Statt "Freie demokratische Partei" lieber "Partei der besserverdienenden Umfaller"? Die in Schwierigkeiten geratene FDP diskutiert über ihre Zukunft. Dazu eine Glosse.
Liberaler Aufbruch? Klingt gut, so wie damals "Demokratischer Aufbruch". Der Weg als Ziel.
Aber, lieber Kallias, egal welche Farbe die Katze hat, wenn sie keine Mäuse fängt, taugt sie nix. Und mit dem gegenwärtigen Personal der FDP ist auch beim Wechsel des Felles kein Wechsel des Jagderfolges zu erwarten.
Eine liberale Partei kann durchaus noch Wählerstimmen bekommen, die österreichischen NEOS machen es vor, trotz einer etwas schwächelten Spitzenkandidatin und gewagten Aussagen zu Privatisierungen.
Wie wäre es damit, wenn die f.d.p. ihre 3 sagenhaften Pünktchen* reaktivieren würde? Dann könnte die Truppe als waschechte Alt-68er APO-Opas auf Tournee gehen.
(* Immerhin einmal ein Beispiel für eine zutreffende Zukunftsprognose...)
Zitat von KalliasSchlecht ist die Idee nicht. Die KPD ("Kommunistische Partei Deutschlands") hat die Kunst der Umbenennung jedenfalls immer wieder mit großen Erfolg gehandhabt. Die Marke "SED" war 1990 ebenfalls unten durch - und um wie viel besser klingt "Die Linke", wie die Partei sich heute nennt, und um wie viel besser steht sie da. Als "SED" wäre sie untergegangen.
Sicherlich half im Falle "alter Linksparteien" die Umbenennung das Überleben zu sichern. Die Fragestellung war aber in meinen Augen dabei eine andere. Es ging darum eine Idee, die weiterhin gesellschaftlichen Zuspruch fand, in eine neues Gewand zu kleiden, damit sie wieder wählbar wurde.
Bei der FDP verhält es sich anders. Sie Vertritt eine Idee, die keinen gesellschaftlichen Zuspruch findet: Den sozialdemokratisiertenn, ökologischen, mitfühlenden Wir-Libralismus. Wer auf die ersten drei Adjektive und das "wir" Wert legt, wird durch andere Parteien konsequenter vertreten. Wem das Wort Liberalismus etwas bedeutet, wird sehr mit dem Beiwerk fremdeln. An dieser Situation würde eine Umbenennung nicht rühren.
Zuerst einmal muß die FDP wieder Positionen vertreten, durch die sich auch Teile der Gesellschaft exklusiv vetreten fühlen. Wenn sie das tut, kann die FDP anschließend über eine dann möglichwerweise hilfreiche Umbennenung nachdenken, um darauf Aufmerksam zu machen. Solange sie aber lediglich die drölfhundertvierzigste Spielart der ökologisch angehauchten, kapitalismuskritischen Sozialdemokratie bleibt, braucht sie keiner. Entweder man wählt gar nicht oder gleich eines der Originale. Daran ändern auch phantasievolle Namen nichts.
Dieser Erkenntnis allerdings verweigert sich, nach meiner Wahrnehmung, die FDP hartnäckig. Allen voran ihr demokratisch gewähltes Führungspersonal. In diesem Sinne: Frohe Namenswahl!
Wie wärs mit MLSD "Mitfühlende Liberale Sozialdemokraten Deutschlands".
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Andererseits: der Trend für die Modesaison 2014/9 - 2017/4 setzt weiterhin auf weite Spendierhosen, wahlweise kombiniert mit Burkini oder Tschapka. Dirndl sind ein No-go, desgleichen Schuhgröße 18. Farblich ist ein ungebrochener Trend zur unifarbenen Primärfarbe auszumachen. Wenn die Grünen, gemäß Siggis Pop-Kultur, die neuen Liberalen sind, kann doch auch die Zahnarztgattinnenzweitstimmenpartei ihre Attribute neu mischen: "Gelbes Zeug + blaues Zeug => grünes Zeug!"
"Im Kreistag Gütersloh (Westfalen) haben die AfD und die FDP die „Liberale Fraktion“ aus der Taufe gehoben. Die jeweils zwei Kreistagsmitglieder beider Parteien haben sich auf diesen völlig neuen Zusammenschluss geeinigt, um politisch handlungsfähiger zu sein."
Ich glaube, lieber Krischan, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, Sie unterschätzen die Bedeutung eines Namenswechsels. Der neue Name würde es erlauben, mit der Vergangenheit zu brechen, sowohl innerhalb der Partei als auch in der Öffentlichkeit.
Deshalb wundert es mich, dass der Vorschlag von Frau Zimmermann kommt, die ja eine Kreatur Lindners ist: sie weiß nicht, was sie da vorschlägt.
In dem Artikel der "Welt" wird Lindner zitiert: "FDP steht traditionell für vernünftige Wirtschaftspolitik und moderne Gesellschaftspolitik. Dieses Profil müssen wir in der Sache wieder mit Leben füllen, um neues Vertrauen zu gewinnen." Traditionell und wieder soll es werden, wie es gewesen ist. In diesem Sinne, da hat Ulrich Elkmann ganz recht, wäre es konsequent, würde die F.D.P. zu ihren Pünktchen zurückkehren.
Noch konsequenter wäre es, zudem Lindner gegen Wolfgang Gerhardt auszutauschen.
Ein wenig erinnert mich diese Rückwärtswendung an die AfD: die knüpft ja dort an, wo die CDU 2005 aufgehört hat, und so ähnlich scheint Lindner dort geradeaus weitermachen zu wollen, wo die FDP 2001 aufgehört hat und in die spektakuläre Westerwelle-Route abgezweigt ist.
Zitat:Der neue Name würde es erlauben, mit der Vergangenheit zu brechen, sowohl innerhalb der Partei als auch in der Öffentlichkeit (Kallias)
Ein Namenswechsel muss dann sein, wenn es um das Überleben eines notwendigen Parteiprogramms geht.
Ich kannte einen Unternehmer, der nicht nur Mitglied der CSU war, sondern als solcher auch Ämter hatte, der jahrzehntelang bei Landeswahlen in Bayern die FDP wählte und unter Freunden dafür warb, weil er eine absolute Mehrheit seiner Partei verhindern wollte, da er zu kritisch über die Versuchungen dachte (Bei Wahlen für die Hauptstadt lagen die Mehrheitsverhältnisse ganz anders). Ich weiß, dass er unter vernünftigen jungen Mitgliedern der CSU für diese Freiheit und politische Vernunft verehrt wurde. Er hat die persönliche Verantwortung betont und die Freiheit und plädierte immer für Dialoge zwischen CSU,SPD und FDP. Er war nicht ein üblicher Katholik, sondern kritisierte die Kirche in Deutschland für ihre Mitschuld an Hitlers Hochkommen, und er durfte das, weil er im Widerstand gelebt und Eltern und Brüder verloren hatte.
Einen Namensvorschlag hab ich nicht. Nur diese Andeutung, was wir brauchen und wonach wir uns sehnen.
Ich glaube, lieber Krischan, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, Sie unterschätzen die Bedeutung eines Namenswechsels. Der neue Name würde es erlauben, mit der Vergangenheit zu brechen, sowohl innerhalb der Partei als auch in der Öffentlichkeit.
Hm. Vielleicht mißverstehe ich Sie werter Kallias.
Die Wirkung einer Namensveränderung unter marketing Gesichtspunkten nach außen möchte ich nicht bestreiten. Im Gegenteil. Aber nach innen? Ich habe mehr als nur Zweifel daran, dass der aktuellen Führung der FDP daran gelegen ist eine liberale Partei zu sein. Linder steht für mich mit seiner Partei als jemand, der den Einfluß seiner Partei zurückerhalten möchte um des Einflusses Willen - nicht um Inhalte zu vertreten die ihm wichtig sind. Dieser Tage leben alle Parteien im Glauben nur dadurch wählbahr zu sein, wenn sie im Kern sozialdemokratische / grüne Inhalte vertreten und unwählbar dadurch werden, wenn sie dazu konträre Inhalte vertreten - und liberale Inhalte sind nunmal großteils völlig inkompatibel zu sozialdemokratischem Zeitgeistökologismus.
Merkel hat mit der Sozialdemokratisierung und Ökologisierung der CDU die Markennamen der führenden Linken und ökologischen Parteien sehr erfolgreich bekämpft und diese Parteien aus der Macht gedrängt. Den Preis den sie dafür zahlte ist allerdings, dass sie damit den Inhalten dieser Parteien zum gesellschaftlichen Sieg verholfen hat. Es gibt heute keine Partei mehr, die im Kern andere Inhalte als ebendiese vertritt. Dadurch wurde die FDP überflüssig, die glaubte nur zu überleben indem sie dieses Spiel mitmachte.
Als Beleg für meine Ansicht sehe ich in Teilen den aktuellen erfolg der AFD. Das Bedürfnis in unserer Gesellschaft nach nicht linken/sozialdemokratischen/ökologischen Positionen ist so evident, das viele die AFD alleine daher bereit sind zu wählen, weil sie alternative Positionen in unserer Parteinlandschaft anbietet. Damit wird sie auch weiterhin Erfolg haben. Das was ich bedauere ist, dass die FDP mit genau dieser Strategie deutlich mehr Erfolg hätte haben können - wenn Sie sich nur getraut hätte. Stattdessen ist sie dabei, durch Assimilation an die anderen Parteien in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.
Im Kern ist meine Aussage: Der FDP geht es aktuell um Partizipation an der Macht, nicht um liberale Inhalte. Solange das so ist, ist mir persönlich ziemlich gleichgültig wie sie sich nennt, wie mir auch gleichgültig ist, ob sie gewählt wird oder nicht. Das wichtigste für die FDP ist (aus meienr Sicht), zu der Erkenntnis zu finden wieder eine liberale Partei sein zu wollen und dass dies in letzter Konsequenz heißt, sich vom Zeitgeist zu emanzipieren. Das geht nicht mit einer Parteiführung, die so etwas wie einen "Mitfühlenden Liberalismus" erfindet, um wählbar zu werden. (Ich kann gar nicht sagen, wie devot und widerlich ich diesen Versuch empfand). Ich bin ziemlich sicher: Wenn sich die FDP nicht mehr damit beschäftigt, wie man wieder an der Macht partizipieren kann, sondern damit Menschen mit liberalen Positionen eine politische Heimat zu geben, wird Sie wieder eine Rolle in unserer parlamentarischen Demokratie spielen. Zu diesem Selbstverständnis muß die FDP in meinen Augen (zurück)finden und dann diesem Faktum möglicherweise auch mit einer Änderung ihres Namens Rechnung tragen.
Wie sagt mein Professor in theoretischer Physik einmal: "Namen sind Schall und Rauch. Man muß den Inhalt den Sie beschreiben verstehen." -- Dies, finde ich, sollte zumindest für denjenigen gelten, der sich selbst einen Namen geben möchte. Ich meine, was soll ich von jemandem halten, der das was er ist glaubt über "Schall und Rauch" und nicht über "Sein" definieren zu müssen? Privat zumindest meide ich solche Menschen.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
"Im Kreistag Gütersloh (Westfalen) haben die AfD und die FDP die „Liberale Fraktion“ aus der Taufe gehoben. Die jeweils zwei Kreistagsmitglieder beider Parteien haben sich auf diesen völlig neuen Zusammenschluss geeinigt, um politisch handlungsfähiger zu sein."
Lieber Ulrich Elkmann, beim lesen des Artikels von Kallias kam mir ganz spontan auch dieser Gedanke. Eine weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft halte ich für nicht zielführend. DIE LINKE und auch Die Grünen haben es vor gemacht und andere Parteien assimiliert. Diesem Vorbild sollte die Mitte unserer Parteienlandschaft folgen. Wir brauchen nicht weitere zwei kleine Parteien AfD und FDP sondern eine. Der Name FDP ist verschlissen, der Name AfD noch nicht etabliert. Beide sollten das Beste aus Ihren Programmen auswählen und sich mit einem neuen Namen zusammenschließen und nicht weiter um das selbe Wählerklientel buhlen. Parteiname z.B. DIE MITTE. (Der Name Zentrum ist verbrannt.) Natürlich würde das die CDU schwächen, aber die hat es nicht anders verdient. Sie könnte zurückkehren zu ihren Wurzeln und der Dritte im Bunde sein. So könnten der Liberalismus gestärkt dem aus drei Parteien bestehendem linken Spektrum Paroli bieten.
Zitat von Paul im Beitrag #11Parteiname z.B. DIE MITTE. (Der Name Zentrum ist verbrannt.)
Lieber Paul, es gibt im politischen Spektrum keinen Platz für eine Mitte. Das ist nur eine imaginäre Fata Morgana, in welcher die etablierten Parteien die meisten Wähler als abholbares Stimmvieh vermuten. Und in dieser angenommenen Mitte gibt es auch kein Potential für eine liberale Partei, denn freiheitliche Gesinnung verortet sich nicht irgendwo "dazwischen", sondern vielmehr "darüber". Was nicht heißen soll, dass der Liberale abgehoben darüber schwebt, sondern, dass das Individuum, der Mensch, als kleinste gesellschaftliche Minderheit über dem platten links-rechten Schema derer zu stehen hat, deren einziges Verlangen ist, sich den Staat unter den Nagel zu reißen und mit Hilfe dessen Macht irgendwelche präferierten "Gruppen" gegenüber anderen zu bevorzugen.
Der Name FDP ist auch meiner Ansicht nach verbrannt, aber wenn es tatsächlich irgendwann mal bei den Mitgliedern angekommen sein sollte, dass es unter dem alten Logo nicht mehr geht, ist mehr notwendig als nur eine Umbenennung. Ich weiß nicht, woher die meisten FDP-Mitglieder politisch kommen. Es könnte sein, dass viele sich nur deshalb für die FDP entschieden haben, weil ihnen die frühere CDU zu christlich-konservativ und die SPD zu gewerkschaftlich-wirtschaftsfeindlich war. Das ist heute zu wenig. Irgendeine Zünglein-an-der-Waage-Partei, die sich als Korrektiv für zu weitgehende Ausschläge des jeweiligen Koalitionspartners anbietet, braucht heutzutage kein Mensch mehr (wobei die FDP hier zuletzt ja auch nicht mehr unbedingt sichtbar glänzen konnte).
Eine Neuformierung kann eigentlich nur unter dem Label Die Liberalen erfolgen. Dies aber auch nur dann, wenn man sich tatsächlich davon lösen kann Mehrheitsbeschaffer der jeweilig "angenehmeren" Staatskaperer-Partei sein zu wollen. Die Liberalen müssten in einem knappen Katalog unveräußerbarer Grundwerte klarmachen, für welche Werte und Freiheitsrechte sie stehen. Sie müssten den Begriff des Liberalismus wieder fassbar machen, damit nicht jede Sozialistengruppierung daherkommen kann um für sich Einzelaspekte herauszupicken, mit denen sie sich ebenfalls liberal nennen möchte. Vertragsfreiheit und Recht am eigenen Eigentum sollten z.B. klar und unveräußerlich hervorgehoben werden.
Es müsste klar sein, dass bei den Liberalen immer zuerst der Mensch als Individuum im Mittelpunkt zu stehen hat und nicht irgendwelche herbeidefinierten Gruppen. Auch wenn das mit Sicherheit nicht zu absoluten Mehrheiten führen würde, wäre schon einmal viel gewonnen, wenn den Bürgern mal irgendjemand aufzeigen würde, dass die Bevorzugungsversprechen der Staatsparteien sie zwar durchaus mal bevorteilen, sich im nächsten Augenblick aber gegen sie wenden können. Denn jede Gruppe besteht per se aus unterschiedlichsten Individuen, deren Interessen bei anderen Fragen durchaus gegensätzlich sein können. Hier streicheln sie dich und im nächsten Moment ziehen sie dir das Fell über die Ohren, diese ganzen rechts-links-Mitte-Parteien. DAS müssten die Liberalen den Leuten zeigen. Und wenn erstmal klarwürde, dass besser nicht das WIR entscheiden sollte, sondern, dass das DU im Mittelpunkt stehen sollte, dann wirds vielleicht auch wieder was mit einer liberalen Partei.
So, jetzt hab ich auch mal geträumt.
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Zitat von Kallias im Beitrag #8Ich glaube, lieber Krischan, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, Sie unterschätzen die Bedeutung eines Namenswechsels. Der neue Name würde es erlauben, mit der Vergangenheit zu brechen, sowohl innerhalb der Partei als auch in der Öffentlichkeit.
Um noch eine Ergänzung hinterherzuschieben:
Dieser wunderbare Beitrag von Peter Schmidt fasst mit einer Punktlandung meine Sicht zusammen. Mir fehlt zwar der Glaube, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich beim Selbstverständnis der FDP das Notwendige bewegt. Alleine scheine ich mit meiner Analyse zumindest nicht zu sein.
Nichts würde ich mir mehr wünschen, als zu sehen, dass aus der FDP eine Partei für die Freiheit und gegen den gesellschaftlichen Normierungsdruck wird. Keine Partei würde ich lieber wählen als diese, wenn sie endlich wieder für das steht, was sie heute schon im Namen trägt.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Calimero im Beitrag #12Eine Neuformierung kann eigentlich nur unter dem Label Die Liberalen erfolgen.
Gerade der Begriff "liberal" ist in Deutschland totgeritten. Schon Herr Wöllner von der F.D.P. sagte: "Im liberalen Sinne heißt 'liberal' nicht nur liberal." Außerdem ist liberal ein Fremdwort, das auch andere bedeutungen haben kann. (Ingenieure wissen, was ich meine). In der langen Geschichte dieser politischen Idee gibt es speziell im deutschsprachigen Raum auch einen anderen Namen: Freisinnig. Beides wären völlige Neuheiten in unserer Politik: Freiheit und Sinn.
Zitat von Calimero im Beitrag #12Eine Neuformierung kann eigentlich nur unter dem Label Die Liberalen erfolgen.
Gerade der Begriff "liberal" ist in Deutschland totgeritten. Schon Herr Wöllner von der F.D.P. sagte: "Im liberalen Sinne heißt 'liberal' nicht nur liberal." Außerdem ist liberal ein Fremdwort, das auch andere bedeutungen haben kann. (Ingenieure wissen, was ich meine). In der langen Geschichte dieser politischen Idee gibt es speziell im deutschsprachigen Raum auch einen anderen Namen: Freisinnig. Beides wären völlige Neuheiten in unserer Politik: Freiheit und Sinn.
Ich sehe schon die Veralbhornung: Frei von Sinn...
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #13 Dieser wunderbare Beitrag von Peter Schmidt fasst mit einer Punktlandung meine Sicht zusammen. Mir fehlt zwar der Glaube, aber die Hoffnung stirbt zuletzt, dass sich beim Selbstverständnis der FDP das Notwendige bewegt. Alleine scheine ich mit meiner Analyse zumindest nicht zu sein.
Ich möchte nicht querschießen, aber um etwas anzusprechen, das mir in diesem Zusammenhang Gedanken bereitete: War es nicht sogar zwingend, dass die FDP sich in einer Regierung verschlissen hat? Seien wir alle doch einmal ehrlich - eine Partei ohne Gestaltungsanspruch, ohne Ambitionen zur Machtausübung ist doch sinnlos. Fundamentalopposition dient im Allgemeinen nur zur Versorgungssicherung der Abgeordneten und Einstreichung von Mitteln für die Partei. Um es ganz hart zu sagen: mir bringt eine "echte freiheitliche" Partei, die danebensteht und bissige Kommentare abgibt, wenn mir meine Freiheiten von den Regierungsparteien genommen werden sollen, nichts. Wichtig ist mir, dass es eine Partei gibt, die sich aktiv gegen solche Bestrebungen stellt, und eben auch in einer Regierung Maßnahmen ergreift, um (zumindest die schlimmsten) Exzesse der Vergangenheit rückgängig zu machen. In dieser Gemengelage befand sich die FDP 2009. Sie konnte entweder der sozialdemokratisierten CDU einen Korb geben und zusehen, wie diese mit der SPD weiterregiert und immer weitere Freiheitsbeschränkungen und Planwirtschaft produziert, oder sie konnte sich an der Regierung beteiligen, und versuchen, liberale, freiheitliche Positionen durchzusetzen. Die Partei entschied sich für letzteres (die Motivation einzelner Spitzenpolitiker lasse ich da aussen vor), und wurde sofort von den Medien attackiert und vom Koalitionspartner im Regen stehen lassen. Der Fehler der FDP passierte aber erst jetzt: die Minister und die Fraktion entschieden sich für weitermachen - sie hätten aber den Koalitionsbruch über die Steuerpolitik riskieren und durchziehen müssen. Der FDP-Wähler hätte ihr diesen Bruch der Koalition verziehen. Gar nicht erst den Versuch zu machen, Politik aktiv zu gestalten, aber ebenso wenig wie die komplette Aufgabe aller eigenen Positionen in der Regierung (wobei wir hier auch einige kleinere Erfolge vergessen - es gab durchaus noch aktive Politik, sie wurde nur nicht konsequent auch in den medial wichtigeren Dingen vertreten). Das ist das Dilemma des Selbstverständnisses einer gestaltungswilligen, aber auch der Staatsräson verbundenen Partei wie der FDP, das letztlich zum Scheitern führte. Die FDP musste sich in diesem Selbstverständnis ebenfalls sozialdemokratisieren, um weiterhin gestaltungsfähig zu sein.
Und um es noch einmal hart zu sagen: fundamentaloppositionelle liberale Parteien scheitern ebenfalls - vor allem an der Fünfprozenthürde und daran, dass sie gar nichts positives für den Wähler bewegen können. Der Gestaltungswille macht eine Partei erst für eine ausreichende Menge an Wählern wählbar. Dann kann auch eine liberale Parteienkoalition die Regierung stellen - siehe Niederlande.
Zitat von adder im Beitrag #16 Ich möchte nicht querschießen, aber um etwas anzusprechen, das mir in diesem Zusammenhang Gedanken bereitete: War es nicht sogar zwingend, dass die FDP sich in einer Regierung verschlissen hat? Seien wir alle doch einmal ehrlich - eine Partei ohne Gestaltungsanspruch, ohne Ambitionen zur Machtausübung ist doch sinnlos. Fundamentalopposition dient im Allgemeinen nur zur Versorgungssicherung der Abgeordneten und Einstreichung von Mitteln für die Partei. Um es ganz hart zu sagen: mir bringt eine "echte freiheitliche" Partei, die danebensteht und bissige Kommentare abgibt, wenn mir meine Freiheiten von den Regierungsparteien genommen werden sollen, nichts. Wichtig ist mir, dass es eine Partei gibt, die sich aktiv gegen solche Bestrebungen stellt, und eben auch in einer Regierung Maßnahmen ergreift, um (zumindest die schlimmsten) Exzesse der Vergangenheit rückgängig zu machen. In dieser Gemengelage befand sich die FDP 2009. Sie konnte entweder der sozialdemokratisierten CDU einen Korb geben und zusehen, wie diese mit der SPD weiterregiert und immer weitere Freiheitsbeschränkungen und Planwirtschaft produziert, oder sie konnte sich an der Regierung beteiligen, und versuchen, liberale, freiheitliche Positionen durchzusetzen. Die Partei entschied sich für letzteres (die Motivation einzelner Spitzenpolitiker lasse ich da aussen vor), und wurde sofort von den Medien attackiert und vom Koalitionspartner im Regen stehen lassen. Der Fehler der FDP passierte aber erst jetzt: die Minister und die Fraktion entschieden sich für weitermachen - sie hätten aber den Koalitionsbruch über die Steuerpolitik riskieren und durchziehen müssen. Der FDP-Wähler hätte ihr diesen Bruch der Koalition verziehen. Gar nicht erst den Versuch zu machen, Politik aktiv zu gestalten, aber ebenso wenig wie die komplette Aufgabe aller eigenen Positionen in der Regierung (wobei wir hier auch einige kleinere Erfolge vergessen - es gab durchaus noch aktive Politik, sie wurde nur nicht konsequent auch in den medial wichtigeren Dingen vertreten). Das ist das Dilemma des Selbstverständnisses einer gestaltungswilligen, aber auch der Staatsräson verbundenen Partei wie der FDP, das letztlich zum Scheitern führte. Die FDP musste sich in diesem Selbstverständnis ebenfalls sozialdemokratisieren, um weiterhin gestaltungsfähig zu sein.
Und um es noch einmal hart zu sagen: fundamentaloppositionelle liberale Parteien scheitern ebenfalls - vor allem an der Fünfprozenthürde und daran, dass sie gar nichts positives für den Wähler bewegen können. Der Gestaltungswille macht eine Partei erst für eine ausreichende Menge an Wählern wählbar. Dann kann auch eine liberale Parteienkoalition die Regierung stellen - siehe Niederlande.
Ein Koalitionsbruch ist eine schwerwiegende Entscheidung - schon die Drohung allein, ein Vertrauensbruch. In Deutschland läuft das politische Geschäft bei den bürgerlichen Parteien nicht so. Kontinuität und Verlässlichkeit sind höhere Werte als die Prinzipientreue einer Partei. Noch dazu einer kleinen. Die müssen auch im linken Spektrum Kröten schlucken, die im Koalitionsvertrag nicht verabredet wurden (Beispiel: Die Grünen und der Kosovo-Krieg). Mir, als damaliger FDP-Wähler wäre es auch lieber gewesen, die FDP hätte über die Frage einer Steuerreform die Koalitionsfrage gestellt. Aber dieser Wunsch ist trotzdem recht realitätsfremd. Das musste ich mir mittlerweile eingestehen. R.A. hat mit seinen Beiträgen dankenswerterweise ganz erheblich dazu beigetragen. Nur, zu dieser Überlegung, oder der gedachten Notwendigkeit, hätte es gar nicht kommen müssen um der Partei einen Gesichts- und Stimmenverlust zu ersparen. Denn dass die FDP in der Koalition so eklatant von ihren eigenen Ansprüchen abwich, hat sie selbst zu verantworten.
Alles fing mit den Koalitionsgesprächen 2009 an. Ein hervorragender Wahlkämpfer aber ebenso eitler Parteichef konnte seine persönlichen Befindlichkeiten nicht hinter den Dienst an der Sache stellen. Wenn eine, nach eigenem Selbstverständnis, liberale Partei das Thema Steuervereinfachung in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellt, muss sie sich auch das zuständige Ressort holen. So haben die Grünen als kleine Partei immer das Umweltministerium beansprucht und auch die Zuständigkeit über die Reaktorsicherheit, welche in ihrem Kampf gegen die Nutzung der Kernkraft essentiell war, angestrebt. Die FDP hätte das Finanzressort mit Hermann Otto Solms als Finanzminister durchsetzen müssen, auch um den Preis des Außenministeriums und des Vizekanzlers, der ja eigentlich eine Erfindung der Presse ist. Das scheiterte an Guido Westerwelle. Er hat die Partei zu ihrem höchsten Triumph geführt und ihr den Todesstoß versetzt, als er ihre Glaubwürdigkeit opferte um in die viel zu großen Fußstapfen seines Ziehvaters, Hans Dietrich Genscher, treten zu wollen. Was aus mangelnder Kompetenz gründlich scheiterte. Selbstüberschätzung und Eitelkeit prägen noch heute das Bild der führenden Köpfe der FDP. Diese Partei hätte zu diesem Zeitpunkt ihre Priorität setzen müssen. Die mag in der Vergangenheit im Außenamt gelegen haben, aber mit Guido Westerwelles Wahlkampf und der Fokussierung auf das Steuerthema, verschob sie sich. Der Parteichef und die FDP wollten alles und bekamen nichts. Mehr noch: sie verloren auch was sie vor dem grandiosen Wahlkampf 2009 für den politischen Liberalismus in Deutschland erreicht hatten . Mit einem Finanzminister Hermann Otto Solms hätten wir in Deutschland immer noch eine starke (sozial-) liberale Kraft, die ihr Potential aus der Umsetzung ihres wichtigsten Wahlversprechens auch dafür hätte nutzen können, die Energiewende und andere Zumutungen für die wirtschaftliche Freiheit der Bürger liberal abzufedern. So aber war die FDP von Beginn der schwarz-gelben Koalition an zum Scheitern verdammt.
Zitat von KalliasSchlecht ist die Idee nicht. Die KPD ("Kommunistische Partei Deutschlands") hat die Kunst der Umbenennung jedenfalls immer wieder mit großen Erfolg gehandhabt. Die Marke "SED" war 1990 ebenfalls unten durch - und um wie viel besser klingt "Die Linke", wie die Partei sich heute nennt, und um wie viel besser steht sie da. Als "SED" wäre sie untergegangen.
Sicherlich half im Falle "alter Linksparteien" die Umbenennung das Überleben zu sichern.
Die linken Parteien bekommen ja auch regelmäßig Schützenhilfe. Mich regt es jedes Mal auf, wenn gesagt wird, die Linkspartei sei nicht mehr die PDS. Schon zu PDS-Zeiten hieß es, die PDS sei nicht mehr die SED. Damit hat man sich berechtigter Kritik gegenüber immunisiert. Und der PDS/Linkspartei nimmt man das ab.
Wenn es aber um die FDP ging, wurde immer auf der Flickaffäre rumgeritten. Bei der Flickaffäre ging es um Korruption und Bestechung, die Verbrechen der SED waren Folter, Freiheitsberaubung und Mord. Die Flickaffäre lag weiter in der Vergangenheit als der letzte Mauertote. Bei der FDP hat niemand gesagt: Die heutige FDP hat doch mit der FDP in den 80ern nichts mehr zu tun. Und wann immer ich auf Unredlichkeit der gemachten Vorwürfe im SPON-Forum aufmerksam machte, wurde der Beitrag nicht freigeschaltet. Gerne vor Wahlen wurden dann auch noch Geschichten aus den 50ern rausgeholt, als Altnazis die NRW-FDP kapern wollten. Dass die FDP gleichzeitig den höchsten Anteil an jüdischen Mitgliedern und Wählern hatte, wird natürlich nicht erwähnt.
Die deutschen Medien sind antiliberal. Die FDP kann sich nur erneuern, wenn sie nicht ständig neue Angriffsflächen bietet. Niebels Verhalten ist unter aller Kanone. Oder das der Alexandra Thein. Ich will waschechten Liberalismus, lieber unter dem Etikett FDP als unter etwas neuem, denn letztlich ist jede neue Parteigründung geneigt, in den Populismus abzudriften. Die AfD ist ein mahnendes Beispiel. Die FDP hätte den Vorteil, dass sie Traditionen verpflichtet ist, die schlimmeres verhindern. Die FDP hat vielleicht eine Alexandra Thein, aber die AfD hat viele solcher Gestalten. Und darüberhinaus auch viele Putinversteher.
Ich habe seit 2002 immer die FDP gewählt. Zur jüngsten Europawahl habe ich sie nicht gewählt, aber auch nichts anderes. Ich bin einfach nicht zur Wahl gegangen. Nach wie vor halte ich die FDP für die liberale Kraft in diesem Land und selbst, wenn sie mal nicht liberal ist, ist sie wenigstens das geringere Übel.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Ein Koalitionsbruch ist eine schwerwiegende Entscheidung - schon die Drohung allein, ein Vertrauensbruch. In Deutschland läuft das politische Geschäft bei den bürgerlichen Parteien nicht so. Kontinuität und Verlässlichkeit sind höhere Werte als die Prinzipientreue einer Partei. Noch dazu einer kleinen. Die müssen auch im linken Spektrum Kröten schlucken, die im Koalitionsvertrag nicht verabredet wurden (Beispiel: Die Grünen und der Kosovo-Krieg). [...] Die FDP hätte das Finanzressort mit Hermann Otto Solms als Finanzminister durchsetzen müssen, auch um den Preis des Außenministeriums und des Vizekanzlers, der ja eigentlich eine Erfindung der Presse ist. Das scheiterte an Guido Westerwelle. Er hat die Partei zu ihrem höchsten Triumph geführt und ihr den Todesstoß versetzt, als er ihre Glaubwürdigkeit opferte um in die viel zu großen Fußstapfen seines Ziehvaters, Hans Dietrich Genscher, treten zu wollen.
Westerwelle hat das Prestige des Außenministers nicht nutzen können. Klar. Ein lauter Wahlkämpfer taugt nicht für stille Diplomatie, denn ein Politiker muß seinem Erscheinungsbild treu bleiben und kann es nicht "ohne die gehörigen Übergänge" verändern. Gerade deswegen wäre ja auch Solms gut als Finanzminister durchgegangen.
Und da kommt der Kosovokrieg ins Spiel. Fischer war nämlich wie Westerwelle ein lauter Wahlkämpfer. Auch ihm stand das Außenministeramt nicht. Gerade recht kam da der Kosovokrieg, der ihm den Übergang vom Kämpferischen zum Diplomatischen vereinfacht hat. In dem Kontext deswegen möchte ich bezweifeln, ob der Kosovokrieg für die Grünen wirklich so unwillkommen war. Die Imagepolitik war bestens, und die Weltanschauung, jedes Unglück und Leid durch Regierungsprojekte (was sind Kriege anderes?) aufheben zu können, gibt es bei den Grünen sowieso. Ganz anders wiederum Westerwelle. Der Mann hat sich in seiner Amtszeit tatsächlich dafür stark gemacht, daß die USA ihre Nuklearwaffen aus Deutschland abziehen. Jawohl, Westerwelle, nicht Fischer! Wer hätte das erwartet? Am Ende ist er auch damit natürlich gescheitert; in Büchel gibt es immer noch B-61-Bomben. Auch daran sieht man, wie desorientiert Westerwelle bei Image- und Symbolpolitik gehandelt hat.
In der Rückschau muß man auch sagen, daß die FDP 2009 darauf hätte dringen müssen, daß Merkel nicht wieder Bundeskanzlerin wird.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Ein Koalitionsbruch ist eine schwerwiegende Entscheidung - schon die Drohung allein, ein Vertrauensbruch.
Die CDU hatte doch bereits schon lange die Koalition gebrochen, indem sie die FDP als Fußabtreter und Sündenbock für alle negativen Dinge benutzt hatte. Außerdem: ich glaube trotzdem, dass die Wähler der FDP den Koalitionsbruch verziehen hätten.
Zitat In Deutschland läuft das politische Geschäft bei den bürgerlichen Parteien nicht so. Kontinuität und Verlässlichkeit sind höhere Werte als die Prinzipientreue einer Partei. Noch dazu einer kleinen. Die müssen auch im linken Spektrum Kröten schlucken, die im Koalitionsvertrag nicht verabredet wurden (Beispiel: Die Grünen und der Kosovo-Krieg).
Nun ging es im Fall der FDP ja gerade nicht um etwas Unvorhergesehenes, sondern um Dinge, die durchaus vorhersehbar waren - das Einzige Unvorhergesehene an der 2009er Legislaturperiode war der Tsunami in Japan - und da hat die FDP zwar massiv versagt, hätte aber mit dem Koalitionsbruch tatsächlich nichts geändert - und trotzdem überall Schelte bekommen.
Zitat Mir, als damaliger FDP-Wähler wäre es auch lieber gewesen, die FDP hätte über die Frage einer Steuerreform die Koalitionsfrage gestellt. Aber dieser Wunsch ist trotzdem recht realitätsfremd. Das musste ich mir mittlerweile eingestehen. R.A. hat mit seinen Beiträgen dankenswerterweise ganz erheblich dazu beigetragen.
Natürlich. Deswegen müssen wir uns ja auch eingestehen, dass "das Versagen" der FDP eben systembedingt war. Niemand in der Partei hätte es abwenden können, eben weil Staatsräson und Gestaltungs-Voraussetzung es forderten. Das gilt für fast alle Bereiche. Die FDP hätte aus diesem System ausbrechen können - aber der Wähler hätte sie nur dann nicht bestraft, wenn der Grund für den Bruch gut genug gewesen wäre. An die Regierung 2009 hätte man aber fast schon zwingend gemusst, weil ansonsten der Wähler es nicht verstanden hätte, wie man als "Kleinpartei" mit mehr als 10 Prozent nicht gestalten will.
Zitat Nur, zu dieser Überlegung, oder der gedachten Notwendigkeit, hätte es gar nicht kommen müssen um der Partei einen Gesichts- und Stimmenverlust zu ersparen. Denn dass die FDP in der Koalition so eklatant von ihren eigenen Ansprüchen abwich, hat sie selbst zu verantworten.
Alles fing mit den Koalitionsgesprächen 2009 an. Ein hervorragender Wahlkämpfer aber ebenso eitler Parteichef konnte seine persönlichen Befindlichkeiten nicht hinter den Dienst an der Sache stellen. Wenn eine, nach eigenem Selbstverständnis, liberale Partei das Thema Steuervereinfachung in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellt, muss sie sich auch das zuständige Ressort holen. So haben die Grünen als kleine Partei immer das Umweltministerium beansprucht und auch die Zuständigkeit über die Reaktorsicherheit, welche in ihrem Kampf gegen die Nutzung der Kernkraft essentiell war, angestrebt. Die FDP hätte das Finanzressort mit Hermann Otto Solms als Finanzminister durchsetzen müssen, auch um den Preis des Außenministeriums und des Vizekanzlers, der ja eigentlich eine Erfindung der Presse ist. Das scheiterte an Guido Westerwelle. Er hat die Partei zu ihrem höchsten Triumph geführt und ihr den Todesstoß versetzt, als er ihre Glaubwürdigkeit opferte um in die viel zu großen Fußstapfen seines Ziehvaters, Hans Dietrich Genscher, treten zu wollen. Was aus mangelnder Kompetenz gründlich scheiterte. Selbstüberschätzung und Eitelkeit prägen noch heute das Bild der führenden Köpfe der FDP. Diese Partei hätte zu diesem Zeitpunkt ihre Priorität setzen müssen. Die mag in der Vergangenheit im Außenamt gelegen haben, aber mit Guido Westerwelles Wahlkampf und der Fokussierung auf das Steuerthema, verschob sie sich. Der Parteichef und die FDP wollten alles und bekamen nichts. Mehr noch: sie verloren auch was sie vor dem grandiosen Wahlkampf 2009 für den politischen Liberalismus in Deutschland erreicht hatten . Mit einem Finanzminister Hermann Otto Solms hätten wir in Deutschland immer noch eine starke (sozial-) liberale Kraft, die ihr Potential aus der Umsetzung ihres wichtigsten Wahlversprechens auch dafür hätte nutzen können, die Energiewende und andere Zumutungen für die wirtschaftliche Freiheit der Bürger liberal abzufedern. So aber war die FDP von Beginn der schwarz-gelben Koalition an zum Scheitern verdammt.
Sicher. Das ändert aber nichts. Persönliches Versagen hat die Situation verschlimmert. Ich sage aber deutlich, dass es auch mit den besten Vorhaben und besten Verhandlungsergebnissen zwingend zu dieser Situation gekommen wäre. Die Partei ist ja nicht freiwillig sehenden Auges in den Untergang geritten. Sie hatte doch gar keine Wahl, als als Juniorpartner in eine Koalition mit CDU/CSU zu gehen. Meinen Sie etwa, die liberalen Wähler hätten es gutgeheißen, wenn sich ein Westerwelle oder Lindner nach der Wahl hingestellt hätten und verkündet hätten, "aufgrund von sachlichen Differenzen mit der CDU gehen nicht wir in die Regierung, sondern die Union sucht sich einen anderen Partner"?
Zitat von Emulgator im Beitrag #19 In der Rückschau muß man auch sagen, daß die FDP 2009 darauf hätte dringen müssen, daß Merkel nicht wieder Bundeskanzlerin wird.
Ja, ganz genau. Aber versetzen wir uns mal in die Parteispitze 2009, die alle unsere Forderungen in die Verhandlungen einbringt und quasi als Antwort bekommt "Dann nicht mit Euch, wir machens dann mit der SPD". Wie bitte sollten sie dieses Ergebnis ("CDU will unsere Forderungen nicht erfüllen, daher lassen wir sie lieber mit der SPD den viel etatistischeren Stiefel fahren") denn ihren Wählern beibringen?
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Ein Koalitionsbruch ist eine schwerwiegende Entscheidung - schon die Drohung allein, ein Vertrauensbruch.
Die CDU hatte doch bereits schon lange die Koalition gebrochen, indem sie die FDP als Fußabtreter und Sündenbock für alle negativen Dinge benutzt hatte. Außerdem: ich glaube trotzdem, dass die Wähler der FDP den Koalitionsbruch verziehen hätten.
Klar, schon sehr gut möglich. Nur hätte die FDP, die ja vor 2009 für sie ungewohnt lange in der Opposition war, eben den Beweis der Verlässlichkeit - so wie ihn die politische Klasse in Deutschland m.E. zu sehen scheint - nicht unter Beweis gestellt. Die Wähler der FDP sehen das u.U. genau anders herum. Ich selbst ja auch. Obwohl ich auch den anderen Standpunkt gut nachvollziehen kann. Einem Land wie Italien sind die ständigen Regierungswechsel durch Koalitionsbrüche nicht gut bekommen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #17Nur, zu dieser Überlegung, oder der gedachten Notwendigkeit, hätte es gar nicht kommen müssen um der Partei einen Gesichts- und Stimmenverlust zu ersparen. Denn dass die FDP in der Koalition so eklatant von ihren eigenen Ansprüchen abwich, hat sie selbst zu verantworten.
Alles fing mit den Koalitionsgesprächen 2009 an. Ein hervorragender Wahlkämpfer aber ebenso eitler Parteichef konnte seine persönlichen Befindlichkeiten nicht hinter den Dienst an der Sache stellen. Wenn eine, nach eigenem Selbstverständnis, liberale Partei das Thema Steuervereinfachung in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellt, muss sie sich auch das zuständige Ressort holen. So haben die Grünen als kleine Partei immer das Umweltministerium beansprucht und auch die Zuständigkeit über die Reaktorsicherheit, welche in ihrem Kampf gegen die Nutzung der Kernkraft essentiell war, angestrebt. Die FDP hätte das Finanzressort mit Hermann Otto Solms als Finanzminister durchsetzen müssen, auch um den Preis des Außenministeriums und des Vizekanzlers, der ja eigentlich eine Erfindung der Presse ist. Das scheiterte an Guido Westerwelle. Er hat die Partei zu ihrem höchsten Triumph geführt und ihr den Todesstoß versetzt, als er ihre Glaubwürdigkeit opferte um in die viel zu großen Fußstapfen seines Ziehvaters, Hans Dietrich Genscher, treten zu wollen. Was aus mangelnder Kompetenz gründlich scheiterte. Selbstüberschätzung und Eitelkeit prägen noch heute das Bild der führenden Köpfe der FDP. Diese Partei hätte zu diesem Zeitpunkt ihre Priorität setzen müssen. Die mag in der Vergangenheit im Außenamt gelegen haben, aber mit Guido Westerwelles Wahlkampf und der Fokussierung auf das Steuerthema, verschob sie sich. Der Parteichef und die FDP wollten alles und bekamen nichts. Mehr noch: sie verloren auch was sie vor dem grandiosen Wahlkampf 2009 für den politischen Liberalismus in Deutschland erreicht hatten . Mit einem Finanzminister Hermann Otto Solms hätten wir in Deutschland immer noch eine starke (sozial-) liberale Kraft, die ihr Potential aus der Umsetzung ihres wichtigsten Wahlversprechens auch dafür hätte nutzen können, die Energiewende und andere Zumutungen für die wirtschaftliche Freiheit der Bürger liberal abzufedern. So aber war die FDP von Beginn der schwarz-gelben Koalition an zum Scheitern verdammt.
Sicher. Das ändert aber nichts. Persönliches Versagen hat die Situation verschlimmert. Ich sage aber deutlich, dass es auch mit den besten Vorhaben und besten Verhandlungsergebnissen zwingend zu dieser Situation gekommen wäre. Die Partei ist ja nicht freiwillig sehenden Auges in den Untergang geritten. Sie hatte doch gar keine Wahl, als als Juniorpartner in eine Koalition mit CDU/CSU zu gehen. Meinen Sie etwa, die liberalen Wähler hätten es gutgeheißen, wenn sich ein Westerwelle oder Lindner nach der Wahl hingestellt hätten und verkündet hätten, "aufgrund von sachlichen Differenzen mit der CDU gehen nicht wir in die Regierung, sondern die Union sucht sich einen anderen Partner"?
Ja, das meine ich. Nicht alle, aber die FDP hätte jetzt noch wesentlich mehr Stammwähler.
Zitat von adder im Beitrag #20 Ja, ganz genau. Aber versetzen wir uns mal in die Parteispitze 2009, die alle unsere Forderungen in die Verhandlungen einbringt und quasi als Antwort bekommt "Dann nicht mit Euch, wir machens dann mit der SPD". Wie bitte sollten sie dieses Ergebnis ("CDU will unsere Forderungen nicht erfüllen, daher lassen wir sie lieber mit der SPD den viel etatistischeren Stiefel fahren") denn ihren Wählern beibringen?
Äh, ist das eine Fangfrage? Die Realität hat doch dieses Gedankenspiel schon beantwortet. Die FDP rettet mit Müh und Not 3% der Wählerstimmen - die AfD bringt es auf das Doppelte. Der Großteil der AfD-Wähler wären für die FDP auch erreichbar gewesen. In so weit hat die FDP Millionen Stimmen verloren - wíeviel schlimmer hätte es für die FDP kommen können, wenn die FDP ihrem Markenkern treu geblieben wäre?
Die FDP hatte zu jedem Zeit und hat auch noch heute ein gegenüber der AfD erheblich stärkeres Netz an Fachleuten, engagierter Basis und politischer Erfahrung. Es gibt in der FDP etwa Faktor 100 mehr Politiker, die tatsächlich wissen, was sie da tun. Alles unterhalb der Bundesebene ist doch bei der AfD eine Veranstaltung von Laiendarstellern - und das sage ich als AfD-Mitglied. Und TROTZDEM ist die FDP abgestürzt. Wie viel schlimmer hätte es kommen sollen, wenn diese tausende und abertausende FDP-Politiker überall in Deutschland selbstbewusst auf den Marktplätzen und in den Dorfsäälen hätten rufen können: WIR sind die einzige authentische Politik in Deutschland, WIR sind unseren Idealen treu...
Mitunter suche ich erst nach einem Beitrag die Belege. So wie heute. Aber da ich nun mal etwas gefunden habe, will ich es den Mitdiskutanten nicht vorenthalten:
Die FDP hat bereits 2009 in den Koalitionsverhandlungen ihren Markenkern vernachlässigt, der aus einer ebenso soliden wie vernünftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik besteht. Sie hätte auf der Zuständigkeit für das Finanzresort bestehen müssen. Selbst dort, wo im Koalitionsvertrag klare Vereinbarungen z.B. in der Steuerpolitik festgeschrieben worden sind, hat der Finanzminister verhindert, dass diese Vereinbarungen umgesetzt werden konnten.
Zitat von adder im Beitrag #20Sicher. Das ändert aber nichts. Persönliches Versagen hat die Situation verschlimmert. Ich sage aber deutlich, dass es auch mit den besten Vorhaben und besten Verhandlungsergebnissen zwingend zu dieser Situation gekommen wäre. Die Partei ist ja nicht freiwillig sehenden Auges in den Untergang geritten. Sie hatte doch gar keine Wahl, als als Juniorpartner in eine Koalition mit CDU/CSU zu gehen. Meinen Sie etwa, die liberalen Wähler hätten es gutgeheißen, wenn sich ein Westerwelle oder Lindner nach der Wahl hingestellt hätten und verkündet hätten, "aufgrund von sachlichen Differenzen mit der CDU gehen nicht wir in die Regierung, sondern die Union sucht sich einen anderen Partner"?
Nehmen wir mal an, es wäre statt der CDU die Linkspartei der mögliche Koalitionspartner gewesen. Denken Sie, die Wähler hätten die FDP dafür abgestraft, die Koalition nicht einzugehen?
Zitat von Emulgator im Beitrag #19In der Rückschau muß man auch sagen, daß die FDP 2009 darauf hätte dringen müssen, daß Merkel nicht wieder Bundeskanzlerin wird.
Ja, ganz genau. Aber versetzen wir uns mal in die Parteispitze 2009, die alle unsere Forderungen in die Verhandlungen einbringt und quasi als Antwort bekommt "Dann nicht mit Euch, wir machens dann mit der SPD". Wie bitte sollten sie dieses Ergebnis ("CDU will unsere Forderungen nicht erfüllen, daher lassen wir sie lieber mit der SPD den viel etatistischeren Stiefel fahren") denn ihren Wählern beibringen?
Eventuell wäre auch eine Lösung gewesen, eine Minderheitsregierung der CDU/CSU unter Duldung der FDP zuzulassen. Für die CDU/CSU wäre es annehmbar gewesen, weil alle Ministerien zur Alimentierung des eigenen Personals verfügbar gewesen wären. Für die FDP wäre der Vorteil gewesen, daß sozialdemokratische Gesetze nicht mit den eigenen Stimmen beschlossen werden. Als Notnagel, wenn die CDU auf Merkel bestanden hätte, wäre die Minderheitsregierung eine Lösung gewesen. Aber bei der Frage können wir nur spekulieren. Die Koalitionsverhandlungen waren nicht öffentlich und die Gedanken der Akteure auch nicht, deswegen weiß man nicht, was wem wirklich wichtig war. Die Niederlage der FDP lag auch sicher nicht nur im Koalitionsvertrag. Die FDP es ja auch nicht geschafft, in den folgenden 4 Jahren der vereinbarten Linie treu zu bleiben. Am Schluß haben sich sogar FDP-Politiker für den Mindestlohn ausgesprochen. Da fragt man sich schon, warum man nicht gleich SPD wählt. In Nischenfragen, über die kaum berichtet wird, haben die FDP-Abgeordneten aber tatsächlich einiges erreicht. Es ist schade, daß das völlig untergegangen ist.
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