Zitat von dirk im Beitrag #25Ein Politiker - aber - sollte und muss die andere Perspektive einnehmen. Und in dieser ist es - wie RA sagt - nicht korrekt zu behaupten die Krise sei durch den Euro verursacht worden oder gar man "rette" den Euro.
Sorry. aber ich würde auch da widersprechen. Erstens wäre, selbst wenn ich es nicht täte, die Einführung des Euro natürlich auch ein Grund, wenn danach die Politik in einem Maße hätte handeln müssen, das von ihr infolge der Systemlogik einer westlichen Demokratie nicht erwartet werden konnte. Und zweitens wüsste ich nicht, was die Politik gegen die blaseninduzierenden und künstliche Nachfrage erzeugenden Kapitalströme infolge der Euro-Einführung hätte tun sollen: http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktu...ft3/05_sinn.pdf
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Meister Petz im Beitrag #13Hätte man in der BRD eine derart motivierte Überlegung 1989/90 geführt, hätte es keine Deutsche Einheit gegeben.
Ich misstraue allen Berechnungen, die die Wiedervereinigung betreffen und wie teuer sie doch für Westdeutschland gewesen wäre. Sie war es nur auf den ersten Blick, schaut man richtig hin, waren viele "westdeutsche Gelder" von ostdeutschen Arbeitnehmern erwirtschaftet worden, die nach 1990 in die alten Bundesländer gingen. Es waren über eine Million Menschen bis 1994. Danach gingen ganze Abiturjahrgänge Jahr für Jahr in die alten Länder.
Ich finde es auch unverschämt, wie man ostdeutschen Rentnern vorwirft, sie hätten "nie eingezahlt". Wir haben einen Generationenvertrag. Man möge doch den ostdeutschen Arbeitnehmern erklären, warum sie einzahlen sollen, wenn ihre Eltern im Rentenalter nichts davon haben.
Die Probleme der 90er und 200er Jahre rührten meines Erachtens auch nicht von der Wiedervereinigung, sondern vom Reformunwillen der westdeutschen Gesellschaft, der sich schon in den 80ern anbahnte.
Zitat von dirk im Beitrag #25Ein Politiker - aber - sollte und muss die andere Perspektive einnehmen. Und in dieser ist es - wie RA sagt - nicht korrekt zu behaupten die Krise sei durch den Euro verursacht worden oder gar man "rette" den Euro.
Sorry. aber ich würde auch da widersprechen. Erstens wäre, selbst wenn ich es nicht täte, die Einführung des Euro natürlich auch ein Grund, wenn danach die Politik in einem Maße hätte handeln müssen, das von ihr infolge der Systemlogik einer westlichen Demokratie nicht erwartet werden konnte. Und zweitens wüsste ich nicht, was die Politik gegen die blaseninduzierenden und künstliche Nachfrage erzeugenden Kapitalströme infolge der Euro-Einführung hätte tun sollen: http://www.badw.de/aktuell/akademie_aktu...ft3/05_sinn.pdf
Sehe ich wie gesagt anders. Politiker koennen schlecht sagen "Wenn man weiss, dass wir jede Gelegenheit nutzen, um die Verschuldung in die Höhe zu treiben und Vertraege brechen, dann war die Entwicklung unvermeidlich. Also haben nicht wir die Verantwortung für unser Handeln, sondern diejenigen, die uns das ermöglicht haben".
Die Kapitalstroeme innerhab des Eurogebietes erklären vielleicht einen Teil der schwachen Konjunktur in den Peripheriestaaten*, nicht aber die Solvenzprobleme einiger Staaten. Nicht die Griechenlands, nicht die von Italien. Vielleicht ein bisschen die der Spanier (indirekt über die Übernahme von Garantien für die Banken)
* wobei auch bekannt war, dass die gemeinsame Währung erfordert, dass Unterschiede langwieriger über Preise statt Wechselkurse angeglichen werden muessen- und man enstprechende Vorkehrungen haette treffen muessen, um dies zu erleichtern (e.g. flexiblere Arbeitsmaerkte). Ich beispielsweise habe in der 10ten oder 11ten Klasse in einer Klausur genau das beschrieben (muss so um 1999 gewesen sein) allerdings war mein Sorgenkind eher Deutschland mit den Gewerkschaftsfoderungen von 6.5% mehr Lohn; 35 Stunden Woche... Dass die südländischen Pendants noch schlimmer sind, hatte ich damals nicht auf dem Schirm. Und heute weiss ich, dass so gut wie jeder amerikanische Ökonom es exakt genauso sah.
Zitat von dirk im Beitrag #28wobei auch bekannt war, dass die gemeinsame Währung erfordert, dass Unterschiede langwieriger über Preise statt Wechselkurse angeglichen werden muessen- und man enstprechende Vorkehrungen haette treffen muessen, um dies zu erleichtern (e.g. flexiblere Arbeitsmaerkte)
Und das, wo sich praktisch die gesamte Ökonomie darüber einig ist, dass Löhne "sticky" sind. Ich halte das für zumindest fahrlässig.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von dirk im Beitrag #28Die Kapitalstroeme innerhab des Eurogebietes erklären vielleicht einen Teil der schwachen Konjunktur in den Peripheriestaaten*, nicht aber die Solvenzprobleme einiger Staaten.
Sie erklären vor allem zunächst mal die gute Konjunktur in den Peripheriestaaten, und warum die dann zu einer erheblichen Verschuldung im Ausland geführt hat. In wessen Bilanz sich die Verschuldung dann niederschlägt, ist erst die zweite Frage.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zumindest militärisch gibt es ein paar interessante Punkte:
Zitat The pro-independence Scottish National Party (SNP) has created a Defence White Paper detailing its “demands” on the British Armed Forces should the independence vote be successful. These include handing over one of Britain’s only two Typhoon fighter squadrons, 10% of Britain’s rapidly dwindling surface fleet, and 3 of the British Army’s 36 infantry battalions.
Und einen gewichtigen:
Zitat These losses may seem small, but an independent Scotland would also demand the removal of Britain’s Trident nuclear ballistic missile submarines (SSBN's) and their associated support units from the longtime British submarine/nuclear weapons bases at Faslane and Coulport.
Und auch nicht ganz unwichtig:
Zitat Furthermore, companies like BAE systems, Thales, and Babcock have discussed leaving Scotland entirely if independence is approved. This change will take thousands of defence jobs away from the would-be new state and cripple its economic output from the start.
Zitat von Florian im Beitrag #17Was passiert eigentlich mit den britischen Staatsschulden nach einer Sezession Schottlands?
Die werden im Verhältnis der Größe der Nachfolgestaaten aufgeteilt (d.h. Schottland nimmt ungefähr 10%). Das ist bei Sezessionen ein durch zahlreiche Präzedenzfälle so eingespieltes Verfahren, daß man es schon fast als völkerrechtliches Prinzip bezeichnen kann. Sollte Schottland diese faire und naheliegende Lösung in den Verhandlungen verweigern, könnte London a) seine Zustimmung zur Unabhängigkeit generell zurücknehmen und b) wäre der neue Staat im internationalen Finanzsystem ein Paria.
Mit anderen Worten: Es ist eigentlich undenkbar, daß Schottland sich hier verweigern kann.
Salmonds Suggestion, Schottland könnte die britischen Schulden loswerden, ist m. E. neben dem Pfund-Versprechen ein weiterer Beleg, daß dieser Mann ein ganz skrupelloser Populist ist. Keine Frage, daß Politiker bei Wahlversprechen oft genug den Mund zu voll nehmen. Aber bei zentralen Fragen so krass zu lügen, das ist unseriös.
Es gibt aber noch einen anderen interessanten Aspekt mit wirtschaftlichen Konsequenzen ...
Zitat von Florian im Beitrag #17Was passiert eigentlich mit den britischen Staatsschulden nach einer Sezession Schottlands?
Die werden im Verhältnis der Größe der Nachfolgestaaten aufgeteilt (d.h. Schottland nimmt ungefähr 10%). Das ist bei Sezessionen ein durch zahlreiche Präzedenzfälle so eingespieltes Verfahren, daß man es schon fast als völkerrechtliches Prinzip bezeichnen kann. Sollte Schottland diese faire und naheliegende Lösung in den Verhandlungen verweigern, könnte London a) seine Zustimmung zur Unabhängigkeit generell zurücknehmen und b) wäre der neue Staat im internationalen Finanzsystem ein Paria.
Ich habe über diese Frage auch noch einmal nachgedacht.
die Gefahr "b) Paria im internationalen Finanzsystem" sehe ich nicht so dramatisch. Schottland macht ja keinen "offiziellen" Default, wenn es Schulden (die es ja selbst nie eingegangen ist) nicht übernimmt. Und die faktische Kreditwürdigkeit Schottlands würde sich durch dieses Manöver ja sogar verbessern: ein westliches, komplett schuldenfreies Land mit großen Ölvorkommen ist ja geradezu ein Traum für jeden Anleger.
Aber das ist eigentlich egal, weil Ihr Argument "a)" natürlich 100% sticht. Und es geht ja noch nicht einmal um die englische Drohung, das Unabhängigkeitsversprechen einfach zurück zu nehmen. Sondern ganz allgemein um das Ungleichgewicht in der Sezessionsverhandlung: Schottland will sehr viele Dinge von England, England will fast nichts von Schottland.
Schottland braucht z.B. eine Lösung für die schottischen Rentenbezieher im britischen Renten-System. Schottland braucht Englands Good will bei den Verhandlungen zu einem EU- und Nato-Beitritt. (Einen Automatismus wird es dafür nicht geben. Dafür wird schon allein Spanien sorgen. Und neue EU-Mitglieder benötigen einstimmige Zustimmung aller bestehenden Mitglieder. Also auch die Zustimmung von rUK). Schottland braucht Englands konstruktive Zusammenarbeit bei tausenden von Auseinandersetzungsdetails. (Zum Beispiel ist Großbritannien nicht Teil des Schengen-Raums. Selbst wenn Schottland EU-Mitglied werden sollte, gäbe es daher zwischen England und Schottland auf jeden Fall erst einmal eine "echte" Grenze mit Schlagbaum. Diese Situation wäre für Schottland wesentlich problematischer als für England. Denn für Schottland ist England der entscheidende Nachbar. Für England ist Schottland ziemlich unwichtig).
Umgekehrt hat Schottland nur sehr wenig, was England will. Und die wenigen Dinge, die England ernsthaft von Schottland braucht, will Schottland ja bewusst nicht anbieten - etwa ist das Entfernen der britischen Atom-U-Boote aus schottischen Stützpunkten ja ein wesentliches Argument des "Yes-Camps".
Bei all diesen Verhandlungspunkten muss man bedenken, dass die englischen Politiker - nachdem Schottland sich unabhängig erklärt hat - keinen Grund mehr haben werden, Schottland mit Samthandschuhen anzufassen. Und auch die englischen Wähler werden womöglich etwas verbittert sein und von ihren Politikern harte Positionen fordern.
Schottland hat also eine recht schwache Verhandlungsposition: es will vieles von den Engländern und hat diesen wenig zu bieten. Es wird es sich daher nicht leisten können, sich bei den Staatsschulden bockig zu stellen.
(Alle Zitate aus Alexander Menden, "Im Rock der Natur - Das Schottentum und seine Symbolik: Wie man eine Nation schafft, indem man sie in Karos hüllt". SZ, 15.9.2014; der Artikel steht nicht online; folglich sind Langzitate nachgerade Pflicht [det iss nu Dialektik ].)
Zitat"Im Deutschland müssen die Schotten als unbelastete Ersatzgermanen dienen."
Darin liegt natürlich eine gepfefferte Ironie (oder was immer die-da-oben zum Würzen nehmen): "Schottisch-sein" ist ja, als Folklore, zumeist aufs Quäksackpfeifen, Tragen von erfundenen Karos in Schlammfarben, Robert Burns-falsch-Aufsagen & das Umsichwerfen mit Baumstubben beschränkt. Die "schottische Aufklärung" - eben Watts-Hume-Smith + diverse andere (Adam Ferguson ganz oben) war ja das pfeilgerade Gegenteil: der Versuch, nach der Niederlage von Culloden den Engländern mit den Mitteln von Aufklärung, Wissenschaft, Bildung & technischer Innovation gleichzuziehen. Edinburgh war damals 1 Provinznest von 30.000 Einwohnern & 2 befestigten Straßen; 20 Jahre später war der Ruf gleichauf mit Oxbridge oder Paris; der "Scots engineer" war bis Ende des 19. Jhdts. ein Klischee - erst als Schiffsbauer, dann als Eisenbahningenieure, aber eins mit Hintergrund (von daher noch "Beam me up, Scottie!" - mit dem Sükzeh, daß James Doohan den ganzen Rest seiner Schauspielerkarriere mit imitiertem Schottischen Akzent auftreten mußte).
Ironischerweise handelt es sich bei den Ausstaffierungen des Klischeeschotten um spätere Erfindungen, die oft gar nicht von Schotten gemacht wurden.
ZitatDie Kurzversion des Schottenrocks, der philibeg, gilt wie der Tartan, der den Clan des Trägers anzeigt, als uraltes Emblem kaledonischer Identität. In wirklichkeit sind beide Erfindungen des 18. und 19. Jahrhunderts, und sie verdanken ihre Etablierung des Besuch des Hannoveraner Königs [= George IV] im Jahr 1822. ... Für schottische Brauchstumsträger ist es daher schwer erträglich, worauf die wenigen Zeugnisse über die Ursprünge des Schottenrocks hindeuten: Der Kilt, wie wir ihn heute kennen, wurde von einem Engländer erfunden: Thomas Rawlinson, ein Fabrikant aus Lancashire.
ZitatKeiner verkaufte dieses romantische Schottlandbild so erfolgreich. formte es so stark mit und glaubte selbst so fest daran wie Sir Walter Scott ... Scott war 1820 ein Mitbegründer der Celtic Society in Edinburgh ... Ein weiterer Protagonist der Society, Colonel David Stewart of Garth, darf als Vater der modernen Tartantradition gelten. Er kannte die Tartans als Regimentsfarben und erklärte sie rückwirkend zu "unverwechselbaren Mustern verschiedener Clans, Stämme, Familien und Distrikte". die Behauptung, für die er keinen Beweis hatte, legte es in seinem Standardwerk "Skizzen der Charaktere, Bräuche und gegenwärtigen Umstände der Highlander Schottlands" dar. Die weitgehend erfundene Studie lag zahlreichen weiteren Büchern über Clans, Kilts und Tartans zugrunde. Stewarts Buch erschien 1822.
Die Details der Erfindung "schottischer" Traditionen sind übrigens der Fokus von Hugh Trevor-Ropers Aufsatz "The Invention of Traditon: The Highland Tradition of Scotland" (S. 15-42) im Sammelband "The Invention of Traditon", hgg. Eric Hobsbawm & Terence Ranger, Cambridge University Press 1983 - mit dem das Thema dieser nachgeschobenen "uralten Folklore" überhaupt erst zu einem solchen wurde. (Erschienen nb. im selben Jahr, als Trevor-Roper in einem Anfall von Kasino-Historizismus sein ganzes Renomee als Historiker auf die Echtheit von gewissen Tagebüchern verwettete. )
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