Oh, lieber R.A., da ist noch viel Nachhilfe notwendig: Es heißt nicht die Wasen (auch nicht mit 'V'), sondern 'der Cannstatter Wasen'. Nichts für ungut. Die bayrische Tracht hat sich dort seit Jahren trotz allerlei Hinweise auf die nicht ganz korrekte Örtlichkeit durchgesetzt. So wie Knoblauch sich mit den türkischen Gastarbeitern in den meisten schwäbischen Küchen eingenistet hat. Die Zeiten ändern sich halt.
Zitat von Martin im Beitrag #2Es heißt nicht die Wasen (auch nicht mit 'V'), sondern 'der Cannstatter Wasen'.
Ich danke für die Korrektur. Auch wenn ich das im Text jetzt so lassen muß - meine Unbildung der Welt darbietend. Obwohl mein Bruder seit vielen Jahren in Esslingen wohnt, ist mir díe schwäbische Kultur doch etwas fremd geblieben.
Zitat Die bayrische Tracht hat sich dort seit Jahren trotz allerlei Hinweise auf die nicht ganz korrekte Örtlichkeit durchgesetzt.
Ich habe bei der Recherche auch viele schöne Beiträge gefunden, in denen sich Leute über diesen Trend aufgeregt haben. Hat alles nichts geholfen ...
Zitat So wie Knoblauch sich mit den türkischen Gastarbeitern in den meisten schwäbischen Küchen eingenistet hat.
Was auch recht witzig ist, weil die türkische Küche (im Gegensatz zu den Balkanküchen) eher selten Knoblauch verwendet.
Zitat von R.A. im Beitrag #3Ich habe bei der Recherche auch viele schöne Beiträge gefunden, in denen sich Leute über diesen Trend aufgeregt haben. Hat alles nichts geholfen ...
Und da war meiner noch gar nicht bei! In der Tat habe ich beim letzten Besuch auf dem Wasen arg Anstoß genommen an dem Vaterlandsverrat, mit bayrischer Tracht dort zu erscheinen. Für mich ist das schiere Niedertracht*! Ich danke deswegen Ihnen für Ihre Worte.
Wobei man einräumen muß, daß die Trachten schon vor dem 19. Jahrhundert weitgehend verschwunden sind und sich nur in abgeschiedenen Regionen (Gebirge, Friesische Inseln, Saterland, Lausitz) gehalten haben. Die deutsche Nationalbewegung hatte dann die Altdeutsche Tracht erfunden. Die trägt heute keiner mehr, und das ist auch nicht schade, denn Deutschland ist traditionell ein buntes Land, das durch kleinteiliges regionales Brauchtum geprägt wird und eine einheitliche Nationalkultur nie hatte. Noch heute kann man an Altstädten oder -Dörfern sehr genau landestypische Unterschiede in der Bauweise und den Schmuckelementen erkennen. Ich glaube, das macht die Schönheit dieses Landes aus. Vielleicht ist regionale Traditionalität in Kleidung und Baukunst sogar etwas völkerverbindendes, weil es die kulturelle Verschiedenheit sofort erfaßbar macht, ohne sie hinter der postmodernen Eintönigkeit aus Businessanzügen oder Jeans&T-Shirt und Glas-Betonarchitektur zu verstecken, die letzten Endes in allen Kulturräumen fremd ist.
Zitat So wie Knoblauch sich mit den türkischen Gastarbeitern in den meisten schwäbischen Küchen eingenistet hat.
Was auch recht witzig ist, weil die türkische Küche (im Gegensatz zu den Balkanküchen) eher selten Knoblauch verwendet.
Der Balkan war damals Türkei. Damals, in den Zeiten von Rezzoris ruhmreichen Maghrebinien, bei denen die Kirchen keine Zwiebel- sondern Knoblauchtürme hatten.
Zitat von Martin im Beitrag #2Es heißt nicht die Wasen (auch nicht mit 'V'), sondern 'der Cannstatter Wasen'.
Ich danke für die Korrektur. Auch wenn ich das im Text jetzt so lassen muß - meine Unbildung der Welt darbietend.
Kann man das wirklich nicht mehr ändern? Das ist wirklich sehr schlimm. Als Merkhilfe: Auf dem Wase graset d'Hase.
*Niedertracht ist nicht die traditionelle Kleidung in der Norddeutschen Tiefebene! Aber auch dorthin breitet sich seit neuestem die Seuche aus, auf der Kirmes --wie es dort heißt-- in ausländischer Tracht zu erscheinen. Fischköppf in Lederhosen!
Zitat von R.A. im Beitrag #3Was auch recht witzig ist, weil die türkische Küche (im Gegensatz zu den Balkanküchen) eher selten Knoblauch verwendet.
Da muss ich gestehen, dass ich vielleicht auch falsch liege: Die 'Jugos' waren hier noch vor den Türken, vielleicht verdanken wir den Siegeszug des Knoblauch auch jenen, getreu den finsteren Dracula-Geschichten.
Zitat von Emulgator im Beitrag #4 Fischköppf in Lederhosen!
Der korrekte Plural lautet Fischköppe & ist auf den Radius von exakt 19,8 km um die Binnenalster limitiert. Jules Vernes Otto Lidenbrock zählt noch dazu, Brigitte Kronauers Zara Johanna Zoern (aus "Teufelsbrück") ist definitiv draußen. (Wie alle diese Invektiven ist das nur als Fremdbeschreibung zulässig & PC. Ein Saupreiß, der sich selber als solchen - wie auch als Kartoffel oder sâle boche - bezeichnet wäre ein/e solchige/r.)
Zitat von Martin im Beitrag #5getreu den finsteren Dracula-Geschichten.
Da muss man übrigens den gelehrten Anfängen wehren, sonst tritt sich das noch fest:
Zitat von Mythos: Knoblauch und VampireUnd nach Bram Stoker kann man sich außerdem einen Vampir sehr gut dadurch vom Hals halten, dass man sich und sein Haus mit einer nicht unerheblichen Menge an Knoblauch ausstattet. Die Idee für diese „Abwehrmethoden“ hatte Bam Stoker sehr wahrscheinlich aus dem Buch „Vernünftige und Christliche Gedanken über die Vampirs“ von Johann Christoph Harenberg, das 1733 verfasst wurde und einige angeblich wirksame Tipps für die Bekämpfung von Vampiren beinhaltet.
. Bram Stoker konnte kein Wort Deutsch & die Quellen für die austriakisch-balkanische Vampyr-Mode 1720-35 (ausgelöst durch einen der wenigen Kirchenstreite, die sich die [süd]orthodoxe Kirche je geleistet hat, nämlich die Frage, ob gelegentlich anfallende Unverwesbarkeit von Leichen als Todsündenerweis oder als Gegenteil zu gelten habe) sind vor Montague Summers' "The Vampire: His Kith and Kin" (1928) im Englischen nicht mal streifend referiert. Stokers Quelle war in diesem Fall Emily Gerards "The Land Beyond the Forest". :
Zitat von The Land Beyond the Forest. Facts, Figures, and Fancies from Transylvania (New York: Harper & Brothers, 1888)More decidedly evil is the nosferatu, or vampire, in which every Roumanian peasant believes as firmly as he does in heaven or hell. There are two sorts of vampires, living and dead. The living vampire is generally the illegitimate offspring of two illegitimate persons; but even a flawless pedigree will not insure any one against the intrusion of a vampire into their family vault, since every person killed by a nosferatu becomes likewise a vampire after death, and will continue to suck the blood of other innocent persons till the spirit has been exorcised by opening the grave of the suspected person, and either driving a stake through the corpse, or else firing a pistol-shot into the coffin. To walk smoking round the grave on each anniversary of the death is also supposed to be effective in confining the vampire. In very obstinate cases of vampirism it is recommended to cut off the head, and replace it in the coffin with the mouth filled with garlic, or to extract the heart and burn it, strewing its ashes over the grave. (S. 185)
Zitat von Emulgator im Beitrag #4 Fischköppf in Lederhosen!
Der korrekte Plural lautet Fischköppe & ist auf den Radius von exakt 19,8 km um die Binnenalster limitiert. (Wie alle diese Invektiven ist das nur als Fremdbeschreibung zulässig & PC. Ein Saupreiß, der sich selber als solchen - wie auch als Kartoffel oder sâle boche - bezeichnet wäre ein/e solchige/r.)
Zum Thema Preußen hatte ich mal einen wunderschönen Dialog mit einer Arbeitskollegin, den ich hier wiedergebe, weil sie aus Deiner Heimat stammt:
Kollegin: Also Ihr Bayern habt ja keine Ahnung, für Euch ist ja alles, was nördlich des Mains liegt, Preußen! Dabei sind wir ja Westfalen!
Vermutlich ist das auch wieder nur eine Variante der "Eventisierung" des Alltags. Dirndl und Seppl-Kleidung sind eben den beiden großen Maßkrug-Anbetungen vorbehalten, so wie das Horror-Kostüm dem nicht minder urdeutschen Halloween. Es würde aber wohl außerhalb Bayerns keiner auf die Idee kommen, in Lederhose oder Dirndl zu einer Hochzeit, einem Geburtstag oder auch nur einem niedersächsischen Schützenfest (wo die Gläser kleiner, aber klarer sind) zu erscheinen.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Wir [exklusives wir] sind sogar Königreich Westfalen, seit König Luschtik wieder nach Lutetia zurückgescheucht wurde. Die sind sogar stolz wie Bolle, daß die Franzosen nach 1806 alle alten Grenzmarken geschleift haben, um gerade Marschstrassen anzulegen. Fast so konvulsiv wie die Kölner, die es fertigbringen, sogar De Dom wegen denen nit in Kölle lasse zu wolle.
Zitat von Der Heilige HeinrichDie Türme des Doms stören mich. Ich find’ die überflüssig. Ich find’ das viel schöner, dieses mittelalterliche Provisorium mit dem Kran. Die Preußen haben ja den Dom dann gebaut und diesen ganzen vaterländischen Scheiß drum gemacht. (Böll, Viktor [Hrsg.]: Heinrich Böll und Köln, Köln 1994. Kiepenheuer & Witsch, S. 214, 215)
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #9Wir [exklusives wir] sind sogar Königreich Westfalen, seit König Luschtik wieder nach Lutetia zurückgescheucht wurde.
Da mußt' ich stutzen: Das Königreich heißt natürlich nur Westphalen, alles andere völlig richtig Westfalen. Weiß freilich nicht, wie das zeitgenössisch war.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #9Fast so konvulsiv wie die Kölner, die es fertigbringen, sogar De Dom wegen denen nit in Kölle lasse zu wolle.
Zitat von Der Heilige HeinrichDie Türme des Doms stören mich. Ich find’ die überflüssig. Ich find’ das viel schöner, dieses mittelalterliche Provisorium mit dem Kran. Die Preußen haben ja den Dom dann gebaut und diesen ganzen vaterländischen Scheiß drum gemacht. (Böll, Viktor [Hrsg.]: Heinrich Böll und Köln, Köln 1994. Kiepenheuer & Witsch, S. 214, 215)
Tja, und so ging der Ehrentitel der ältesten Bauruine verloren. Und wer erringt den neuen? Natürlich wieder die Preußen, diesmal mit einem Flughafen.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #8Vermutlich ist das auch wieder nur eine Variante der "Eventisierung" des Alltags. Dirndl und Seppl-Kleidung sind eben den beiden großen Maßkrug-Anbetungen vorbehalten, so wie das Horror-Kostüm dem nicht minder urdeutschen Halloween. Es würde aber wohl außerhalb Bayerns keiner auf die Idee kommen, in Lederhose oder Dirndl zu einer Hochzeit, einem Geburtstag oder auch nur einem niedersächsischen Schützenfest (wo die Gläser kleiner, aber klarer sind) zu erscheinen.
Innerhalb Altbayerns gibt es im Grund genommen zwei Fraktionen: Die Wiesn-Volksfest-Landhausmodenträger und diejenigen, die sie tatsächlich gern und im Alltag tragen, und auch Wert auf Qualität und Authentizität legen.
Letztere sind eigentlich ganz einfach zu erkennen - daran, dass ihnen die Tracht auch steht. Was die Damen angeht, hat Brüderle schon einen wertvollen Hinweis gegeben (allerdings beschränkte er die Notwendigkeit des "Ausgefülltsein eher auf die obere Hälfte, die eher unproblematisch ist, weil die enge Schnürung durchaus hilft) , und bei den Herren ist es analog. Zum zweiten erkennt man sie daran, dass sie das weibliche Kleidungsstück korrekt als "Dirndlgwand" bezeichnen. Denn ein "Dirndl" ist ja nicht, wie selbst in München kaum noch einer weiß, die Bezeichnung für ein Mädchen (das wäre "Deandl"), sondern kommt von der Dirn, also der Magd.
Die Bezeichnung verrät schon, dass der Wandel des Dirndlgwands zum Lifestyle-Outfit keineswegs eine Entkatholisierung war, sondern (genau wie bei der Lederhose) der Wandel von der bäuerlichen Arbeitskleidung zu einem Festgewand. Dieser begann in der Romantik bzw. im Biedermeier und setzte sich in mehreren Wellen fort, als das aufstrebende und sommerfrischende Bürgertum seine Liebe zum Landleben entdeckte. Ludwig Thoma, selbst Dachauer und damit neben Miesbach einer Hochburg der Trachtenvereinsbewegung entstammend hat dies mehrfach wunderbar verspottet.
Übrigens kann man Reste davon noch in traditionell geführten Münchner Wirtshäusern beobachten (z. B. Augustiner Bräustuben), wo die Kellnerinnen ein sehr grobes, schwarzes Dirndl (meist mit roter Schürze) tragen. Die heutige "Münchnerin" würde eher den Wiesn-Besuch verweigern, als so ein "richtiges" Dirndl anzuziehen.
Zitat Innerhalb Altbayerns gibt es im Grund genommen zwei Fraktionen
Nachtrag: Es gibt noch ein weiteres Relikt, wo sich die Tracht als Berufskleidung zeigt: Bayerische Politiker. Kommunal sowieso (der Burgamoasta und da Landrat im schneidign Janka), aber auch auf Landesebene. Über alle Parteien hinweg, selbst bei den Grünen, wo Claudia Roth und Theresa Schopper die Brüderle-Kriterien erfüllen, während Margarethe Bause völlig deplaziert wirkt.
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Hat halt versucht, das Beste draus zu machen. Okay, okay, wohin muss ich die Euros in die Chauvi-Kasse entrichten?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Meister Petz im Beitrag #12. Ludwig Thoma, selbst Dachauer und damit neben Miesbach einer Hochburg der Trachtenvereinsbewegung entstammend hat dies mehrfach wunderbar verspottet.
Gruß Petz
Ludwig Thoma ein Dachauer?? Und Dachau eine Trachten-Hochburg???
Zitat Das ist wohl der Knackpunkt, auch für die Volksfeste: Die Original-Trachten - egal welcher Region - sind eigentlich nur dazu geeignet, mit viel Schmuck beim Kirchgang zu paradieren. Mit enorm geplusterten Röcken, schweren Medaillons um den Hals und vor allem aufwendigem Kopfschmuck. Also völlig ungeeignet um darin zu arbeiten oder zwanglos zu feiern.Und insbesondere das beliebte Dirndl ein für den praktischen Gebrauch verändertes Kunstprodukt: "Das Dirndl wurde „entkatholisiert“, die geschlossenen Kragen entfernt, die Arme nicht mehr bedeckt und damit modernisiert sowie erotisiert. Pesendorfer kreierte die geschnürte und geknöpfte Taille, die bis heute stilbildend für zeitgenössische Dirndlformen ist." Pesendorfer, das war die "Reichsbeauftragte für Trachtenarbeit". Und was man auf den Volksfesten sieht, ist die "erneuterte Tracht" im Sinne der NSdAP. Was hätte sich die Reichsbeauftragte gefreut, daß sich ihre Tracht nun deutschlandweit etabliert ...
Ich glaube, wie vorher schon angedeutet, dass hier zwei Fehler drinstecken. Zum einen ist ja weder Dirndl noch Lederhose historisch gesehen eine Tracht (also ein Sonntagsstaat), sondern wie schon erwähnt, ein Arbeitsgewand. Deswegen sind sie aber kein Kunstprodukt. Denn ich glaube, dass die Wikipedia diese Entwicklung sehr einseitig beschreibt und offensichtlich im Nachhinein der Nazitante auf dem Leim geht. Denn die Grundform des Dirndls hat sich nicht verändert, sieht man mal von der Schnürung ab, die aber auch heute nicht obligatorisch ist - viele Dirndlträgerinnen halten sie für aufgesetzt und affektiert. Verändert hat sich lediglich die Bluse, und dabei auch nur der Ausschnitt, der tiefer geworden ist (gab es damals schon, wurde aber züchtig mit einem Halstuch verdeckt). Einen geschlossenen Kragen konnte man nicht entfernen, weil es keinen gab - zur damaligen Zeit (dem Prämielecum) waren Kragen sowohl für Herren wie für Damen sowieso zum Anstecken und Auswechseln, und wurden in der Regel von den Dienstboten nicht getragen. Genauso wie lange Ärmel - beides stört bei der Stall- und Feldarbeit (der Ellenbogen war allerdings meist bedeckt).
Natürlich sind viele der auf Volksfesten getragenen Gewänder Faschingskostüme, die für Dirndlgwänder gehalten werden. Aber das Dirndl an sich ist keine Erfindung, nicht mal der Nazis. Der Denkfehler ist der, dass sie unter "Trachtenmode" laufen. Was sie nie waren.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #8 Es würde aber wohl außerhalb Bayerns keiner auf die Idee kommen, in Lederhose oder Dirndl zu einer Hochzeit, einem Geburtstag oder auch nur einem niedersächsischen Schützenfest (wo die Gläser kleiner, aber klarer sind) zu erscheinen.
Ooch, vor wenigen Monaten war ich auf ein ungarisch-allgäuer Hochzeit in Ungarn eingeladen, bei der die Allgäuer Jugend zahlreich in Dirndl und Lederhose erschien. Sah fesch aus und kam auch in Ungarn an.
Und die sah halt nichts aus - so wollen doch insbesondere attraktive Mädels nicht rumlaufen. Insbesondere das Schwarz war halt dem historischen Kontext geschuldet (Schwarze Schar) und modisch ein Fehlgriff.
Zitat Deutschland ist traditionell ein buntes Land, das durch kleinteiliges regionales Brauchtum geprägt wird und eine einheitliche Nationalkultur nie hatte.
Richtig. Aber dieses regionale Brauchtum ist m. E. von den Brauchtumsvereinen zu Tode gepflegt worden. Die konzentrieren sich auf historische Genauigkeit, die nicht nur meistens konstruiert und damit falsch ist, sondern einfach nicht für die moderne Lebenswirklichkeit brauchbar ist. Die Idee der regionalen Tracht wäre meine Tochter gerne gefolgt - aber in erster Linie muß es natürlich auch gut aussehen. Also Dirndl statt Odenwälder Sonntagsstaat.
Auch der Protest gegen die Fremdtrachten auf dem Wasen mußte erfolglos bleiben, weil niemand eine hübsche und praktische schwäbische Alternative anbieten konnte.
Zitat Kann man das wirklich nicht mehr ändern?
Technisch könnte man. Aber ich neige nicht dazu, meine Fehler zu vertuschen.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #7Petz: Du kommst aus Münster, oder?
K: Ja.
P: Und gibt es da einen Fußballverein?
K: Ja.
P: Und wie heißt der?
K. (Stille).
Sehr schön! Die Neu-Preußen im heutigen NRW waren eben viel begeistertere Preußen, als ihre Nachfahren es heute wahrhaben wollen. Auch die heute oft behauptete Preußenfeindlichkeit in Köln ist weitgehend späterer Mythos - real lief die Integration nach 1815 recht gut.
Zitat von Werwohlf im Beitrag #8Vermutlich ist das auch wieder nur eine Variante der "Eventisierung" des Alltags.
Zu einem großen Teil ist das bestimmt so.
Aber es steckt m. E. auch ein guter Teil neuer Patriotismus drin. Siehe gerade der Erasmus-Bezug: Ihren ausländischen Freunden gegenüber wollen die deutschen Studenten ihren Heimatstolz präsentieren. Mit schwarz-rot-goldenen Wimpeln im Studentenwohnheim beim Auslandsaufenthalt - und mit deutscher Tracht, wenn diese zu Besuch kommen.
Zitat Es würde aber wohl außerhalb Bayerns keiner auf die Idee kommen, in Lederhose oder Dirndl zu einer Hochzeit, einem Geburtstag oder auch nur einem niedersächsischen Schützenfest (wo die Gläser kleiner, aber klarer sind) zu erscheinen.
Warten wir mal ab. Meine Vermutung ist, daß wir das sehr wohl erleben werden. Man muß nur mal die Reaktionen beobachten, wenn z. B. von einer schottischen Hochzeit die Rede ist, bei der Gäste im Kilt gekommen sind. So etwas finden die meisten Deutschen wirklich gut. Da werden sie neidisch. Und das werden sie früher oder später nachmachen. Bei den niedersächsischen Schützenfeste könnte das anders laufen. Aber nur, weil es da lebendige Traditionen mit Schützentrachten gibt die stärker wirken als die Attraktivität des Import-Dirndls.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #18Denn ich glaube, dass die Wikipedia diese Entwicklung sehr einseitig beschreibt und offensichtlich im Nachhinein der Nazitante auf dem Leim geht.
Das mag durchaus sein, insbesondere bei den Details. Ich halte die Nazi-Connection auch für zweitrangig.
Wesentlich finde ich, daß sich bei der bayrischen Tracht eine alltagstaugliche Variante entwickelt hat, die insbesondere die Mädels gerne tragen, weil sie darin gut aussehen. Diese Variante gibt es ganz normal im Geschäft zu kaufen und hat nur ganz wenig mit dem zu tun, was offiziell bei den Brauchtumspflegern als "Miesbacher" oder "Innwinkler" Tracht gilt. Im Grunde sind die "echten" bayrischen Trachten genauso tot wie die schwäbischen oder hessischen - praktisch verwendet werden nur Dirndl und Lederhose etc. der Volksfest-Variante.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #18 Natürlich sind viele der auf Volksfesten getragenen Gewänder Faschingskostüme, die für Dirndlgwänder gehalten werden. Aber das Dirndl an sich ist keine Erfindung, nicht mal der Nazis. Der Denkfehler ist der, dass sie unter "Trachtenmode" laufen. Was sie nie waren.
Genau. Tracht muss man tragen (können), da hilft alle historische Rekonstruktion nicht. Und eine Lederhose ist nunmal übel praktisch bei der Feldarbeit, ebenso wie Haferlschuhe und dicke Wollsocken. Kann jeder gerne ausprobieren. Man schaue sich nur mal den Schnitt von Arbeitshosen an, da erkennt man viel von der Lederhose Aus diesem Grund und dem bajuwarischen Eigensinn tragen das viele Bayern, auch und gerade junge, all- und sonntäglich. Im Gegensatz zu anderen regionalen Trachten, die nur Kostüme sind und auch damals oft nur der Sonntagsstaat waren. Wer arbeiten musste, hat keine Zeit für 5 übereinanderliegende Röcke oder komplex verzierte Westen. Und arbeiten heisst körperlich hart arbeiten, nicht Büro :-)
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