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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 88 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.04.2015 15:30
#26 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #25
... Frau Rowlings infantil-hilfloses Geschmier?

Nun mal langsam.
Die Bücher von Rowlings sind keine Weltliteratur (na ja, für den Nobelpreis könnte es trotzdem langen), aber sie sind deutlich besser als der Schnitt an Unterhaltungsliteratur, der über die Ladentische geht.
Und ehrlich gesagt: Kafka mag ja ganz tolles Niveau sein - aber den habe ich nur unter Zwang gelesen.

Zitat
Nachdem sich nun alle auch noch an den Filmen restlos sattgesehen haben, perlt das ab und auch die Jugend wird wieder etwas Besseres lesen, sobald es daherkommt.


Jugendliche lesen fast nie Kafka oder Borges. Und bei der Jugendliteratur ist Rowlings ziemlich Oberklasse.
Insbesondere hat sie es geschafft, daß Millionen Jugendliche überhaupt wieder Bücher lesen, und dann auch noch richtig dicke.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

14.04.2015 15:31
#27 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #25
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #24
Und seit Harry Potter herrscht tabula rasa.

Holla. Ist die Nennung in einem Atemzug mit Kafka und Borges nicht viel zu viel der Ehre für Frau Rowlings infantil-hilfloses Geschmier?

Ich finde die Nennung von Borges mit Kafka viel mehr an überschüssiger Ehre, aber da wird's geschmäcklerisch.

Es ist immer schwer, Jugendliteratur und "erwachsene" Literatur qualitativ gegenüberzustellen - deshalb geht zumindest der Vorwurf der Hilflosigkeit am Thema vorbei. Im übrigen ist die Potter-Serie deutlich sicherer durchkomponiert als Grassens Erzählstränge, die so gewaltsam übereinandergelegt werden, dass er ordentlich mit dem Holzhammer draufhauen muss, also handwerklich kann die was.

Was den Vorwurf der Infamie angeht, ist es Ansichtssache. Natürlich bedient sie sich munter bei allem, was ihr in die Finger kommt (man möchte hinzufügen: während Grass sich nur bei seiner Autobiografie bedient). Ich finde, dass sie auch in dieem Punkt durchaus stilsicher vorgeht. Vom Niveau her nicht unbedingt große Literatur (den Anspruch hat sie gar nicht), aber durchaus auf dem Niveau eines Patrick Süskind, der ja für sein Parfum auch alles geklaut hat, was nicht niet- und nagelfest war.
Zitat von Fluminist im Beitrag #25
Nachdem sich nun alle auch noch an den Filmen restlos sattgesehen haben, perlt das ab und auch die Jugend wird wieder etwas Besseres lesen, sobald es daherkommt.

Ich bin fest überzeugt, dass Harry Potter bleibt. Aber mich würde schon mal interessieren, was die Jugend vor Potter gelesen hat, das ihm an Qualität so haushoch überlegen war? Hanni und Nanni?

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

14.04.2015 15:39
#28 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Es ging mir um die Wirkung, die die Leser reihenwiese umhaut, nicht um die Qualität (obschon der Nachweis leicht zu führen wäre, daß JKR einem GG in Sachen Stil, moralischer Komplexität, erzählerischer Raffinesse, Anpielungsreichtum, Vielschichtigkeit des Erzählkosmos & ähnlichen literarisch belanglosen Punkten um Längen voraus ist). Und oben hatte ich ja Ossian erwähnt, der Goethe, Herder & bis zu dem kleinen Korsen eine ganze Generationen als Fanboys hatte. Und Macphersons wolkiges Geblubber ist nun wirklich infantil.

"STAR of descending night! fair is thy light in the west! thou that liftest thy unshorn head from thy cloud: thy steps are stately on thy hill. What dost thou behold in the plain? The stormy winds are laid. The murmur of the torrent comes from afar. Roaring waves climb the distant rock. The flies of evening are on their feeble wings: the hum of their course is in the field. What dost thou behold, fair light? But thou dost smile and depart. The waves come with joy around thee: they bathe thy lovely hair. Farewell, thou silent beam! Let the light of Ossian's soul arise!

Rise, moon! from behind thy clouds. Stars of the night, arise! Lead me, some light, to the place where my love rests from the chase alone! his bow near him, unstrung: his dogs panting around him. But here I must sit alone, by the rock of the mossy stream. The stream and the wind roar aloud. I hear not the voice of my love! Why delays my Salgar, why the chief of the hill, his promise? here is the rock, and here the tree! here is the roaring stream! Thou didst promise with night to be here. Ah! whither is my Salgar gone? With thee, I would fly from my father; with thee, from my brother of pride. Our race have long been foes; we are not foes, O Salgar!"

Das geht 300 Seiten so ohne Unterlaß...

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

14.04.2015 15:54
#29 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Aber mich würde schon mal interessieren, was die Jugend vor Potter gelesen hat, das ihm an Qualität so haushoch überlegen war?


Ein deutscher Pädagoge, so mit Latzhose, würde sagen: Michael Ende. Aber dann nur der späte (Jim Knopf ist bestimmt N***könig). In der wirklichen Realwelt dürfte Terry Pratchett in Frage kommen: die Gesamtauflage wird auf 70 Mio. geschätzt; in den 90ern hieß es des öftern, daß jedes 10. (oder 20.) in England verkaufte Buch von ihm sei. Und die Leserschaft bestand (& besteht) zu einem großen Teil aus dieser Zielgruppe.

Florian Offline



Beiträge: 3.179

14.04.2015 15:58
#30 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Den "Wert" von Literatur zu bestimmen ist natürlich objektiv gar nicht möglich.
(Das ist auch eines der Probleme des Literatur-Nobelpreises: wie will man feststellen, ob ein französischer Roman, ein chinesisches Gedicht oder ein finnisches Drama den Preis am meisten verdient hat? Scheitert ja schon daran, dass kaum ein Preisrichter alle 3 Werke im Original wird lesen können. Und einen objektiven Bewertungsmaßstab gibt es schon gar nicht).

Aber wenn man den "Wert" von Literatur nun par tout doch objektivieren will, dann hätte ich einen Ansatz:

[literarischer Wert] = [Anzahl erreichte Leser] X ["Eindruck" auf den Leser]

"Eindruck" bedeutet:
regt zum Nachdenken an über die Welt oder über sich selbst, verändert den Blick auf die Welt, löst konkrete Handlungen aus.

Nach dieser Formel braucht es für einen hohen literarischen Wert also beides:
einerseits einen starken "Eindruck". Deshalb können irgendwelche Krimis, deren Inhalt man nach ein paar Wochen vergessen hat, keinen hohen literarischen Wert haben.
aber andererseits auch eine große Leserschaft. Ein noch so geniales Gedicht, dass keiner liest, hat demnach eben auch keinen hohen literarischen Wert.

Und nach dieser Formel ergibt sich für Frau Rowlings ein relativ hoher literarischer Wert:
Mag schon sein, dass der "Eindruck" beim einzelnen Leser keinen Spitzenwert erreicht. Aber ganz gering ist er eben auch nicht.
Aber dieser mittelgroße "Eindruck" wird hier multipliziert mit vielen Millionen Lesern.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

14.04.2015 15:59
#31 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Was den Vorwurf der Infamie angeht, ...
?????
Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
... aber durchaus auf dem Niveau eines Patrick Süskind, der ja für sein Parfum auch alles geklaut hat, was nicht niet- und nagelfest war.

Von der Behandlung von Quellen (die hier wohl das tertium comparationis sein soll) abgesehen, sehe ich nicht im geringsten, inwiefern Rowling und Süskind in derselben Liga spielen sollen. "Das Parfum" ist großartige Literatur, das durch Sprachkunst suggerierte Eintauchen in eine durch den Duftsinn wahrgenommene Welt perfekt und wohl ziemlich einzigartig. (Der reißerische Untertitel "Geschichte eines Mörders" hat vielleicht viel zur weiten Verbreitung des Buchs in mehrere Marktsegmente beigetragen, wird aber in seiner klischeehaften Plattheit dem Inhalt und der Qualität des Buchs nicht gerecht. Er hat mich lange davon abgehalten, das Buch zu lesen, weil er verschleiert, wie gut es wirklich ist.)
Die Produkte von Rowling sind bestenfalls unterhaltsame Kinderbücher. Ihre Disneyfizierung von allem, was in Mythologie und Okkultismus Rang und Namen hat, nehme ich ihr besonders übel.

Sicher, ansprechender als Grass ist sie allemal, aber das ist wirklich nicht so schwer.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

14.04.2015 16:18
#32 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #31
Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Was den Vorwurf der Infamie angeht, ...
?????

Oh, Lesefehler. Verzeihung.

Zitat
"Das Parfum" ist großartige Literatur, das durch Sprachkunst suggerierte Eintauchen in eine durch den Duftsinn wahrgenommene Welt perfekt und wohl ziemlich einzigartig.


Ich finde es gefällig, aber völlig eindimensional. Die Figuren sind recht stereotyp. Gutes Unterhaltungswerk, nicht mehr und nicht weniger. Und deshalb muss sich die Rowling vor ihm nicht verstecken. Auch was die Disneyfizierung Frankreichs angeht

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

14.04.2015 16:35
#33 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #25
auch die Jugend wird wieder etwas Besseres lesen, sobald es daherkommt.
Lieber Fluminist.

Unterhaltung sehe ich eher als ein handwerkliches Produkt, welches eine Nachfrage versucht zu befriedigen. Nimmt man alleine die Auflagezahlen, also die Nachfrage als Maß, kann das Produkt Frau Rowlings nicht schlecht sein.

Ich persönlich finde dabei die Stringenz der Handlung, die überaus liebevolle Zeichnung der Charaktere, die handwerklich überzeugenden Spannungsbögen, die Erzählsprache und auch die mitunter bissige Gesellschaftskritik äußerst gelungene Unterhaltung. An was muß man nur denken, wenn man von einem Zaubereiministerium liest, welches Regelwerke biblischen Ausmaßes zu zulässigen Wandstärken von Zauberkesseln erlässt?

Intellektuelle Herausforderung, komplexe Gedankengänge, wie auch das Abtauchen in die Welt der Phantasie und mitunter die Welt der niederen Instinkte oder auch die Überführung dieser Themen ineinander sind unterschiedliche menschliche Grundbedürfnisse. Sie werden über verschiedene Bücher bedient, die auf der einen Seite die Eigenschaft teilen, Literatur zu sein auf der anderen Seite aber völlig verschiedene Produkte sind.
Solche verschiedene Bücher vom Inhalt her zu vergleichen, macht sicherlich keinen Sinn. Sie handwerklich zu vergleichen ist aber sicherlich möglich und da muß sich Rowling meiner Meinung nach nicht verstecken.
Nebenbei bemerkt, bin ich manchmal erstaunt, welche grundlegenden Einsichten man in banaler Unterhaltungsliteratur findet. So beschrieb zum Beispiel ein nicht einmal zwanzigjähriger Autor im Rahmen der Eragon Trilogie (einem Fantasy Werk) die Einsicht, dass auf dem Weg zu einer besseren Welt nicht ein gutes Herz, sondern ein klarer Verstand die wesentliche Voraussetzung ist. Manch große Intellektuelle waren zu dieser Einsicht in einem kompletten Lebenswerk nicht fähig. Genausowenig wie manch großer Intellektueller wohl nie in der Lage sein wird Humor und Verzweiflung zu verstehen, die zu einem fiktiven Regelwerk für Zauberkesselwandstärken führen.

Intellektueller Anspruch macht Literatur weder gut noch schlecht, er kennzeichnet nur welche Art von Bedürfnis der Autor gedachte zu befriedigen. – Und damit ist über die Qualität eben meines Ermessens nichts gesagt.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Tiefseetaucher Offline




Beiträge: 355

14.04.2015 17:43
#34 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Ich empfehle dazu Repotting Harry Potter, gerade auch für jemand, der die Bücher für

Zitat von Fluminist im Beitrag #25

... Frau Rowlings infantil-hilfloses Geschmier
hält.

Political Correctness ist nichts anderes als betreutes Denken.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

14.04.2015 17:47
#35 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #33
Unterhaltung sehe ich eher als ein handwerkliches Produkt, welches eine Nachfrage versucht zu befriedigen. Nimmt man alleine die Auflagezahlen, also die Nachfrage als Maß, kann das Produkt Frau Rowlings nicht schlecht sein.

Sicher, es verkauft sich. Ich finde auch, daß sie mit der Idee* von Hogwarts durchaus etwas Ikonisches, die Phantasie und diverse emotionale Seelenstränge Anregendes geschaffen hat und allein damit ihre Berühmtheit und Einkünfte völlig verdient hat, keine Frage. Aber: das, was sie daraus gemacht hat, die sprachliche Umsetzung (und, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, auch die Geschichte, die sie erzählt) ist, gelinde gesagt, ein bißchen suboptimal.
Und auch die Gesellschaftskritik -
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #33
An was muß man nur denken, wenn man von einem Zaubereiministerium liest, welches Regelwerke biblischen Ausmaßes zu zulässigen Wandstärken von Zauberkesseln erlässt?

- finde ich bei ihr etwas hausbacken. Bei Terry Pratchett (der ja auch nie einen höheren Anspruch erhebt als zu unterhalten) klingt das einfach spritziger.

* Nachtrag: Insofern ist der Vergleich mit Borges nicht verkehrt, bei dem es ja auch immer nur auf den kuriosen Einfall ankommt; nur: er handelt ihn billig auf 2-3 stilistisch ausgefeilten Seiten ab.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

14.04.2015 18:25
#36 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Patrick Süskind, der ja für sein Parfum auch alles geklaut hat, was nicht niet- und nagelfest war.


Wobei es sein könnte, daß die Zahl der Quellen nicht mal soo groß war. Der Hauptbrunnen ist natürlich Alain Corbins Le Miasme et la jonquille (1982, genau richtig als Anregung); für die technischen/handwerklichen Aspekte dann anteilig die d'Alembert'sche Encyclopédie & einige Lokalhistorien aus Grasse & Montpellier. Die Schematik der Figuren ist natürlich Programm. Nur ob das dem Aufbau als Parabel geschuldet ist, sich aus der Reduktion der Wahrnehmung des Protagonisten ergibt, postmoderne Situierung der Figuren in polaren, binär kodierten Signifikationsmatrizen oder einfach dem Stil des Erzählgestus des XVIIIe siècle geschuldet ist, qui sait?

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

14.04.2015 18:43
#37 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #35
- finde ich bei ihr etwas hausbacken. Bei Terry Pratchett (der ja auch nie einen höheren Anspruch erhebt als zu unterhalten) klingt das einfach spritziger.

Was am Ende das Eingeständnis ist, dass es sich um reine Geschmacksfragen handelt, lieber Fluminist.

Shakespeare brauchte mehr als 100 Jahre um am Ende zur Weltliteratur zu gehören, Tolkin wird auch erst 50 Jahre nach seinem Hauptwerk in Klassen gehoben, die man ihm zu Lebzeiten kaum zugesprochen hätte. Mit Rowling wird es am Ende ganz ähnlich sein, es müssen erst diejenigen aussterben, die das ganze so furchtbar infantil sehen (das ist keine Aufforderung. :) ) . Ich betrachte sie nebenbei betrachtet als absolut keine Jugendliteratur, ich kann auch nur hoffen das meine Kinder nicht zu früh damit anfangen, denn spätestens ab dem vierten Band sind das Bücher, die allenfalls für ältere Jugendliche geeignet sind. Der letzte Band ist ein reiner Splatter, der, wenn die Verfilmung nicht so kindgerecht angelegt wäre, mit einem 18er Prädikat hätte versehen werden müssen. Vergleicht man die Bücher von Rowling mit eher klassischer Jugendliteratur, von Enid Blyton bis Michael Ende, dann stellt man fest, dass die Potter Bücher für ein deutlich älteres Publikum geschrieben sind (vielleicht mit Ausnahme von Band eins).

Was mich immer wundert ist mit welcher Arroganz über Autoren sogeschimpfter "Trivialliteratur" gesprochen wird: Die Wirkung auf unsere Gesellschaft, auf unser Denken, unsere Kultur, ist durch Joanna Rowling um Faktoren stärker als durch Kafka und Konsorten. Bei letztgenannten, zu deren Vertreter ja GraSS gehörte, werden dann 100.000 oder 200.000 verkaufte Bücher zu einer Sensation und zur Weltliteratur. Tolkin liegt inzwischen bei über 100 Millionen, Rowling bei mehr als dem Doppelten, und selbst R.R. Martin, der ja sein Hauptwerk noch nicht einmal vollendet hat, liegt schon bei 60 Millionen. Weltliteratur aus Deutschland ? Das ist eine Lachnummer. Was nützen denn hochgeistige Werke, die keiner liest ? Das ist am Ende geistige Selbstbeschäftigung (um kein phonetisch ähnliches Wort zu bemühen) einer selbsternannten geistigen Elite.

Ich für meinen Teil brauch das nicht: Ich finde Kafka unerträglich, finde Hesse totenlangweilig und kann mit GraSS nix anfangen. Harry Potter habe ich zweimal gelesen (und ich bedauere immer noch, dass es nur sieben Bände gibt), ich finde die Bücher von Michael Crichton (viel zu früh gestorben) ziemlich klasse und den Neuromancer von Gibson stellenweise einfach nur genial. Und trotzdem halte ich mich nicht für blöd. Mir erscheint entscheidet welchen Gedanken jemand mit welchen Mitteln zu transportieren sucht. Verklausulierte Sprache, wie in der heutigen "Weltliteratur" verwendet, finde ich dabei mit das schlechteste Mittel überhaupt. Wenn ich daran denke, dass man auf der Schule mit Müll wie dem fliehenden Pferd von Walser oder ähnlichem Murks gequält wurde, weil das ja "Literatur" ist, wird mir heute noch übel.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

14.04.2015 18:48
#38 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von R.A.
Und ehrlich gesagt: Kafka mag ja ganz tolles Niveau sein - aber den habe ich nur unter Zwang gelesen.

Zitat
Nachdem sich nun alle auch noch an den Filmen restlos sattgesehen haben, perlt das ab und auch die Jugend wird wieder etwas Besseres lesen, sobald es daherkommt.


Jugendliche lesen fast nie Kafka oder Borges. Und bei der Jugendliteratur ist Rowlings ziemlich Oberklasse. Insbesondere hat sie es geschafft, daß Millionen Jugendliche überhaupt wieder Bücher lesen, und dann auch noch richtig dicke.



Ich habe in meiner Jugend Kafka gerne gelesen, auch etwas von Grass, und zwar freiwillig. Borges sagt mir hingegen nichts. Der Nachteil, wenn man kein Gymnasium von Innen gesehen hat.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

14.04.2015 19:13
#39 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Was mich immer wundert ist mit welcher Arroganz über Autoren sogeschimpfter "Trivialliteratur" gesprochen wird: Die Wirkung auf unsere Gesellschaft, auf unser Denken, unsere Kultur, ist durch Joanna Rowling um Faktoren stärker als durch Kafka und Konsorten. Bei letztgenannten, zu deren Vertreter ja GraSS gehörte, werden dann 100.000 oder 200.000 verkaufte Bücher zu einer Sensation und zur Weltliteratur. Tolkin liegt inzwischen bei über 100 Millionen, Rowling bei mehr als dem Doppelten, und selbst R.R. Martin, der ja sein Hauptwerk noch nicht einmal vollendet hat, liegt schon bei 60 Millionen. Weltliteratur aus Deutschland ? Das ist eine Lachnummer. Was nützen denn hochgeistige Werke, die keiner liest ? Das ist am Ende geistige Selbstbeschäftigung (um kein phonetisch ähnliches Wort zu bemühen) einer selbsternannten geistigen Elite.

Ich für meinen Teil brauch das nicht: Ich finde Kafka unerträglich, finde Hesse totenlangweilig und kann mit GraSS nix anfangen. Harry Potter habe ich zweimal gelesen (und ich bedauere immer noch, dass es nur sieben Bände gibt), ich finde die Bücher von Michael Crichton (viel zu früh gestorben) ziemlich klasse und den Neuromancer von Gibson stellenweise einfach nur genial. Und trotzdem halte ich mich nicht für blöd. Mir erscheint entscheidet welchen Gedanken jemand mit welchen Mitteln zu transportieren sucht. Verklausulierte Sprache, wie in der heutigen "Weltliteratur" verwendet, finde ich dabei mit das schlechteste Mittel überhaupt. Wenn ich daran denke, dass man auf der Schule mit Müll wie dem fliehenden Pferd von Walser oder ähnlichem Murks gequält wurde, weil das ja "Literatur" ist, wird mir heute noch übel.

Das eine schließt das andere ja nicht aus, lieber Llarian. Ich bin z.B. ein völlig egoistischer Literaturkonsument, d.h. es muss mir gefallen und sonst nix. Von der Unterscheidung zwischen Trivialliteratur und großer Literatur halte ich persönlich auch nicht sehr viel. Es gibt nur gute und schlechte Bücher, und das in jeder "Anspruchskategorie". Das kann man schon in gewisser Hinsicht objektivieren, alerdings nicht unbedingt nach den Kriterien, die die gängige Literaturkritik vorgibt. Da ist natürlich einmal ganz weit vorn das Kriterium "übt Gesellschaftskritik", das mir herzlich egal ist. Auch das Kriterium "stilbildend" ist nicht unbedingt wichtig. Mir fällt aber schon auf, dass mir bei unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Sachen gefallen - der prätentiöse Grass-Stil gefällt mir nicht, den nicht minder prätentiösen Eckhard-Henscheid-Stil finde ich klasse (wahrscheinlich, weil letzterer über Ironie verfügt, Grass nicht). Ich mag Familiensagas von Jeffrey Archer, aber nicht von Rosamunde Pilcher. Ich mag pornöse Literatur von Houellebecq, aber nicht von Philip Roth. U.s.w.

Was die mentale Onanie mittels hochgeistiger Werke angeht, so macht die durchaus Freude. Allerdings darf sie halt nicht zum Selbstzweck verkommen. Vergleiche es mit einem Gebäude: Du kannst eine gotische Kathedrale ob ihrer Kunstfertigkeit bewundern - wohnen musst Du deshalb noch lang nicht drin.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

14.04.2015 19:20
#40 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Zitat von Fluminist im Beitrag #35
- finde ich bei ihr etwas hausbacken. Bei Terry Pratchett (der ja auch nie einen höheren Anspruch erhebt als zu unterhalten) klingt das einfach spritziger.

Was am Ende das Eingeständnis ist, dass es sich um reine Geschmacksfragen handelt, lieber Fluminist.

Stimmt einerseits - aber auf längere Sicht wird sich die Frage stellen, was genau Rowling nun literarisch Neues gebracht hat, in der Sprache, in der Form, in der Konzeption des großangelegten Romanwerks etc.? Die Tatsache, daß es sich um Ausnahme-Bestseller gehandelt hat, die jetzt sehr in die positive Bewertung einfließt, wird dann viel weniger relevant sein als heute. Manche Bücher, die sich im 18., 19. Jahrhundert verkauft haben wie warme Semmeln, sind heute vollkommen unbekannt.
Davon unabhängig kann es natürlich sein, daß ihre Bücher wegen des Unterhaltungswerts immer mal wieder eine Renaissance erleben werden, wie z.B. Jules Verne.
Zitat von Llarian im Beitrag #37
Was mich immer wundert ist mit welcher Arroganz über Autoren sogeschimpfter "Trivialliteratur" gesprochen wird: Die Wirkung auf unsere Gesellschaft, auf unser Denken, unsere Kultur, ist durch Joanna Rowling um Faktoren stärker als durch Kafka und Konsorten. Bei letztgenannten, zu deren Vertreter ja GraSS gehörte, werden dann 100.000 oder 200.000 verkaufte Bücher zu einer Sensation und zur Weltliteratur. Tolkin liegt inzwischen bei über 100 Millionen, Rowling bei mehr als dem Doppelten, und selbst R.R. Martin, der ja sein Hauptwerk noch nicht einmal vollendet hat, liegt schon bei 60 Millionen. Weltliteratur aus Deutschland ? Das ist eine Lachnummer. Was nützen denn hochgeistige Werke, die keiner liest ? Das ist am Ende geistige Selbstbeschäftigung (um kein phonetisch ähnliches Wort zu bemühen) einer selbsternannten geistigen Elite.

Falls ich das mit der Arroganz auf mich beziehen soll: ich habe wohlgemerkt gar nichts gegen unterhaltende Literatur und bin auch kein Stilfetischist, einige der Bücher, die ich am höchsten schätze, sind in relativ schlichtem Stil geschrieben und haben ihre Qualitäten eben woanders. (Ich würde Harry Potter auch nicht als Trivialliteratur bezeichnen, vom schematisch abgenudelten Heftroman ist das Welten entfernt.) Aber es gibt natürlich Unterschiede, die zunächst subjektive Wurzeln haben: wenn ich ein Buch lese und es gut oder hervorragend finde, dann weiß ich im betreffenden Fall auch warum; und dieser subjektive Eindruck hat daher wahrscheinlich auch eine objektivierbare Grundlage. Bei Harry Potter hat es bei mir leider nicht richtig gefunkt.
Zitat von Llarian im Beitrag #37
Wenn ich daran denke, dass man auf der Schule mit Müll wie dem fliehenden Pferd von Walser oder ähnlichem Murks gequält wurde, weil das ja "Literatur" ist, wird mir heute noch übel.

Ich bin froh, daß einem in der Schule nur der Spaß an Literatur verdorben wird, die ohnehin nichts taugt, während man von den guten Büchern nichts erfährt und sich so den Kopf für sie freihält.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

14.04.2015 20:37
#41 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #38
Borges sagt mir hingegen nichts. Der Nachteil, wenn man kein Gymnasium von Innen gesehen hat.


Genau umgekehrt, lieber xanopos. Borges ist kein Schulstoff, gottseidank (außer vielleicht in Argentinien ), er ist nicht mal Generationenstoff. Er lässt sich nicht einmal weiterempfehlen. Den entdeckt ein neugieriger Leser mit Glück irgendwann für sich selbst, durch Zitat, durch Erwähnung, in einer Anthologie & fängt unschuldig an. Der Zündtext ist in vielen Fällen die "Bibliothek von Babel":

Zitat
"Das Universum (das andere die Bibliothek nennen) setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Entlüftungsschächten in der Mitte, die mit sehr niedrigen Geländern eingefaßt sind. Von jedem Sechseck aus kann man die unteren und oberen Stockwerke sehen: ohne ein Ende. Die Anordnung der Galerien ist unwandelbar dieselbe. Zwanzig Bücherregale, fünf breite Regale auf jeder Seite, verdecken alle Seiten außer zweien: ihre Höhe, die sich mit der Höhe des Stockwerks deckt, übertrifft nur wenig die Größe eines normalen Bibliothekars."



Der Text ist ~10 Seiten lang, in einer halben Stunde gelesen, aber danach ist man nicht mehr derselbe. Das Ganze ist doch nur eine einfache Beschreibung einer (imaginären) Bibliothek? Ja. Aber diese Bibliothek enthält jedes Buch, daß es geben kann. Alle. Vollständig. Die Anzahl der Buchstaben ist endlich, die Zahl der Zeilen, auch der Seiten. Jede denkbare Variante ist irgendwo vorhanden, in allen Abwandlungen, Druckfehlen, Auslässen, in allen Sprachen, nicht nur allen wirklichen, sondern allen je möglichen, Band 40 von Harry Potter. Band 40.000. 400.000. In Klingonisch. In Sumerisch. Mit allen denkbaren Ausgängen für alle Idiome.

Und Borges vermitelt eine Ahnung davon, wie groß die Bibliothek sein muß (man kann das recht genau ausrechnen: bei den angegebenen Dimensionen ein Kubus von gut 6.000 Lichtjahren Kantenlänge). Mise en abîme: Die Bibliothek ist völlig ungeordnet; das Leben der Bibliothekare besteht darin, nach Bänden zu forsten, die einen, zwei rätselhafte Fragmente aufweisen: "O Zeit, deine Pyramiden!" Das ist keine Utopie für Bibliophile, sondern die ihnen zugedachte Hölle. (Viele Erzählungen von Borges behandeln übrigens explizit theologische Grundprobleme.) Erzählung? Spekulativer Essay? Denksportaufgabe? Alles zugleich. So wie viele Lithographien von M. C. Escher Illustration mathematischer Paradoxien und Traumlandschaften zugleich sind.

Aber wer auf dieser Wellenlänge funkt, der ist danach für die Grass'sche & Böll'sche "Poetik der Waschküchen" verloren. Es sei denn, es handelt sich um die Waschküche von Flann O'Brien.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

14.04.2015 21:07
#42 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Ich bin fest überzeugt, dass Harry Potter bleibt.


Wir sind noch zu nah dran. Da ist noch zu viel "Bestseller" & noch nicht genug "Longseller" drin. Und die 1. Kategorie wird gern von der Furie des Verschwindens verschnabuliert. Vor 10 Jahren lasen Hinz+Kunz diesen komischen Dan...Dingenskirchen, den mit der Louvrepyramide & finstren Kirchenfälschungen; heute haben sie vergessen, daß sie ihn vergessen haben. (Klerikale MIBs?) Andererseits: In mehreren englischen Rückblicken aus dem Jahr 1960 (u.a. im TLS) auf das Jahrzehnt davor findet sich die erleichterte Feststellung, daß diese "peinlichen Schinken von Professor Tolkien" keinen Leser mehr vom Hocker reißen.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

14.04.2015 22:19
#43 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #42
Zitat von Meister Petz im Beitrag #27
Ich bin fest überzeugt, dass Harry Potter bleibt.


Wir sind noch zu nah dran. Da ist noch zu viel "Bestseller" & noch nicht genug "Longseller" drin.

Ich glaube aber, dass er gute Voraussetzungen hat. Abgesehen davon, dass im kontinentaleuropäischen Bereich Kinder- und Jugendbücher eine geringere Halbwertszeit haben (vergleichbar mit so etwas wie Dr. Seus, Stuart Little oder dem Wizard of Oz). I deutschsprachigen Bereich fällt mir als Dauerklassiker gerade mal Erich Kästner ein, daneben Astrid Lindgren. Und selbst denen gegenüber hat Potter den Vorteil, dass er weniger leicht veraltet.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #42
Vor 10 Jahren lasen Hinz+Kunz diesen komischen Dan...Dingenskirchen, den mit der Louvrepyramide & finstren Kirchenfälschungen; heute haben sie vergessen, daß sie ihn vergessen haben. (Klerikale MIBs?) Andererseits: In mehreren englischen Rückblicken aus dem Jahr 1960 (u.a. im TLS) auf das Jahrzehnt davor findet sich die erleichterte Feststellung, daß diese "peinlichen Schinken von Professor Tolkien" keinen Leser mehr vom Hocker reißen.

Inferno (2013) wurde 13 Mio mal verkauft, das müssen die klerikalen MiB übersehen haben. Was Tolkien angeht, scheint oft der Zeitgeist vergessene Autoren wieder nach oben zu spülen. Oder ein Film, eine Referenz in einem anderen Bestseller - ich bin sicher, dass das Erscheinen von Owen Meany den Blechtrommelabsatz in den USA ordentlich gepusht hat. (Klausurfrage: Begründen Sie literaturgeschichtlich, warum Owen Meany zu den schwächeren Werken von John Irving zählt und gehen Sie dabei insbesondere auf die Protagonisten ein).

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

14.04.2015 23:58
#44 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #40
Ich bin froh, daß einem in der Schule nur der Spaß an Literatur verdorben wird, die ohnehin nichts taugt, während man von den guten Büchern nichts erfährt und sich so den Kopf für sie freihält

Finde ich gar nicht. Mein Lieblingsbeispiel sind "Die Physiker". Ein ebenso amüsantes wie faszinierendes Stück, vor allem in der Klassikerversion mit Therese Giehse (wegen der die ursprünglich als Mann angelegte Nervenärztin eine Geschlechtsumwandlung erfuhr, weil Dürrenmatt sie als ideal für die Rolle betrachtete).

Nun wird dieses Stück aber im Deutschunterricht so sehr mit Technik- und Fortschrittsfeindlichkeit aufgeladen, dass jeder vernünftige und noch nicht gehirngewaschene Schüler zum Schluss kommt, dass der Dürrenmatt ja ein kompletter Ökoheinz ist, und man von ihm besser die Finger lässt.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

adder Offline




Beiträge: 1.073

15.04.2015 06:56
#45 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #43

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #42
In mehreren englischen Rückblicken aus dem Jahr 1960 (u.a. im TLS) auf das Jahrzehnt davor findet sich die erleichterte Feststellung, daß diese "peinlichen Schinken von Professor Tolkien" keinen Leser mehr vom Hocker reißen.

Was Tolkien angeht, scheint oft der Zeitgeist vergessene Autoren wieder nach oben zu spülen. Oder ein Film, eine Referenz in einem anderen Bestseller


Was Tolkien angeht: der Absatz der Bücher war vollkommen unabhängig von den Filmen. Tolkien ist in der Tat ein Longseller, weil seine Geschichten ganz klassisch sind und - sogar trotz der dem Zeitgeist absolut entgegenstehenden Nicht-Genderei - einen Teil der Menschen ansprechen. Tolkien liest man als erstes oder zweites - bevor man sich anderen Werken der High Fantasy widmet und danach dann bei Pratchett, Robert Jordan, Terry Brooks oder George Martin landet. Robert E. Howard (Conan, Kull, Solomon Kane) ist auch so ein Einstiegsautor, diesmal aber in die Sword-and-Sorcery-Fantasy, bei der der Lesezyklus dann über eine Menge zweitklassigem zu Holbein - und natürlich auch wieder zu Pratchett* - geht. Der dritte Einstiegszyklus ist in den letzten Jahren Rowling mit Harry Potter gewesen, sowie die an Rollenspielsystem-Welten gebundenen Buchreihen.
Über meine Frau habe ich dann noch mehr Einstiegswege kennengelernt: sie hat mit der Höhlenweltsaga von Harald Evers begonnen (die nicht nur Fantasy, sondern auch Science Fiction darstellt).

Und natürlich gibt es durch die Verfilmungen neue Leser, die nach den "Büchern zum Film" auch in anderes schnuppern.

*Pratchett ist ja per se keine Fantasy, sondern Fabel und Allegorie, aber trotzdem zieht er reihenweise Leser an, die sich vorher der High Fantasy oder Sword&Sorcery gewidmet hatten - oder beidem - und sich mit dieser Gattung zu langweilen begonnen haben. Denn das ist ja ein Problem in dieser Literaturgattung: die Geschichten, so klassisch sie sein mögen, haben einen gemeinsamen Kern und gemeinsame Wege und es wird repetitiv, wenn man nur genug liest. Und dann kommt da ein Buch daher, in dem alles anders ist...

Genug geschrieben - ich sollte lesen. Pratchett. Vielleicht auch nochmal Tolkien.

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

15.04.2015 07:13
#46 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von adder im Beitrag #45
Was Tolkien angeht: der Absatz der Bücher war vollkommen unabhängig von den Filmen. Tolkien ist in der Tat ein Longseller, weil seine Geschichten ganz klassisch sind und - sogar trotz der dem Zeitgeist absolut entgegenstehenden Nicht-Genderei - einen Teil der Menschen ansprechen. Tolkien liest man als erstes oder zweites - bevor man sich anderen Werken der High Fantasy widmet und danach dann bei Pratchett, Robert Jordan, Terry Brooks oder George Martin landet. Robert E. Howard (Conan, Kull, Solomon Kane) ist auch so ein Einstiegsautor, diesmal aber in die Sword-and-Sorcery-Fantasy, bei der der Lesezyklus dann über eine Menge zweitklassigem zu Holbein - und natürlich auch wieder zu Pratchett* - geht. Der dritte Einstiegszyklus ist in den letzten Jahren Rowling mit Harry Potter gewesen, sowie die an Rollenspielsystem-Welten gebundenen Buchreihen.
Über meine Frau habe ich dann noch mehr Einstiegswege kennengelernt: sie hat mit der Höhlenweltsaga von Harald Evers begonnen (die nicht nur Fantasy, sondern auch Science Fiction darstellt).

Das war missverständlich formuliert - der "vergessene Autor" bezog sich nicht auf Tolkien, sondern auf das was danach kommt.

Und mir fällt sogar noch ein vierter Einstiegsweg ein - nämlich der, dass der Hobbit - nicht zuletzt aufgrund des deutschen Titels "Der kleine Hobbit" - in Deutschland jahrzehntelang als Kinderbuch gegolten hat.

Aber ich glaube trotzdem, dass viele Nichtfantasyfans (vor allem mit 2 X-Chromosomen) "dieser süße Elf" - verkörpert von Orlado Bloom - dazu gebracht hat, die Bücher zu kaufen.

Gruß Petz

Free speech is so last century. (Brendan O'Neill)

xanopos ( gelöscht )
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15.04.2015 09:01
#47 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von adder im Beitrag #45
Was Tolkien angeht: der Absatz der Bücher war vollkommen unabhängig von den Filmen. Tolkien ist in der Tat ein Longseller, weil seine Geschichten ganz klassisch sind und - sogar trotz der dem Zeitgeist absolut entgegenstehenden Nicht-Genderei - einen Teil der Menschen ansprechen. Tolkien liest man als erstes oder zweites - bevor man sich anderen Werken der High Fantasy widmet und danach dann bei Pratchett, Robert Jordan, Terry Brooks oder George Martin landet.
Ich habe neben Tolkien eigentlich nur G.R.R. Martin im Fantasy-Genre gelesen. Und das auch im 15 Jahre Abstand. Fantasy als Genre reiz mich relativ wenig. Ich habe schlichtweg nicht die Zeit um mich durch mehrere tausend Seiten dicken Serien zu lesen. (Und ich verzichte schon aufs Fernsehen und Computerspielen.)
Ach ja Grass: da habe ich die Blechtrommel gelesen, die fand ich stellenweise ziemlich genial, danach nur den Krebsgang, und meine Grass-Begeisterung war dahin.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

15.04.2015 09:33
#48 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #46
... dass der Hobbit - nicht zuletzt aufgrund des deutschen Titels "Der kleine Hobbit" - in Deutschland jahrzehntelang als Kinderbuch gegolten hat.


Nicht zu unrecht - der "The Hobbit - or, There and Back Again" ist ein Kinderbuch. Tolkiens Verleger Unwin hat das seinem 8-jährigen Sohn vorgelegt, weil er selber keine Ader für diese Art von Literatur hatte, & als der begeistert war, hat er das 1938 fürs Weihnachtsgeschäft für die Altersklasse 8-12 J. auf den Markt gebracht. Man merkt das auch an der Diktion, der Figurenzeichnung: das unterscheidet sich nicht sehr von, sagen wir, Michael Ende. Leser, die nach dem Abschluß von LotR da rein schauen, erleiden auch erst mal einen Kulturschock. Natürlich hat JRRT das Material aus der Privatmythologie geschöpft, an der er seit Jahrzehnten bastelte. Die Ringsaga war eigentlich als direkte Fortsetzung dazu gedacht, fürs nächste Jahr, aber dann kann Tolkien der kleine innere Richard Wagner dazwischen & das wurde immer größer & weltrettender. Man merkt das am Auftakt, wo es mit Kindergeburtstag ("hundertelfter") & Bühlbutzenscheibenidylle losgeht. Der Umschlag findet da statt, als Gandalf den Ring ins Feuer wirft & auf der nächtlichen Wanderung die Schwarzen Reiter auftauchen.

Tolkien hat übrigens nie Glück mit seinen Illustratoren gehabt. Die Erstübersetzung des Hobbit ins Schwedische 1962 ist von Tove Jansson bebildert worden (die mit den Mumins, was übrigens wirklich gute Kinderliteratur ist): das hier ist Gollum, in der "Was-hab-ich-in-meiner-Tasche"-Szene.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.04.2015 09:37
#49 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #37
Ich betrachte sie nebenbei betrachtet als absolut keine Jugendliteratur, ich kann auch nur hoffen das meine Kinder nicht zu früh damit anfangen, denn spätestens ab dem vierten Band sind das Bücher, die allenfalls für ältere Jugendliche geeignet sind. ... Vergleicht man die Bücher von Rowling mit eher klassischer Jugendliteratur, von Enid Blyton bis Michael Ende, dann stellt man fest, dass die Potter Bücher für ein deutlich älteres Publikum geschrieben sind (vielleicht mit Ausnahme von Band eins).

M. W. hat Rowlings das auch als altersgerechten Entwicklungsroman konzipiert. Da soll man (als Jugendlicher) nicht alle Bände am Stück lesen, sondern jedes Jahr einen, und damit genau mit den Protagonisten altern und reifen.

Das hat zufällig bei unseren Kindern prima funktioniert. Die ersten drei Bände haben wir noch ziemlich hintereinander vorgelesen, weil die halt schon erschienen waren (die waren aber auch noch dünner). Und dann jedes Jahr den neuen Band, wie er halt rauskam. Genauer gesagt waren sie etwas jünger als jeweils die Romanhelden, aber das ist ja kein Problem - vor allem da Rowlings bei den letzten Bänden etwas länger gebraucht hat.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.04.2015 09:54
#50 RE: Günter Grass (1927-2015) Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #47
Ich habe neben Tolkien eigentlich nur G.R.R. Martin im Fantasy-Genre gelesen.

Lohnt der sich wirklich?
Mich haben die Beschreibungen bisher abgeschreckt: Eine Riesenmenge Text, über viele Jahrhunderte Handlung, mit immens vielen dauernd wechselnden Personen - wird das von der Handlung her nicht etwas beliebig?

Zitat
Fantasy als Genre reiz mich relativ wenig.


Dann darf ich mal zwei meiner Lieblingsempfehlungen loswerden.

Einmal Jack Vance. Ein bewährter und sehr humorvoller Autor eher mit SF-Schwerpunkt, nicht alles große Literatur, aber immer unterhaltsam und lesenswert.
Und dann im Spätwerk die Fantasy-Trilogie "Lyonesse". Nicht das klassische (und banale) Sword&Sorcery, sondern eine sehr gut beschriebene und originelle Welt vor dem Hintergrund vieler bekannter Sagen und Mythen.


Und dann vor allem Andrzej Sapkowski und seine Narrenturm-Trilogie:
Narrenturm, dtv, München 2005, ISBN 978-3-423-24489-3, Narrenturm, 2002
Gottesstreiter, dtv, München 2006, ISBN 978-3-423-24571-5, Boży bojownicy, 2004
Lux perpetua, dtv, München 2007, ISBN 978-3-423-24636-1, Lux perpetua, 2006
Ein historischer Fantasy-Roman! Im Prinzip eine sehr spannende Abenteuergeschichte im Schlesien zur Zeit der Hussitenkriege. Aber SEHR historisch. Soll heißen der Autor beschreibt mit hoher Detailkenntnis die Gesellschaft der damaligen Zeit - aber so, wie sie sich für die Zeitgenossen darstellte. Also mit genau dem Maß an Hexerei und Aberglauben, das damals für real gehalten wurde. Ganz tolle Mischung.

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