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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 55 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2 | 3
Llarian Offline



Beiträge: 7.120

11.11.2015 18:45
Vom Pioniergeist Antworten

Ein paar Nachtgedanken zum Pioniergeist.

HR ( gelöscht )
Beiträge:

12.11.2015 00:55
#2 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Man könnte Merkel einigen Pioniergeist unterstellen.
Seiner selbst willen ist er mir nicht wichtig.
"Not macht erfinderisch" Hierin sind relevante Pioniertaten begründet.
Ohne Not nix los.

Florian Offline



Beiträge: 3.179

12.11.2015 01:50
#3 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Rein gefühlsmäßig würde ich Ihnen recht geben.

Aber nüchtern betrachtet: ich glaube, wir unterliegen da vielleicht auch einem Wahrnehmungsfehler.
Womöglich ist der Pioniergeist der Welt gar nicht erlahmt, wir bekommen ihn nur nicht mehr so mit wie früher.
Begründung:

1.
Die ganz großen "offensichtlichen" Pioniertaten sind halt mittlerweile meist alle vollbracht.
Das soll nicht heißen, dass es nicht noch viel zu tun gäbe.
Aber das sind dann eben oft nicht mehr die großen Pioniertaten, sondern die weiteren Schritte in der Etappe.
Das können auch großartige Leistungen sein. Aber es sind oft eben "nur" inkrementelle Verbesserungen von etwas, das schon ein anderer vollbracht hat.

Ein kleines Beispiel:
1938 wurde erstmals die Eiger-Nordwand bestiegen. Eine echte Pioniertat (für die die Erstbesteiger sogar olympische Goldmedaillen erhielten und die auch propagandistisch von den Nazis ausgeschlachtet wurde. Das Leben eines der Erstbesteiger - Heinrich Harrer - wurde später dann mit Brat Pitt in der Hauptrolle verfilmt). Dauer des Aufstiegs damals: über 3 Tage.
Der aktuelle Geschwindigkeits-Rekord eines Alleingehers an der Nordwand beträgt weniger als 2 1/2 Stunden. (!!)
Also nur rund 3% der Dauer der Erstbesteigung! Eine wahnsinnige Leistung.
Aber das ist halt weniger "sexy" als eine Erstbesteigung. Wer kennt schon den Namen des aktuellen Rekordhalters? Wer interessiert sich für diese tolle Leistung? Außerhalb einer engen "Kletter-Community" niemand.
Dennoch: Auf dem langen Weg von 3 Tagen zu 2 1/2 Stunden wurden von vielen Menschen an der Nordwand viele Pioniertaten vollbracht.

2.
Die Welt wird immer spezialisierter und unübersichtlicher.
Das ist zum Teil eine Folge von Punkt 1: Die "niedrig hängenden Früchte" sind alle geerntet.
Wenn man heutzutage noch etwas neues erreichen will, dann muss man sich spezialisieren.
Ein Universal-Genie wie Newton ist heutzutage nicht mehr möglich. Denn in jedem einzelnen Gebiet sind wir mittlerweile so weit vorgedrungen, dass man seine ganze Lebensenergie einem kleinen Spezialgebiet widmen muss, um dort noch weiter voranzukommen.

Die Folge:
Die dann erbrachte Pionier-Leistung ist in so einem speziellen Gebiet, dass sie die breite Öffentlichkeit nicht zur Kenntnis nimmt. Sondern nur noch eine kleine Gruppe von Experten, die die Leistung überhaupt beurteilen und einschätzen können.
Das bedeutet aber NICHT, dass es solche Leistungen nicht gäbe. Man bekommt sie nur nicht mehr so publikumswirksam (und für eine breite Öffentlichkeit verständlich) präsentiert, wie seinerzeit z.B. die Mondlandung oder den ersten Atlantikflug.
Existieren tun Pionierleistungen nach wie vor. Und es gibt auch nach wie vor wirkliche revolutionäre Durchbrüche - nur eben zunehmend in Spezialgebieten.

Bleiben wir im Bereich Astronomie für ein Beispiel:
wir haben zwar (noch) keinen Menschen auf dem Mars. Aber hier ein wirklicher Astronomie-Hammer:
Vor wenigen Jahrzehnten war es noch reine Spekulation, ob es auch um fremde Sterne Planeten geben könnte. Der erste sogenannte "Exoplanet" wurde erst 1991 nachgewiesen. Allein im Jahr 2014 wurden aber über 800 (!) weitere Exoplaneten entdeckt.
Eine unglaubliche Wissensexplosion, die eigentlich weit bedeutsamer ist als die Mondlandung: In den letzten 2 Jahren hat die Menschheit mehr Planeten entdeckt, als in allen Jahrtausenden zuvor zusammengenommen.
Ist aber eben nicht so "sexy" wie eine Mondlandung.

Wobei die "Exoplaneten" zumindest noch die Phantasie anregen und es deshalb regelmäßig zu Berichten auch in Publikumsmedien schaffen.
Ähnliche revolutionäre Entwicklungen gibt es sicher auch in vielen anderen Bereichen. Aber die bekommen halt immer nur die jeweiligen Fachleute mit. Es können noch so große Pioniertaten sein: Der einzelne Mensch bekommt von 99% dieser Taten gar nichts mit, weil es eben nicht sein Fachgebiet ist.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

12.11.2015 06:54
#4 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat
Und wenn jemand einen Zug auf mehr als vierhundert Stundenkilometer beschleunigen möchte, dann klappt das allenfalls noch in China, aber sicher nicht mehr im Lande der Dichter und Denker.


Wer hätte gedacht, dass eine ÖBB Lok auf einer deutschen Strecke den Geschwindigkeitsrekord für Lokomotiven hält? http://www.railwaygazette.com/news/singl...-the-shade.html

Llarian Offline



Beiträge: 7.120

12.11.2015 09:34
#5 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von HR im Beitrag #2
Seiner selbst willen ist er mir nicht wichtig.
"Not macht erfinderisch" Hierin sind relevante Pioniertaten begründet.
Ohne Not nix los.

Sparen wir uns an der Stelle den Seitenhieb auf Merkel (der hat hier nicht wirklich was verloren). Genau das ist eben falsch: Es war keine Not, die die Amis auf den Mond trieb, es war keine Not die Lindbergh dazu führte über den Ozean zu fliegen und es war auch keine Not, die Gagarin ins All trieb. Es war der Wille unter völliger Ignoranz des Risiko etwas Neues zu tun.

Das es Ihnen "um der Sache selbst willen" nicht wichtig ist, sei Ihnen unbenommen. Aber das unterscheidet uns. Die Mondlandung hat wissenschaftlich nicht allzu viel gebracht, aber sie hat Inspiration und Motivation für eine ganze Generation gegeben. Eine Marslandung wird wissenschaftlich vermutlich noch deutlich weniger bringen, alleine, sie würde an den Pioniergeist vergangenen Generationen anknüpfen. Fragen wir uns umgekehrt auch einmal: Was sind wir ohne solche Dinge ? Ein Haufen von Individuuen mit unterschiedlichen Interessen. Was auch wunderbar ist. Aber wenn wir uns zusammentun, etwas Neues schaffen, dann sind wir auch einmal etwas anderes: Die Amis sind heute noch stolz auf die Mondlandung. Und sie sollten es auch sein, denn sie haben etwas großes gemeinsam (!) erreicht. Um seiner selbst willen. Das ist doch schon was.

Wenn Sie sich diesem Geist fremd fühlen, lieber HR, dann ist das absolut und ohne Frage in Ordnung. Aber ich bin mit diesem Geist aufgewachsen und ich fühle mich dem zugehörig. Der ursprüngliche Titel dieses Beitrages war "Generation Schlappschwanz", aber das wäre beleidigend (und in der Sache falsch), denn niemand kann ein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er einfach nur sein Leben leben will. Ich denke nur, wir wären heute nicht da, wo wir sind, wenn vergangene Generationen so gedacht hätten.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.11.2015 09:39
#6 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Aber nüchtern betrachtet: ich glaube, wir unterliegen da vielleicht auch einem Wahrnehmungsfehler.

[...]

Ähnliche revolutionäre Entwicklungen gibt es sicher auch in vielen anderen Bereichen. Aber die bekommen halt immer nur die jeweiligen Fachleute mit. Es können noch so große Pioniertaten sein: Der einzelne Mensch bekommt von 99% dieser Taten gar nichts mit, weil es eben nicht sein Fachgebiet ist.

Das sehe ich als regelmäßiger Leser von Bild der Wissenschaft auch so. Da wird ständig von irgendwelchen Durchbrüchen berichtet. Aber die taugen eben meist nicht als Heldengeschichten.

Wobei sich da auch eine interessante Verschiebung ergeben hat - jedenfalls im englischsprachigen Raum. Hierzulande ist Twitter bei der Elite ja nicht so angesagt; das ist draußen in der Welt deutlich anders. Viele Wissenschaftler twittern! Und zwar teilweise direkt aus ihren Labors oder archäologischen Grabungen heraus usw. Da kann man, so man will, mitunter hautnah bei Entdeckungen oder Fehlschlägen dabei sein ...

Im aktuellen Cicero gibt es ein hübsches Zitat, das einen weiteren Aspekt des Problems herausstreicht: Die Angst. Siehe CERN - das war ein Riesenprojekt, aber es ging in den Medien vor allem um Bedrohungsszenarien. Das kommentieren die Physiker Hans-Dieter Radecke und Lorenz Teufel wie folgt:

Zitat
Albert Einstein hatte Glück. Niemand verhöhnte ihn als Schwerkraftleugner, forderte Berufsverbot oder bezichtigte ihn der Käuflichkeit durch das Großkapital.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.11.2015 09:53
#7 RE: Vom Pioniergeist Antworten

P.S. Mal ein paar Beispiele zu twitternden Wissenschaftlern:

Joe Bagley, Archäologe in Boston
https://twitter.com/bostonarchaeo

Neil DeGrasse Tyson, Astrophysiker am Hayden-Planetarium, New York
https://twitter.com/neiltyson
(Gut, der ist inwischen mehr Entertainer - dennoch vermittelt er Begeisterung für die Wissenschaften. Ein Nachfolger Carl Sagans.)

Scott Kelly, Astronaut auf der ISS
https://twitter.com/StationCDRKelly

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 10:15
#8 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Llarian im Beitrag #5
Die Amis sind heute noch stolz auf die Mondlandung.


Wobei es ganz interessant ist, daß sie's im unmittelbaren Vorfeld gar nicht waren. In den regelmäßigen Gallup-Polls zwischen 1966 & 1969 liegt die Zustimmung zum Kennedy'schen "put a man on the moon" immer irgendwo zwischen 25% & 33%. In der 2. Juli-Woche 1969, 1 Woche vor dem Start von Apollo XI & 6 Monate nach der ersten Mondumkriesung, liegt das auch erst bei 39%. "Richtig wichtig" im Stimmungsbarometer sind "die Rassenfrage", das festgefahrene Durcheinander in Viet Nam & ganz vornweg social unrest, inequality - ziemlich genau das, was jeder SPD-Genosse von Gysi bis Seehofer mit "soziale Gerechtigkeit" übersetzt (von der die Amis bekanntlich nie gehört haben ). Als die Bilder im TV laufen, ist man natürlich stolz; aber das ist ein Mitnahmeeffekt.

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #6
Siehe CERN - das war ein Riesenprojekt, aber es ging in den Medien vor allem um Bedrohungsszenarien.


CERN ist 1 gutes Stichwort: Die eigentliche Pionierleistung beim CERN liegt ja in einem ungeplanten Nebenprodukt: Tims Berners-Lees erstem Webbrowser von 1991 - eine zusammengestrickte Behelfslösung zur Datensichtung, die unendlich mehr Veränderung der Welt beitragen wird als jedes fermionische Leptoboson, das mal einen Detektor ausschlagen läßt. (Gibt's in der vorgeschalteten Innovations-Initiative, genannt Evolution, auch: "Federn" sind eigentlich Entgiftungsprodukte, um nichtlösliche Proteinkomplexe aus dem Organismus auszulagern; die erwiesen sich dann zur Temperaturregelung als förderlich. Der Vorgang nennt sich "Exadaption.") Aber eben: nicht sexy - vor allem, wenn 6 Milliarden Leute jeden Tag damit umgehen. Der Erfinder des Reißverschlusses hat mehr geleistet als der Entdecker des Grand Canyon, aber jeder möchte nur der letztere sein.

Zitat
Zitat
Albert Einstein hatte Glück. Niemand verhöhnte ihn als Schwerkraftleugner, forderte Berufsverbot oder bezichtigte ihn der Käuflichkeit durch das Großkapital.



Oho: http://www.ekkehard-friebe.de/Hundert-Autoren.pdf

Stichwort "Deutsche Physik" (wobei Lenard & Stark sogar Nobelpreisträger waren ). Die Zoffjetunion hat es sogar geschafft, Atom- & Wasserstoffbombe ohne "E=mc²" zu konstruieren (die internationalistische zionistisch-bürgerliche Relativitätstheorie kam erst mit dem Tauwetter, Sommersemester 1958, auf die Lehrpläne).



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

12.11.2015 11:03
#9 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Llarian im Blog
Ich möchte technische Protzbauten sehen, Großprojekte, Quantensprünge und überhaupt den Mut etwas Neues zu tun. Ich sehe aus meiner liberalen Seele, dass man diese Wünsche nicht einfach „staatsfinanzieren“ kann, wie sich linke Gesellschaftsklempner das gerne vorstellen.



Hmm…es war immerhin der linke Gesellschaftsklempner Kennedy, der den erwähnten 21. Juli 1969 angestoßen hat, lieber Llarian. (ich saß selbigentags im jugendlichen Alter um 3 Uhr nächtens mit ein paar Freunden am Fernseher - war schon cool - nur dass man damals stattdessen noch "toll" oder so was sagte). "Angestoßen" haben die Amis das selbstverständlich mit gaaaaanz gaaaaaanz viel Staatsfinanzierung. Wo hätten die Ressourcen denn sonst herkommen sollen? Solche Fragen haben wir uns damals übrigens nicht gestellt - höchstens ein paar verkniffene ältere Herrschaften, also Nörgler. Die Knete war halt einfach irgendwie da. Einer der Freunde - ein kleiner Philosuff (jede Menge Bier war auch zugegen) - kam ständig mit "zu was die Menschheit doch alles fähig ist" rüber. Das Ganze passte vortrefflich zur modernistischen Aufbruchstimmung mit links-liberalem, "fortschrittlichem" Gepräge, die jugend-typisch war und nur gaaaanz vordergründig APO/"68er"-gemäß, also eigentlich gar nicht. Heute wird das alles durcheinander geschmissen. Kritiker der "modernen Technik" waren vielfach in altbackenen CDU-Kreisen zu verorten - aber das nur nebenbei.

Anstoß waren im Übrigen die durchaus erfolgreichen Programme der Soffjets, wie unser Uraltbundeskanzler es zu seiner Zeit immer so schön formulierte, von denen man sich nicht "überholen" lassen wollte. Der liberale Geist im Zusammenhang mit Gagarin, also mit dem erwähnten 1961-Ereignis, hielt sich vermutlich auch in Grenzen.

Mehr Staat geht also gar nicht.

Auch das insinuierte Argument, die Chinesen bringen womöglich in technischer Hinsicht noch was Knackiges auf die Beine, wozu die verzärtelten Europäer oder gar deutsche Öko-Gender-Heinis und -Heininen gar nicht mehr willens oder fähig sind, scheint mir eher gesellschaftsklempnerisch zu sein; von "Liberalismus" kann man, was China betrifft, ja wohl eher weniger sprechen.

Zitat von Llarian im Blog
aber aus einer romantischen Sicht heraus erlebe ich zumindest eine kleine, verhaltene Freude darüber, dass wir als Gemeinschaft unser Geld lieber für ein solches Projekt ausgeben, statt eine neue Professur zu schaffen.



Rot durch mich - nu so. Muss nicht - um eine Gemeinschaft zu bilden bzw. gemeinsames Handeln zu generieren - doch irgendwie ein Klempner oder mehrere davon ran? Und Romantik heißt ja eigentlich, utilitaristische Fragen streng zu vermeiden. Das wird auf die Dauer nix, sach ich mal, höchstens mal so als Freizeitbeschäftigung zwischendrinn. Indessen haben Sie ja auch Goethe erwähnt (natürlich kein Romantiker) und das passt ja eigentlich immer: "Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust". Meistens sind's sogar mehr als nur zwei, bei mir jedenfalls

lich
Dennis

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

12.11.2015 11:10
#10 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #8
fermionische Leptoboson


Zitat
Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle,
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
Als ein totgeschoss’ner Hase
Auf der Sandbank Schlittschuh lief. (...)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 11:31
#11 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #9
"Angestoßen" haben die Amis das selbstverständlich mit gaaaaanz gaaaaaanz viel Staatsfinanzierung. Wo hätten die Ressourcen denn sonst herkommen sollen? Solche Fragen haben wir uns damals übrigens nicht gestellt - höchstens ein paar verkniffene ältere Herrschaften, also Nörgler. Die Knete war halt einfach irgendwie da.


Interessanterweise nicht. Zum Hochziehen des Apollo-Projekts ist 3 Jahre lang allerdings Schotter in astronomischer Höhe verballert worden (wenn das auch gegen Energiewende-Dimensionen Peanuts waren); das ist dann aber ganz-schnell zurückgefahren worden, nachdem die Infrastruktur stand (der Ausbau von damals-noch Cape Kennedy, die Kontrollzentren, Houston & für die militärische Schiene Vandenberg); die Entwicklungs- & Fertigungsverträge mit Boeing & Douglas: da hat natürlich das Militär jede Menge an Raketen- & Satellitentechnologie mitbekommen, die in den Nachrichten dann etwas weniger gefietschert wurde (übrigens taucht 1958-60 die "landesweite Fertigung" der Raketen & Zubehör immer wieder als landesweites Konjunkturprogramm in den Anpreisungen auf). Das umfasste im FY 66/67 genau 1 Zehntel des Verteidigungshaushalts & wurde dann auf die "laufenden Kosten" zurückgestutzt. Deshalb gab es ja nach dem Auslaufen des Apollo-Programms ein Jahrzehnt den Durchhänger bis zu den Shuttles (1. Start 1981): weil schlicht kein Geld mehr für solche Spielchen da war: das Militär (& die Wetter- & Kommunikationsheinis) hatten ihre Trägersysteme. Das erste Raumgleiterprogramm, Dyna Soar, ist übrigens 1964 umstandslos gekippt worden, um Gelder für die Mondlandung freizumachen.

Innovation & "politische Spielchen": AT&T hat übrigens im Wahlkampf 1960 schwer die Demokraten unterstützt; American Steel Nixon & die Seinen; das ging bis genau Ende 61: Hintergrund war, daß JFK & Co. versprochen hatten, im Fall des Wahlsiegs zukunftsfroh in eine Kommunikationssatellitenflotte zu investieren -wodurch natürlich sämtliche Telefonleitungen innert 10 Jahren überflüssig geworden wären...



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R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.11.2015 11:37
#12 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #3
Womöglich ist der Pioniergeist der Welt gar nicht erlahmt, wir bekommen ihn nur nicht mehr so mit wie früher.

Ja und Nein.

Ich stimme jedem Ihrer Punkt zu. Es gibt immer noch Pioniertaten, zahlreich und zum Teil durchaus spektakulär.
Es gibt auch noch die von Llarian gewünschten Großbauten oder Protzprojekte.

Aber der Pioniergeist ist deutlich zurückgegangen. Es wird geforscht, erkundet und erfunden - aber nicht durch wagemutige Abenteurer, sondern durch brave Angestellte, maximal durch Start-Up-Gründer. Wenn es noch moderne Äquivalente für Lindbergh, Hillary oder Gagarin gibt, dann wären es Marc Zuckerberg und Kollegen. Nicht ganz der Glamourfaktor ;-)

Denn der Glamourfaktor hat viel mit der Erkundung geographisch neuer Bereiche zu tun. Es ist ja kein Zufall, daß Llarian bei seinen Beispielen nur solche Aspekte brachte (Lindbergh ist ein Randfall). Denn bei der geographischen Erkundung sind immer auch Gefahr und Strapazen dabei, da können Edison oder Einstein nicht mithalten.

Und die geographische Erkundung ist schlicht abgeschlossen bzw. es geht nur noch um Detailarbeit. Die Menschheit hat ihren Planeten und die Nachbarschaft erkundet und verkehrstechnisch erschlossen. Und dabei festgestellt, daß nur die gewohnten Lebensumgebungen wirklich brauchbar sind.
Eine dauerhaft von vielen Menschen bewohnte Raumstation, eine Stadt auf dem Mond oder unter dem Meer wären technisch möglich, aber völlig sinnlos. Außerhalb des gewohnten Bereichs ist es eben nur öde und leer, da will man nicht hin.


Irgendwie ist die Menschheit heute wie Leute, die nach ein paar wilden Jahren, Studium, Saufexzessen, spontanen Rucksackreisen und wilden Parties nun mit Ehe, Job und Eigenheim seßhaft geworden sind. Man hat diverse abenteurliche Sachen ausprobiert und befunden, daß die einem nichts mehr bringen. Man konzentriert sich darauf, seinen privaten Bereich schön einzurichten und sich weiterzuentwickeln.

Das ist alles sehr schön, ich stimme Florian und Dennis voll zu bei ihren Beschreibungen.
Aber der Pioniergeist ist halt weg.

Ob das nun ein Verlust ist, wäre eine andere Diskussion.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 12:22
#13 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
[quote="Florian"|p127861]Und die geographische Erkundung ist schlicht abgeschlossen bzw. es geht nur noch um Detailarbeit. Die Menschheit hat ihren Planeten und die Nachbarschaft erkundet und verkehrstechnisch erschlossen. Und dabei festgestellt, daß nur die gewohnten Lebensumgebungen wirklich brauchbar sind.


Ja-und-nein. Zu den prägenden Eindrücken in Sachen "Geographie" - Stichwort: "Der Mensch entdeckt die Erde", nach dem alten-bösen Schema bis ~1965, gehörten ja immer die Karten: "die bekannte Welt" zur Zeit von Augustus, Karl dem Kahlen, Kolumbus pp. - bis außer den Polen & der Sahara nichts mehr weiß blieb. Die Kritische Schule, die aus Frankfurt, Edward Said, Foucault & Co., hat natürlich längst entdeckt, daß das nix wie Imperialistische Ausbeutungsinstrumente sind (& bewahrende ♀♀♀ keine phallogozentrischen Übel wie zB Zahlen brauchen). Das ist mittlerweile nach außen verlagert: was seit ~50 Jahren abläuft (erste Nahaufnahmen vom Mars: Mariner 4, 15.7.65), ist die genaue Kartographie der Umgebung - momentan bis zum Pluto; demnächst bis zur Grenze der Kuipergürtels oder der Oortschen Wolke. Da bleibt noch für ein paar Jahrtausende Raum; das ist aber etwas für Roboter. Nur ist das eben ohne jeden Besitz- & Herrschaftsanspruch, der den Weißen Kolonialisten ziemlich automatisch unterstellt wird. (Id Biologie geht das genauso: die vehemente Kritik am Humangenomprojekt - &, by extension, für die übrigens Spezies - lag ja in dem mehr oder weniger lauten Vorwurf, sich hier jetzt Den Neuen Menschen - "Kinder nach Maß" - basteln zu wollen. Anstatt nur zu sehen, was Sache ist.)

Diese imaginierte "kolonialistische Besitznahme" geht übrigens ganz früh los: Bei H. G. Wells, "Die ersten Menschen auf dem Mond", 1901, haben die beiden Raumfahrer nach der Landung auf dem Trabanten nichts anderes zu tun, als in Gedanken Claims abzustecken (Bedofrd Plains! Cavor Land!), die sie als Siedlungsgrund verticken möchten.

Die Vision des titius-altius-fortius - Stichwort "bemannter Marsflug", v.a. wie von von Braun, Willy Ley & Co. id 50ern skizziert, hat immer an dem "und dann?" gekrankt: Schießen wir 1 Kasper auf den Mond, kommt als nächstes der Mars. Und dann? Die sukzessive Ausweitung über das ganze Sonnensystem (& dann zu anderen Systemen) war immer eine implizite Projektion bei Zukunftsvisionen, vor allem id Jugendliteratur, die a) den technologischen Optimismus im Programm hatten & b) zumindest so taten, als ob sie sich im Rahmen des ernsthaft Machbaren bewegten. Id US-amerikanischen SF (die britische kennt das nicht: die ist prinzipiell pessimistisch grundiert) gibt's immer wieder Versuche, diesen Optimismus zu reaktivieren, der richtig archetypisch in Robert Heinleins Jugendbüchern vorgezeichnet ist: das ist immer, seit 45 Jahren, spurlos verpufft. Der letzte Versuch war vor 2 Jahren Gregory Benfords Anthologie "Starship Century": mit dermaßen schwachen & dürftigen Erzählungen, daß die Rezensenten sehr zu Recht befunden haben: laßt das mit dem Zukunftsoptimismus, das macht keinen Ss-paaß mehr. Interessanterweise ist der einzige SF-Roman mit Bestand, den die alte Bundesrepublik hervorgebracht hat, Ludek Peseks Die Erde ist nah von 1970, nicht nur ein Jugendbuch, sondern eine vehemente Abrechnung mit all den Visionen von der "Erschließung des Alls" & "Heimat auf anderen Welten". Man fragt sich immer noch, wie eine derart schwarz grundierte Vision auf eine solche Zielgruppe losgelassen werden konnte.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Florian Offline



Beiträge: 3.179

12.11.2015 12:28
#14 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12


Aber der Pioniergeist ist deutlich zurückgegangen. Es wird geforscht, erkundet und erfunden - aber nicht durch wagemutige Abenteurer, sondern durch brave Angestellte, maximal durch Start-Up-Gründer. Wenn es noch moderne Äquivalente für Lindbergh, Hillary oder Gagarin gibt, dann wären es Marc Zuckerberg und Kollegen. Nicht ganz der Glamourfaktor ;-)


Stimmt schon.

Andererseits:
Es gibt sie noch, die echten Kerle.

Wie wär's z.B. mit Richard Branson?

lt. Wikipedia:

Zitat
1986: Schnellste Atlantiküberquerung per Schiff mit der „Virgin Atlantic Challenger II“
1987: Erste Heißluftballonüberquerung des Atlantiks mit dem „Virgin Atlantic Flyer“
1991: Erste Heißluftballonüberquerung des Pazifiks mit dem „Virgin Pacific Flyer“
1995–1998: Mehrere Versuche, die Erde per Ballon zu umrunden. 1998 gelang ihm schließlich ein Rekordflug von Marokko ostwärts bis nach Hawaii, er musste den Flug aber dort wegen schlechten Wetters abbrechen. Im Rennen um die Welt unterlag er 1999 schließlich Bertrand Piccard und Brian Jones, half diesen aber in sehr sportlicher Manier, als sie Probleme mit Überfluggenehmigungen für Iran, Irak und China bekommen hatten; Branson hatte seinen Versuch bereits beim Start in der marokkanischen Wüste abbrechen müssen.
2004: Schnellste Überquerung des Ärmelkanals mit einem Amphibienfahrzeug.
2012: Ältester, der den Ärmelkanal mittels Kitesurfen überquert (sein Sohn war der schnellste Kitesurfer).



Und nebenbei auch noch jede Menge Unternehmen gegründet.
Bis hin zur eigenen Raumflug-Firma mit dem "Spaceship2".

Genug "Glamour-Faktor"?

(Überhaupt:
die diversen privaten Weltraum-Unternehmer wären ein eigenes Thema.
Da gibt es zur Zeit jede Menge Pioniergeist.
Bis hin zum irren Plan, auf Asteroiden Minen zu betreiben.
Wenn das kein Pioniergeist ist, was dann?)

Oder:
Die irren Projekte von Google.
Von GoogleEarth über GoogleStreetView bis zum Google-Auto:
wer hätte sich bei all diesen Projekten vor 20 Jahren gedacht, dass so was überhaupt möglich ist?
Pioniergeist par Excellence.


Oder wie wär's mit Reinhold Messner?
(Ich wollte eigentlich hier aus der Wikipedia seine Pionier-Highlights reinkopieren. Lasse ich jetzt aber, weil das einfach zu viel Text wäre.
Aber kurz gesagt: Der Mann hat in seinem Leben die irrsten Pionierleistungen vollbracht. Zum Beispiel viele anspruchsvolle Erstbesteigungen (z.B. die Ortler-Nordwand), als erster alle Achttausender bestiegen, als erster alle alleine bestiegen, als erster alle ohne künstlichen Sauerstoff bestiegen. Als erster eine Antarktisdurchquerung zu Fuß. usw.usw.

Genug Glamour-Faktor hat der Mann doch, oder?

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

12.11.2015 12:34
#15 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #12
Aber der Pioniergeist ist deutlich zurückgegangen. Es wird geforscht, erkundet und erfunden - aber nicht durch wagemutige Abenteurer, sondern durch brave Angestellte, maximal durch Start-Up-Gründer. Wenn es noch moderne Äquivalente für Lindbergh, Hillary oder Gagarin gibt, dann wären es Marc Zuckerberg und Kollegen. Nicht ganz der Glamourfaktor ;-)
Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Welches Wagnis haben die Pioniere wirklich auf sich genommen? War ihre Motivation wirklich der Pioniergeist? Wo findet man heute Pioniergeist?

Die frühen Raumfahrtpioniere waren alles Soldaten, also im Prinzip Staatsangestellte, die machen mußten, was man ihnen befahl. Für Gagarin war der riskante Raumflug definitiv sicherer, als es die Ablehnung des Befehls dazu gewesen wäre. Die heutigen Raumfahrer sind hingegen fast alle Freiwillige. Sie haben deutlich mehr Pioniergeist, wenn auch die Technologie, die sie benutzen, erprobter ist.

Mehr Pioniergeist als Gagarin und Co. hatten Lindbergh und die Atlantikflieger vor ihm. Sie wurden durch Preisausschreiben. Ohne Preisausschreiben und mit noch mehr Pioniergeist flogen hingegen von Hünefeld, Köhl und Fitzmaurice auf der ungleich schwierigere Gegenwindroute von Irland nach Amerika nur ein Jahr nach Lindbergh. Wie viel schwieriger diese Route war, wußte man damals gar nicht, weil zwar die vorherrschende Windrichtung in diesen Breiten seit dem Altertum bekannt ist, nicht hingegen der Jet Stream in größeren Höhen.

Zuckerberg hatte einen Vertragspartner gehabt, der ihn schlecht bezahlt und schlecht kontrolliert hatte. Von ihm kam die Idee zu Facebook. Seine Leistung ist lediglich, den schlampigen Vertragspartner schneller über den Tisch zu ziehen als umgekehrt, was in einem Bereich, wo mit steigenden Skalenerträgen gewirtschaftet wird, der einzige Erfolgsfaktor ist. Mehr Pioniergeist hatten Page, Brin und von Bechtolsheim mit Google: Eine gute Idee, für die man etwas wagen konnte, nämlich Geld oder seinen Doktor.

Am Interessantesten ist m.E. der Antrieb von Nebenberufspionieren wie Newton, Mendel, Sir Hillary und von Hünefeld. Sie alle hatten eine andere realistische Option, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Es gibt wohl eine gewisse "Ästhetik an der Neuheit" die ein wesentlicher Antrieb für epochale Neuerungen ist, und einer ganz anderen Kategorie ist als der Befehl von Luftwaffenvorgesetzten oder von wirtschaftlichen Erwägungen. Dieser Antrieb hält sich auch nicht daran, daß man "bei seinen Leisten bleibt".

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 12:43
#16 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #6
Das sehe ich als regelmäßiger Leser von Bild der Wissenschaft auch so. Da wird ständig von irgendwelchen Durchbrüchen berichtet. Aber die taugen eben meist nicht als Heldengeschichten.


Da liegt auch 1 Hase im Pfeffer: die Kommunikation von Wissenschaft. Am schlimmsten ist natürlich das Fernsehen, das "Wissenschaft" nur als 20-Sekunden-Spot & reines Zerrbild präsentieren kann: als folgenlose Sensation, daß irgendwelche Eierköppe jetzt 1 Schwarzes Loch gefunden haben, also wird heute abend der Mond dunkel. Aber die Publikationen, die den Mittelweg der Popularisierung einnehmen - also für ein Laienpublikum, daß man sich aber noch als vernunftbegabte Wesen vorstellt, aber breiter als die Leser der Fachblätter, wie eben BdW, aber auch Spektrum d.W., der Scientific American u.ä., haben furchtbar nachgelassen in den letzten Jahrzehnten. Man muss nur mal den Scientific American, ca. 1960-1985, neben die heutige Version legen & bekommt einen Schlag: in der alten Variante waren lange, oftmals gar nicht sensationsheischende Darstellungen zu finden, die den gesicherten Stand der Erkenntnis präsentierten & die, für den allgemeinen Leser, vollkommen ausreichten, um kompetent informiert zu sein. Heute ist das nur noch die Melange aus Infokästchen, cool-geilen Angesagt-Themen, & Weltrettung, am liebsten vor der Klimakatastrophe. (Beim Scientific American konnte man als Eichmaß anlegen, ob Martin Gardners "Mathemaitcal Games"-Kolumne gebracht wurde.) Beim New Scientist gab es diese Tendenz schon immer; aber selbst einigermaßen seriöse Blätter wie Sterne & Weltraum oder Sky & Telescope sind mittlerweile heftig davon angefressen.

Mit den "Durchbrüchen" ist es ja so: wenn man nach 20 Jahren noch mal durchgeht, was darauf geworden ist, ob sich das wirklich als Pioniertat entpuppt hat oder folgenloses Glatzenlockendrehen war, dürfte das Verhältnis bei etwa 5:95 liegen.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 12:53
#17 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #14
Wie wär's z.B. mit Richard Branson?



Branson ist ein gemeingefährlicher Irrer.
http://www.space.com/4123-explosion-kill...space-port.html
http://www.bbc.com/news/world-us-canada-29876154

Ein Windbeutel, ein Showman. Das war spätestens klar, nachdem die angekündigten "Flüge an die Grenze des Weltraums" Jahr um Jahr niemals umgesetzt wurden, nachdem er 2004 den "X Prize" eingesackt hatte. Der Herr taugt nur, um die vakante Stelle des prominenten Mad Scientist auszufüllen, den es in 2 Sparten gibt: als spinnerten Reagenzglasfuzzi (die Stelle hat Kary Mullis gebongt) & als größenwahnsinniger "Entrepreneur" (das klassische Urbild ist Nikola Tesla).

Als Sven-Hedin-Ersatz bieten sich eher Robert D. Ballard oder Bertrand Piccard an - allerdings ist deren Tun wie bei allen diesen Pausenclowns ebenso sinnfrei & folgenlos; ärgerlich wird es nur, wenn sie glauben, zum Pastor berufen zu sein, weil sie mal in Hot Pants auf den Chimborasso gekrochen sind, Messner besonders.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

12.11.2015 13:19
#18 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #16
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #6
Das sehe ich als regelmäßiger Leser von Bild der Wissenschaft auch so. Da wird ständig von irgendwelchen Durchbrüchen berichtet. Aber die taugen eben meist nicht als Heldengeschichten.


Da liegt auch 1 Hase im Pfeffer: die Kommunikation von Wissenschaft. Am schlimmsten ist natürlich das Fernsehen, das "Wissenschaft" nur als 20-Sekunden-Spot & reines Zerrbild präsentieren kann: als folgenlose Sensation, daß irgendwelche Eierköppe jetzt 1 Schwarzes Loch gefunden haben, also wird heute abend der Mond dunkel. Aber die Publikationen, die den Mittelweg der Popularisierung einnehmen - also für ein Laienpublikum, daß man sich aber noch als vernunftbegabte Wesen vorstellt, aber breiter als die Leser der Fachblätter, wie eben BdW, aber auch Spektrum d.W., der Scientific American u.ä., haben furchtbar nachgelassen in den letzten Jahrzehnten.
Das stimmt. Früher (als ich noch jung war) waren solche Sachen wie Spektrum der Wissenschaft für mich zu schwierig, jetzt sind die Artikel mir zu nichtssagende Häppchen. Ich selber schätze es, wenn Forschung als eine Art Geschichte dargestellt werden kann. Entweder ist die Handlung der sachliche Zusammenhang der Dinge oder der Gang der Erforschung mit Versuchen, scheitern, neuen Erkenntnissen daraus und dann der finalen Entdeckung. So etwas kann man natürlich nicht in einer einzigen Spalte erzählen.

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #16
Mit den "Durchbrüchen" ist es ja so: wenn man nach 20 Jahren noch mal durchgeht, was darauf geworden ist, ob sich das wirklich als Pioniertat entpuppt hat oder folgenloses Glatzenlockendrehen war, dürfte das Verhältnis bei etwa 5:95 liegen.
Nun, zum Teil kann man das ja anfangs auch gar nicht genauer wissen. Zum anderen Teil ist es gerade die Ökonomie des Wissenschaftsbetriebes, die neue Salamischeibe von der eigenen Forschungsarbeit als großen Erkenntnisfortschritt verkaufen zu müssen. Man forscht ja meistens nicht wegen der Ästhetik des Neuen, sondern um etwas in die Publikationen zu schreiben, mit denen man wieder neue Gelder beantragen möchte. Am effizientesten ist man dabei natürlich, indem man besonders schwierige, ungewisse Sachen ausklammert und sich nicht um mehr Verständnis einer Sache bemüht, als man auf den paar Seiten seiner Publikation schreiben muß. Und so geschehen eben keine Pionierleistungen. Solche Salamiforscher haben nach meinem Eindruck aber auch gar nicht den Spaß an Pioniergeist und Neugier. Forschung ist da normale Erwerbsarbeit, zu der man sich aufraffen muß.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 13:45
#19 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von llarian im Blog
Selbst wenn man kein großer Anhänger von Science Fiction ist, so ist den meisten Menschen Captain Kirk und die Welt, die sich Roddenberry ausgedacht hat, ein Begriff. Es ist eine utopische Vision der Zukunft, mit der die meisten, ob von links bis rechts, von liberal bis kollektiv, etwas anfangen können.



Weiß nicht. Ich möchte eigentlich keine Welt, in der sich Raumschiffkapitäne jede Woche wie die Besenbinder prügeln.

Davon ab: in den 90ern hat das Fachmagazine Locus ("The newspaper of the science fiction world") mal in einer Umfrage wissen wollen, in welcher geläufigen fiktionalen Zukunft die Leser (zumiest solche, die irgendwie professionell oder ernsthaft mit dem Metier beschäftigt) denn eigentlich wohl leben möchten: auf dem Wüstenplaneten, in Winston Smiths "1984" , als Anhalter quer durch die Galaxis. Das überwältigende Ergebnis war "Star Trek" (von ~ 1050 Nennungen gut 850; alles andere lief, wenn überhaupt, unter Bedingungen: vorausgesetzt, ich kann mir den Posten aussuchen; 2 Wochen auf Urlaub...) Insofern hat Roddenberry nichts falsch gemacht. Einiges davon ist den Vorgaben geschuldet, die er beim Entwurf, 1964-65, eingebaut hat: die zu entwerfende Welt sollte prinzipiell auf 3 Aspekte verzichten: die Religion (auch weil das im US-TV keine Bandbreite in Aussicht hatte); keine Politik (also Weltstaat; das Thema wird in TOS nirgend aufs Tapet gebracht) und vor allem kein Geld. Die späteren Iterationen haben das dann kassiert: besonders DS9, deren Staffeln 6 & 7 dann jeglichen Rest des novus ordo seclorum einstampften.



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Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.547

12.11.2015 14:06
#20 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #18
Solche Salamiforscher haben nach meinem Eindruck aber auch gar nicht den Spaß an Pioniergeist und Neugier. Forschung ist da normale Erwerbsarbeit, zu der man sich aufraffen muß.


Das geht auch gar nicht. Und-das-ist-gut-so (TM sexy Berliner). Das Erarbeiten & Schreiben eines papers (in 95% auf mehrere Autoren verteilt), dient ja genau der Aussiebefunktion, um das Ergebnis belastbar zu machen: 50% der Erarbeitungszeit gehen mit Diskussionen drauf: Was könnte daran falsch sein? (Übrigens bleibt die reine Schreibarbeit erfahrungsgemäß bei 1 oder 2 Ko-Autoren hängen, der Rest "trägt bei") Die "Pionierarbeit" findet sich in der Spalte "Letters", wo kursorisch & knapp über einen neuen Aspekt oder eine Versuchsreihe referiert wird. Die unterliegen id Regel dann noch nicht dem Peer-Review-Prozess. Die Zündung durch den plötzlich erhellenden Geistesblitz, der die ganze Landschaft in ein neues Licht taucht (Vesto Sliphers Cepheiden-Entdeckung; Conrad Röntgen, Kekulés Benzolring pp.) sind Anomalien & müssen sich erst als unkaputtbar erweisen.



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Florian Offline



Beiträge: 3.179

12.11.2015 15:02
#21 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Übrigens:

Wem eine wissenschaftlich plausible Darstellung der Weltraumfahrt gefällt, dem lege ich einen aktuellen Kinofilm ans Herz: "The Martian".
Ich war echt beeindruckt. So beeindruckt, dass ich im Anschluss gleich noch das dem Film zugrundeliegende Buch gelesen habe. Und das hat mich wirklich begeistert:
Eine (soweit ich das beurteilen kann) sehr realistische Darstellung der Weltraumfahrt.

Ok, es gibt des Effekts willen sicher die eine oder andere kleinere Überzeichnung.
Aber im wesentlichen schon realistisch.
Und das allerbeste: die superwissenschaftliche und zugleich pragmatisch-ingenieurmäßige Art, wie der Held vorgeht.
Das ist eindeutig kein Actionheld, sondern ein "Köpfchenheld".

Echt ein Film (und vor allem auch: ein Buch), das Begeisterung für Wissenschaft&Technik wecken kann.

Achtung Spoiler:
https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Marsianer

und hier eine Rezension aus wissenschaftlicher Perspektive:
http://www.iflscience.com/space/how-accu...right-and-wrong
(Hauptkritik-Punkt: ein Sandsturm wird nicht realistisch dargestellt)

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

12.11.2015 15:07
#22 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #14
Es gibt sie noch, die echten Kerle.

Na ja, aber das ist doch eher die Klamauk-Schiene.
Als Hillary den Mt. Everest bestiegen hat, wurde ein Stück Erde erforscht. Picard oder Armstrong haben in erster Linie wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert, und dann noch den Glamourfaktor.
Bei einem Messmer geht es nur noch um den Eintrag im Guinessbuch. Ob man den Everest mit oder ohne Sauerstoffgerät besteigt, oder rückwärts im Handstand - das hat keinen echten Mehrwert, da geht es nur um den Unterhaltungsfaktor.

Zitat
Die irren Projekte von Google.


Das meint ich mich "Zuckerberg und Kollegen". Startups mit moderner Technik oder neuen Ideen ist noch Pioniergeist, aber eben nicht mehr in der Variante "echte Kerls, die etwas aushalten".

Unsere Gesellschaft wird sich mit immer neuem Wissen und neuen Entwicklungen weiterentwickeln.
Aber das Kapitel "geographische Entdeckungen" ist abgeschlossen, die weißen Flecken sind gefüllt. Diese Epoche der Menschheitsgeschichte wird (bis zur Erfindung überlichtschneller Triebwerke) nicht wiederkommen.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.11.2015 15:38
#23 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #21

Echt ein Film (und vor allem auch: ein Buch), das Begeisterung für Wissenschaft&Technik wecken kann.


Bestätige das - fürs Buch; den Film habe ich noch nicht gesehen. Wenn ich mich aus meinem letztjährigen Nominierungsvorschlag für den Kurd-Laßwitz-Preis mal selbst zitieren darf:

Zitat
ein stets am Rand des Möglichen bleibender Roman über eine Forschungs- und Rettungsmission, der mit seiner pfiffigen und humorvollen, unterm Strich optimistischen Art an klassische Romane der 1950er Jahre anknüpft und sie auf ein neues Niveau hebt.



Er hat dann ganz knapp den zweiten Platz erreicht.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

12.11.2015 15:41
#24 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #16
Mit den "Durchbrüchen" ist es ja so: wenn man nach 20 Jahren noch mal durchgeht, was darauf geworden ist, ob sich das wirklich als Pioniertat entpuppt hat oder folgenloses Glatzenlockendrehen war, dürfte das Verhältnis bei etwa 5:95 liegen.

Drum schätze ich in BdW besonders die Sparte "Nachgehakt - Was wurde eigentlich aus ..."

Paul Offline




Beiträge: 1.285

12.11.2015 15:57
#25 RE: Vom Pioniergeist Antworten

Mit meiner Einstellung und Bewertung von Pioniergeist nehme ich hier wohl eine Außenseiterposition ein.

Zunächst unterteile ich alle Aktivitäten in "Freizeit" und "Arbeitszeit"

Unter Freizeit-Pioniergeist subsumiere ich alle "Glanztaten", die hier aufgeführt wurden: Erstbesteigungen, "Rekorde" aller Art u.ä.m. In Büttenwarder sagt man: "Das hat keinen Nennwert." Es hat keine wirkliche Bedeutung für die Menschheit und deren Weiterentwicklung zu mehr Gesundheit, weniger Hunger, mehr Wohlstand. Das ist für mich der "Nennwert" an dem ich alles messe.

Der Arbeitszeit-Pioniergeist erfüllt diese Voraussetzungen. Dazu gehören für mich Pioniertaten von Erfindern die einen "Nennwert" haben. Dazu gehören, das Auto, der Reißverschluss, der Klettverschluss, die Röntgenstrahlen, das Penicillin u.v.a.m. Ja, natürlich gehören der PC und das Navi auch dazu.

LG, Paul

JE SUIS JUIF

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