlich das alle zur Wahl stehenden potenziellen Parlamentarier überall gewählt werden können? Schließlich könnte man auch ein solches Prozedere als Einschränkung der staatlichen Souveränität auffassen.

You can't eat the cake and have it. Entweder Du nimmst einen europäischen Souverän an, dann hat er das Recht, zumindest ein allgemeines und gleiches Wahlrecht zu haben. Dann ist die Souveränität der Nationalstaaten sowieso nix mehr wert. Oder Du nimmst ihn nicht an, dann kann die Devise nur lauten: Alle Macht den Mitgliedsstaaten.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 15:41
#10 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Entweder Du nimmst einen europäischen Souverän an, dann hat er das Recht, zumindest ein allgemeines und gleiches Wahlrecht zu haben. Dann ist die Souveränität der Nationalstaaten sowieso nix mehr wert. Oder Du nimmst ihn nicht an, dann kann die Devise nur lauten: Alle Macht den Mitgliedsstaaten.

Ich sehe das nicht so dichotom.

In jedem föderalen Staat liegt die Wahrheit dazwischen. Es gibt in einem gewissen Maß einen gemeinsamen Souverän. Und es gibt Souveränität der Teilstaaten.

Sehr schön sieht man das doch an der Schweiz: Die eigentlich souveränen Elemente sind die Gemeinden. Dort wird auch das Bürgerrecht verliehen. Und dann gibt es die Kantone, die deutlich mehr Souveränität haben als ein deutsches Bundesland.
Und trotzdem wird niemand bestreiten, daß es auch den "Schweizer Souverän" mit seinem Wahlvolk gibt.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

03.06.2014 16:00
#11 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von R.A.
Ansonsten aber wäre es auch in Deutschland möglich, daß der Bundestag nach gehabter Kanzlerwahl mit wechselnden Mehrheiten über die Sachfragen abstimmt.
Ich persönlich rechne damit, daß sich auch im EP Mehrheitsverhältnisse stabilisieren. Weil es immer mehr echte Entscheidungen zu fällen gibt, und damit die Notwendigkeit von Bündnissen über eine einzelne Frage hinweg.


Der Unterschied (und das führt uns wieder zur Frage nach dem europäischen Souverän) ist aber noch auf anderen Ebenen da.

Wenn wir den politikwissenschaftlichen Bereich wieder ein Wenig verlassen, würde ich im Bundestag eine konkrete Reihenfolge annehmen, wem sich der einzelne Abgeordnete bei der Stimmabgabe verpflichtet fühlt:
1. Partei/Fraktion (und damit deren Wählern)
2. Deutsches Volk insgesamt
3. Wahlkreis
4. Bundesland (Ausnahme Bayern, da deckungsgleich mit 1. )

Wie sieht das nun im EP aus? Zunächst sind Partei und Fraktion getrennt. Die Partei ist im Heimatland des Abgeordneten verordnet und folglich ihren Wählern aus dem Heimatland verpflichtet. Sie entsendet den Abgeordneten. Die Fraktion ist dem angenommenen gesamteuropäischen Souverän verpflichtet sowie - und das mag man nicht unterschätzen - ihrem eigenen Bestand.

Was das (Staats-)Volk angeht, so gibt es über die Annahme des europäischen Souveräns sehr unterschiedliche Annahmen. Die Bruchlinien befinden sich aber sowohl zwischen Parteien als auch zwischen Heimatländern.

Der Wahlkreis spielt denke ich eine ähnliche Rolle. Vielleicht etwas geringer, da er größer ist und deshalb weniger persönliche Verpflichtungen entstehen.

Der Mitgliedsstaat schließlich ist ein massiver Verpflichtungsfaktor, weil häufig Entscheidungen für einen Mitgliedsstaat überdeutliche Vor-oder Nachteile bringen (ein schönes Beispiel ist die Frage nach dem Sonntagstransportverbot für Schnittblumen . Man kann sich vorstellen, dass da ganz Holland mit einer Stimme spricht!!).

Dazu kommt noch ein anderer Punkt: Entscheidungen, die der Bundestag trifft, betreffen immer einen konkreten Referenzrahmen: das gesamte Bundesgebiet. Es ist quasi undenkbar, dass der Beschluss gefasst wird "das lassen wir die Länder entscheiden". Schon die Zustimmungspflicht im Bundesrat ist lästig und allenfalls als parteipolitisches Mittel gewünscht, wenn denn die Mehrheitsverhältnisse passen.

Das Europäische Parlament entscheidet aber auch über seine eigene Zuständigkeit. Gerade bei Fragen, die sehr unterschiedliche Folgen für die Mitgliedsstaaten haben, kann es (leider heute seltener als früher) die Entscheidungsbefugnis bei den Mitgliedsstaaten belassen. Dadurch existiert wieder eine neue Bruchlinie, die auch viel mehr entlang der Staaten verläöuft.

Das heißt für unsere Prioliste, dass fast alle Faktoren nicht auf die Stärke eines Fraktionsbündnisses, sondern auf die Bedeutung der Herkunft und Parteizugehörigkeit in den Mitgliedsstaaten einzahlen. Spricht nicht für stabile Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Fraktionen.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

03.06.2014 16:15
#12 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Entweder Du nimmst einen europäischen Souverän an, dann hat er das Recht, zumindest ein allgemeines und gleiches Wahlrecht zu haben. Dann ist die Souveränität der Nationalstaaten sowieso nix mehr wert. Oder Du nimmst ihn nicht an, dann kann die Devise nur lauten: Alle Macht den Mitgliedsstaaten.

Ich sehe das nicht so dichotom.

In jedem föderalen Staat liegt die Wahrheit dazwischen. Es gibt in einem gewissen Maß einen gemeinsamen Souverän. Und es gibt Souveränität der Teilstaaten.

Sehr schön sieht man das doch an der Schweiz: Die eigentlich souveränen Elemente sind die Gemeinden. Dort wird auch das Bürgerrecht verliehen. Und dann gibt es die Kantone, die deutlich mehr Souveränität haben als ein deutsches Bundesland.
Und trotzdem wird niemand bestreiten, daß es auch den "Schweizer Souverän" mit seinem Wahlvolk gibt.

Aber das ist doch das schönste Argument, warum es einen europäischen Souverän nicht geben kann. Weil die EU kein föderaler Staat ist.

Die Dichotomie geht aber auch noch anders herum: Gibt es eine europäische Nation, ein europäisches Volk? Das man am Brüsseler Schreibtisch verändern kann - in Beitrittsverhandlungen erweitern oder durch Wählen von Herrn Juncker verkleinern? Absurd. Das heißt aber, dass die seit dem Briand-Kellogg-Pakt völkerrechtlich gültige Definition der nationalen Selbstbestimmung als Quelle der Souveränität für ein europäisches Staatsvolk nicht gelten kann. Das ist die theoretische Ebene.

Nun nimm dazu noch die praktische Ebene: Meine Ausführungen aus dem letzten Post. Die zeigen, dass die europäischen Institutionen in ihrer Verfasstheit ebenfalls keine Einflussmöglichkeit des gesamteuropäischen Souveräns hervorbringen. Nicht einmal eine gemeinsame Armee gibt es, die den Souverän gegen andere Souveräne verteidigen kann.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

03.06.2014 16:46
#13 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #11
... würde ich im Bundestag eine konkrete Reihenfolge annehmen, wem sich der einzelne Abgeordnete bei der Stimmabgabe verpflichtet fühlt:
1. Partei/Fraktion (und damit deren Wählern)
2. Deutsches Volk insgesamt
3. Wahlkreis
4. Bundesland (Ausnahme Bayern, da deckungsgleich mit 1. )

Durchaus.
Und wichtig ist halt die Ausnahme bei 4. - das ist in Deutschland die Ausnahme (aber grundsätzlich wäre es auch flächendeckend möglich) und im EP die Regel.
Wir haben de facto in Straßburg einen "Bundestag", der aus lauter CSU-ähnlichen eigenständigen Parteien besteht. Schon ein deutlich anderer Akzent, aber eben nichts grundsätzlich Verschiedenes.

Zitat
Entscheidungen, die der Bundestag trifft, betreffen immer einen konkreten Referenzrahmen: das gesamte Bundesgebiet.


Das ist aber trivial. Die Entscheidungen des EPs betreffen immer die ganze EU, die Entscheidungen der CSU ganz Bayern.

Zitat
Es ist quasi undenkbar, dass der Beschluss gefasst wird "das lassen wir die Länder entscheiden".


In der Theorie schon denkbar, aber natürlich unwahrscheinlich. Weil jede politische Instanz sich jede Kompetenz unter den Nagel reißt, die sie sich nehmen kann.

Zitat
Das Europäische Parlament entscheidet aber auch über seine eigene Zuständigkeit.


Nicht wirklich.
Denn natürlich ist die Zuständigkeit vertraglich geregelt. Aber eben mit viel Grauzone - und die füllt das EP (bzw. alle EU-Organe) nach ihren Wünschen.

Man hat das ja gerade ähnlich in den USA gesehen: Der Hauptstreitpunkt bei der Krankenversicherung war ja NICHT wie von deutschen Medien behauptet die Unterstützung von Armen und Kranken. Sondern die Zuständigkeit des Bundes vs. die der Einzelstaaten.
Und da hat der Bund sich über einen fadenscheinigen Vorwand (Regeln des innerstaatlichen Handels) eine Kompetenz gegrabscht, die die Verfassung ihm eigentlich nicht zugesteht.

Deswegen glaube ich, daß die Zukunft der europäischen Einigung ganz entscheidend darüber läuft, welche Kompetenzen dort angesiedelt werden oder bleiben und welche wieder an die Nationalstaaten kommen. Dagegen sind die meisten aktuell diskutierten Fragen völlig nebensächlich.

Zitat
Weil die EU kein föderaler Staat ist.


Föderal ist sie. Ob sie ein Staat ist, hängt alleine vom persönlichen Geschmack bzw. der verwendeten Definition ab.

Zitat
Gibt es eine europäische Nation, ein europäisches Volk?


Irgendwie schon. Selbst hartleibige UKIP-Anhänger etc. gestehen in der Regel zu, daß es gewisse Gemeinsamkeiten mit den übrigen Europäern gibt. Ab wann man das dann als Volk oder Nation bezeichnen will, ist wieder reine Geschmackssache.

Zitat
Das heißt aber, dass die seit dem Briand-Kellogg-Pakt völkerrechtlich gültige Definition der nationalen Selbstbestimmung als Quelle der Souveränität für ein europäisches Staatsvolk nicht gelten kann.


Das ist dann wohl Pech für diese ziemlich zeit- und ortsgebundene Definition. Deren Umsetzung schon zur Hochzeit des Nationalstaatskonzepts in Europa nicht geklappt hat und heute und weltweit ohnehin nicht wirklich anwendbar ist.
Gibt es denn das kurdische oder das palästinensische oder das indische Staatsvolk?

Eigentlich bilden die vielen Völker in Indien auch keine Einheit à la Briand-Kellogg. Aber sie haben sich über die Zeit daran gewöhnt, zusammen einen Staat namens Indien zu bilden.

Zitat
Die zeigen, dass die europäischen Institutionen in ihrer Verfasstheit ebenfalls keine Einflussmöglichkeit des gesamteuropäischen Souveräns hervorbringen.


Das kollidiert aber heftig mit der allgemeinen Wahrnehmung, daß diese Institutionen sehr viel Einfluß nehmen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

03.06.2014 18:25
#14 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #13
Wir haben de facto in Straßburg einen "Bundestag", der aus lauter CSU-ähnlichen eigenständigen Parteien besteht. Schon ein deutlich anderer Akzent, aber eben nichts grundsätzlich Verschiedenes.
Doch. Denn im Bundestag stimmen die bayerischen Rotgrünen niemals mit der CSU gegen die GroKo. aus SPD und Rest-CDU. Weil der Bestand einer Regierung davon abhängt. Der Bestand der EU-Kommission hängt niemals mit den Entscheidungen im Parlament zusammen. Leg mal den Holzhammer weg, die Unterschiede lassen sich nicht einebnen.
Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Entscheidungen, die der Bundestag trifft, betreffen immer einen konkreten Referenzrahmen: das gesamte Bundesgebiet.

Das ist aber trivial. Die Entscheidungen des EPs betreffen immer die ganze EU, die Entscheidungen der CSU ganz Bayern.


In der Theorie ist es trivial, in der Praxis nicht. Denn: Im Unterschied zur Bundesgesetzgebung setzt ein neues EU-Gesetz bisher bestehende nationale Gesetze außer Kraft, die in der Regel bisher ganz unterschiedlich gewesen sind. Dadurch sind die Auswirkungen in den Ländern viel unterschiedlicher. Bundesgesetze dagegen verändern in aller Regel nur vorher bestehende Bundesgesetze.

Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Es ist quasi undenkbar, dass der Beschluss gefasst wird "das lassen wir die Länder entscheiden".

In der Theorie schon denkbar, aber natürlich unwahrscheinlich. Weil jede politische Instanz sich jede Kompetenz unter den Nagel reißt, die sie sich nehmen kann.


Richtig. Und das heißt, dass eine Instanz, die sich als Vertretung des Mitgliedsstaates versteht, die Kompetenz dem Mitgliedsstaat zuschanzen will. Im Bundestag undenkbar, im EP gängig.

Zitat
Das Europäische Parlament entscheidet aber auch über seine eigene Zuständigkeit.


Zitat von R.A. im Beitrag #13
Nicht wirklich.
Denn natürlich ist die Zuständigkeit vertraglich geregelt. Aber eben mit viel Grauzone - und die füllt das EP (bzw. alle EU-Organe) nach ihren Wünschen.

Die vertragliche Regelung verortet folgende Themen unter "geteilter Zuständigkeit" (was genau dieses bedeutet):

Zitat
Die geteilte Zuständigkeit umfasst den Europäischen Binnenmarkt, bestimmte Bereiche der Sozialpolitik, den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, die Landwirtschaft und Fischerei mit Ausnahme des Erhalts der biologischen Meeresschätze, die Umweltpolitik, den Verbraucherschutz, die Verkehrspolitik, die Transeuropäischen Netze, die Energiepolitik, den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, bestimmte Bereiche des Gesundheitsschutzes, die Forschungs-, Technologie- und Raumfahrtpolitik sowie die Entwicklungspolitik (Art. 4 AEUV)


Du wirst zustimmen, dass zumindest von der Menge der Einzelentscheidungen das den größten Teil ausmacht. Und je divergierender die Interessen der Mitgliedsstaaten sind, um so wahrscheinlicher ist es, dass die Kompetenz beim Mitgliedsstaat verbleibt. Weil diese Interessen das Fraktionsinteresse überwiegen.

Zitat von R.A. im Beitrag #13
Deswegen glaube ich, daß die Zukunft der europäischen Einigung ganz entscheidend darüber läuft, welche Kompetenzen dort angesiedelt werden oder bleiben und welche wieder an die Nationalstaaten kommen. Dagegen sind die meisten aktuell diskutierten Fragen völlig nebensächlich.

So. Und damit haben wir auch den Ausgangspunkt des Streits. Wer einen europäischen Superstaat will, muss die Parlamentsabgeordneten von ihren Mitgliedsstaaten abkoppeln. . Bis jetzt haben wir die machtgierige Kommission, für die das Subsidiaritätsprinzip des Teufels ist, den Rat, der natürlich keine Macht abgeben will, und das Parlament als Zwischeninstanz. Macht man die Parlamentsabgeordneten zu überstaatlichen Funktionären, kippt die Balance endgültig.
Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Weil die EU kein föderaler Staat ist.

Föderal ist sie. Ob sie ein Staat ist, hängt alleine vom persönlichen Geschmack bzw. der verwendeten Definition ab.


Genau wie die Pizza Margherita.

Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Gibt es eine europäische Nation, ein europäisches Volk?

Irgendwie schon. Selbst hartleibige UKIP-Anhänger etc. gestehen in der Regel zu, daß es gewisse Gemeinsamkeiten mit den übrigen Europäern gibt. Ab wann man das dann als Volk oder Nation bezeichnen will, ist wieder reine Geschmackssache.


OK, Missverständnis. Ein "EU-Volk" wäre die richtige Bezeichnung gewesen. Also gibt es (Stand 2014) die Gemeinsamkeiten nicht mit den Schweizern und Norwegern, mit den Kroaten seit kurzem und mit der Türkei wird noch darüber verhandelt, ob es Verhandlungen über Gemeinsamkeiten gibt.

Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Das heißt aber, dass die seit dem Briand-Kellogg-Pakt völkerrechtlich gültige Definition der nationalen Selbstbestimmung als Quelle der Souveränität für ein europäisches Staatsvolk nicht gelten kann.
Das ist dann wohl Pech für diese ziemlich zeit- und ortsgebundene Definition. Deren Umsetzung schon zur Hochzeit des Nationalstaatskonzepts in Europa nicht geklappt hat und heute und weltweit ohnehin nicht wirklich anwendbar ist.
Gibt es denn das kurdische oder das palästinensische oder das indische Staatsvolk?


Wie schaut es denn mit dem ukrainischen aus? Genau bei der Behandlung internationaler Konflikte sieht man doch genau, dass diese Definition angewendet wird. Die kannst Du nicht einfach wegerklären, nur um einer Chimäre zu einer Legitimation zu verhelfen, die sie nach allen Definitionen außer ihrer eigenen nicht hat.

Zitat von R.A. im Beitrag #13
Eigentlich bilden die vielen Völker in Indien auch keine Einheit à la Briand-Kellogg. Aber sie haben sich über die Zeit daran gewöhnt, zusammen einen Staat namens Indien zu bilden.

Also machen wir die Gewohnheit zur Quelle der staatlichen Souveränität? Auch eine Idee von Demokratie...
Zitat von R.A. im Beitrag #13

Zitat
Die zeigen, dass die europäischen Institutionen in ihrer Verfasstheit ebenfalls keine Einflussmöglichkeit des gesamteuropäischen Souveräns hervorbringen.

Das kollidiert aber heftig mit der allgemeinen Wahrnehmung, daß diese Institutionen sehr viel Einfluß nehmen.


Als in der Union mächtig wahrgenommen wird die Kommission, deren gesamteuropäische Legitimation weitgehend bestritten wird (Stichwort: Hinterzimmergekungel).
Die sonstige allgemeine Wahrnehmung ist doch, dass wahlweise die Deutschen die Union dominieren, die PIGS-Staaten sie auspressen, die Briten sie zerstören. Wo wird der Gesamt-EU-Bürgerals solcher wahrgenommen?

Gruß Petz

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Erling Plaethe Offline




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03.06.2014 19:04
#15 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #5
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wer repräsentiert denn den Souverän?

Alle Beteiligten. Wie im US-Kongreß oder in Deutschland bei Bundesrat/Bundestag. Jeder repräsentiert halt einen anderen Aspekt.

Nein. Repräsentiert wird der Souverän von den Abgeordneten:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Repräs....C3.A4sentation
Die vom Volk gewählten Volksvertreter – und nur sie – repräsentieren das Volk


Zitat von R.A. im Beitrag #5
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, ...

M. E. überhaupt nicht. Der Rat besteht aus den Repräsentanten der Mitgliedsländern. Es geht die EU nichts an, von wem sich die Länder jeweils repräsentieren lassen.
Es steht jedem EU-Land frei, seinen Regierungschef in Direktwahl bestimmen zu lassen - oder darauf zu verzichten. Die gegenwärtige EU-Konstrukion ist also völlig korrekt und föderalistisch.

Der Satz ging folgendermaßen weiter: ...als noch dieses Parlament, dass sich bemüht aus seiner Rolle am Katzentisch der Europapolitik herauszuwachsen?
Ich stellte die hypothetische Frage, ob, wenn doch der Rat, wie das Parlament, aus gewählten Personen besteht, man nicht auf das EP verzichten könnte und die EU dann leichter zu ertragen wäre.
Der Grund liegt in meinem Eindruck, der sich mittlerweile verhärtet hat, dass kein großes Interesse an einer Machtzunahme des EP besteht. Ich teile diese Sicht ganz und gar nicht.
Zitat von R.A. im Beitrag #5
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?

???

Tja, und ich sehe das derzeit verfügbare und wirkungsvollste Mittel den europäischen Superstaat zu verhindern, eben in einer Schwächung der Macht des Rates.

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Ist Juncker vielleicht nicht der Richtige? Das kann man fragen. Aber das hätte sich die Bundeskanzlerin fragen sollen, bevor sie im März nach Dublin fuhr und ihn durchsetzte.


Zitat von R.A. im Beitrag #5
Ich kann diese Kritik nicht nachvollziehen.
In Dublin hatte Merkel (und Kollegen) eine gewisse Auswahl. Nämlich eine auf EVP-Mitglieder beschränkte. Und da war offenbar Stand damals Juncker die beste Wahl.

Wenn es nun bessere Ideen geben sollte (insbesondere auch von Kandidaten außerhalb der EVP) oder wenn sich angesichts von Junckers Wahlniederlage neue Kandidaten finden - wieso sollte man die nicht nehmen?

Ich denke, die Kritik ist sehr leicht nachvollziehbar, nur teilen muss man sie natürlich nicht. Dass Junker eine Wahlniederlage erlitten hat, folgt der Logik der SPD nach der der Sieger derjenige mit den größten Zugewinnen ist.
Nachvollziehbar, aber unüblich. Gewonnen hat die stärkste Partei.
Das mit den besseren Ideen ist ja schön, nur wird sie von vielen Wählern als Respektlosigkeit aufgefasst.
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Worte zur Spitzenkandidaten-Frage verlieren:
Ohne Spitzenkandidaten verliert eine Wahl die Spannung, das Interesse der Wähler. Gerade weil ein Spitzenkandidat einen Kristallisationspunkt darstellt, ist er nicht unwesentlich für das Abschneiden der gesamten Partei.
Keine Partei kann auf einen Spitzenkandidaten verzichten. Das sollte man bedenken wenn man darüber befindet, dass Spitzenkandidaten sinnlos und problematisch sind, denke ich.

Zitat von http://m.welt.de/debatte/kommentare/arti...erden-muss.html
Wer sich nun über den Wählerwillen hinwegsetzt, der braucht sich erstens nie mehr wieder um Glaubwürdigkeit zu bemühen. ...


Zitat von R.A. im Beitrag #5
Richtig, weil trivial.
Paßt nur nicht zur konkreten Situation. Dem Wahlergebnis (EVP 28%, letzte Wahl 36%) ist nun wirklich nicht zu entnehmen, daß "DER Wählerwille" Herrn Juncker haben möchte.


Wieso soll das eine Rolle spielen wie viel die EVP bei der vorletzten Wahl geholt hat? Sie ist stärkste Partei geworden, deshalb sind die EU-Parlamentarier mehrheitlich der Ansicht, Junker sollte kandidieren.
Und in der Tat, wenn das nicht respektiert werden wird, geht die Wahlbeteiligung mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter zurück.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




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03.06.2014 20:19
#16 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2

Zitat von Blogbeitrag von Meister Petz in Zettels Raum
Man kann den geringen Einfluss des Parlamentes und die starke Stellung des Rates für nützlich oder schädlich halten. Tatsache ist, wir haben es mit Institutionen zu tun, die so oder so eine ungeheure Macht haben. Es stehen Entscheidungen an, die die Zukunft der Bürger Europas prägen werden. Und jeder von den Bürgern seines Staates gewählte Regierungschef, sei der Name Cameron, Orban, Faymann oder Merkel, ist zunächst seinen Wählern verantwortlich, die ihm anvertraute Macht in deren Sinne zu nutzen.


Lieber Erling, ich habe ja gar nichts gegen eine politikwissenschaftliche Debatte zum Thema, und freue mich darauf, sie zu führen. Aber nicht im laufenden Prozess.


Welcher Prozess?

Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wer repräsentiert denn den Souverän? Die Regierungschefs die nie ein Parlament brauchten und das EP nur als Feigenblatt benutzten oder das EP welches gerade gewählt wurde und um dessen Wahlbeteiligung auch die Regierungschefs buhlten?

Die Frage ist doch, ob ein europäischer Souverän existiert oder - wie ich behaupte - eine Kopfgeburt der Intellektuellen ist. Übrigens ist letzteres eine Wahrnehmung, wie sie maximal in Deutschland und anderen EU-verherrlichenden Mitgliedsstaaten vorherrscht. Die Juncker-Kritiker-Länder - allen voran UK - haben das nie getan.

Aus gutem Grund, denn solch ein europäischer Souverän kann sich entwickeln, ausschließen würde ich das nicht. Die Intellektuellen sehen sowieso keinen Souverän, sondern nur "Menschen da draußen".
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, als noch dieses Parlament, dass sich bemüht aus seiner Rolle am Katzentisch der Europapolitik herauszuwachsen? Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?

Weiß ich nicht, das ist vermutlich eine Frage des Standpunktes - will man die USE oder nicht. Aber ist denn der Zentralismus nicht am pursten, wenn ein Parlament, dessen eigener Präsident ihm sogar demokratische Mängel bescheinigt, völlig losgelöst von der Politik der Mitgliedsstaaten die Entscheidungen trifft?

Du verstehst auf jeden Fall exakt was ich meine.
Was sollte denn ein europäisches Parlament sonst sein, wenn nicht genau das? Abgesehen davon, werden immer die Abgeordneten auch ihre Heimat im Kopf haben, so wie ein Bundestagsabgeordneter seinen Wahlkreis.
Klar, es ist eine Frage des Standpunktes.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Aber lieber Erling, damit schluckst Du doch vorbehaltlos die Kröte, die dir vorgesetzt wurde. Nämlich, dass eine Entscheidung für Juncker der Wählerwille ist. Das bestreite ich.

Na ja, der Wille derer, die EVP gewählt haben. Wer Junker nicht wollte, hat eine Partei gewählt die nicht zur EVP gehört. Das ist die gleiche Kröte die ich bei jeder Bundestagswahl schlucke oder eben nicht.
Wenn man wie ich satt ist von zu vielen Kröten kann man ja zu Hause bleiben.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Aber das ist nicht der Punkt, jedenfalls jetzt noch nicht. Die Frage wäre eher: Wer will eigentlich das alle zur Wahl stehenden potenziellen Parlamentarier überall gewählt werden können? Schließlich könnte man auch ein solches Prozedere als Einschränkung der staatlichen Souveränität auffassen.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
You can't eat the cake and have it. Entweder Du nimmst einen europäischen Souverän an, dann hat er das Recht, zumindest ein allgemeines und gleiches Wahlrecht zu haben. Dann ist die Souveränität der Nationalstaaten sowieso nix mehr wert. Oder Du nimmst ihn nicht an, dann kann die Devise nur lauten: Alle Macht den Mitgliedsstaaten.

Das hängt davon ab was die Wähler wollen. Wie gesagt, die Frage ob es einen europäischen Souverän gibt, geben wird oder nicht ist für mich nicht mehr klar zu beantworten. Diese Frage ist für mich offen.
Wir haben aber nun mal ein EP, eine Kommission und einen Rat.
Wenn die Exekutive alle Macht bekommt, weil alle Macht an die Mitgliedsstaaten gehen soll, bekommen wir in Europa einen Zentralismus der über kurz oder lang die nationalen Parlamente ebenso überflüssig macht wie es das EP dann sein wird.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




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03.06.2014 21:14
#17 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #16
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2

Zitat von Blogbeitrag von Meister Petz in Zettels Raum
Man kann den geringen Einfluss des Parlamentes und die starke Stellung des Rates für nützlich oder schädlich halten. Tatsache ist, wir haben es mit Institutionen zu tun, die so oder so eine ungeheure Macht haben. Es stehen Entscheidungen an, die die Zukunft der Bürger Europas prägen werden. Und jeder von den Bürgern seines Staates gewählte Regierungschef, sei der Name Cameron, Orban, Faymann oder Merkel, ist zunächst seinen Wählern verantwortlich, die ihm anvertraute Macht in deren Sinne zu nutzen.


Lieber Erling, ich habe ja gar nichts gegen eine politikwissenschaftliche Debatte zum Thema, und freue mich darauf, sie zu führen. Aber nicht im laufenden Prozess.

Welcher Prozess?


Der aktuell verlaufende Besetzungsprozess der europäischen Ämter. Noch einmal zur Erinnerung: Bevor die EVP und die SPE sich dieses Nachwahl-Schmierentheater um die Spitzenkandidaten einfallen haben lassen, war für jeden (und damit meine ich wirlich jeden ) klar, wie der Prozess abläuft. Ich darf zitieren:

Zitat
Die aufgebauten Spitzenkandidaten täuschen eigentlich nur darüber hinweg, dass der Wahlausgang mit der Wahl des Kommissionspräsidenten nichts zu tun hat. (...) Die Regierungschefs werden in etlichen Kungelrunden mit Abendessen solange feilschen, bis sie sich mit qualifizierter Mehrheit auf einen Kandidaten geeinigt haben, der eine Mehrheit im Europäischen Parlament bekommen könnte. Da wird vielleicht auch der eine oder andere Abgeordnete gehört.

Ein Europäer wird es wohl werden.


Keinerlei Gejammer über mangelnden Respekt am Wähler oder Vertrauensverlust. Was nicht da ist, kann man doch nicht verlieren, oder? Ich frage mich nur, wie dieser Stimmungsumschwung kommt, den ich in meinem Beitrag beschreibe?. Kannst Du mir weiterhelfen?

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wer repräsentiert denn den Souverän? Die Regierungschefs die nie ein Parlament brauchten und das EP nur als Feigenblatt benutzten oder das EP welches gerade gewählt wurde und um dessen Wahlbeteiligung auch die Regierungschefs buhlten?

Die Frage ist doch, ob ein europäischer Souverän existiert oder - wie ich behaupte - eine Kopfgeburt der Intellektuellen ist. Übrigens ist letzteres eine Wahrnehmung, wie sie maximal in Deutschland und anderen EU-verherrlichenden Mitgliedsstaaten vorherrscht. Die Juncker-Kritiker-Länder - allen voran UK - haben das nie getan.

Aus gutem Grund, denn solch ein europäischer Souverän kann sich entwickeln, ausschließen würde ich das nicht. Die Intellektuellen sehen sowieso keinen Souverän, sondern nur "Menschen da draußen".

Lieber Erling, bei allem Respekt glaube ich, dass Du Dich hier irrst. "Menschen da draußen" haben die Intellektuellen allenfalls als romantische literarische Figuren interessiert. Nicht als empirische Größe.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wäre denn die EU leichter zu ertragen mit einem Rat der auch aus gewählten Personen besteht, als noch dieses Parlament, dass sich bemüht aus seiner Rolle am Katzentisch der Europapolitik herauszuwachsen? Also lieber Zentralismus pur weil dann die Souveränität der 28 EU-Staaten gesichert ist?

Weiß ich nicht, das ist vermutlich eine Frage des Standpunktes - will man die USE oder nicht. Aber ist denn der Zentralismus nicht am pursten, wenn ein Parlament, dessen eigener Präsident ihm sogar demokratische Mängel bescheinigt, völlig losgelöst von der Politik der Mitgliedsstaaten die Entscheidungen trifft?

Was sollte denn ein europäisches Parlament sonst sein, wenn nicht genau das? Abgesehen davon, werden immer die Abgeordneten auch ihre Heimat im Kopf haben, so wie ein Bundestagsabgeordneter seinen Wahlkreis.

Ein europäisches Parlament sollte die Vertretung der Bürger der Mitgliedsstaaten der europäischen Union in einem supranationalen Gebilde sein. Mehr gibt diese EU nicht her.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von Meister Petz im Beitrag #9
Aber lieber Erling, damit schluckst Du doch vorbehaltlos die Kröte, die dir vorgesetzt wurde. Nämlich, dass eine Entscheidung für Juncker der Wählerwille ist. Das bestreite ich.
Na ja, der Wille derer, die EVP gewählt haben. Wer Junker nicht wollte, hat eine Partei gewählt die nicht zur EVP gehört. Das ist die gleiche Kröte die ich bei jeder Bundestagswahl schlucke oder eben nicht.

Und was ist mit dem Willen derer, die SPE gewählt haben? Die kriegen auch Juncker. Weil sonst die Demokratie kaputt geht.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wie gesagt, die Frage ob es einen europäischen Souverän gibt, geben wird oder nicht ist für mich nicht mehr klar zu beantworten. Diese Frage ist für mich offen.

Warum findest Du es dann so furchtbar, wenn der Rat nicht so tut, als gäbe es einen?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wenn die Exekutive alle Macht bekommt, weil alle Macht an die Mitgliedsstaaten gehen soll, bekommen wir in Europa einen Zentralismus der über kurz oder lang die nationalen Parlamente ebenso überflüssig macht wie es das EP dann sein wird.

Sehe ich genau umgekehrt.
1. Nimm mal einen typischen Zentralstaat wie Italien (mehr Zentralismus geht nicht). Italien hat gleichzeitig einen extremen Parlamentarismus. Zentralismus ist nicht von der Stärke des Parlaments abhängig, sondern, wie R.A. richtig schreibt, von der Frage, was zentral und was lokal entschieden wird.
2. Je mehr Macht die nationalen Regierungen in Brüssel haben, um so wichtiger werden die nationalen Parlamente, weil sie die Regierungen wählen und stützen.
3. Das beste Mittel gegen Zentralismus ist eine starke regionale Identität. Die Südtiroler machen es in meinem Italienbeispiel vor .

Gruß Petz

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Erling Plaethe Offline




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03.06.2014 22:31
#18 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Ich darf zitieren:

Zitat
Die aufgebauten Spitzenkandidaten täuschen eigentlich nur darüber hinweg, dass der Wahlausgang mit der Wahl des Kommissionspräsidenten nichts zu tun hat. (...) Die Regierungschefs werden in etlichen Kungelrunden mit Abendessen solange feilschen, bis sie sich mit qualifizierter Mehrheit auf einen Kandidaten geeinigt haben, der eine Mehrheit im Europäischen Parlament bekommen könnte. Da wird vielleicht auch der eine oder andere Abgeordnete gehört.

Ein Europäer wird es wohl werden.

Keinerlei Gejammer über mangelnden Respekt am Wähler oder Vertrauensverlust. Was nicht da ist, kann man doch nicht verlieren, oder? Ich frage mich nur, wie dieser Stimmungsumschwung kommt, den ich in meinem Beitrag beschreibe?. Kannst Du mir weiterhelfen?


Klar. Ich habe Hoffnung geschöpft. Es ist etwas eingetreten womit ich nicht gerechnet habe. Das EP wehrt sich. Und jetzt soll der Wahlausgang etwas mit der Wahl zu tun haben.
Manchmal finde ich es ausgesprochen angenehm mich zu täuschen.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Ein europäisches Parlament sollte die Vertretung der Bürger der Mitgliedsstaaten der europäischen Union in einem supranationalen Gebilde sein. Mehr gibt diese EU nicht her.

Ja. Das heißt aber nicht, dass die Parlamentarier die Politik ihrer nationalen Regierung exekutieren.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Und was ist mit dem Willen derer, die SPE gewählt haben? Die kriegen auch Juncker. Weil sonst die Demokratie kaputt geht.

Klar, kriegen die auch Junker, so wie die SPD-Wähler Merkel bekamen. Bei den geringen Unterschieden wird der Schmerz wohl zu ertragen sein.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Wie gesagt, die Frage ob es einen europäischen Souverän gibt, geben wird oder nicht ist für mich nicht mehr klar zu beantworten. Diese Frage ist für mich offen.

Warum findest Du es dann so furchtbar, wenn der Rat nicht so tut, als gäbe es einen?

Chapeau!
Weil er den Souverän zu akzeptieren hat, der das Parlament wählte. Mir ist in diesem Fall egal wie der Rat ihn nennt.

Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wenn die Exekutive alle Macht bekommt, weil alle Macht an die Mitgliedsstaaten gehen soll, bekommen wir in Europa einen Zentralismus der über kurz oder lang die nationalen Parlamente ebenso überflüssig macht wie es das EP dann sein wird.

Sehe ich genau umgekehrt.
1. Nimm mal einen typischen Zentralstaat wie Italien (mehr Zentralismus geht nicht). Italien hat gleichzeitig einen extremen Parlamentarismus. Zentralismus ist nicht von der Stärke des Parlaments abhängig, sondern, wie R.A. richtig schreibt, von der Frage, was zentral und was lokal entschieden wird.
2. Je mehr Macht die nationalen Regierungen in Brüssel haben, um so wichtiger werden die nationalen Parlamente, weil sie die Regierungen wählen und stützen.
3. Das beste Mittel gegen Zentralismus ist eine starke regionale Identität. Die Südtiroler machen es in meinem Italienbeispiel vor .

zu 1.: Das Parlament in Italien ist extrem schwach. Es ist paralysiert weil sich beide Kammern gegenseitig blockieren. Als Ergebnis übernimmt die Gesetzgebung die Exekutive mit Dekreten. Ein recht gutes Beispiel wie ein schwaches Parlament dem Zentralismus den Weg bereitet. Aus meiner Sicht.
zu 2.: Die nationalen Regierungen nutzen ihre Macht um über Bande zu spielen. Sie umgehen ihre nationalen Parlamente weil sich das bisher schwache EP leicht ausspielen läßt. Dazu gibt es ein recht berühmtes Zitat von Jean-Claude Junker:

Zitat von http://diepresse.com/home/wirtschaft/eur...acklink=&popup=
Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.


zu 3.: Da stimme ich zu. Klar, Föderalismus wirkt dem Zentralismus entgegen und dazu gehört auch die regionale Identität. Aber die soll und muss niemand aufgeben. Das wiederum machen die Schweizer vor.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




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03.06.2014 23:55
#19 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #18
Ich habe Hoffnung geschöpft. Es ist etwas eingetreten womit ich nicht gerechnet habe. Das EP wehrt sich. Und jetzt soll der Wahlausgang etwas mit der Wahl zu tun haben.

Das Parlament wehrt sich nicht, sondern die Parteien, die diesen Zinnober angezettelt haben. Nun kennt es keine Parteien mehr, sondern nur noch Juncker. Nicht einmal der Wahlaufruf Jospins für Chirac gegen Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2002 kam so bereitwillig. Und da soll ich mich nicht verarscht, sondern respektiert fühlen?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #18
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Ein europäisches Parlament sollte die Vertretung der Bürger der Mitgliedsstaaten der europäischen Union in einem supranationalen Gebilde sein. Mehr gibt diese EU nicht her.
Ja. Das heißt aber nicht, dass die Parlamentarier die Politik ihrer nationalen Regierung exekutieren.
Aber die ihrer nationalen Partei, die sie aufgestellt hat.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von Meister Petz im Beitrag #17
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Wie gesagt, die Frage ob es einen europäischen Souverän gibt, geben wird oder nicht ist für mich nicht mehr klar zu beantworten. Diese Frage ist für mich offen.

Warum findest Du es dann so furchtbar, wenn der Rat nicht so tut, als gäbe es einen?

Chapeau!
Weil er den Souverän zu akzeptieren hat, der das Parlament wählte. Mir ist in diesem Fall egal wie der Rat ihn nennt.

Hat er nicht, die Verträge sind da völlig klar. Außerdem verrät er dann in vielen Fällen (z.B. UK) seine nationalen Wähler.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
zu 1.: Das Parlament in Italien ist extrem schwach. Es ist paralysiert weil sich beide Kammern gegenseitig blockieren. Als Ergebnis übernimmt die Gesetzgebung die Exekutive mit Dekreten. Ein recht gutes Beispiel wie ein schwaches Parlament dem Zentralismus den Weg bereitet. Aus meiner Sicht.

Ich meinte damit vor allem die Zusammensetzung und das Wahlrecht - gleichzeitig mein größter Kritikpunkt am EP.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
zu 2.: Die nationalen Regierungen nutzen ihre Macht um über Bande zu spielen. Sie umgehen ihre nationalen Parlamente weil sich das bisher schwache EP leicht ausspielen läßt. Dazu gibt es ein recht berühmtes Zitat von Jean-Claude Junker:
[quote="http://diepresse.com/home/wirtschaft/eur...acklink=&popup="]Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.

Und du willst diesen Bock wirklich nur aus dem Grund, dass (in vielen Staaten) 5-10% der Wahlberechtigten eine Partei gewählt hat, als dessen "Spitzenkandidat" er sich präsentiert hat, zum Gärtner, ja geradezu zum Landschaftsarchitekten machen?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
zu 3.: Da stimme ich zu. Klar, Föderalismus wirkt dem Zentralismus entgegen und dazu gehört auch die regionale Identität. Aber die soll und muss niemand aufgeben. Das wiederum machen die Schweizer vor.
Deshalb sind die Schweizer auch so glühende Befürworter eines EU-Beitritts, weil sie keine Angst um ihre regionale Identität fürchten müssten?

Gruß Petz

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Erling Plaethe Offline




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04.06.2014 08:24
#20 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #19

Und du willst diesen Bock wirklich nur aus dem Grund, dass (in vielen Staaten) 5-10% der Wahlberechtigten eine Partei gewählt hat, als dessen "Spitzenkandidat" er sich präsentiert hat, zum Gärtner, ja geradezu zum Landschaftsarchitekten machen?

Er wäre nie mein Kandidat gewesen. Aber darum gehts ja nicht. Schon möglich, dass es bessere gibt. Aber für mich ist eben die Rolle des EP in diesem Prozess wichtig und dass sie die spielt, die dem Wähler versprochen wurde: Eine andere, eine bedeutendere und eine mit Spitzenkandidaten. Ich habe dies für eine Show gehalten, inzwischen stelle ich fest, dass das Parlament sich geschlossen hinter einen Kandidaten stellt. Das beeindruckt mich. Muss ich wirklich sagen. Letztlich wird sich ein anderer Kandidat in den wesentlichen Punkten nicht von Junker unterscheiden.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




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04.06.2014 12:13
#21 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #20
Aber für mich ist eben die Rolle des EP in diesem Prozess wichtig und dass sie die spielt, die dem Wähler versprochen wurde: Eine andere, eine bedeutendere und eine mit Spitzenkandidaten. Ich habe dies für eine Show gehalten, inzwischen stelle ich fest, dass das Parlament sich geschlossen hinter einen Kandidaten stellt. Das beeindruckt mich. Muss ich wirklich sagen. Letztlich wird sich ein anderer Kandidat in den wesentlichen Punkten nicht von Junker unterscheiden.

Siehst Du, und ich halte das, was jetzt passiert, für eine Show.

Schulz hat wohl eingesehen, dass er nicht mehr Präsident wird. Also verscherbelt die SPD ihre Zustimmung für Juncker gegen den deutschen Kommissarsposten auf Kosten des Mannes, der zwar so heißt wie das billigste Bier, aber als Energiekommissar einen meiner Meinung nach ganz respektablen Job gemacht hat.

Und die SPD hat sich - wie schon in den Koalitionsverhandlungen - bislang als geschickter und auch glücklicher erwiesen. Geschickter, denn sie haben Merkel in der Zwickmühle. Geht sie den Weg mit, muss sie den bewährten Kommissar Öttinger opfern, um Schulz zu kompensieren. Tut sie es nicht, wird das Thema des "Wahlbetruges" an ihr hängenbleiben. Glücklicher, weil mit Camerons Grätsche noch ein Bilderbuch-Feindbild hinzugekommen ist. Damit kann man Merkel nicht nur zur Betrügerin, sondern auch zur Verräterin stempeln.

Auch das ist nichts außergewöhnliches im Brüsseler Postenpoker. Ärgerlich finde ich nur diese Überhöhung. Zitat Schulz:

Zitat von Altbürgermeister von Würselen
„Das ist nicht die Zeit für Parteipolitik. (...) Jetzt ist die Stunde, das zu tun, was notwendig ist, damit wir auf unserem Kontinent Frieden und Wohlstand bewahren und neue Stärke gewinnen.“



Das ist natürlich faustdick gelogen. Es ist reine Parteipolitik. Nämlich der SPD den deutschen Kommissarsposten zu verschaffen und Mutti zu schwächen. Da das aber nicht so schick klingt, macht man (ich habe im Blogeintrag noch über "Krieg und Frieden" gewitzelt) das Ganze zu einer Frage nach "Frieden, Wohlstand und neuer Stärke".

Das, was Du für eine Nagelprobe zwischen Rat und Parlament hältst, ist aus meiner Sicht eine Nagelprobe zwischen den beiden großen Parteien, die beide von den deutschen Mitgliedsparteien CDU/CSU und SPD dominiert werden. Hier bricht nicht die europäische Demokratie und nicht der Parlamentarismus aus, sondern das übliche Postengeschacher hat eine neue (zugegeben sehr geschickt komponierte) Begleitmusik. Die nach wie vor nicht in der Straßbuerger Quasselbude, sondern in den Parteizentralen (vor allem in Berlin) dirigiert wird.

Gruß Petz

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R.A. Offline



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04.06.2014 12:19
#22 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #14
Der Bestand der EU-Kommission hängt niemals mit den Entscheidungen im Parlament zusammen.

Richtig. Hatte ich ja geschrieben: Der wesentliche Unterschied ist, daß der Kanzler (und damit die Regierung) auch nach der Wahl noch vom Parlament abhängig ist, weil er dort abgewählt werden kann. Nur das führt dann zu z. B. dem Verhalten der bayrischen Abgeordneten.
Siehe umgekehrt die US-Abgeordneten bzw. Senatoren. Die sortieren sich zwar tendenziell auch nach Parteikriterien, sind aber nicht unbedingt Regierung vs. Opposition, weil der Präsident nicht vom Parlament abgewählt werden kann.

Zitat
Im Unterschied zur Bundesgesetzgebung setzt ein neues EU-Gesetz bisher bestehende nationale Gesetze außer Kraft, die in der Regel bisher ganz unterschiedlich gewesen sind.


Das ist aber eigentlich ein Übergangsphänomen, weil die EU-Zuständigkeiten ausgeweitet wurden. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird die EU auch nur noch ihre eigenen Gesetze ändern.

Zitat
Du wirst zustimmen, dass zumindest von der Menge der Einzelentscheidungen das den größten Teil ausmacht.


Richtig. Und sowohl das Konzept der "geteilten Zuständigkeit" wie die vage Beschreibung der Themen halte ich für hochproblematisch.

Zitat
Wer einen europäischen Superstaat will, muss die Parlamentsabgeordneten von ihren Mitgliedsstaaten abkoppeln.


Jein.
Man kann ein eigenständiges "überstaatliches" europäisches Parlament wollen, ohne einen "Superstaat" (d.h. übergroße EU-Zuständigkeiten) zu wollen. Ich will in erster Linie die Zuständigkeiten begrenzen. Aber wo wirklich eine europaweite Entscheidung sinnvoll und nötig ist, da soll m. E. auch das Parlament als gesamteuropäische Vertretung wirken.
Die Rolle des Rats bleibt dann die Vertretung der Nationalstaaten.

Zitat
Wie schaut es denn mit dem ukrainischen aus? Genau bei der Behandlung internationaler Konflikte sieht man doch genau, dass diese Definition angewendet wird.


Man versucht sie anzuwenden. Und das Beispiel Ukraine zeigt ja eher, wie schwierig das ist.

Zitat
Also machen wir die Gewohnheit zur Quelle der staatlichen Souveränität?


Gewohnheit ist ohnehin eine wesentliche Quelle des Völkerrechts. Und wenn man ehrlich ist, beruht die Zusammengehörigkeit oder die Nicht-Zusammengehörigkeit in den meisten Fällen viel mehr auf Gewohnheit als auf politischer Theorie.

R.A. Offline



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04.06.2014 12:53
#23 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Nein. Repräsentiert wird der Souverän von den Abgeordneten:

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Repräs....C3.A4sentation
Die vom Volk gewählten Volksvertreter – und nur sie – repräsentieren das Volk


Wenn man den Kontext sieht, dann meint die Wikipedia das im Kontrast zur direkten Demokratie. M. E. ist es klar, daß auch indirekt gewählte Amtsträger (Bürgermeister, Kanzler, Bundespräsident, Bundesrat) den "Souverän repräsentieren".

Zitat
Ich stellte die hypothetische Frage, ob, wenn doch der Rat, wie das Parlament, aus gewählten Personen besteht, man nicht auf das EP verzichten könnte und die EU dann leichter zu ertragen wäre.


OK, Frage (hoffentlich) jetzt verstanden ;-)

Meine persönliche Antwort, daß die "Ertragbarkeit" europäischer Entscheidungen nicht sehr vom Prozedere abhängt. Wenn den Leuten eine Entscheidung mißfällt, dann ist auch der schönste repräsentative Entscheidungsprozeß kein Trost.
Ich halte Zweikammersysteme grundsätzlich für die beste Lösung in einer föderalen Struktur. Man könnte auch die Ratsmitglieder wählen - aber damit würden sie kein Ersatz fürs Parlament.

Zitat
Der Grund liegt in meinem Eindruck, der sich mittlerweile verhärtet hat, dass kein großes Interesse an einer Machtzunahme des EP besteht. Ich teile diese Sicht ganz und gar nicht.


Mein Eindruck ist: Es besteht kein Interesse an einer Machtzunahme der EU. Aber bei EU-Entscheidungen wünschen sich schon die meisten Leute hauptsächlich das Parlament als Entscheider.

Zitat
Tja, und ich sehe das derzeit verfügbare und wirkungsvollste Mittel den europäischen Superstaat zu verhindern, eben in einer Schwächung der Macht des Rates.


Diesen Optimismus kann ich nicht teilen.
Im Gegenteil ist es derzeit am ehesten der Rat, der eine Ausweitung von EU-Zuständigkeiten bremst. Denn im Rat sitzen ja genau die nationalen Politiker, denen damit die Kompetenzen beschnitten werden.
Ein ungebremstes EP mit 751 profilierungshungrigen MdEP würde viel stärker in Richtung Superstaat marschieren.

Zitat
Dass Junker eine Wahlniederlage erlitten hat, folgt der Logik der SPD nach der der Sieger derjenige mit den größten Zugewinnen ist.


Wenn jemand 8% verloren und keine Mehrheit hat, ist er erst einmal ein Verlierer. Das ist keine spezielle SPD-Logik.
Er kann es trotzdem schaffen, sich eine Mehrheit zu organisieren - aber das ist dann nicht mehr direkte Umsetzung eines "Wählerwillens".

Zitat
Nachvollziehbar, aber unüblich. Gewonnen hat die stärkste Partei.


Das ist nun GroKo-Logik. Und politisch nicht wirklich relevant. Die Sache mit der "stärksten Partei" ist ein reiner Schönheitspreis ohne praktische Konsequenz. Wenn andere Parteien zusammen stärker sind, hat die stärkste Partei eben Pech gehabt.

Zitat
Ohne Spitzenkandidaten verliert eine Wahl die Spannung, das Interesse der Wähler.


Schon. Aber "Spannung" ist nicht das wichtigste Ergebnis, das eine Wahl liefern muß. D.h. der Spitzenkandidat ist nett für den Unterhaltungswert, aber nicht allein entscheidend.

Zitat
Wieso soll das eine Rolle spielen wie viel die EVP bei der vorletzten Wahl geholt hat?


Weil das ein wesentliches Indiz dafür ist, wie die Juncker-Kandidatur vom Wähler gesehen wird.

Zitat
Sie ist stärkste Partei geworden, deshalb sind die EU-Parlamentarier mehrheitlich der Ansicht, Junker sollte kandidieren.


Es gibt da bisher nur unverbindliche Absichtserklärungen. Das EP will in erster Linie seine Rolle ausbauen (das ist ja auch legitim). Bei vergangenen EP-Entscheidungen hat das Kriterium "stärkste Partei" aber selten eine Rolle gespielt.

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

04.06.2014 13:06
#24 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #13



Eigentlich bilden die vielen Völker in Indien auch keine Einheit à la Briand-Kellogg. Aber sie haben sich über die Zeit daran gewöhnt, zusammen einen Staat namens Indien zu bilden.




Man braucht gar nicht so weit zu gehen. Eigentlich gilt dieser Befund für jedes beliebige Staatsvolk, inklusive Deutschland natürlich. In D sogar besonders ausgeprägt.

Man hat sich mit der Zeit dran gewöhnt. Genau das isses, lieber R.A. . Man kann auch sagen: Mehr isses nich.


Woran? Nu ja, eigentlich doch wohl daran, dass top down, also von herrschenden Dynastien oder sonstigen Obrigkeiten, die nationale/völkische "Zusammengehörigkeit" in die Untertanen implantiert wurde.

Dass das buttom up, also aus der Seele der Volksgenossen - tss, tss - heraus irgendwie am Lagerfeuer beschworen und sodann gefühlig allgemein praktiziert worden wäre - in diese Richtung gehen die Narrative, aber sie sind halt lediglich Mythen (bekanntlich eine höhere Form der Wahrheit und keine Lüge ).

Ein solches Europa-Narrativ zu implantieren ist natürlich nicht möglich, solange die Großkopferten ihre nationalen Narrative nicht zu opfern bereit sind. Das umschreibt die ganze europäische Malaise, die wohl nur durch intensivere Bedrängnis von aussen geheilt werden kann. Z.Zt. scheint die Europa-Sache zu kalt, zu weit weg und dgl. mehr. Das war schon mal besser, aber das Politik-Management ja desgleichen.


Herlichst
Dennis

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

04.06.2014 13:07
#25 RE: Demokratie, Dein Name sei Juncker! Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #21
Siehst Du, und ich halte das, was jetzt passiert, für eine Show.

Schulz hat wohl eingesehen, dass er nicht mehr Präsident wird. Also verscherbelt die SPD ihre Zustimmung für Juncker gegen den deutschen Kommissarsposten ...

Ich gebe Dir recht, daß das ganze eine Show ist. Eine SPD-initiierte Show, bei der die deutschen Medien begeistert mitmachen und "rettet die Demokratie" rufen.

M. E. ist diese Show aber der SPD aus der Hand geglitten. Um eine Kompensation konnte sie pokern, solange Schulz noch als potentiell im EP mehrheitsfähiger Kandidat im Raum stand.
Nun haben aber die EU-Genossen (die sowohl mit der SPD wie mit Schulz nicht sehr glücklich sind) darauf gesetzt, lieber den Einfluß des EPs auszuweiten. Insofern gibt es durchaus einen Straßburger Einfluß, es wird nicht alles in deutschen Parteizentralen entschieden.

Und umgekehrt hat Merkel auf taktisches Abwarten gesetzt.
Eigentlich hatte sie nämlich schlechte Karten: Ein Kandidat mit einem schwachen Wahlergebnis, mit starker Opposition im eigenen Lager (Cameron, Orban ...), damit auch einer unsicheren Ratsmehrheit - und einer opponierenden SPE im Parlament.
Wenn sie gleich nach der Wahl versucht hätte, Juncker durchzudrücken, hätte sie einen ganz hohen politischen Preis zahlen müssen.

Ihr Zögern sah zwar erst einmal doof aus und erlaubte der SPD und ihren Medien, Attacken auf sie zu fahren. Führte aber auch dazu, daß die Sozis in Rat und EP sich als glühende Juncker-Fans präsentieren mußten.
D.h. sie muß zwar noch mit Cameron klar kommen (der jetzt aber viel weniger Widerstandsmacht hat), aber die Sozis hat sie zum Nulltarif bekommen. Es ist m. E. völlig offen, ob Schulz überhaupt noch einen Posten bekommt.

Zitat
Auch das ist nichts außergewöhnliches im Brüsseler Postenpoker. Ärgerlich finde ich nur diese Überhöhung. Zitat Schulz:

Zitat von Altbürgermeister von Würselen
„Das ist nicht die Zeit für Parteipolitik. (...) Jetzt ist die Stunde, das zu tun, was notwendig ist, damit wir auf unserem Kontinent Frieden und Wohlstand bewahren und neue Stärke gewinnen.“



Das ist natürlich faustdick gelogen. Es ist reine Parteipolitik.



Völlig richtig.
Meine Einschätzung ist halt, daß Merkel hier geschickter taktiert hat. Aber das werden wir ja in einigen Wochen an den Ergebnissen sehen.

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