Was Sarrazin beschreibt, ist ja ein grundlegendes Paradoxon allen politischen Handelns: das Bedienen und Ertragbarmachen völlig unterschiedlicher, teils sich ausschließender Bedürfnisse. Und daß viele Krisen dann virulent werden, wenn das zu Passivität, Lähmung und völlig kontraproduktiven Handlungen führt (Barbara Tuchman hat das am Beispiel zahlreicher desaströs verlaufender taktischer Entscheidungen für viele Kriege in The Folly of War illustriert, vom Trojanischen Krieg über den hundertjährigen Krieg bis Vietnam).
Augenfällig wird halt, daß das seit gut 2010 nicht mehr die Ausnahme, sondern die Norm zu werden scheint (mit den Entscheidungen der Obama-Regierung in Afghanistan & Irak auch in den USA beginnend), und die auffällige Massierung. Er nennt ja die Flüchtlingskrise, den Grexit und die Energiewende. Insofern könnten die nächsten 2 Wochen durchaus entscheidend für die EU sein: Nicht wegen des Grexits, der letztendlich für den Rest eine quantité négligeable darstellt, sondern als Zeichen, ob man dort überhaupt noch imstande ist, in irgendeiner Weise zu reagieren & der Lage Rechnung zu tragen (von "gestalten" redet schon lange keiner mehr), oder ob man, komme was wolle, nur ein ewiges "weiter so im Programm" hat, bis der Geldspeicher leer ist: Verträge, bei denen man nicht einmal mehr so tut, als würde die jemand ernst nehmen (Dublin III, Minsk I+II), Gesetze, deren schlichte Einhaltung von der Medienkamarilla als Menschenrechtsverletzung beschrieen wird; statt dessen Bohei um sinnfreien Kokolores wie die Klimarettung im Jahr 2100 oder durchgeknallte Matratzenmädchen und eine Haltung, die selbst den Bruch sämtlicher Datengeheimnisse der Regierung nur noch mit einem Achselzucken quittiert.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Den Ausführungen Sarrazins kann ich grundsätzlich zustimmen. Danke lieber n_s_n für den Link.
Zu Griechenland habe ich eine andere Theorie.
Die griechische Regierung handelt aus ihrer Sicht vollkommen richtig. Was will sie? Die Auswirkungen für die Bevölkerung möglichst minimieren. Wenn das nicht möglich ist, dann soll wenigstens der Eindruck erweckt werden, dass ein Anderer - Europa - die Schuld für die Auswirkungen hat.
Ihre Strategie: Möglichst viel an Unterstützung zu erreichen und die notwendigen Sparmaßnahmen für die Bevölkerung vermeiden. Gelingt dies, dann hat die Regierung ihr Ziel, größeren Schaden für die Bevölkerung zu vermeiden, erreicht. Volk und Regierung können sich zufrieden zurück lehnen.
Ist die EU nicht bereit dieses Ziel zu alimentieren, kommt Griechenland nur durch eine eigen Währung und eine Inflation aus der "Schuldenfalle" heraus. Für das Volk ist dann klar, dass an der Inflation, durch die dann alle in Mitleidenschaft gezogen werden und zwar mehr als durch das Sparprogramm, die EU schuld hat. Die Regierung hat gegenüber dem Volk ihr Gesicht gewahrt und kann weiter regieren.
Alle Gläubiger Griechenlands haben jetzt schon Geld verloren und werden durch die Inflation weiter Geld verlieren. Sollen sie aber deshalb gutes Geld dem schlechten weiterhin hinterher werfen. Das Risiko noch mehr Geld zu verlieren ist zu groß. Vielleicht bekommen die EU-Hauptgläubiger dann auch Schwierigkeiten mit den eigenen Wählern?
Zitat von SarrazinKaum ein Bürger kann die Gefahren der Kernkraft oder die Risiken des Klimawandels selbst beurteilen, und die meisten trauen sich das auch gar nicht zu.
Wenn das so wäre, hätten wir schon ein paar Probleme weniger, denn der erste Halbsatz mag stimmen, das Letztere ist eher unwahrscheinlich. Dieses ein ein typischer Widerspruch zwar, der aber dadurch beseitigt wird, dass "politisch" Ahnungslosigkeit keine Rolle spielt, was man hinnehmen muss, denn wenn das eine Rolle spielen sollte, stellt sich die unangenehme Frage: Wer stellt das wie fest? - gar nicht so einfach.
Und außerdem ist das eigentlich ein Plädoyer gegen die Demokratie - wenn man mal die von Sarrazin an anderer Stelle zitierte Weisheit "Wer A sagt muss auch B sagen" zum Tragen kommen lässt.
Zitat von SarrazinAuch die inneren Verbindungen zwischen Geld- und Finanzpolitik und die damit verbundenen Risiken stehen dem allgemeinen Urteil schwerlich offen.
Gerade im Sinne klassischen sozialdemokratischen Denkens, um mal den Begriff von n_s_n (danke übrigens für den Link) zu verwenden, wird 's an dieser Stelle doch arg kritisch. Steht dem allgemeinen Urteil schwerlich offen ……hüstel…..Politik als Privileg für Leute, die sich auskennen? Am Eingang der Politik gewisse Türsteher, die nach dem Abiturzeugnis fragen? Die Massen sind dumm? Zensuswahlrecht gemäß Sach- und Fachkundenachweis? Müsste alles diskutiert werden.....wenn man B sagt - ganz logisch.
Gut, man könnte einwenden, in der guten, alten EsPeDe war immer ein gewisser Mischmasch von Demokratisierung und Paternalismus typisch - auch wieder so 'n Logikmangel. So ähnlich, wie wenn Liberale den Staat bejahen - das geht auch nur mit allerlei Klimmzügen, die die Logik quälen.
Vielleicht liegt 's daran, dass der Begriff der Logik nicht überall passt, schon gar nicht bei politischen Fragen, was Sarrazin mit diesem Satz unter Beweis stellt:
Zitat von SarrazinBei der Flüchtlingspolitik wiederum streiten konkrete Gefühle und abstakte Einsichten miteinander.
- zumal man bei der Frage "Logik, watt is dat eigentlich" eh ins Schwimmen kommt. Regelgeleitetes Schließen ist jedenfalls 'ne Sache für die Studierstube. Da draußen hilft das nicht viel weiter.
Zitat von SarrazinSo bleibt den meisten nur das Vertrauen in die verantwortlichen Politiker. Was aber, wenn diese selbst nicht verstehen, worum es geht, oder sich gerne in Ersatzhandlungen flüchten, statt der Wirklichkeit ins Auge zu schauen?
Tja, das ist das Problem der Elitebildung. Dass auch Armleuchter in die Elite kommen, egal welches Verfahren man bevorzugt, ist kaum vermeidbar. Elite generell vermeiden (Anarchie) funzt auch nicht. Aber weiche Handlungen ersetzen denn eigentlich die Ersatzhandlungen? Vermutlich doch solche, die die Wiederwahl gefährden, im allgemeinen wird von Populismus gesprochen, dem hässlichen Zwillingsbruder der Demokratie, den diese aber anscheinend dulden muss. Isses jetze ein Fluch oder ein Segen, dass Lieschen Müller (m/w) einfach so wählen darf statt sich auf "das Vertrauen in die verantwortlichen Politiker" zu beschränken?
Logik beziehungsweise Weitsicht werden in der Politik nicht nur nicht belohnt, sondern systematisch bestraft. In so weit verhält sich jeder Politiker rational, der eine irrationale Politik verfolgt.
"Hintergrund des Streits ist ein prozentualer Besoldungsabzug, der in eine Versorgungsrücklage fließen soll. So steht es im NRW-Besoldungsgesetz, das sowohl für Landes- als auch für Kommunalbeamte gilt. Während im Land tatsächlich Geld für die späteren Pensionen angelegt wird, geschieht das in den Kommunen schon seit 2008 nicht mehr. Damals führte auch Bonn das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) ein. Seitdem werden für Pensionen nur noch bilanzielle Rückstellungen gebildet. Heißt: Diese Summen - im laufenden Jahr zum Beispiel 25,38 Millionen Euro - reduzieren auf dem Papier das "Eigenkapital" der Stadt. Die Pensionen müssen dann später entweder aus den Einnahmen der Kommune bestritten werden, sofern Bonn jemals wieder einen Überschuss erzielen sollte. Oder sie werden über Kassenkredite, also neue Schulden, finanziert. Obwohl Bonn keine realen Rückstellungen bildet, zieht die Stadt ihren Beamten aufgrund des Landesgesetzes 0,2 Prozent der zuletzt ausgehandelten Tariferhöhung für die "Rücklage" ab."
Ich weiß nicht, was ich zu so einem Wahnsinn noch sagen soll, ohne hier als Kulturpessimist angeprangert zu werden. Den Beamten wird real Geld abgezogen, dieses Geld wird im Haushalt für Konsumausgaben verpulvert und die eigentlich zweckgebundene Rücklage wird durch eine Erhöhung der Schulden "gedeckt".
Und? Gibt es einen Aufstand der Wähler? Einen Aufschrei der Bevölkerung? Es ist ja nicht so, dass solche Vorgänge verheimlicht werden. Ich kann ja auch aus dem GA zitieren und muss nicht auf geheimnisvolle Whistleblower zurückgreifen, um das zu berichten. Das steht alles in der Zeitung. Klar und deutlich. Interessiert aber niemanden.
Wer ist jetzt das Problem? Die Politiker, die genau das tun, was der Wähler will (nämlich die Zukunft verkaufen zu Gunsten heutiger Ausgaben in verschiedenster Form) oder der Wähler, der erstmals in der menschlichen Geschichte ganz offen und unverblümt eine komplette Gesellschaft ausraubt und ausbluten lässt und die zukünftige Generation einen Trümmerhaufen hinterlässt? Und da lasse ich den Hinweis auf frühere Trümmerhaufen nach Kriegen auch nicht gelten... denn die damaligen Generationen haben zwar de facto Trümmerhaufen hinterlassen, aber WOLLTEN das eigentlich nicht.
Die heutige Generation WILL aber das Land ausplündern - mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, dass ihnen zukünftige Generationen egal sind. Da ist es nur konsequent, wenn viele dieser Egoisten auch keine Kinder mehr bekommen.
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Hier ist, mein Lieber, nicht Speakers' Corner. Ihr Recht, sich irgendwo Webspace zu besorgen und dort Ihre Ansichten zu verbreiten, bleibt Ihnen unbenommen. Hier werden Sie das nicht mehr tun.
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