Zitat von Werwohlf im Beitrag #25Denn Gott "einzubauen", wäre, wenn es nicht nur das große Nichtwissen bezeichnen soll, die durch nichts gerechtfertigte Anmaßung, ihn umfassend verstanden zu haben.
Oh-ho: theologiegeschichtlich ist ein großer Teil der (zumeist protestantisch unterfütterten) Theologie des 18. Jahrhunderts & des beginnenden 19. ganz genau damit beschäftigt. Das ist die Reaktion auf den beginnenden Siegeszug des szientistischen Weltmodells, allen voran natürlich Newton. Im Englischen spricht man von "natural theology", von Theologia naturalis. (Die deutsche "natürliche Theologie" meint etwas anderes, weiter Gefasstes, weil sie alle bisherigen philosophischen & logischen Aussagen als Fundament mithineinnimmt.) Da wird versucht, aus der Einrichtung des Erdballs & des Alls die Notwendigkeit eines Schöpfers abzuleiten, weil es eben so sinnreich & paßgenau eingerichtet sei. Das bekannteste Beispiel ist das des schottischen Theologen William Paley von 1802: wenn ich mitten in der freien Wildbahn eine Uhr finde, kann ich daraus das (zumindest frühere) Vorhandensein eines vernunftbegabten Uhrmachers ableiten, weil zufällige rohe Naturkräfte so etwas nicht zustandebekämen. (Richard Dawkins' Titel von 1986, "The Blind Watchmaker", spielt darauf an: die Evolution braucht nämlich keinen Plan & keine Vernunft). Schopenhauer greift genau diesen panglos'schen Aspekt so vehement an, indem er auf die blinde Grausamkeit der Natur abhebt. Und das ist der Hintergrund der bekannten Abekdote um Laplace:
Zitat "Comme le citoyen Laplace présentait au général Bonaparte la première édition de son Exposition du Système du monde, le général lui dit : « Newton a parlé de Dieu dans son livre. J'ai déjà parcouru le vôtre et je n'y ai pas trouvé ce nom une seule fois. À quoi Laplace aurait répondu : « Citoyen premier Consul, je n'ai pas eu besoin de cette hypothèse. »"
Das ist überhaupt zunächst recht überraschend: wo zwischen 1720-1850 die Frage nach der "Vielzahl der bewohnten Welten" auftaucht, ist sie zumeist theologisch fundiert. Begründet wird das über die Analogie. Die Kopernikanische Vermutung gilt (unser Platz im Kosmos ist absolut zufällig; ohne besondere Privilegien); die Planeten sind Welten wie unsre auch; die Sterne Sonnen wie die unsre. Also muss es jede Menge Leben, vor allem vernunftbegabtes im Universum geben. (An der Stelle driftet das dann regelmäßig in enthusiasmiertes Hosiannah ab, u.a. bei Brockes, Wieland, Herder & alle Pluralisten 1820-30). Alles andere ist undenkbar: diese ganze Riesenveranstaltung & dann nur auf diesem Staubkorn der Funke der Vernunft? - das wäre eines Schöpfers schlicht nicht würdig.
Das ist nicht ausgestorben, nur verlagert. In den stärkeren Varianten des Anthropischen Prinzips wird auf die Feinabstimmung, das fine tuning, so ziemlich aller physikalischen Grundkonstanten verwiesen: wenn die Schwerkraft nur ein weniges größer/kleiner wäre, wäre die Erdbahn zu klein, die Sonne zu wenig massereich, die Erde könnte keine Atmosphäre halten; bei der Feinstrukturkonstante reichen sogar theoretische Abweichungen im Bruchteilbereich eines Prozents, um die Bildung komplexer Moleküle zu unterbinden, usf. Das Gegenargument ist zwar schlüssig, ist aber der Klassiker des Flügellahmen: Wir können halt nur in einem Kosmos existieren, der so eingerichtet ist, also müssen a priori diese Voraussetzungen stimmen, mithin bedeutet das nichts, bzw. einen Zirkelschluss. Lee Smolin hat das so ausgeweitet, daß es eine unendliche Zahl (oder so groß, daß es keinen Unterschied macht) an Universen gibt, mit jeweils variierender Grundaustattung, so dass es irgendwannirgendwo zu günstigen Bedingungen für Leben kommen muss: da finden wir uns halt. Es gibt dann auch noch - jetzt richtig wildgeworden - Modelle wie das Finale Anthropische Modell, das voraussetzt, daß das Universum einen Betrachter haben muss, um existieren zu können (das ist, mutatis mutandis, die alte scholastische Lehre*, daß die Dinge ihre fortwährende Existenz der Anwesenheit, bzw. der Aufmerksamkeit Gottes verdanken). Die Konsequenz aus dem FAM ist, daß wir eine absolute Notwendigkeit sind, damit das Universum real wird (Frank Tipler hat daraus den Schluß gezogen, daß es im ganzen Universum nur eine Sorte von Beobachtern geben kann, weil mehrere keinen Sinn mehr hätten & sich ausschließende Versionen der Realität erzeugen würden... Ich fürchte, die konsequente Verfolgung dieses Denkansatzes führt zu einer Schrumpfung des persönlichen Kosmos des Betrachters auf einen kleinen Raum mit guter Polsterung. ) Die Konsequenz aus der Scholastik sind zwei klassische Limericks:
There once was a man who said: "God Must think it exceedingly odd If he finds that this tree Continues to be When there's no one about in the Quad."
Dear Sir, Your astonishment's odd; I am always about in the Quad; And that's why the tree Will continue to be, Since observed by Yours faithfully, God.
* oder, at least, George Berkeley: "to be is to be perceived".
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Werwohlf im Beitrag #25Denn Gott "einzubauen", wäre, wenn es nicht nur das große Nichtwissen bezeichnen soll, die durch nichts gerechtfertigte Anmaßung, ihn umfassend verstanden zu haben.
Oh-ho: theologiegeschichtlich ist ein großer Teil der (zumeist protestantisch unterfütterten) Theologie des 18. Jahrhunderts & des beginnenden 19. ganz genau damit beschäftigt...............
Klar, aber mit der Theologie versaut man sich ja schließlich auch den Glauben , oder?
Denn es geht beim Letzteren ja um existenzielle Fragen, so u.a. und wesentlich um die unabweisbare Tatsache, dass der Mensch sich im allgemeinen mit seinem Tod nicht anfreunden kann.
Was nutzen einem Quantenphysik, Einstein und sonstiger Klimbim wenn man, beispielsweise, voller Verzweiflung ist? Genauso wenig wie spitzfindige Theologismen. Finalistische Fragen ("warum und wohin und woher das Ganze") beantwortet die Wissenschaft eh nicht - obwohl das die eigentlich interessanten sind.
Man könnte also zwischen dem kosmischen und den existenziellen Gott unterscheiden. Den kosmischen vergisst man am besten gleich, weil ohne wesentlichen Belang. Nicht zuletzt heißt es ja auch in Luthers Glaubensbekenntnis, wie man das brav im Konfirmandenunterricht auswendig lernt (nun ja, früher mal) "Ich glaube, dass mich* Gott geschaffen hat….." und dann kommt erst "samt allen Kreaturen" sowie danach erst eine heutzutage etwas komisch erscheinende beispielhafte Aufzählung all des anderen Zeugs da draußen.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #1Da der Verfasser unbestreitbar Bestandteil des Universums ist, aus seiner Materie zusammengebaut und mittendrin befindlich, lässt sich sagen, das Universum habe Mark Twain zitiert: "Rumors of my death have been greatly exaggerated": die Nachricht von meinem Tod ist leicht übertrieben.
Auf einer Berghütte bin ich einem Vertreter der „Big History“ begegnet. Big History betrachtet den Menschen im Ganzen der Naturgeschichte vom Urknall bis zum Ende der Gattung Mensch auf unserem Planeten spätestens mit dem Tod unserer Sonne. Ist also ein wissenschaftlicher Ersatz für ein Weltbild. Der sportliche und redegewandte Herr, mit einem schweigsamen einheimischen Bergführer von der Gletscherwelt zurück beim Abendessen, zeigte sich als redseliger Hobbyphilosoph und der Bergführer zog sich alsbald zurück. Wir tauschten keine Informationen über unsere Berufe. Seine politische Neigung ging Richtung freie Demokraten: „Vielleicht wird sie ja wieder“, die Partei. Er erhob sich aber bald über die Tagespolitik und philosophierte: „Solange es noch diese schöne Welt gibt, geh ich da rauf und schau sie an. Wann wird der Mensch Fauna und Flora so erledigt haben, dass er selber ausstirbt? Andere Arten werden uns noch eine Weile überleben. Der Mensch ist eine kurze Periode. Alles ist Zufall. Einen Sinn hat die Menschheitsgeschichte nicht. Nichts hat eine dauernde Perspektive im Weltall. Aber vielleicht kann die Wissenschaft die Politik beeinflussen und unser Ende noch etwas aufschieben. Sie hat sich doch befreit von den Fesseln, die ihr das Christentum angelegt hatte.“ Er leiste sich den Bergführer, um sicher und gelassen das Schöne hier oben genießen zu können. Und fügte seinen kleinen Wermutstropfen hinzu: „Leider macht meine Lebensgefährtin nicht mit; nur beim Langlauf im Tal.“ Homo sapiens? Ich meine mit dem Fragezeichen nicht diesen liebenswürdigen Gesprächspartner, sondern den Verzicht der ihm verbliebenen Wissenschaft auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #28Homo sapiens? Ich meine mit dem Fragezeichen nicht diesen liebenswürdigen Gesprächspartner, sondern den Verzicht der ihm verbliebenen Wissenschaft auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Daß man auf die Annahme, der Sinn des Lebens sei durch eine äußere Macht vorgegeben, und auf die anschließende Frage, wie und was, verzichtet, bedeutet ja nicht, daß man auf den Sinn des Lebens verzichtet. Ihr Gesprächspartner scheint da gut positioniert zu sein.
Was einem der Zufall so in die Hände spielt... Da kommt die Geschichte also her:
Zitat von Zettels RaumMit Sicherheit wird das "Verdunkeln des Weltalls" nicht in der Weise stattfinden wie in "The Nine Billion Names of God," der bekanntesten Science-Fiction-Erzählung von Arthur C. Clarke aus dem Jahr 1953. In der Geschichte geht es um einen Mönchsorden in einem Hochtal des Himayala, der davon überzeugt ist, daß ihr Daseinszweck (und der des gesamten Menschheit) darin besteht, alle Namen des Höchsten Wesens, des unbekannten Schöpfers, zu artikulieren, in schriftlicher Form zu fixieren; wenn alle denkbaren Kombinationen aller Lettern des Alphabets zu Papier gebracht werden, müssen auch alle diese Namen darunter sein. (Mithin handelt es sich hierbei um eine Unterabteilung der Universalbibliothek von Jorge Luis Borges, die sämtliche möglichen Bücher umfasst.)
Eins der abschäftigsten & zugleich trivialsten Geduldsspiele ist das der "Türme von Hanoi", bei denen Scheiben unterschiedlicher Größe, konisch gestapelt, von einer vertikalen Achse auf eine andere umgeschichtet werden, ohne daß eine größere Scheibe auf einer kleineren plaziert werden darf. Zum Ursprung merkt Wikipedia an:
Zitat Vermutlich wurde das Spiel 1883 vom französischen Mathematiker Édouard Lucas erfunden – deshalb auch manchmal Lucas-Türme (engl. Lucas Tower) genannt. Er dachte sich dazu die Geschichte aus, dass indische Mönche im großen Tempel zu Benares, im Mittelpunkt der Welt, einen Turm aus 64 goldenen Scheiben versetzen müssten, und wenn ihnen das gelungen sei, wäre das Ende der Welt gekommen.
"N. Claus de Siam a vu, dans ses voyages pour la publication des écrits de l'illustre Fer-Fer-Tam-Tam, dans le grand temple de Bénarès, au-dessous du dôme qui marque le centre du monde, trois aiguilles de diamant, plantées dans une dalle d'airain, hautes d'une coudée et grosses comme le corps d'une abeille. Sur une de ces aiguilles, Dieu enfila au commencement des siècles, 64 disques d'or pur, le plus large reposant sur l'airain, et les autres, de plus en plus étroits, superposés jusqu'au sommet. C'est la tour sacrée du Brahmâ. Nuit et jour, les prêtres se succèdent sur les marches de l'autel, occupés à transporter la tour de la première aiguille sur la troisième, sans s'écarter des règles fixes que nous venons d'indiquer, et qui ont été imposées par Brahma. Quand tout sera fini, la tour et les brahmes tomberont, et ce sera la fin des mondes!" ("Les brahmes tombent", Édouard Lucas, Récréations mathématiques, III, 1892, S. 58-59.)
Bei der "Kuppel, die den Mittelpunkt der Welt markiert", also dem Omphalos entspricht, über dem die Pythia ihre Weissagungen tätigt, handelt es sich um ein fernes Echo der Kuppel von Arin (oder Arym) aus der mittelalterlichen islamischen Überlieferung. Aber das ist wieder ein ganz anderes Faß.
Um den lästigen Formelkram abzukürzen: für die 64 Scheiben von Benares lautet die Lösung (mit dem Eichmaß von 1 Zug/Sek.):
Zitat A Tower of Hanoi consisting of 20 disks will take 12 days to complete, while 25 disks will take more than 1 year, and 40 disks will take approximately 34,000 years. Calculating the time needed for 64 disks, it will take more than 584.9 billion years, which is longer than the history of our known universe (approximately 13.8 billion years).
Hier eine Animation für bis zu 40 Scheiben & 3-16 Säulen. Beim Zeitfaktor "10" & höherer Scheibenzahl wird nachvollziehbar, warum den Olympischen das als Sisyphuslohn sicher gefallen würde: http://towersofhanoi.info/Animate.aspx
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
die Erde ist kein Stern. Das Auseinanderweichen bezieht sich auf Sterne mit ihrer Entourage.
Daß unser Sonnensystem verschwindet, steht fest; irgendwann bleibt nur ein schwarzes Loch, wobei diese Bezeichnung daher rührt, daß die gesamte Materie unseres Sonnensystems auf Fußballgröße zusammengepackt ist, die wegen der immensen Gravitationkraft, die von diesem Fußball ausgeht, alles ankommende Licht auffrißt.
Theologen reden wohl nicht gerne darüber, weil das die Idee eines Gottes zur Lachnummer macht.
Zitat von Peter Zeller im Beitrag #31Theologen reden wohl nicht gerne darüber, weil das die Idee eines Gottes zur Lachnummer macht.
Es ist mir immer wieder ein Rätsel, weshalb manche Atheisten ihren Glauben (sic!) an die Nichtexistenz Gottes in einer solch fundamentalistischen (sic!) Art und Weise vortragen und Andersgläubige (sic!) derart angehen wie man es sonst bestenfalls noch von konservativen oder radikalen Moslems gewohnt ist (nicht mal jedoch von Scientology oder Evangelikalen).
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
die Erde ist kein Stern. Das Auseinanderweichen bezieht sich auf Sterne mit ihrer Entourage.
Selbst die Expansion unseres Universums - ob nun beschleunigt oder gleichbleibend (wie im alten Modell, seit Edwin Hubble 1929 die Rotverschiebung des "Weltinseln", der Galaxien, entdeckte) - betrifft unsere kosmische Nachbarschaft nicht. Alles, was sich in der "lokalen Gruppe", also bis in einer Entfernung von ~40.000.000 Lichtjahren, befindet, ist gravitationell gebunden & nimmt nicht an diesem Marathon teil. Das hat stattdessen, im Lauf der Äonen, die Tendenz, miteinander zu verschmelzen - am spektakulärsten sicher, wenn die beiden größten Mitglieder dieses Galaxienhaufens, der Andromedanebel & die Milchstraße, in rund 4,5 Milliarden Jahren, zusammmenrauschen. (Spektakulär nicht wg. etwaiger Sternkollisionen - zwischen den Sternen ist mehr als genug Platz - sondern weil die resultierende Verquirlung der Gase in den Spiralarmen zu einer gewaltigen Welle der Sternentstehung führen wird, von denen die massereichen, >10 Sonnenmassen, nach 50 bis 100 Millionen Jahren reihenweise als Supernovae enden werden.)
Zitat Daß unser Sonnensystem verschwindet, steht fest; irgendwann bleibt nur ein schwarzes Loch, wobei diese Bezeichnung daher rührt, daß die gesamte Materie unseres Sonnensystems auf Fußballgröße zusammengepackt ist, die wegen der immensen Gravitationkraft, die von diesem Fußball ausgeht, alles ankommende Licht auffrißt.
Eher nicht. Die Chandrasekhar-Grenze, oberhalb der ein Stern als Supernova endet, liegt bei gut 3,5 Sonnenmassen; erst wenn ein explodierender Stern >8 Sonnenmassen hat, ist der übrigbleibende Kern schwer genug, daß die kollabierende Materie die Neutronenabstoßung überwindet & zu einer Singularität, also einem Schwarzen Loch, kollabiert. Ansonsten bleibt davon ein Neutronenstern - in der Regel mit einem Durchmesser von 10-20 km & etwa der Masse, die die Sonne heute hat (der Rest wird "nach außen geblasen"). In solchen Explosionen entstehen sämtliche Atome im Universum, die schwerer als Eisen (das letzte Endprodukt der stellaren Fusionskaskaden) sind. Wenn Sie also Ihrer Liebsten einen Goldring schenken - oder, für Prosaiker, Gardinenschnüre mit Blei beschweren - dann ist das Materie, die nicht nur Sternenasche ist (wie alle Materie, die schwerer als Helium ist), sondern im Moment einer solchen Sternexplosion erzeugt worden ist.
Unsere Sonne wird, in ~5 Mrd. Jahren, stattdessen als schwarzer Zwergstern enden, nachdem sie etwa eine halbe Milliarde Jahre vorher zum Roten Riesen geworden ist. Dabei wird sie sich bis auf Erdbahngröße ausdehnen. Ob die Erde dabei "verschluckt" wird, ist eine der unsicheren Fragen, die die mathematischen Modelle der stellaren Evolution aufwerfen. Wenn man annimmt, daß die Sonne im Vorlauf zu diesem Stadium, besonders nach dem "helium flash", dem Einsetzern der Heliumfusion im Sternzentrum, über verstärkte Sonnenwinde ein gutes Drittel ihrer Masse verliert, weitet sich der Erdorbit (wg. Impulserhaltung) & die Erde weicht auf die heutige Distanz der Marsbahn zurück. Die Annahme ist unsicher & die Kennziffern zweifelhaft - es liegen zu wenige & zu wenig detailgetreue Beobachtungsreihen vor, um diese theoretischen Prämissen zu wägen.
Zitat daß die gesamte Materie unseres Sonnensystems auf Fußballgröße zusammengepackt ist
Nota bene: ein Black Hole ist eine Singularität - ohne jeden Durchmesser. Null. Nada. Ein mathematischer Punkt. Der "Durchmesser", den Astronomen im Fall eines Schwarzen Lochs nennen, bezieht sich auf den "Ereignishorizont", jene Grenze, an dem die Schwerkraft eines solchen Objekts die Lichtgeschwindigkeit überschreitet und somit nichts mehr entweichen kann (Hawkingstrahlung mal ausgenommen). Das ist gemeint, wenn für das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, Sagittarius A* (ausgesprochen "ey, Star") ein Diameter von 4 Mrd. km genannt wird. (Für die Sonne liegt dieser Schwarzschild-Radius übrigens bei etwa 3 Kilometern.) Für den Rest des Sonnensystems wäre es, so rein himmelsmechanisch, ohne Bedeutung, wenn die Sonne zum Neutronenstern oder Schwarzen Loch würde (mal abgesehen davon, daß die nötige Supernovaexplosion im Fall der kleinen Gesteinskugeln die Atmosphären verdunsten ließe & die Lithosphären kilometertief aufschmelzen würde ) & das Licht ausginge. (Freilich würde in beiden Fällen die Umgebung infolge der harten Gamma-Strahlung, die aufprallende Materie erzeugte, eher ungesund, selbst für Roboter & Androiden).
Zitat Theologen reden wohl nicht gerne darüber, weil das die Idee eines Gottes zur Lachnummer macht.
Nun, viele Religionen - eigentlich die meisten, die statt des Modells der zyklischen Zeit für einen Zeitpfeil optiert haben, gehen ja von einer finalen Vernichtung der Schöpfung aus. Das Neue Jerusalem der Offebarung ist nicht von dieser Welt - und die dort verheißene Destruierung schließt die Sternenwelt mit ein (obwohl die nur, auf klassischem Hintergrund, als umhüllende Schale der Erde gedacht sind), ebenso wie die nordgermanischen heidnischen Visionen des Ragnarøkkr (in dem unsere Welt, miðgarðr = wörtlich "Mittel-Erde" , ja nur eine "Welt", ein Seinsbereich von neun, darstellt). Ideengeschichtlich dürfte die Idee des Apokalypse zoroatrische Wurzeln haben & während des Exils die jüdische Eschatologie beeinflusst haben (zusammen mit der Idee des kommenden Welterlösers; beide Konzepte sind untrennbar). Ob das nun lokal oder universell gedacht wird, dürfte im Rahmen der Fragestellung eher unwichtig sein. Solange tranzendentale Wirkmächtigkeiten eben als "transzendental" gedacht werden. "Schwierigkeiten" ergeben sich wohl am ehesten für einen Begriff eines "deus sive natura" im Sinne Spinozas (die materiellen Beschränkungen, denen eine solche Entität unterläge, sind ja auch anderweitig evident.) Eigentlich hat gerade die christliche Theologie vergleichsweise wenig Schwierigkeiten gehabt, ihre Konzepte den Wandlungen & Erweiterungen des naturwissenschaftlichen Weltbildes anzupassen (ein könnte sogar sagen, daß sie die einzige Theologie ist, die diesen Umbau des Weltbildes überhaupt zur Kenntnis genommen hat). Die thomistische Auffassung des vierfachen Schriftsinns, die es erlaubt, entsprechende Passagen als symbolisch oder zeitgemäß metaphorisch verlarvt zu verstehen, da eine hilfreiche Weichenstellung gewesen sein.
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Zitat von Doeding im Beitrag #32weshalb manche Atheisten ihren Glauben (sic!) an die Nichtexistenz Gottes in einer solch fundamentalistischen (sic!) Art und Weise vortragen und Andersgläubige (sic!) derart angehen
Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Ich persönlich würde vermuten, dass gewisse Schemata intrinsisch im menschlichen Denken enthalten sind, an die wir uns immer wieder klammern, wenn wir versuchen die Welt zu verstehen. Daher suchen wir nach einem Grund für alles (weil unsere alltägliche Erfahrung ist, das es immer einen Grund gibt), daher denken wir in Begrenzungen (weil unsere alltägliche Erfahrung ist, das alles begrenzt ist), daher haften wir an einem Glauben, wie immer er auch ausschaut (weil alle Empirie darauf hindeutet, dass der Mensch seine Ohnmacht nicht ertragen kann).
Als ich mir den von dir trefflich kommentierten Klima-Gefühlsjournalismus in der FAZ noch etwas durch den Kopf gehen lies, wurde mir auch folgendes klar:
Vor 300 Jahre haben die Menschen an Gotteszorn geglaubt, wenn sie von einem Unwetter heimgesucht wurden. Der säkular aufgeklärte Atheist, potestantischer Prägung glaubt heute an die Reaktion einer Natur auf sein eigenes Handeln. Das eine ist so naiv wie das andere: Das, was man nicht beeinflussen kann, wird auf eine eigene Schuldigkeit / Verursachung projeziert - entsprechend dem zeitgeistigen "Stand der Wissenschaft".
Man könnte vielleicht "den ((quasi)religiösen) Glauben an sich" in diesem Sinne als Ausdruck eines begrenzenden Faktors im menschlichen Denken verstehen: Dergestalt, dass der Mensch nicht in Ursachen ausserhalb des eigenen Seins denken kann.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Doeding im Beitrag #32weshalb manche Atheisten ihren Glauben (sic!) an die Nichtexistenz Gottes in einer solch fundamentalistischen (sic!) Art und Weise vortragen und Andersgläubige (sic!) derart angehen
Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Aus der Sicht der verstockten Gottlosen malt sich die Sache leicht anders: es handelt sich zunächst um eine Hypothesenabwägung: für die Existenz von Gottheiten, Schicksalslenkern, Universumserbauern spricht nichts, dagegen alle Evidenz, der man habhaft werden kann. Da liegt es nahe, die sensu strictu angemessene Position der agnostischen Unentscheidbarkeit hinter sich zu lassen & dezidiert dagegen zu halten. Die westliche Tradition des rabiaten Atheismus des 19. Jahrhunderts, der das mit grundiert, tut ein Übriges (und der wiederum fußt ja auf der ebenso rabiaten Bekämpfung des Pabstes & des Klerus durch alle "Pfaffenfresser" seit mindestens dem Dr. Martin). Interessant allerdings, daß diese Frage - die Negierung des Transzendenten über die kosmologische Schiene - permanent in den monotheistisch-abendländischen Kategorien grundiert ist. Wenn ich mir meinen buddhistischen Hut aufsetze, wird dieser Streit schlicht sinnlos.
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Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #33Der "Durchmesser", den Astronomen im Fall eines Schwarzen Lochs nennen, bezieht sich auf den "Ereignishorizont", jene Grenze, an dem die Schwerkraft eines solchen Objekts die Lichtgeschwindigkeit überschreitet und somit nichts mehr entweichen kann.
Da muß ich doch die kleine Anmerkung machen, daß in dieser Formulierung Äpfel & Birnen etwas durcheinandergehen; bei diesem extrem relativistischen Effekt ist der Begriff der Schwerkraft (über den wir mit n_s_n und Erling Plaethe vor einer Weile ausgiebig diskutiert haben) in der Tat nicht mehr sehr hilfreich. Der Ereignishorizont entsteht durch eine so starke Verkrümmung der Raumzeit und Wegdrehung der zeitartigen Richtung von den raumartigen, daß eine Überquerung der gedachten Trennfläche zur kinematischen Unmöglichkeit wird.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #34Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Selbst der Agnostizismus ist eine Form des Glaubens, da er noch den dogmatischen Sprung zur Behauptung macht, daß man über die Existenz Gottes nichts wissen könne. Beschreitet man wirklich den logisch-rationalen Weg konsequent, so kommt man zur pyrrhonischen Skepsis, der nur noch die `εποχη übrigbleibt, die Aufhebung des Urteils.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #34Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Selbst der Agnostizismus ist eine Form des Glaubens, da er noch den dogmatischen Sprung zur Behauptung macht, daß man über die Existenz Gottes nichts wissen könne. Beschreitet man wirklich den logisch-rationalen Weg konsequent, so kommt man zur pyrrhonischen Skepsis, der nur noch die `εποχη übrigbleibt, die Aufhebung des Urteils.
Beunruhigenderweise ist die Konsequenz damit noch nicht beendet. Denn es bleibt immerhin noch die Aufhebung übrig, die ihrerseits auch ein Urteil sein muss.
Das Paradoxon is ja allgemein bekannt. Nix und Nirgends kann halt keiner sein.
Zitat von Fluminist im Beitrag #37Selbst der Agnostizismus ist eine Form des Glaubens, da er noch den dogmatischen Sprung zur Behauptung macht, daß man über die Existenz Gottes nichts wissen könne. Beschreitet man wirklich den logisch-rationalen Weg konsequent, so kommt man zur pyrrhonischen Skepsis, der nur noch die `εποχη übrigbleibt, die Aufhebung des Urteils.
Da haben Sie natürlich vollkommen Recht, dass schon die Frage nach Gott den Glauben daran ausdrückt, dass dies eine zulässige/sinnvolle Frage ist.
Ich selbst habe in meinem Beitrag ja auch recht verquast formuliert: “Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.“ Wohl deswegen, weil ich mich mit genau diesem, von Ihnen aufgeworfenen Punkt, unwohl fühlte.
Als philosophisch leider weitgehend ungebildetem Menschen, war mir der Begriff der pyrrhonischen Skepsis bisher nicht geläufig. Nach kurzem Nachlesen der Grundzüge dieser Denkrichtung in Wikipedia erscheint mir das aber in der Tat das zu sein, was ich mit Agnostiker meinte, wie ich den Begriff persönlich in meiner Aussage oben interpretiert habe und was Sie folgerichtig auch feststellten: Es gibt keine feststellbare Wahrheit im ontologischen Sinne.
Ich würde dabei aber sogar noch weiter gehen und sagen, dass es auch das Urteil (in einem ontologischen Sinne) nicht geben kann. Wie es ja Dennis auch (in meinen Augen) richtiger Weise anmerkte. Das Urteil kann nur auf der eigenen Bewußtseinsebene getroffen werden, niemals objektiv. Die Frage ist nun nur, ob man so etwas wie zwei Welten hat, die nicht kommunizieren können - Die „ontologische Wirklichkeit“ und die „Wahrgenommen Welt“. Oder ob sich das was ist einfach nur in unserem Bewußtsein abspielt und es darüber/darunter/daneben keine weitere Ebene gibt.
In diesem Sinne könnte nach meinem Verständnis ein gläubiger Christ auch durchaus ein pyrrhonischer Skeptiker sein, wenn er Gott und Religion vielmehr als bewußt akzeptiertes Leitbild, denn als verbindliches, ordnendes Prinzip begreift. So interpretiere ich für mich auch den älteren Einwurf des Werwohlf weiter oben in der Diskussion, dass Gott "einzubauen", wenn es nicht nur das große Nichtwissen bezeichnen soll, die durch nichts gerechtfertigte Anmaßung wäre, ihn umfassend verstanden zu haben.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
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Zitat von Doeding im Beitrag #32weshalb manche Atheisten ihren Glauben (sic!) an die Nichtexistenz Gottes in einer solch fundamentalistischen (sic!) Art und Weise vortragen und Andersgläubige (sic!) derart angehen
Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Aus der Sicht der verstockten Gottlosen malt sich die Sache leicht anders: es handelt sich zunächst um eine Hypothesenabwägung: für die Existenz von Gottheiten, Schicksalslenkern, Universumserbauern spricht nichts, dagegen alle Evidenz, der man habhaft werden kann. Da liegt es nahe, die sensu strictu angemessene Position der agnostischen Unentscheidbarkeit hinter sich zu lassen & dezidiert dagegen zu halten.
Warum? Gegenstand naturwissenschaftlichen Erkenntnisstrebens ist doch das Verstehen, wie der Laden läuft; meinetwegen noch was ihn "im innersten zusammenhält", nicht aber die Frage nach dem "warum?". Aus meiner Sicht ist naturwissenschaftlicher Erkenntnisgewinn eben keine Evidenz dagegen (freilich auch genausowenig dafür). Lediglich die Evidenzen gegen menschliche Weltbilder, die ohne die Zusatzannahme eines Gottes in der Vergangenheit nicht ausgekommen sind, sind Legion, meine ich. Man kann Weltbilder bauen, für deren Funktionieren die Existenz Gottes keine notwendige Bedingung darstellt. Mehr aber auch nicht.
Herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Doeding im Beitrag #32weshalb manche Atheisten ihren Glauben (sic!) an die Nichtexistenz Gottes in einer solch fundamentalistischen (sic!) Art und Weise vortragen und Andersgläubige (sic!) derart angehen
Ich denke den wenigsten ist bewußt, dass auch der Atheismus eine Form des Glaubens ist, mit allem was dazu gehört. Von der Ratio vollkommen abgedeckt kann nur die Position des Agnostikers sein.
Ich persönlich würde vermuten, dass gewisse Schemata intrinsisch im menschlichen Denken enthalten sind, an die wir uns immer wieder klammern, wenn wir versuchen die Welt zu verstehen. Daher suchen wir nach einem Grund für alles (weil unsere alltägliche Erfahrung ist, das es immer einen Grund gibt), daher denken wir in Begrenzungen (weil unsere alltägliche Erfahrung ist, das alles begrenzt ist), daher haften wir an einem Glauben, wie immer er auch ausschaut (weil alle Empirie darauf hindeutet, dass der Mensch seine Ohnmacht nicht ertragen kann).
Das sehe ich einerseits auch so. Ich glaube, man muß bei der Betrachtung von Glauben recht stark die gemeinschaftlich-normativen Wirkung (oder auch das kollektivistische Moment) unterscheiden von der individuell-spirituellen Dimension und beide wiederum von der Frage des "Weltbildes", des Verstenwollens der Welt. Letzteres kann aus meiner Sicht heute nicht mehr sinnvoll als Alternative oder in Konkurrenz zur Naturwissenschaft in Stellung gebracht werden. Ersteres ist v. a. ein Problem, durch das Religionen genauso gefährlich werden können wie menschenverachtende politische Ideologien (im Falle des pol. Islam ist das ja gar nicht voneinander zu trennen).
Der eigentlich spannende Teil ist jedoch die individuelle Dimension; und die ist m. E. so ein bisschen eine black box, nicht zuletzt auch für eine wissenschaftliche Untersuchung, da gruppenstatistische Methoden hier m. E. versagen. Bei dieser Dimension geht es ja weniger um "Erklärung" in Konkurrrenz zur Wissenschaft, sondern um Verheißung, um Hoffnung, ja um Sinngebung. Man weiß von Menschen, die langandauernde und massive Erfahrungen des Terrors und des traumatisierenden Ausgeliefertseins (z. B. Lagerhaft; erstmals untersucht bei Überlebenden der Nazi-KZs) überlebt haben, daß diejenigen mit festen weltanschaulich-religiösen Überzeugungen sowohl kurzfristig (Ausmaß und Intensität der Traumazeichen) als auch langfristig (Erfolg bei der "Reintegration" in Zivilgesellschaft) besser dastanden als solche ohne solche Überzeugungen.
Vom rein utilitaristischen Standpunkt aus gesehen, ist der Glaube an Gott also eine gute Wette, hat jedenfalls seinen unmittelbaren Wert für den Glaubenden. In manchen Situationen (oft auch zum Lebensende hin) hilft er, schlicht besser mit den Härten und Unbilden des Lebens zurecht zu kommen; bei praktisch keinen "Kosten" im Falle eines Irrtums.
Herzliche Grüße, Andreas
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Zitat von Doeding im Beitrag #40Man kann Weltbilder bauen, für deren Funktionieren die Existenz Gottes keine notwendige Bedingung darstellt.
... die dann aber eine andere Prämissen haben, welche Gott qualitativ gleichwertig ersetzt. Insofern macht das für mich kein Unterschied, ob man das notwendige ordnende Prinzip Gott nennt oder nicht.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Doeding im Beitrag #41Frage .... des Verstehenwollens der Welt ... kann aus meiner Sicht heute nicht mehr sinnvoll als Alternative oder in Konkurrenz zur Naturwissenschaft in Stellung gebracht werden.
Hier gilt es meiner Meinung nach ein wichtiges Detail zu unterschieden. Naturwissenschaften wollen die Welt nicht verstehen (im Sinne eines "Warum?"), sondern die Prozesse in denen sie abläuft exakt beschreiben. Die Frage nach dem Warum bleibt rein "in religiöser Hand" und kann nicht Ziel der Naturwissenschaften sein. Dieser Punkt wird in meinen Augen leider oftmals unzulässig vermischt.
Zitat von Doeding im Beitrag #41Vom rein utilitaristischen Standpunkt aus gesehen, ist der Glaube an Gott also eine gute Wette, hat jedenfalls seinen unmittelbaren Wert für den Glaubenden. In manchen Situationen (oft auch zum Lebensende hin) hilft er, schlicht besser mit den Härten und Unbilden des Lebens zurecht zu kommen; bei praktisch keinen "Kosten" im Falle eines Irrtums.
Volle Zustimmung. Auf der individuellen, spirituellen Ebene kann Glauben in vielfacher Hinsicht etwas wundervolles und wertvolles sein. Es lag auch ünerhaupt nicht in meiner Absicht gegen den Glauben oder einen Gott anzuschreiben. Mein Punkt ist, dass das Bekenntnis zu Gott eben eine bewußte, individuelle, spirituelle, philosophische Entscheidung ist, um seine "Position in der Welt" festzulegen. Wer es darüber hinaus als Ausrufen des einzig wahren ordnenden Prinzips begreift, überschreitet die Grenze zu der von dir richtig umschriebenen Ideologie, die sich von einer politischen in keiner Weise unterscheidet.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #42... die dann aber eine andere Prämissen haben, welche Gott qualitativ gleichwertig ersetzt. Insofern macht das für mich kein Unterschied, ob man das notwendige ordnende Prinzip Gott nennt oder nicht.
Eher dürfte es sich um polare Oppositionen handeln. Zum einen methodologisch: die Prämissen der strikt auf empirisch ermittelten Daten & Modellen hochgezogenen Ansichten gehen eben empirisch, bottom-up, vor. Zum anderen ontologisch: in der Vorstellung von "Gott" schwingt immer die Aussicht auf die persönliche Erlösung mit (deswegen oben mein Hinweis auf den Buddhismus, in dessen Weltauffassung diese Dimension fehlt), einer Sinngebung - auch wenn das in der Reduktion auf eine prima causa nur noch schemenhaft anklingt. "Der reine Zufall", den beispielsweise Jacques Monod so betont (und von dem Botho Strauß, den Ludwig Weimer in diesem Zusammenhang erwähnte, das haben dürfte), die eisernen Naturgesetze, kürzen diese Dimension radikal weg. Genau dieser Impuls hat die Abneigung des darwinistischen Evolutionsgedankens vor 150 Jahren so heftig angetrieben. Mittlerweile sind die meisten (christlichen) Theologen durchaus bereit, dem Faktum der biologischen Evolution zuzustimmen; etwas weniger groß scheint die Bereitschaft, ihre völlige Blindheit, Ungerichtetheit zu akzeptieren. Am Anfang hat man dort noch klarer gesehen, daß es, durch diese Brille gesehen, die Annahmen auf Höheres, Sinnstiftendes schlicht nicht benötigt. Das kann man durchaus auch als befreiend empfinden.
Zitat von Doeding im Beitrag #40Warum? Gegenstand naturwissenschaftlichen Erkenntnisstrebens ist doch das Verstehen, wie der Laden läuft; meinetwegen noch was ihn "im innersten zusammenhält", nicht aber die Frage nach dem "warum?"
Bezeichnenderweise wird "die Kernfrage" des kosmologischen Denkens oft auf den Punkt zugespitzt "WARUMetwasistundnichtetwanichts". In der Frage nach dem Ablauf des Naturgesehens & seiner Gegebenheiten ist die Begründung, die Herleitung aus Letztprinzipien, eingebaut. Die meisten Wissenschaftler, die sich hier umtun, betonen stets, daß sie auf das "was", nicht auf das "warum" zielen; beispielsweise Steven Weinberg. Dennoch steht die Frage hier unübersehbar im Raum. Zudem ist das mittlerweile der einzige Bereich, in dem eine solche theologisch-transzendetal grundierte Sinnstiftung im heutigen Weltbild noch ein Einfallstor findet. Im Bereich "Moral", "Verhalten", "Lebensführung" ist das verdunstet: dem Diskurs gelten alle religiös fundierten Auffassungen als gleichberechtigt (eventuell mit dem Christentum als einzigem Negativbeispiel). Virllrivht muss man akzeptieren, daß ein umfassender Religionsfrieden, in der die Sprengkraft & Destruktivität des Fanatismus entsorgt ist, zugleich als Folge ein Absinken in Bedeutungslosigkeit und Beliebigkeit nach sich zieht, was das Potenzial einer Sinnstiftung anbelangt.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Zitat von Doeding im Beitrag #41 Vom rein utilitaristischen Standpunkt aus gesehen, ist der Glaube an Gott also eine gute Wette, hat jedenfalls seinen unmittelbaren Wert für den Glaubenden. In manchen Situationen (oft auch zum Lebensende hin) hilft er, schlicht besser mit den Härten und Unbilden des Lebens zurecht zu kommen; bei praktisch keinen "Kosten" im Falle eines Irrtums.
Dieses Argument kommt immer wieder und war auch einer der klassischen "Gottesbeweise". Im Kern war die Aussage "Glaubt man an Gott und es gibt ihn (?) nicht, dann kostet das nix; aber glaubt man nicht an Gott und es gibt ihn (?) doch, dann landet man in der Hölle = unendlich hohe Kosten. Schlussfolgerung: einzig rationale Handlungsweise kann nur der Glauben sein". Das Argument ist aber aus mehreren Gründen unstimmig:
1. Keine Religion akzeptiert einen formalen Zweckglauben. Die Aussagen sind eindeutig: Opportunismus kann zwar im hier und jetzt nicht nachgewiesen werden, aber Gott entdeckt den Unterschied und richtet doch.
2. Außerdem blöd, wenn man an den falschen Gott glaubt. Die allermeisten Religionen akzeptieren nur, an den "richtigen" Gott zu glauben - alle anderen Glauben zählen nicht und führen doch zu Bestrafung und Verdammung. Da es aber hunderte, wenn nicht tausende Götter gibt - ist die Chance, den richtigen zu tippen, nicht besonders groß.
3. Die wenigsten Menschen dürften sich bewusst dazu entscheiden, "zu glauben". Glauben ist anerzogen. Jeder einzelne Glaube auf dieser Welt ist nichts anderes als eine per Erziehung antrainierte Ideologie. Das Bedürfnis an sich "zu glauben" ist zwar im Menschen angelegt; ein Artefakt; eine prähistorischer Überlebensmechanismus, der in der modernen Welt im Leerrlauf dreht und deswegen zusagen "durchdreht". Aber was genau man glaubt, es schlicht anerzogen. Es ist auch leicht zu erkennen, dass das so ist.
Denn wenn "Glauben" an einen konkreten Gott (also nicht das allgemeine Bedürfnis zu glauben, sondern der konkrete Glaube an einen christlichen, muslimischen, hinduistischen Gott...) NICHT anerzogen wäre, dann wäre die örtliche Konzentration der Religionen nicht zu erklären.
Von mir aus soll ja jeder zu Hause machen, was er/sie will. Aber so leid es mir tut: Gott ist nicht tot. Es hat nie einen Gott gegeben. Jedenfalls keinen christlichen, muslimischen, hinduistischen... Gott. Das sind menschengemachte Konstrukte zur Befriedigung eines prähistorisch entstandenen Bedürfnisses.
Schön, dass man in Deutschland so etwas aussprechen kann, ohne mit Gefängnis oder Tod bedroht zu sein. Religion... man o man...
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
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