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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 92 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

08.07.2014 02:49
Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Der Fußball schreibt die schönsten Geschichten.

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.551

08.07.2014 10:18
#2 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #1
Der Fußball schreibt die schönsten Geschichten.


Aber nicht nur der. Auch in den schattigen Randzonen des RL (Abteilung "Heimat, Übersichtlichkeit, Ordnung, Provinz, sexueller Einfalt (sic!)") geht der Trend nach dem Tod des Autors & der Ägide der postdekonstruktivistischen Transgression wieder ungebremst zum klassischen Narrativ:

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/in...c0f73bff2f.html

Zitat von Schduddgardr Naachrichde

"Schwäbisch Hall - Das Auffinden vergifteter Greifvögel an mehreren Orten im Land beunruhigt nicht nur Naturschützer, sondern verschärft auch den Streit zwischen Befürwortern und Gegnern von Windrädern. „Der Verdacht, wonach Windkraftfreunde die geschützten Vögel umbringen, um so Hindernisse für neue Kraftwerke aus dem Weg zu räumen, wird in letzter Zeit häufig erhoben“, sagt André Baumann, Landeschef des Nabu. ... Dort wurden im Frühjahr vier tote Rotmilane gefunden, von denen drei laut amtlichem Gutachten tatsächlich vergiftet wurden: mit E 605, einem Pflanzenschutzmittel, das in der EU schon seit vielen Jahren verboten ist. ... „Systematisch“ würden seltene Greifvögel umgebracht, wo sie großen Windparks im Wege stünden, folgern manche Windkraftkritiker nun daraus. Dass erst dieser Tage auch bei Pfalzgrafenweiler im Kreis Freudenstadt ein toter Wanderfalke entdeckt wurde, der laut Polizei an dem Schlafmittel Chloralose verendete, macht die Sache noch brisanter."


E 605? Unsereins hätte gedacht, daß das als corpus delicti aus der Mode gekommen sei, als Dieter Borsche noch der Halstuchmörder war, aber die Schwäbische Hausfrau mordet scheints konservativer.

Florian Offline



Beiträge: 3.136

08.07.2014 13:13
#3 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat
Wovon lebt eigentlich eine WM?
Von außergewöhnlichen Spielen? Mag sein, wie im Falle des Endspiels von Bern oder des "Jahrhundertspiels" zwischen Deutschland und Italien 1970. Aber wenn Sie gebeten werden, ein außergewöhnliches Spiel der WM 1994 zu nennen, würde Ihnen eines einfallen?



Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.
Und das ist eben das besondere an einer WM: Weil es eine WM nur 4 Jahre gibt, sind das besondere Kostbarkeiten, an die man sich errinert.
(Wer könnte sich hingegen an ein Spiel aus der Championsleague-Saison 2004 erinnern? Oder auch nur spontan sagen, wer damals die CL gewonnen hat? Ist alles im Schleier der vielen, vielen CL-Spiele verloren geganen).

Zitat
Stars machen das Fußballspiel greifbar - die anonymen Figuren ("echte Neun" und "Doppelsechs") in einem immer komplexeren Rasenschach werden zu Helden mit einer Geschichte, einer Mission


Nicht zu vergessen die Spieler, die eine neue Spieler-Position erfinden.
Wie etwa Manuel Neuer, der Erfinder der "falschen Eins".


Zitat
Der normalerweise überlegen-witzige Mehmet Scholl flippte regelrecht aus und gab dabei einen Hinweis, was ein wichtiger Bestandteil des Mythos Neymar ist:
Wenn es zugelassen wird, dass die Kleinen vernichtet werden, dann haben wir ein Problem. Und dann ist das auch nicht mehr unsere Sportart.



Hier zeigt sich übrigens eine Besonderheit des Fußballs, der ihn von allen anderen Kontaktsportarten unterscheidet:
Der Kleine kann den Großen besiegen.
Es gibt kein bestimmtes "Gardemaß", das einen guten Fußballer ausmacht.
Die kleinen (und pummeligen) Maradonna und Gerd Müller konnten gegnerische Abwehrreihen dominieren. Der kleine Lahm kann die bulligsten Stürmer beherrschen. Der völlig muskel-befreite Thomas Müller kann die unglaublichsten Dinge machen. (*)
Als Zuschauer kann man davon träumen, dass man auch mit dem eigenen Körperbau eine Chance hätte. (Anders als bei Basketball oder American Football: Da ist dem normal gewachsenen Zuschauer klar, dass das nie ein Sport für ihn sein könnte).


(*) Hätte ich mehr Zeit, würde ich gerne mal einen Artikel über Thomas Müller schreiben.
An dieser Stelle nur ein kleiner Exkurs:
das ist der intelligenteste Spieler, den ich jemals erlebt habe.
Er hat mal in einem Interview gesagt, er sei ein "Raumdeuter". Der Begriff passt wirklich auf ihn und hat es mittlerweile sogar als deutsches Fremdwort in die englische Sportfachpresse geschafft.

Ein paar (wirklich sehenswerte) Beispiele:

a) Robbens 3:0 gegen Barcelona:
http://www.youtube.com/watch?v=D5l4gA2MYlg (ab 2:20).
Keiner, der dieses Spiel zum ersten Mal sieht, bemerkt, was Müller da macht.
Aber beobachten Sie einmal nicht Robben sondern Müller. Er macht fast nichts. Sondern steht nur da. Aber zufällig genau da, wo der spanische Verteidiger hinlaufen möchte... (War es ein Foul? Schwer zu sagen. Immerhin läuft der Verteidiger ja in Müller und nicht umgekehrt. Aber es war ein tiefes Verständnis davon, wie sich die Situation weiter entwickeln würde).

b) Müllers 3:0 gegen Portugal:
http://www.youtube.com/watch?v=Qo-2hqkDtTk (ab 0:25)
JEDER andere Fußballer würde bei dieser Flanke versuchen, an den Ball zu kommen. Müller nicht. Er macht KEINE Bewegung, die ihm erlaubt hätte, an diese Flanke zu kommen, sondern erlaubt dem portugiesischen Verteidiger, an den Ball zu kommen. Und dann hält es den Fuß so, dass er den Befreiungsschlag des Portugiesen abfangen kann. Wie gesagt: ich glaube nicht, dass ich jemals ein solches Stürmerverhalten erlebt habe, dass in so einem hohen Maße vorhersieht, was

Zitat
als nächstes

passieren wird.

c)und das High-Light zum Schluss:
Müllers 2:0 gegen Arsenal:
http://www.youtube.com/watch?v=iqubW-qju9A
Um die Genialität zu erkennen, muss man diese Situation aus Müllers Perspektive durchdenken.
Aus dem Augenwinkel sieht er, dass sein Stürmer-Kollege Pizarro Richtung rechten Pfosten läuft.
Er sieht NICHT, wie die englischen Verteidiger darauf reagieren. Er sieht insbesondere NICHT, dass in seinem eigenen Rücken in der englischen Abwehr ein Loch entsteht. Aber sobald er Pizarro laufen sieht, hebt er die Hand und forder die Flanke und läuft in einen Raum (den er gar nicht sieht und in dem in dem Moment, in dem er die Hand hebt auch noch ein englischer Verteidiger steht). Und als die Flanke dann kommt, ist der Raum leer, Müller steht mutterseelenallein vor dem Tor und braucht nur noch zu köpfen.
Sieht alles so leicht aus. Aber nur deshalb, weil Müller den freien Raum prognostiziert hat, ohne sehen zu können, was hinter ihm passiert.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

08.07.2014 14:59
#4 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.
Und das ist eben das besondere an einer WM: Weil es eine WM nur 4 Jahre gibt, sind das besondere Kostbarkeiten, an die man sich errinert.
(Wer könnte sich hingegen an ein Spiel aus der Championsleague-Saison 2004 erinnern? Oder auch nur spontan sagen, wer damals die CL gewonnen hat? Ist alles im Schleier der vielen, vielen CL-Spiele verloren geganen).

Wenn Sie zufällig 04/05 meinen: das Finale Liverpool-Milan war das aus meiner Sicht beeindruckendste Champions-League-Spiel aller Zeiten. Aber ich sehe den Punkt.

Was die WM-Spiele angeht - ich verbinde eben die Stories mehr mit Personen.
Zitat von Florian im Beitrag #3

Zitat
Der normalerweise überlegen-witzige Mehmet Scholl flippte regelrecht aus und gab dabei einen Hinweis, was ein wichtiger Bestandteil des Mythos Neymar ist:
Wenn es zugelassen wird, dass die Kleinen vernichtet werden, dann haben wir ein Problem. Und dann ist das auch nicht mehr unsere Sportart.

Hier zeigt sich übrigens eine Besonderheit des Fußballs, der ihn von allen anderen Kontaktsportarten unterscheidet:
Der Kleine kann den Großen besiegen.
Es gibt kein bestimmtes "Gardemaß", das einen guten Fußballer ausmacht.
Die kleinen (und pummeligen) Maradonna und Gerd Müller konnten gegnerische Abwehrreihen dominieren. Der kleine Lahm kann die bulligsten Stürmer beherrschen. Der völlig muskel-befreite Thomas Müller kann die unglaublichsten Dinge machen. (*)
Als Zuschauer kann man davon träumen, dass man auch mit dem eigenen Körperbau eine Chance hätte. (Anders als bei Basketball oder American Football: Da ist dem normal gewachsenen Zuschauer klar, dass das nie ein Sport für ihn sein könnte).


Das stimmt mit einer Einschränkung, nämlich der Positionsabhängigkeit. Ein Point Guard beim Basketball ist oft unter 1,80, ein Receiver beim Football ebenfalls. Umgekehrt fällt mir nur ein Top-Torhüter ein, der deutlich unter 1,85 groß war (Jorge Campos, der war aber ein Sprungwunder). Ich denke, die passende Vergleichssportart wäre Volleyball. (edit: Falsch, Sie haben sich auf Kontaktsportarten beschränkt).

Zitat von Florian im Beitrag #3
Hätte ich mehr Zeit, würde ich gerne mal einen Artikel über Thomas Müller schreiben.
An dieser Stelle nur ein kleiner Exkurs:
das ist der intelligenteste Spieler, den ich jemals erlebt habe.
Er hat mal in einem Interview gesagt, er sei ein "Raumdeuter".

Völlige Zustimmung. Die technische Fähigkeit (Ballbeherrschung, Passspiel) ist zwar die augenfälligste Qualität eines Fußballers, aber längst nicht alles. Neymar mag nicht wissen wohin mit seinem Talent, aber er ist kein mannschaftsdienlicher Spieler. Hier würde ich Messi als Referenz sehen, der beides in sich vereint. Robben dagegen lebt von seiner Präsenz, seiner unglaublichen Kondition und seinem Kampfgeist. Technisch gesehen beweist er höchstens, dass die Beidfüßigkeit von Stürmern völlig überschätzt ist, denn Robben hat seinen rechten Fuß nur, damit er nicht umfällt. Müllers große Stärke ist, wie richtig beschrieben, eine, die nicht zu den spektakulären und mythostauglichen gehört: das Spiel ohne Ball. Eine für jeden Gegner fatale Mischung aus Instinkt und Spielauffassung.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.07.2014 00:25
#5 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.

Zu dieser kann ich das jetzt auch mit Sicherheit sagen.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Kritiker Offline



Beiträge: 274

09.07.2014 12:47
#6 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #5
Zitat von Florian im Beitrag #3
Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.

Zu dieser kann ich das jetzt auch mit Sicherheit sagen.



Nicht nur das.
Auch die Aussage, dass der Ausfall von Neymar keine wirklichen Auswirkungen haben wird, muss wohl relativiert werden.
Denn diese Stars wirken eben, wenn sie wirkliche Helden sind, wie Katalysatoren. Mit Neymar hätte Brasilien möglicherweise auch verloren, aber nicht so desaströs. Ein Neymar hätte seine Leute zusammenbinden und trotz Rückstand zu einer konzentrierteren Leistung bringen können.

Der Ausfall von Neymar hat bei den Brasilianern nicht zu der erhofften Trotzreaktion geführt, sondern eher zu einer Angst vor dem körperlichen Spiel - das einzige, was die Brasilianer wirklich beherrscht haben. Hätten sie mit Härte die Aktionen der Deutschen unterbrochen, dann wären weniger Tore gefallen.

Der Kritiker

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.07.2014 14:48
#7 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #6
Zitat von Meister Petz im Beitrag #5
Zitat von Florian im Beitrag #3
Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.

Zu dieser kann ich das jetzt auch mit Sicherheit sagen.

Auch die Aussage, dass der Ausfall von Neymar keine wirklichen Auswirkungen haben wird, muss wohl relativiert werden. Denn diese Stars wirken eben, wenn sie wirkliche Helden sind, wie Katalysatoren. Mit Neymar hätte Brasilien möglicherweise auch verloren, aber nicht so desaströs. Ein Neymar hätte seine Leute zusammenbinden und trotz Rückstand zu einer konzentrierteren Leistung bringen können.

Interessanterweise gehen ausgerechnet die brasilianischen Kommentare nicht in die Richtung. Ich sehe auch nicht, wie ein Offensivmann Ruhe in die Abwehr bringen könnte? Nur durch seine Präsenz?Vermutlich war in der Anfangsphase Thiago Silva der größere Ausfall.

Aber davon ab: Wenn die Behauptung stimmt, was zeigt uns das über den Mythos? Dass ich trotz großer Worte in meinem Artikel wohl nicht einmal im Ansatz erfasst habe, welche Macht er hat. Dass gestandene Spieler wie Dante und Luiz plötzlich kein Selbstvertrauen und keine mentale (TM Oliver Kahn) Sicherheit mehr haben, wenn Neymar nicht körperlich präsent ist? Dass sie sein Trikot nicht als nette Geste gegenüber einem verletzten Kameraden, sondern als Fetisch mitgebracht haben?

Denn in einem sind wir uns hoffentlich einig: Rein von der fußballerischen Qualität kann dieses Ergebnis nicht durch die Ausfälle begründet werden. Wenn die Aussage also, wie Sie schreiben, relativiert werden muss, dann ist das ein noch schlimmeres Armutszeugnis für den brasilianischen Fußball als der Ergebnis an sich. Nämlich die Tatsache, dass die Konzentration und Einstellung sämtlicher hochbezahlten brasilianischen Nationalspieler von der bloßen Anwesenheit eines einzigen 22jährigen Bübchens abhängt.

Da wäre ein Versagen des Trainers die deutlich schmeichelhaftere Option.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Elmar Offline



Beiträge: 282

09.07.2014 15:02
#8 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #6
Zitat von Meister Petz im Beitrag #5
Zitat von Florian im Beitrag #3
Mir fallen eigentlich schon zu jeder WM besondere Spiele mit besonderen "Stories" ein.

Zu dieser kann ich das jetzt auch mit Sicherheit sagen.



Nicht nur das.
Auch die Aussage, dass der Ausfall von Neymar keine wirklichen Auswirkungen haben wird, muss wohl relativiert werden.
Denn diese Stars wirken eben, wenn sie wirkliche Helden sind, wie Katalysatoren. Mit Neymar hätte Brasilien möglicherweise auch verloren, aber nicht so desaströs.
... und mit Neymar hätten sich die Brasilianer darauf konzentrieren können gegen das deutsche Team zu spielen und nicht nur für Neymar.

Na ja, so haben wir wenigstens wieder ein Spiel für die Geschichtsbücher

Elmar Offline



Beiträge: 282

09.07.2014 15:11
#9 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #7
Denn in einem sind wir uns hoffentlich einig: Rein von der fußballerischen Qualität kann dieses Ergebnis nicht durch die Ausfälle begründet werden. Wenn die Aussage also, wie Sie schreiben, relativiert werden muss, dann ist das ein noch schlimmeres Armutszeugnis für den brasilianischen Fußball als der Ergebnis an sich. Nämlich die Tatsache, dass die Konzentration und Einstellung sämtlicher hochbezahlten brasilianischen Nationalspieler von der bloßen Anwesenheit eines einzigen 22jährigen Bübchens abhängt.

Ich denke nicht die An- oder Abwesenheit Neymars war das Problem, sondern die Fokussierung auf ihn vor dem Spiel. Man hatte nicht wirklich den Eindruck, die brasilianische Mannschaft hat sich auf ihren Halbfinalgegner vorbereitet, sondern nur auf ihren verletzten Kollegen. Selbst direkt vor dem Spiel während der Hymne ging es um Neymar. Das die brasilianische Mannschaft dann nicht konzemtriert bei der Sache war, ist nur folgerichtig (... und mit dem Blick zurück und deutscher Sicht auch sehr leicht erklärt )

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

09.07.2014 15:26
#10 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #7
Nämlich die Tatsache, dass die Konzentration und Einstellung sämtlicher hochbezahlten brasilianischen Nationalspieler von der bloßen Anwesenheit eines einzigen 22jährigen Bübchens abhängt.

Da wäre ein Versagen des Trainers die deutlich schmeichelhaftere Option.
Ich glaube weder noch.

Vor dem Spiel hat mich die Emotionalität des Brasilianischen Teams irgendwie unangenehm berührt. Die Spieler kamen mir teilweise wie in Trance, in einer eigenen Welt vor. (Auch schon vor dem Halbfinale) Ich habe deswegen mit einem überharten, engen Spiel gerechnet in dem versucht werden wird die physischen Grenzen zu überwinden. Es kam ganz anders.

Um in einem Bild zu sprechen: Brasiliens Team kam mir vor, als sei es mit Emotionalität gedoped und nur dadurch in der Lage die unmenschliches Last des Drucks zu tragen, der ihnen auferlegt wurde. Mit dem 1:0 verlies sie die Wirkung des Dopings und die Kraft die Last ohne Doping zu tragen verlies sie ebenfalls. -- Brasilien ist nach dem 1:0 emotional auseinader gebrochen und Emotion war das Einzige was sie zusammenhielt. Daher spielte die DFB Elf nach 15 Minuten gegen einen Scherbenhaufen gestern Abend, nicht gegen eine Mannschaft. So diszipliniert und abgeklärt das Auftreten der Löw Truppe gestern war, so wenig war das Spiel ein Prüfstein nach dem 1:0. Da stand kein Gegner auf dem Platz sondern ein demoralisiertes Häuflein Elend, welches auf der Flucht vor sich selbst war.

Ich mußte gestern an den Satz eines argentinischen Autors denken, den ich einmal gelesen habe:
"Manche denken, Fußball sei eine Sache von Leben und Tod. Diese Leute haben keine Ahnung. -- Es ist viel mehr als das." Ich kann über diesen Satz zwar lächeln, aber ich begreife ihn nicht wirklich. Und ich glaube man muß ihn begreifen können, um zu verstehen was da gestern mit Brasilien geschah. Warum es geschehen konnte.

Vielleicht hat ja Andreas Doeding eine Erklärung parat, was da so alles im Kopf ablaufen kann. Da gibt es doch bestimmt auch Untersucheungen dazu!?

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

09.07.2014 15:52
#11 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Elmar im Beitrag #9
Ich denke nicht die An- oder Abwesenheit Neymars war das Problem, sondern die Fokussierung auf ihn vor dem Spiel. Man hatte nicht wirklich den Eindruck, die brasilianische Mannschaft hat sich auf ihren Halbfinalgegner vorbereitet, sondern nur auf ihren verletzten Kollegen. Selbst direkt vor dem Spiel während der Hymne ging es um Neymar. Das die brasilianische Mannschaft dann nicht konzemtriert bei der Sache war, ist nur folgerichtig (... und mit dem Blick zurück und deutscher Sicht auch sehr leicht erklärt )

Nuja, ich habe von Fußball zugegebenermaßen wenig Ahnung, aber mir schien dieser Mythos Neymar schon vorher nicht nachvollziehbar. Jedenfalls ist mir Neymar auf keinen Fall so aufgefallen wie ein Messi, James oder Robben. Mir schien es so, als sei der ganze Mythos Brasilien bei dieser WM nur ein Nachhall vergangener Jahre. Irgendeinen Star muss Brasilien ja immer haben, da wars halt dieses Jahr ein Bursche von dem ich vorher noch nie was gehört hatte: ein gewisser Neymar.
Aber auch mit Neymar sah Brasilien nicht wie eine Über-Mannschaft aus, sondern wie eine gnadenlos überhöhte Truppe unter Favoritenzwang. Das ganze Drumrum-Getue hat verdeckt, dass die Brasilianer bei dieser WM nicht grade überirdisch aufspielten. Mehmet Scholl hat es nach dem Kolumbien-Spiel auf den Punkt gebracht: "Leute, versucht gar nicht erst, da was raus zu analysieren - da war nix!"

So, und nun ist ihnen der erzeugte Überdruck mit allem fußballnationalen-und-Neymar-Lametta auf die Füße gefallen. Der wilde Willen-zum-Sieg-Ansturm zu Beginn hat nix gebracht, und das frühe Gegentor passte nun überhaupt nicht mehr in den Plan. Spätestens mit dem zweiten Tor gabs einen laut hörbaren Riss zwischen Anspruch und Realität. Die ganze mythisch aufgepumpte Blase ist geplatzt und die brasilianischen Restbestände hatten weder Plan noch Taktik um da wieder ranzukommen. Vom Schlimmeres verhindern ganz zu schweigen.

Den Ausfall von Neymar und Silva hätte eine gefestigte Manschaft sicher kompensieren können, so aber sind sie psychisch zusammengebrochen. Der Druck war einfach zu immens.

Hätte nie gedacht, dass mir Brasilien in einem Spiel gegen Deutschland mal leidtun könnte.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

09.07.2014 16:04
#12 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10
Brasiliens Team kam mir vor, als sei es mit Emotionalität gedoped und nur dadurch in der Lage die unmenschliches Last des Drucks zu tragen, der ihnen auferlegt wurde. Mit dem 1:0 verlies sie die Wirkung des Dopings und die Kraft die Last ohne Doping zu tragen verlies sie ebenfalls. -- Brasilien ist nach dem 1:0 emotional auseinader gebrochen und Emotion war das Einzige was sie zusammenhielt. Daher spielte die DFB Elf nach 15 Minuten gegen einen Scherbenhaufen gestern Abend, nicht gegen eine Mannschaft. So diszipliniert und abgeklärt das Auftreten der Löw Truppe gestern war, so wenig war das Spiel ein Prüfstein nach dem 1:0. Da stand kein Gegner auf dem Platz sondern ein demoralisiertes Häuflein Elend, welches auf der Flucht vor sich selbst war.

Es ist ja nicht so, dass Brasilien konstant schlecht gespielt hat. Die zweite Halbzeit war zwar keine Glanzleistung, aber nicht mehr so desaströs..und wenn man so stürmt, kann man durchaus zwei Kontertore kassieren. Wie gesagt, ich bin immer noch auf der Suche nach einer Erklärung, finde aber keine, die mich überzeugt.

Wenn es überhaupt ein Spiel gibt, das man damit vergleichen kann, ist es das CL-Halbfinalrückspiel Bayern-Real. Aus einer leicht benachteiligten Ausgangsposition (Hinspiel 1:0 verloren) im eigenen Stadion in ebenfalls 19 Minuten drei Gegentore kassiert und zusammengebrochen. Sowas passiert also auch, ohne dass die Mannschaft unter außerordentlichem Druck steht.

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

hubersn Offline



Beiträge: 1.342

09.07.2014 16:08
#13 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #11

Nuja, ich habe von Fußball zugegebenermaßen wenig Ahnung, aber mir schien dieser Mythos Neymar schon vorher nicht nachvollziehbar. Jedenfalls ist mir Neymar auf keinen Fall so aufgefallen wie ein Messi, James oder Robben. Mir schien es so, als sei der ganze Mythos Brasilien bei dieser WM nur ein Nachhall vergangener Jahre. Irgendeinen Star muss Brasilien ja immer haben, da wars halt dieses Jahr ein Bursche von dem ich vorher noch nie was gehört hatte: ein gewisser Neymar.


Nun ja, Neymar war vor der WM schon auch den nicht-Über-Experten bekannt, nämlich als unglaublich talentierter Spieler, der drohte, beim FC Barcelona unterzugehen. Oder positiv formuliert, der dort noch seine Anlaufschwierigkeiten hatte und im Schatten von Messi stand.

Bei der WM spielte bei Brasilien nur einer auf hohem Niveau: Neymar. Brasilien war in allen WM-Spielen von Neymar abhängiger als Argentinien von Messi, und das heißt wirklich einiges. Bei Argentinien sind immerhin noch Di Maria und der Fliegenfängertorwart positiv bzw. negativ aufgefallen, aber bei Brasilien? Besonders die hochgelobte Defensive, angeblich die teuerste im Turnier, war doch wenig überzeugend.

Gruß
hubersn

Kritiker Offline



Beiträge: 274

09.07.2014 17:29
#14 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

In der Welt ist eine ganz interessante taktische Analyse gedruckt worden. Diese wies dem Trainer eigentlich die Hauptschuld zu.

Brasilien wollte (angetrieben von den Massen) offensiv, schön spielen. Also stand es hoch. Das hat es auch in den vorherigen Spielen gemacht, aber da konnte Tiago und Neymar die enstehenden Lücken stopfen, der eine durch kluge Defensivarbeit, der andere durch Ideen bei der Offensive.
Beide standen jetzt nicht zur Verfügung und das riss gerade im Mittelfeld riesige Lücken. Die Deutschen haben sich bisher nur immer gegen defensiv stehende Gegner schwer getan, ein Pressing mit Lücken im Mittelfeld konnte von den Deutschen durch schnelles Kombinationsspiel ausgehebelt werden. Da die entscheidenden deutschen Spieler dann auch noch einen guten Tag erwischt hatten und sehr beweglich unterwegs waren, war das Ende klar.

Und fussballerisch war Brasilien nicht in der Lage, diese Lücken zu stopfen und brach nach dem 0:2 auseinander.

Ein Trainer muss solche Schwächen im eigenen Team eigentlich kennen und Scollari hätte gerade gegen die Deutschen stärkere Defensivarbeit von allen verlangen müssen.

Letztlich wird Brasilien den Ruf als Fußballnation verlieren, wenn jetzt dort nicht dringend notwendige Reformen in Nachwuchsarbeit und Professionalität durchgeführt werden, die Deutschland nach den riesigen Pleiten 2000 und 2004 in Angriff genommen hatte.

Der Kritiker

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

10.07.2014 22:37
#15 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #12
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10
Brasiliens Team kam mir vor, als sei es mit Emotionalität gedoped und nur dadurch in der Lage die unmenschliches Last des Drucks zu tragen, der ihnen auferlegt wurde. Mit dem 1:0 verlies sie die Wirkung des Dopings und die Kraft die Last ohne Doping zu tragen verlies sie ebenfalls. -- Brasilien ist nach dem 1:0 emotional auseinader gebrochen und Emotion war das Einzige was sie zusammenhielt. Daher spielte die DFB Elf nach 15 Minuten gegen einen Scherbenhaufen gestern Abend, nicht gegen eine Mannschaft. So diszipliniert und abgeklärt das Auftreten der Löw Truppe gestern war, so wenig war das Spiel ein Prüfstein nach dem 1:0. Da stand kein Gegner auf dem Platz sondern ein demoralisiertes Häuflein Elend, welches auf der Flucht vor sich selbst war.

Es ist ja nicht so, dass Brasilien konstant schlecht gespielt hat. Die zweite Halbzeit war zwar keine Glanzleistung, aber nicht mehr so desaströs..und wenn man so stürmt, kann man durchaus zwei Kontertore kassieren. Wie gesagt, ich bin immer noch auf der Suche nach einer Erklärung, finde aber keine, die mich überzeugt.

Wenn es überhaupt ein Spiel gibt, das man damit vergleichen kann, ist es das CL-Halbfinalrückspiel Bayern-Real. Aus einer leicht benachteiligten Ausgangsposition (Hinspiel 1:0 verloren) im eigenen Stadion in ebenfalls 19 Minuten drei Gegentore kassiert und zusammengebrochen. Sowas passiert also auch, ohne dass die Mannschaft unter außerordentlichem Druck steht.

Ist das ein Phänomen oder eine deutsche Eigenart?
Deutschland galt schon zu Beginn der WM als Favorit - nein, nicht in Deutschland. Aber im Rest der Welt. Und in Brasilien.
Nun spielt unser Team so gut unter Löw wie nie zuvor und worauf wird das zurückgeführt? Auf die Schwäche des Gegners. Es ist zum Haare raufen.
Auch wenn wir mal vermeintlich schlecht spielen, ist es nicht die gute Leistung des Gegners welche uns eine Niederlage beigebracht hat. Nein, das eigene Versagen hat ihm den Sieg ermöglicht. Um nicht zu sagen: geschenkt.

Ich bin einfach nur begeistert und stolz was für eine hervorragende Mannschaft nun endlich nach 8 Jahren Arbeit vom Bundestrainer Joachim Löw aufgebaut wurde. Wir sind jetzt im Fussball das Maß der Dinge. Gewöhnen wir uns daran. Die anderen Fussballnationen haben längst damit angefangen.

Wer Erklärungen sucht, sollte die offensichtlichste mal in den Blickwinkel nehmen: vom Torwart über die Verteidigung bis zum Mittelfeld und zum Sturm. Wir haben die meisten Top-Spieler, die beste Moral und etwas was uns lange gefehlt hat.
Da musste erst Thomas Müller kommen und klarmachen warum man an einem Wettkampf teilnimmt: Um zu gewinnen. Nur darum. Wegen nichts anderem.
Das hat unsere Fussball-Nationalmannschaft nun endlich gefressen.
Und deswegen werden wir am Sonntag Weltmeister.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

10.07.2014 23:30
#16 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Ist das ein Phänomen oder eine deutsche Eigenart?
Deutschland galt schon zu Beginn der WM als Favorit - nein, nicht in Deutschland. Aber im Rest der Welt. Und in Brasilien.
Nun spielt unser Team so gut unter Löw wie nie zuvor und worauf wird das zurückgeführt? Auf die Schwäche des Gegners. Es ist zum Haare raufen.

Nicht unbedingt eine deutsche Eigenart: eher eine aller Fußballfans. Denn es gilt die unumstößliche Weisheit [phrasenschwein]Man kann nur so gut spielen, wie es der Gegner zulässt[/phrasenschwein].

In einem WM-Halbfinale kannst Du nun mal davon ausgehen, dass die fußballerische Qualität der vier verbliebenen Teilnehmer annähernd gleich ist, was die Einzelspieler angeht. Also entscheiden Motivation, Taktik, Tagesform. Und wie die Mannschaft als Team zusammenspielt. Gerade das ist doch das Faszinierende an Turnieren, oder nicht? Und was rauskommt, wenn zwei von der Tagesform gleich starke Mannschaften aufeinandertreffen, mussten wir gestern über 120 quälende Minuten lang ertragen.

Ich finde, dass es eher von Respekt gegenüber den Brasilianern zeugt, wenn man ihnen eine für ihre Verhältnisse grottenschlechte Leistung attestiert, als wenn man sie als Kreisklassentruppe sehen würde, die völlig zurecht in der Höhe verloren hat. Das nimmt aber doch der deutschen Mannschaft nichts von ihrer großartigen Leistung weg, die wahrscheinlich selbst gegen die Brasilianer in Topform und Bestbesetzung souverän gewonnen hätte, wenn auch nicht in der Höhe.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Auch wenn wir mal vermeintlich schlecht spielen, ist es nicht die gute Leistung des Gegners welche uns eine Niederlage beigebracht hat. Nein, das eigene Versagen hat ihm den Sieg ermöglicht. Um nicht zu sagen: geschenkt.

Das ist auch eine typische Eigenschaft von Fußballfans und drückt einfach nur eine Loyalität zur Mannschaft aus. Will sagen: "Wir sind die besten, wir können uns nur selber schlagen". Mein Vater z. B. ist einer dieser 120%-Bayernfans, die für das sympathische und liebenswerte Image dieses Vereins prägend sind . Für ihn ist es, wenn Bayern ein Tor kassiert, so schlimm wie für Fans einer anderen Mannschaft, wenn sie verliert; und wenn die Bayern verlieren, ist es, als wären sie abgestiegen.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Ich bin einfach nur begeistert und stolz was für eine hervorragende Mannschaft nun endlich nach 8 Jahren Arbeit vom Bundestrainer Joachim Löw aufgebaut wurde. Wir sind jetzt im Fussball das Maß der Dinge. Gewöhnen wir uns daran. Die anderen Fussballnationen haben längst damit angefangen.

Nun ja, ich gehöre eher zu denen, die vermuten, dass wir eher trotz als wegen Jogi Weltmeister werden. Diese Mannschaft hat ja nicht er aufgebaut, sondern sie hat die letzten Qualifikationen alle dominiert und sich regelmäßig im Turnier unter Wert geschlagen. Das haben halt die meisten Fans nicht vergessern. Diesmal hat er endlich dazugelernt und endlich mal - ab dem Viertelfinale - die Mannschaft so aufgestellt, dass jeder so spielt, wie er es am besten kann.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Wer Erklärungen sucht, sollte die offensichtlichste mal in den Blickwinkel nehmen: vom Torwart über die Verteidigung bis zum Mittelfeld und zum Sturm. Wir haben die meisten Top-Spieler, die beste Moral und etwas was uns lange gefehlt hat.
Da musste erst Thomas Müller kommen und klarmachen warum man an einem Wettkampf teilnimmt: Um zu gewinnen. Nur darum. Wegen nichts anderem.
Das hat unsere Fussball-Nationalmannschaft nun endlich gefressen.

Richtig! Das wäre die Aufgabe von Löw gewesen. Aber jetzt sind alle Spieler trotzdem heiß (sofern man bei Mesut Özil überhaupt von Temperaturen sprechen kann, aber der wird mitgerissen).
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Und deswegen werden wir am Sonntag Weltmeister.
Sag ich doch, wir können uns nur selber schlagen.

Gruß Petz

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Rayson Offline




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10.07.2014 23:37
#17 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Nun spielt unser Team so gut unter Löw wie nie zuvor und worauf wird das zurückgeführt? Auf die Schwäche des Gegners. Es ist zum Haare raufen.
Nein, das ist in diesem Fall unvermeidlich. In einem WM-Halbfinale kann auch das super-duperste Team der Welt nicht mit sechs Toren Unterschied gewinnen, ohne dass der Gegner unglaublich viel falsch gemacht hat. Und Brasilien hat unglaublich viel falsch gemacht.

Übrigens nicht nur in diesem Spiel. Scholl hat nach einer anderen Begegnung alle Trainer der Welt aufgerufen, sich das betreffende Spiel anzuschauen, um zu sehen, wie eine Mannschaft ganz ohne jedes System agiert. Über die Harakiri-Läufe eines David Luiz beispielsweise lachten die Experten schon spätestens nach dem Viertelfinale. Da war einfach bei denen, die sich bewegt haben, nur blinde Leidenschaft. Im Spiel gegen Deutschland haben sie dann versucht, das Fehlen von Neymar und Thiago Silva durch noch mehr blindes Anrennen zu kompensieren, aber einer gut organisierten Mannschaft, wie es die deutsche mittlerweile ist, liefen sie damit nur ins offene Messer.

Wer Details wissen will, findet sie hier: http://spielverlagerung.de/2014/07/09/das-71/

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

hubersn Offline



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11.07.2014 00:30
#18 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #16
sondern sie hat die letzten Qualifikationen alle dominiert und sich regelmäßig im Turnier unter Wert geschlagen.


Oh ja, weit unter Wert. Wer erinnert sich nicht an die beispiellose Serie des Versagens, die 2006 mit der Halbfinalniederlage gegen ganz schwache Italiener (der spätere Weltmeister) begann - dann die haushohe Finalniederlage 2008 gegen die überbewerteten Spanier (0:1), und schließlich 2010 erneut gegen Spanien (der spätere Weltmeister), diesmal gar schon im Halbfinale und wieder haushoch (0:1). Getoppt wurde das natürlich 2012, wo man schon wieder früh (im Halbfinale) gegen eine bekannt schwache Turniermannschaft (Italien) verlor.

Schlimme Negativserie. Wo doch jeder weiß, dass die deutsche Mannschaft vom Wert her der natürliche Sieger jedes Fußballturniers sein muss. Immer.

Gruß
hubersn

Meister Petz Offline




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11.07.2014 00:57
#19 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #18
Schlimme Negativserie. Wo doch jeder weiß, dass die deutsche Mannschaft vom Wert her der natürliche Sieger jedes Fußballturniers sein muss. Immer.

Darum geht es doch gar nicht, sondern lediglich um Erlings Behauptung, dass die Mannschaft sich dank Jogi kontinuierlich verbessert hat. Natürlich kann man gegen die damaligen Italiener und Spanier verlieren. Aber mir hat einfach diese taktische Flexibilität gefehlt, sich jedesmal auf den Gegner einzustellen. Man hat so lange erfolgreich mit dem gleichen Rezepten gespielt, bis man auf einen Gegner getroffen ist, mit dem man nicht zurecht gekommen ist.

Eben weil es innerhalb von Weltklassemannschaften vom Wert her keinen natürlichen Sieger gibt, macht die Taktik und die Einstellung sehr viel aus. Und wenn man vier Titel, die zumindest drin waren, hintereinander nicht gewinnt, ist das keine kontinuierliche Steigerung.

Gruß PEtz

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hubersn Offline



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11.07.2014 02:38
#20 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #19
Zitat von hubersn im Beitrag #18
Schlimme Negativserie. Wo doch jeder weiß, dass die deutsche Mannschaft vom Wert her der natürliche Sieger jedes Fußballturniers sein muss. Immer.

Darum geht es doch gar nicht, sondern lediglich um Erlings Behauptung, dass die Mannschaft sich dank Jogi kontinuierlich verbessert hat.



Also mir ging es überhaupt nicht um Erlings Behauptung (die ich im Übrigen für sehr plausibel halte - man vergleiche z.B. Quali und Vorrunde der EM 2008 gegenüber der WM 2014), sondern um Ihre. Sonst hätte ich Erlings Beitrag gequotet und nicht den Ihren. Und die Behauptung, die deutsche Nationalmannschaft hätte sich unter Löw regelmäßig unter Wert im Turnier geschlagen, halte ich für komplett abwegig. Mit dem Kader von 2008 ins Finale zu kommen halte ich fast schon für heldenhaft.

Zitat

Natürlich kann man gegen die damaligen Italiener und Spanier verlieren. Aber mir hat einfach diese taktische Flexibilität gefehlt, sich jedesmal auf den Gegner einzustellen. Man hat so lange erfolgreich mit dem gleichen Rezepten gespielt, bis man auf einen Gegner getroffen ist, mit dem man nicht zurecht gekommen ist.



Und es gab Ihrer Ansicht nach keine Steigerung zwischen 2006 gegen Argentinien und 2010 gegen Argentinien? Oder 2008 gegen Spanien gegenüber 2010 gegen Spanien?

Tatsächlich sehe ich das 2012er Halbfinale als Knick in der Entwicklung, die seit 2004 kontinuierlich nach oben ging (und ich rechne das durchaus zum Teil Löw zu). Aber aus meiner Sicht war das Spiel gegen Italien eben ein unglücklicher Ausrutscher.

Zitat

Eben weil es innerhalb von Weltklassemannschaften vom Wert her keinen natürlichen Sieger gibt, macht die Taktik und die Einstellung sehr viel aus. Und wenn man vier Titel, die zumindest drin waren, hintereinander nicht gewinnt, ist das keine kontinuierliche Steigerung.



Die Spanier waren halt dreimal hintereinander besser - oder glücklicher. Sowas passiert. Aus singulären Ereignissen einen Trend ableiten zu wollen, halte ich für verwegen. Tatsache ist: nach dem Auf und Ab zwischen 1978 und 2004 ist die Schwankungsbreite deutlich zurückgegangen und hat sich auf höchstem Niveau stabilisiert. Das ist eine großartige Leistung. Und weltweit einzigartig. Es gibt oft große Mannschaften, die für einen kurzen Zeitraum den Weltfußball dominieren - etwa Frankreich mit Zidane oder eben die Spanier die letzten paar Jahre - aber niemand ist so konstant in der Runde der letzten Vier wie Deutschland. Das ist Qualität. Alles weitere ist Glück gepaart mit Zufall.

Gruß
hubersn

Meister Petz Offline




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11.07.2014 08:39
#21 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von hubersn im Beitrag #20
Und es gab Ihrer Ansicht nach keine Steigerung zwischen 2006 gegen Argentinien und 2010 gegen Argentinien? Oder 2008 gegen Spanien gegenüber 2010 gegen Spanien?
Und erst zwischen gegen Portugal 2008 und 2014 ! Wie war das mit den singulären Ereignissen?

Zitat von hubersn im Beitrag #20
Tatsächlich sehe ich das 2012er Halbfinale als Knick in der Entwicklung, die seit 2004 kontinuierlich nach oben ging (und ich rechne das durchaus zum Teil Löw zu). Aber aus meiner Sicht war das Spiel gegen Italien eben ein unglücklicher Ausrutscher.
Von der Qualität der Einzelspieler würde ich sogar zustimmen. Die verläuft übrigens recht parallel zur Entwicklung des deutschen Vereinsfußballs. Seit 2011 stehen die Bayern konstant mindestens im Halbfinale, auch Dortmund und Schalke haben gut gespielt. Jetzt ist die Frage, inwieweit die Entwicklung Löw zuzurechnen ist, oder ob wir einfach jetzt bessere Fußballer haben.

Zitat von hubersn im Beitrag #20
Die Spanier waren halt dreimal hintereinander besser - oder glücklicher. Sowas passiert. Aus singulären Ereignissen einen Trend ableiten zu wollen, halte ich für verwegen. Tatsache ist: nach dem Auf und Ab zwischen 1978 und 2004 ist die Schwankungsbreite deutlich zurückgegangen und hat sich auf höchstem Niveau stabilisiert. Das ist eine großartige Leistung. Und weltweit einzigartig. Es gibt oft große Mannschaften, die für einen kurzen Zeitraum den Weltfußball dominieren - etwa Frankreich mit Zidane oder eben die Spanier die letzten paar Jahre - aber niemand ist so konstant in der Runde der letzten Vier wie Deutschland. Das ist Qualität. Alles weitere ist Glück gepaart mit Zufall.

Ich glaube, wir sind gar nicht so weit auseinander. Ich bin ja auch der Meinung, dass Deutschland auf konstant sehr hohem Niveau spielt, aber was bitte ist dann sooo furchtbar abwegig daran, zu sagen, dass bei eben dieser Qualität kein einziger Titel und nur ein Finaleinzug eine Bilanz unter Wert ist? Rein von den Ergebnissen her?

Gruß Petz

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adder Offline




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11.07.2014 09:24
#22 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #17
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Nun spielt unser Team so gut unter Löw wie nie zuvor und worauf wird das zurückgeführt? Auf die Schwäche des Gegners. Es ist zum Haare raufen.
Nein, das ist in diesem Fall unvermeidlich. In einem WM-Halbfinale kann auch das super-duperste Team der Welt nicht mit sechs Toren Unterschied gewinnen, ohne dass der Gegner unglaublich viel falsch gemacht hat. Und Brasilien hat unglaublich viel falsch gemacht.


Ja. Brasiliens Trainer Scolari wusste, dass die Deutschen keine Schwierigkeiten mit löchrigen Pressingversuchen im Mittelfeld haben, sondern eher mit kompakt stehenden Defensivmannschaften. Dennoch hat er - trotz der Ausfälle von Thiago und Neymar - an dieser Variante festgehalten.

Ganz anders übrigens im zweiten Halbfinale: Argentinien hat verdient gewonnen (auch wenn mir das sehr weh tat), weil es die Niederländer konsequent dorthin gebracht hat. Die Elftal hatte eben auch Probleme mit konsequent defensiven Bollwerken, hätte wahrscheinlich gegen Brasilien ähnlich hoch gewonnen und gegen die deutsche Nationalmannschaft mindestens mithalten können. Aber gegen Argentinien eben nicht. Dazu kam dann noch, dass van Gaal (konsequenterweise und meiner Meinung nach völlig richtig) keine Konter zulassen wollte. Man stelle sich einmal vor, wie extrem das Urteil ausgefallen wäre, hätte die Elftal nach 15 Minuten beim ersten Konter gleich ein Tor von Messi kassiert. Danach hätte man noch offensiver spielen müssen - und noch mehr Tore kassiert.
Ich habe da auch große Bedenken, was "Jogis Jungs" betrifft: läßt Löw offensiv spielen? Eben mit der Gefahr, dass Messi in einem schnellen Konter alles klar macht - oder läßt Löw ebenfalls defensiv spielen und die Stürmer hängen dann wie im Halbfinale NDL-ARG in der Luft.
Das Spiel um Platz drei jedoch dürfte von der Elftal und van Gaal nicht sehr ernst genommen werden. Man hat schon üble Schlagzeilen kassiert, was soll also noch passieren? Außerdem dürfte man auch Rücksicht auf den Gastgeber erwarten. Dass gerade Deutschland, wo doch die ganzen "Krawalle" und "Proteste" medial breit ausgewalzt wurden, dieses nicht beherzigt hat, ist aber eigentlich eine Schande, die nachträglich zur Disqualifizierung führen müsste. Dann könnte man auch gleich Brasilien - Argentinien ansetzen und macht den Gauchos klar, dass sie besser nicht ihre Elfmeter verwandeln.

Meister Petz Offline




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11.07.2014 11:04
#23 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von adder im Beitrag #22
Ich habe da auch große Bedenken, was "Jogis Jungs" betrifft: läßt Löw offensiv spielen? Eben mit der Gefahr, dass Messi in einem schnellen Konter alles klar macht - oder läßt Löw ebenfalls defensiv spielen und die Stürmer hängen dann wie im Halbfinale NDL-ARG in der Luft.

Ich glaube, im Gegensatz zum Hollandspiel, dass ein Gegentor nicht alles klar macht. Das war ja auch die Entwicklung - je länger das Spiel vorangeschritten ist, um so klarer war: Wer den ersten Fehler macht, ist draußen. Die Deutschen haben viel mehr Potenzial, ins Spiel zurückzukommen.
Zitat von adder im Beitrag #22
Das Spiel um Platz drei jedoch dürfte von der Elftal und van Gaal nicht sehr ernst genommen werden. Man hat schon üble Schlagzeilen kassiert, was soll also noch passieren?
Ich habe so den Eindruck, dass die Deutschen meist die einzigen sind, die die goldene Ananas zumindest ein bisschen ernst nehmen.
Zitat von adder im Beitrag #22
Dass gerade Deutschland, wo doch die ganzen "Krawalle" und "Proteste" medial breit ausgewalzt wurden, dieses nicht beherzigt hat, ist aber eigentlich eine Schande, die nachträglich zur Disqualifizierung führen müsste.

Das ist zu kurzsichtig gedacht. Der Sieg war pädagogisch vollkommen richtig. Denn nur durch ein Resultat in dieser Höhe werden die Brasilianer endlich aufwachen. Die durch die beiden Opiate für das Volk - Fußball und Katholizismus - ruhiggestellte Bevölkerung wird nie wieder eine WM anstreben, sondern sich endlich um die Einführung des Dosenpfandes kümmern und aufhören, durch Rindfleischkonsum zum Klimawandel beizutragen.

Gruß Petz

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Kritiker Offline



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11.07.2014 11:12
#24 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #16

Nun ja, ich gehöre eher zu denen, die vermuten, dass wir eher trotz als wegen Jogi Weltmeister werden. Diese Mannschaft hat ja nicht er aufgebaut, sondern sie hat die letzten Qualifikationen alle dominiert und sich regelmäßig im Turnier unter Wert geschlagen.


Sorry, hier muss ich Jogi aber massiv in Schutz nehmen. Kaum ein anderer Fußballtrainer (vielleicht ausgenommen Herberger) hat so viel für den deutschen Fußball getan, wie er.

Ich habe die Spiele der deutschen Mannschaft um die Jahrtausendwende verfolgt und das mit Qualen im Herzen. Sie spielte durchaus phasenweise erfolgreich, aber das deutsche Spiel war unattraktiv und schlecht. Kampf und Krampf war die Devise.
Dann kam Klinsmann, aber mit ihm hielt Jogi bereits fußballerisch die Fäden in der Hand. Was haben wir gestaunt, als wir 2006 sahen, dass die Deutschen tatsächlich auch technisch anspruchsvollen Fußball spielen und kombinieren können. Jogi hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Deutschland anfing, attraktiven und modernen Fußball zu spielen.

2010 waren die alten Hasen aus der Krampf Ärea in Rente oder ausgebootet. Diese Mannschaft hat Jogi aufgebaut und verantwortet. Er hat die jungen, talentierten Männer, wie Müller, Özil, Schweinsteiger, später Götze usw. in die Nationalmannschaft geholt und sehr erfolgreich auf guten Fußball eingestellt. Dass seine Arbeit bislang nicht mit einem Titel belohnt wurde, lag eben daran, dass Spanien kurz vor Deutschland seine goldene Generation hatte und uns bislang immer eine Nase voraus war.

Wenn Jogi jetzt den Titel holt, dann ist das nur die Konsequenz einer sehr erfolgreichen und wirkungsvollen Arbeit. Wer immer irgendwann sein Nachfolger wird, wird es schwer haben, so wie Derwall es nach Schön schwer hatte.

Der Kritiker

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




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11.07.2014 12:27
#25 RE: Aus der Schwalbenperspektive (4): Mythos Neymar Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #15
Ist das ein Phänomen oder eine deutsche Eigenart?
Deutschland galt schon zu Beginn der WM als Favorit - nein, nicht in Deutschland. Aber im Rest der Welt. Und in Brasilien.
Nun spielt unser Team so gut unter Löw wie nie zuvor und worauf wird das zurückgeführt? Auf die Schwäche des Gegners. Es ist zum Haare raufen.
Da auch ich zitiert wurde und mich mißverstanden fühle, wollte ich dazu noch etwas los werden.

Ich bin ein bewunderer der Entwicklung der Deutschen Nationalmanschaft. Abgesehen von Löws taktischen Entscheidungen im Italienspiel 2012 stört mich persönlich auch wenig und ich hielt die Nationalmannschaft neben Brasilien, Argentinien, Spanien und Italien als einen von fünf möglichen Weltmeistern vor Tunierbeginn.
Ich sprach desweiteren von einem disziplinierten und abgeklärten Auftreten der Löw Truppe gegen Brasilien. Sie hat natürlich im Brasilienspiel eine exzellente Leistung gezeigt. Wenn ich aber die Höhe der Niederlage der Brasilianer erklären möchte, kann ich das nicht (alleine) mit der Stärke der Deutschen tun. Alle Finalspiele, seit dem achtel Finale, haben gezeigt wie eng die letzten 16 beisammen sind, was Fitness, taktische Schulung und Willen angeht. Unterschiede liegen vor allem in individueller Qualität. Diese ist aber nicht für 7 Tore gut, da muß es etwas anderes, mehr geben. Meine Erklärung ist, dass Brasilien mangelnde taktische Qualität mit Glück und überzogener Emotionalität und Willen wett machte und damit eine Bruchlandung erlebte und das Spiel läßt daher erst einmal keine Rückschlüsse auf das Finale zu. Dazu ist das Frankreich Spiel, wie auch das Algerien Spiel sehr viel mehr geeignet. (Es gibt eine Grund, dass selbst vor 60 Jahren, als es riesige taktische und körperliche Unterschiede zwischen den Manschaften gab, Halbfinals immer enger waren als dieses)

Ich fand, nach einer ersten Halbzeit mit Unsicherheit und Nervosität hat die Löw Truppe in der zweiten Halbzeit gegen Algerien sehr stark gespielt, kaum Chancen zugelassen und selbst viele kreiert. Sie hat es dabei geschafft sich selbst aus einer Drucksituation zu befreien, in der Folge einen taktisch disziplinierten, leidenschaftlichen Gegner niederzuringen und diesen am Ende (bei allem Zittern) chancenlos gelassen. Alleine den Mut zu besitzen, so offensiv gegen eine so tief stehenden Gegner mit solchen Konterqualitäten zu spielen, drückt schon Klasse aus in meinen Augen. Bei den hochgelobten Belgiern sah das zum Beispiel anders aus.

Unter Vermeidung der begangenen Fehler, wurde sie gegen Frankreich nochmals stärker. Mit taktischer Disziplin, Engagement und individueller Klasse wurde ein sehr starker Gegner weitgehend ausgeschaltet und man hat überzeugend gewonnen. Und das bei sehr widrigen Bedingungen, die mit einer Verlängerung in den Knochen angegangen werden mußten.

Beide Spiele waren großartig für mich, weil die Deutsche Mannschaft bewiesen hat die Qualität zu besitzen Finalspiele zu dominieren und letztendlich gegen starke, disziplinierte Gegner zu gewinnen. Aus dem Brasilien Spiel könnte ich diesen Schluß nicht ziehen.

Gegen Argentinien erwarte ich ein Spiel ähnlich wie gegen Algerien, nur dass die Argentinier noch stärker in der Defensive sind und in der Offensive deutlich gefährlicher. Ich halte die Deutsche Mannschaft für besser was die individuelle Qualität und ihr Kombinationsspiel betrifft. Ich halte sie für gleichwertig, was Wille und taktische Disziplin betrifft. Wenn man eine "Best of Seven Serie" spielen würden, bin ich ziemlich sicher, dass Deutschland Weltmeister würde. In einem einzigen Spiel aber ist alles möglich, wenn auch mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten.

Wenn ich trotzdem knapp 1:0 für Deutschland tippe, dann nicht wegen der rauschenden Nacht gegen Brasilien, sondern wegen der überragenden Leistung gegen Frankreich und den Fähigkeiten, welche gegen Algerien deutlich wurden und weil ich die Hoffnung habe, dass aus dem Brasilienspiel keine Schlüsse für das Argentinienspiel gezogen werden. Löw hat meiner Meinung nach großen Anteil an alldem. Ein guter Trainer war er schon immer und er hat (seit der EM 2012) bisher gezeigt, dass er auch noch dazulernen kann.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

p.s:
Ich finde übrigens bezeichnend, dass das Fehlen eines Marco Reus, den ich von der individuellen Klasse nicht hinter Neymar sehe, überhaupt nicht thematisiert wird. Wie Offensivstark muß eine Mannschaft sein, wo das nicht thematisiert wird? -- Auch wenn sie derzeit mit Reus noch deutlich stärker wäre.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

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