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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 36 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
adder Offline




Beiträge: 1.073

09.12.2015 16:07
#26 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #25
Zitat von R.A. im Beitrag #20
Da schiene es doch logisch, daß auch die Schule Sachen wie Demokratie, Menschenrechte und Bürgerrechte als positive Werte vermittelt. [...] Ich hätte zum Beispiel große Probleme, wenn im Schulunterricht die Regierungssysteme einer Demokratie, einer Diktatur oder eines "Gottesstaates" völlig neutral und ohne Bewertung gleichberechtigt nebeneinandergestellt würden.
Lieber R.A.,

spricht aus dieser Logik nicht das gleiche Mißtrauen gegenüber dem Staatsbürger, welches auch diejenigen Sittenwächter umtreibt, welche ihn vor Berührung mit "rechtem Gedankengut" behüten wollen, weil sie davon ausgehen, dass er ihm nicht widersagen kann?


Vollkommen richtig. Eine neutrale Beleuchtung der Demokratie, der Diktatur und der Theokratie würde bei 99% der Schüler keine größeren Sympathien für letztere beide wecken. Ein gutes Konzept setzt sich an einem freien Markt immer durch.

Zitat
Das was Ihrer Meinung nach vermittelt werden soll, vermittelt in meinem Menschenbild eine intakte Familie deutscher Staatsbürger ihren Kindern ohnehin. Dazu braucht es keine Schule. Wir müssen uns entscheiden: Mißtrauen wir dem Volk im Sinne des Individuums oder nicht? Das ist die zentrale Frage, mit einer für mich eindeutigen Antwort.



Selbst wenn es nicht in der Familie vermittelt würde, ... ich habe ja gar nichts dagegen, in der Schule eine Information (im Politik- oder Geschichtsunterricht) über verschiedene Staatssysteme, (im Philosophie-Unterricht, den ich z.B. auch hatte) über verschiedene Ideologien, bei einer durchaus neutralen Betrachtung, die immer auch die Nachteile und Opfer beleuchtet, zu lehren. Das gehört in die Geschichts-, Politik- und Philosophie-Stunden mindestens der oberen Klassen. Denn es ermöglicht den Schülern, sich selbst mehr Informationen zu holen.
Ich wäre allerdings auch einer Modifizierung der Schulpflicht (freie, ausschließlich private Schulen, aber trotzdem Pflicht zum Besuch einer Schule) nicht abgeneigt.


Zitat
Aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass wir alle (und da nehme ich mich selbst keinesfalls aus) so staatsgläubig sind, dass uns das vielerorts garnicht mehr auffällt. Es fällt uns eben nur dort auf, wo andere uns eine Meinung aufzwingen wollen, die wir selbst nicht teilen aber eben nicht dort, wo wir selbst den Status quo als Normalität empfinden. Auch für Denktabus gilt: Die Anderer zu brechen ist nicht schwer, die eigenen hingegen schon.



Das ist ein europäisches Problem - und ein großes noch dazu. Mit dem Staat ist es recht einfach: kein Staat ist nicht gut, viel Staat ist schlecht. Der Nutzen des Staates ist am höchsten, wo er nur gering ausgebildet ist und vor allem Leib, Leben und Eigentum seiner Bürger schützt. Mehr Staat reduziert diesen optimalen Nutzen dann immer stärker (und zwar ohne das es zuerst auffällt, schleichend nämlich und hinterhältig), weniger Staat ist hingegen auch nicht positiv, weil dann die Bürger sich selbst schützen müssen und damit viel Zeit und Ressourcen verbringen/verbrauchen werden, die nicht mehr dem Pursuit of Happiness zur Verfügung stehen.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

09.12.2015 23:28
#27 RE: Aldi-Schulen Antworten

Semi-OT. Pädagockel & Leerpläne.

Am Wochenende im Bekanntenkreis. Er, Gymnasiallehrer, LK Englisch, hat id vorigen Woche 2 Tage Stress absolviert. Die Klasse macht Shakespeare, ist auch noch so im Zentralabi eingeplant. Es steht eine Lehrprobe an; 2 Tage vorher stellt sich heraus, daß die junge Referendarin (wohlgemerkt: absolviertes Studium der Anglistik, Mitte 20) in ihrem Leben noch kein Shakespeare-Stück gelesen oder per Bühne oder Film überstanden hatte. Also Umstellung, um die totale Blamage zu umschiffen: er mußte sich in 48h David Eggers' "The Circle" aneignen, von dem er noch kein Wort gelesen hatte. "Passt aber ausgezeichnet als Lehrstoff: da kommt nämlich Google gar nicht gut weg."

Seit gut 10 Jahren steht auf dem Lehrplan LK Englisch unverrückbar "genetic engineering". Keinerlei Koppelung nicht biologischem Sachwissen (brav so: das würde die Problematik subito auf das Level "erzeugt elektrisches Licht Hautkrebs" reduzieren). Text stets Ishiguros "Never Let Me Go": wie gut, daß Klonen verboten ist, sonst würden sich die bösen Reichen lauter ahnungslose Kopien als Ersatzteillager anlegen. Ditto "Nine Eleven", immer über DeLillos "Falling Man" runtergebrochen. Exakt Null Islam, ob militant oder anders, dafür: so ein plötzlicher Stress lässt die Leute ausklinken & verwirrt sie, und manche so, daß sie das zwanghaft per Pantomime nachstellen. Kann das zu einer notwendigen Katharsis führen? Begründen Sie das. Non scholae sed vitae.



Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

10.12.2015 09:45
#28 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #27
Pädagockel & Leerpläne...


Das erinnert mich an den alten "Kartoffel Witz":

Zitat
Hauptschule 1950:
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 DM. Die Erzeugungskosten betragen 4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn?

Realschule 1960:
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 20 DM. Die Erzeugungskosten betragen 16 DM. Berechne bitte den Gewinn!

Gymnasium 1970:
Ein Bauer verkauft eine Menge Kartoffeln (K) für eine Menge Geld (G). G ist die Menge aller Elemente g, für die gilt: g ist eine Mark. In Strichmengenform müßtest du für die Menge G zwanzig Strichlein (////////////////////) machen, für jede Mark eines. Die Menge der Erzeugniskosten (E) ist um vier Strichlein (////) weniger mächtig als die Menge G. Zeichne das Bild der Menge E als Teilmenge der Menge G und gib die Lösungsmenge (L) an für die Frage: Wie mächtig ist die Gewinnmenge?

Gesamtschule 1980:
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln zum Preis von 20 DM. Die Erzeugungskosten betragen 4/5 gleich 16 Mark. Der Gewinn beträgt 1/5 gleich 4 Mark. Unterstreiche das Wort "Kartoffeln" und diskutiere mit Deinem Nachbarn darüber!


Heute (würde ich ergänzen):
Ein Bauer_X verkauft einen Sack konventionell angebauter, klimaschädlicher Kartoffeln für Geld anstatt sie für die Versorgung der Flüchtlinge zu spenden. Kaptiatlismus untergräbt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, zerstört die Zukunft unserer Kinder und führt in den Rechtsextremismus. Kläre deine Familie auf.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.12.2015 09:55
#29 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #28
Heute (würde ich ergänzen):
Ein Bauer_X verkauft einen Sack konventionell angebauter, klimaschädlicher Kartoffeln für Geld anstatt sie für die Versorgung der Flüchtlinge zu spenden. Kaptiatlismus untergräbt den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, zerstört die Zukunft unserer Kinder und führt in den Rechtsextremismus. Kläre deine Familie auf.


Um ganz up to date zu sein, gehörte zur Hausaufgabe noch folgendes: "Entwerfe ein Twitter-Hashtag, um Bauer X mit einem Shitstorm die Existenz zu ruinieren. Wortbeispiele: noplatform, klimagerecht, refugees, gegenrechts."

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.12.2015 10:23
#30 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #25
spricht aus dieser Logik nicht das gleiche Mißtrauen gegenüber dem Staatsbürger, welches auch diejenigen Sittenwächter umtreibt, welche ihn vor Berührung mit "rechtem Gedankengut" behüten wollen, weil sie davon ausgehen, dass er ihm nicht widersagen kann?

Nein. Weil wir hier ja noch nicht von Staatsbürgern reden, sondern von Kindern und Jugendlichen. Die erst noch eine Basis kriegen müssen, auf Grund derer sie beurteilen und entscheiden können.

Zitat
Das was Ihrer Meinung nach vermittelt werden soll, vermittelt in meinem Menschenbild eine intakte Familie deutscher Staatsbürger ihren Kindern ohnehin.


Richtig. Bei diesen Kindern ist das überflüssig (aber auch unschädlich).
Das Problem ist aber, daß eine große Zahl von Kindern (die Mehrzahl?) nicht in diese Kategorie fällt. Wenn die Kinder nicht aus intakten Familien kommen, nicht von deutschen Staatsbürgern erzogen werden, oder von solchen, denen Bildung und Erziehung so fremd sind wie die Werte des Grundgesetzes - dann stimmt eben Ihre Voraussetzung nicht mehr.
Bei diesen Kindern haben wir weitgehend ein Vakuum anstelle der erhofften Werte aus dem Elternhaus. Und grundsätzlich wäre mir da lieber, die Schule springt hier ein anstatt daß es der lokale Imam oder Extremist tut.

Quintessenz: Wir sind uns eigentlich völlig einig, lieber n_s_n. Der Staat sollte sich nicht einmischen, die Familie hat den eigentlichen Erziehungsauftrag.
Aber die Realität draußen sieht halt leider oft anders aus.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

10.12.2015 11:44
#31 RE: Aldi-Schulen Antworten

Lieber R.A.

Zitat von R.A. im Beitrag #30
Bei diesen Kindern ist das überflüssig (aber auch unschädlich)
Ich glaube nicht, dass politische Indoktrination immer unschädlich ist.

Sie wird durch eine intakte Familie abgemildert, aber sie ist bei weitem nicht unschädlich. Der aktuelle Umgang mit dem „menschengemachten Klimawandel“ ist dafür ein Paradebeispiel für politische, erfolgreiche Indoktrination: Es existiert in der Breite der Gesellschaft eine „Wahrheit“, die nichts mit wissenschaftlich belegbarer Wahrheit zu tun hat. Es ist eine politische Wahrheit, welche die Menschen für Wissenschaft halten. (Ich versuche schon seit einiger Zeit eine Artikel über dieses Thema zu schreiben, scheitere aber bisher dabei, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen.)

Beim Klimawandel werden Wahrheiten, Halbwahrheiten und (bewußte oder unbewußte) Lüge zur Unkenntlichkeit vermischt und damit, durch Menschen die besonders aggressiv ihrem eigenen „Glauben“ anhängen, die Gesellschaft manipuliert. Das ist besorgniserregend. Dreimal mehr besorgniserregend wenn man schon Stimmen vernimmt, welche die Demokratie aussetzen wollen , um ihrem Glauben zu frönen. – So irre die heute auch klingen mögen. Es klang auch einmal die Vorstellung irre, dass ein Bundeskanzler der Bundesrepublik sagen würde, dass die deutschen Grenzen nicht zu sichern seien und dass jeder der das bedenklich findet in Nazi Nähe gerückt würde.



Zitat von R.A. im Beitrag #30
Das Problem ist aber, daß eine große Zahl von Kindern (die Mehrzahl?) nicht in diese Kategorie fällt.
Wenn ich Sie richtig verstehe, zielen Sie auf einen bestimmten Lehrauftrag ab, den staatliche Schulen haben sollten. Dazu zwei Anmerkungen.

Zum einen ist Propaganda eben Propaganda. Wenn sie im Sinne von Demokratie und Rechtsstaat gemacht wird, mögen wir beide Propaganda gut, sogar richtig finden. Wenn sie in Sachen von Klimawandel oder malthusscher Lehre gemacht wird, ist sie (zumindest in meinen Augen) ein großes Problem. Wer entscheidet darüber, wo der Staat Kinder indoktrinieren darf? Da ich für mein Kind diese Entscheidung gerne selbst treffen würde, neige ich dazu zu antworten: „Ich selbst und damit die Familie.“

Zum anderen ist in meinen Augen der Grund, den Sie zur Rechtfertigung staatlicher Indoktrination an einer bestimmten Stelle nennen, Folge einer Vernachlässigung seiner Aufgaben an anderer Stelle.

Sie haben natürlich Recht, dass es eine immer weiter wachsende Zahl von Kinder gibt, die man nicht rein in der Obhut ihrer Familie belassen kann, wenn man sie zu Staatsbürgern dieses Landes im positiven Sinne erziehen möchte. Unsere Bundesregierung tut ja derzeit alles dafür, dass diese Zahl weiter und immer schneller wächst.

Der Staat hätte geltendes Recht ohne jegliche „kultursensibilität“ umzusetzen und im Zweifel unmißverständlich klar zu machen, dass das Bekenntnis zu unserem Rechtsstaat und dem Grundgesetz von jedem erwartet wird. Das "kultursensible Messen" mit zweierlei Maß, das über Jahrzehnte praktiziert wurde, hat den Mißstand den Sie benennen mindestens begünstigt, wenn nicht wesentlich mit verursacht.

Es ist die alte Leier: Durch falsches Verhalten des Staates werden Probleme geschaffen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, …..

Natürlich haben Sie faktisch Recht: So wie die Situation in unserem Land aktuell ist, wird man gar nicht umhinkommen, als das „Reparieren aktueller, gesellschaftlicher Dysfunktionalität“ über den Staat zu organisieren. Möglicherweise auch über die Schulen. Das wäre in meinen Augen aber nichts was grundsätzlich richtig wäre, sondern der Not gehorchender Pragmatismus, mit einkalkulierten Nebenwirkungen. Zumindest in der Theorie möchte ich das unterschieden wissen.

Wenn ich dabei sehe und wahrnehme, mit welch unsäglichen malthusschen Menschenbild fast alle Menschen welche ich kenne (und das sind allesamt keine ungebildeten) herumlaufen, sind die Nebenwirkungen dabei alles andere als klein.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.12.2015 14:01
#32 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #31
Ich glaube nicht, dass politische Indoktrination immer unschädlich ist.

Immer vielleicht nicht, aber meistens. Gibt oft eine gute Übung ab - wenn man mit den Kindern über manche Sachen spricht lernen sie, worauf sie auch später im Leben achten müssen, wenn ihnen jemand politisch etwas erzählt.

Zitat
Der aktuelle Umgang mit dem „menschengemachten Klimawandel“ ist dafür ein Paradebeispiel für politische, erfolgreiche Indoktrination


Aber da ist die Indoktrination der Erwachsenen das Problem!
Auch hier gilt: Schule spiegelt das wieder, was generell in der Gesellschaft Überzeugung ist. Das ist wahrscheinlich unvermeidlich.

Zitat
Wer entscheidet darüber, wo der Staat Kinder indoktrinieren darf?


Wir haben das Grundgesetz, dessen Werte Basis unserer Gesellschaftsordnung sind. Die können/sollen auch in der Schule vermittelt werden.
Irgendwelcher Klimaquatsch ist davon nicht abgedeckt und ist daher mißbräuchlich im Unterricht.

Zitat
Da ich für mein Kind diese Entscheidung gerne selbst treffen würde, neige ich dazu zu antworten: „Ich selbst und damit die Familie.“


Und das sagen dann aber auch diverse Eltern, deren Entscheidung unseren Werten völlig konträr läuft.

Zitat
Durch falsches Verhalten des Staates werden Probleme geschaffen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, wodurch Probleme entstehen bei denen er eingreifen muß, …..


Richtig. Wobei eben das "falsche Verhalten" am Anfang steht. Nur Radikallibertäre verzichten auf diese Unterscheidung und schließen aus dieser Kette, daß es grundsätzlich keinen Staat geben dürfe.
Wenn man aber Staat als Notwendigkeit akzeptiert, geht es nur noch um die Grenzziehung. Und darum, falsches von richtigem Verhalten zu unterscheiden.

Deswegen ist es eben wohl auch nicht möglich, Wertevermittlung generell aus dem Unterricht zu verbannen. Aber es ist notwendig, die richtigen Inhalte (Grundgesetz) von den falschen (Klimahysterie) zu unterscheiden.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

11.12.2015 00:37
#33 RE: Aldi-Schulen Antworten

Man sieht das als direkt im Prozeß stehender Schüler sicher anders als ein außenstehender Erwachsener, der abstrakter über Sinn und Wesen der Schule philosophiert, aber: wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke (die weitgehend in den 70er Jahren stattgefunden hat), dann bin ich mir ziemlich sicher, daß im großen und ganzen sehr wenig politisch-moralische Indoktrination dabei war. Gewiß war da mal der Geschichtslehrer namens Engels mit roten Haaren und ebensolchen Ansichten, aber das wußte man eben bald und konnte sich objektivierend darauf einrichten. Aber ansonsten war der Unterricht durchgehend mit konkreter Substanz gefüllt und lief (wenn wir das bißchen Naturwissenschaft beiseite lassen, bei der ein tüchtiger Teil Unerhebliches und auch Mißverstandenes dabei war) im Grunde - natürlich ohne daß das jemand explizit gesagt hätte - auf das klassische Trivium hinaus: Grammatik, Logik, Rhetorik.
Wie man Sprache (die eigene und die eine oder andere fremde) richtig gebraucht, ein bißchen kritisches Denken, Argumentation auf beiden Seiten einer These, wie man Stilfiguren und rhetorische Kunstgriffe anwendet und erkennt(!): das war es eigentlich, worum es bei der ganzen Aufsatzschreiberei ging.

Und das waren gute Elemente der Bildung eines künftigen mündigen Bürgers in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft! Und eine solche Gesellschaft zu lieben, wurde uns ganz unterschwellig vermittelt. Z.B. mal in Latein Cicero De re publica lesen mit der Theorie der zyklischen Folge von monarchischen und demokratischen Verfassungen, auch laufend literarisches und historisches Anschauungsmaterial über die Nachteile des Lebens in einer unfreien Gesellschaft: da bleibt doch am Ende einiges hängen, ohne die Kritik- und Urteilsfähigkeit zu beeinträchtigen, im Gegenteil!

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 1.994

11.12.2015 10:09
#34 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #33
... wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke ...

Ich kann das bestätigen als Schüler in den 70er und 80er Jahren.

Ich möchte sogar noch etwas hinzufügen. Ich hatte einige „Linke“ als Lehrer. Die gab es auch damals schon überdurchschnittlich oft an Schulen. Darunter Sozen und sogar einen Kommunisten. Komischerweise schienen gerade die mich besonders zu mögen, obwohl ich aus „kapitalistischem, konservativem“ Elternhaus kam. Warum sie mich mochten kann ich nur raten, aber ich glaube es hing damit zusammen, dass ich Freude an eigenen Gedanken hatte, die ich mir nicht verbiegen lies. Ich versuchte immer zu argumentieren, nicht mich anzupassen. Das wurde damals, nach meiner Auffassung, nicht nur an Schulen, sondern insbesondere auch von Linken geschätzt.

Ich erinnere mich an die Zeit des Nato Doppelbeschlusses, wo den Schülern eine Unterrichtsstunde frei gegeben wurde, um gegen das Aufstellen der Pershing Raketen auf dem Schulhof „demonstrieren“zu können. Wenn Schüler das allerdings nicht wollten, war der Lehrer verpflichtet weiter Unterricht zu machen.
Mir war damals erlebter Kollektivismus schon unheimlich (ohne dass ich die geschichtlichen Parallelen wirklich erkannt hätte), deswegen wollte ich nicht auf den Schulhof. Also blieb mein Lehrer (der Kommunist) mit mir und einem Mitschüler zu dritt im Klassensaal und machte Unterricht. Guten Unterricht, ohne Groll, mit einer interessanten Diskussion über Krieg und Moral und er hört uns mindestens genauso zu, wie er selbst sprach.

Erziehung soweit sie an der Schule stattfand, so ist es mir in Erinnerung, war damals das respektvolle Gegenüberstellen von Meinungen. Es war eben wirklich Erziehung, nicht Propaganda, wie es heute leider oft zu beobachten ist. Ansonsten wurde versucht, im Wesentlichen Rüstzeug zu vermitteln.

Ich verstehe dabei, lieber R.A. Ihre Argumentation, kann ihr folgen. Aber sie hinterläßt bei mir ein Grummeln im Magen, ohne derzeit genau benennen zu können was es genau verursacht. Es mag sein, dass es daran liegt, dass der Übergang von Erziehung zu Propaganda fliesend ist und dass bei dem Weg zur Propaganda irgendwann die Ermutigung zum eigenen Denken auf der Strecke bleibt.

Mit „großen Worten“ sollte man immer vorsichtig sein, aber wir leben heute in einem „orwellschen Szenario“ und das kann man auch an den Schulen feststellen. Anstatt Rüstzeug anhand zu geben und Alternativen zu benennen, werden die Menschen von Politik, Staat und Medien über „richtig“ und „falsch“ aufgeklärt.

Ich meine, lassen Sie sich das von mir weiter oben genannte Besipiel auf der Zunge zergehen:
Ein Bundesministerium erstellt eine Broschüre zur wissenschaftlichen Wahrheit. Das IST ein Wahrheitsministerium im orwellschen Sinne. Die Materie ist komplexer als vier Finger abzuzählen, aber hier geschieht inhaltlich nichts anderes, als vier Finger hochzuhalten und zu behaupten es seien fünf. Das ist eine Katastrohe und kaum einer nimmt es wahr.

Ich kann es selbst nicht wirklich gedanklich fassen, denn wir leben in einer Demokratie und einem Rechtsstaat, aber wir scheinen uns in einem schleichenden Übergang zu einer totalitären Gesellschaft zu befinden und aufgrund des hohen bestehenden Wohlstandes fällt es uns kaum auf. Die Moral unserer Gesellschaft ergibt sich immer weniger aus Abwägung, sondern aus absoluten Denkschablonen. Die Moral liegt nicht bei dem Individuum und seiner Handlung, sondern bei dem Befolgen dieser Denkschablonen. Das ist für mich zumindest wesentliches Kriterium eines Totalitarismus.

Ein anderes Kriterium für nicht totalitäre Gesellschaften soll ja sein, dass die Bürger die Regierung ohne Blut zu vergießen wieder los werden können. Das geht derzeit im inhaltlichen Sinne in der Bundesrepublik nicht. Man kann bestenfalls Parteien und Köpfe auswechseln, nicht die Politik. Es ist eine Art Parteienkartell entstanden, das der geschätzte Werwohlf mit diesem Beitrag versuchte zu beleuchten, welches einen Politikwechsel verhindert indem es in meinen Augen (durch Propaganda) die Demokratie faktisch „unterläuft“.

In diesem Umfeld macht mir der Gedanken an staatliche Schulen mit Erziehungsauftrag eben Magengrummeln, und ich vermag nicht wirklich darüber nachdenken zu wollen, ob es dennoch sinnvolle Erziehungsaufträge für staatliche Schulen geben könnte.

Die Deutschen, insbesondere die Intellektuellen, sind weiterhin äußerst anfällig für staatlich organisierten Kollektivismus, auch wenn sie, historisch gesehen, nicht auf bestimmte politische Farben und Inhalte von ebendiesem festgelegt zu sein scheinen.

Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

11.12.2015 10:33
#35 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #34
Ich erinnere mich an die Zeit des Nato Doppelbeschlusses, wo den Schülern eine Unterrichtsstunde frei gegeben wurde, um gegen das Aufstellen der Pershing Raketen auf dem Schulhof „demonstrieren“zu können. Wenn Schüler das allerdings nicht wollten, war der Lehrer verpflichtet weiter Unterricht zu machen.
Mir war damals erlebter Kollektivismus schon unheimlich (ohne dass ich die geschichtlichen Parallelen wirklich erkannt hätte), deswegen wollte ich nicht auf den Schulhof. Also blieb mein Lehrer (der Kommunist) mit mir und einem Mitschüler zu dritt im Klassensaal und machte Unterricht. Guten Unterricht, ohne Groll, mit einer interessanten Diskussion über Krieg und Moral und er hört uns mindestens genauso zu, wie er selbst sprach.

Witzigerweise ging es mir damals fast ganz genau so. Ich war in einer ziemlich linken Schule, und die Schüler gingen da geschlossen zur Demonstration auf den Schulhof. Ich war anderer Meinung, nicht so sehr aus Liebe zu Nuklearwaffen, sondern vielmehr weil mir das Mittel für den (überdies fragwürdigen) Zweck geradezu absurd ungeeignet schien. Und somit hatte ich die Gelegenheit zu einem etwas paradoxen Erlebnis von Zivilcourage, weil ich entgegen dem Konformitätsdruck als einziger im Klassenzimmer zurückblieb und mir meine eigenen Gedanken machte. Ich war schon vorher kein besonders ausgeprägtes Herdentier, aber bei dieser Gelegenheit habe ich mich völlig von diesem Trieb verabschiedet.
Unterricht fand meiner Erinnerung nach keiner mehr statt, entweder weil der Lehrer zumindest gedanklich an der Demo teilnahm oder weil es sich für einen einzelnen Schüler ohnehin nicht rentiert. Dennoch habe ich in dieser Stunde etwas fürs Leben gelernt.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

11.12.2015 17:42
#36 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #10
Mein Hauptproblem mit dem "fairen Handel" ist, daß damit veraltete Strukturen bei den Erzeugern zementiert werden, weil nur eine unproduktive Landwirtschaft ohne Technik etc. ins romantische Weltbild der Gutmenschen paßt.
Diese Romantisierung mag ein unterschwelliges Motiv sein, faktisch aber spielt "fairer Handel" (soll heißen die Erzeugerpreise, wobei ja offen ist, ob sie durch "fairen Handel" wirklich besser werden) überhaupt keine Rolle für die Wahl der Produktionsmethode. Es wird die Methode verwendet, die am billigsten ist. In Ländern mit üppigem Arbeitskräfteangebot ist das oftmals ohne Technik. Es kann höchstens passieren, daß eine Produktion komplett eingestellt wird, etwa wenn Teepflücker (bislang nicht mechanisierbar) so gut bezahlte Alternativarbeiten finden können, daß Tee für fast alle Konsumenten zu teuer würde.

Es gibt sogar unfairen Handel. Etwa wenn die Landwirte gezwungen werden, ihre Produkte nur an ganz wenige behördlich anerkannte Zwischenhändler abzugeben und so gezwungen werden, einem Nachfragemonopol gegenüberzustehen. So geschieht es in Deutschland durch das Fett- und Milchgesetz. Ganz bestimmt fährt regelmäßig der Pedell einer Transfair-Schule beim nächsten Milchbauern vorbei, um die frische Schulmilch ohne Zwischenhandel durch eine Molkerei abzuholen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.833

11.12.2015 18:06
#37 RE: Aldi-Schulen Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #20
Aber ich bin noch etwas am Zweifeln. Denn ansonsten sprechen wir ja schon davon, daß die Werte des Grundgesetzes die Basis unserer Gesellschaft sind. Wir erwarten z. B., daß sich Einwanderer an diesen orientieren.
Da schiene es doch logisch, daß auch die Schule Sachen wie Demokratie, Menschenrechte und Bürgerrechte als positive Werte vermittelt.
Das geschieht ja leider fast nie. Im Politikunterricht stehen nur ganz selten die Dinge auf dem Lehrplan, die wirklich den Staat ausmachen, der die Schulen organisiert. Hauptthema ist dort Zeitungslektüre. Die Menschenrechte sind den meisten nur als politisches Schlagwort bekannt. Daß es z.B. ein Menschenrecht auf bezahlten Urlaub gibt (schönen Gruß an alle Selbständigen und Unternehmer!) weiß keiner. Wie der Rechtsstaat funktioniert? Keine Ahnung! Unser Wahlrecht? Den Abgeordneten selber zu kompliziert! Aber der Staat organisiert die Schulen! Da kann man schon auf die Verschwörungstheorie kommen, daß das politisch nicht unerwünscht ist.

Eine Rechtspflegerin in einem Amtsgericht (Amtsgerichtsbezirk mit gut 200.000 Einwohnern und einem halben Dutzend Gymnasien) hatte mir mal von einem (!) Politiklehrer erzählt, der seinen Schülern so engagiert diese Dinge vermittelt hat, daß er eine Exkursion zum Gericht veranstaltet hatte.

Immerhin, wenn man Glück hat, unterrichten auch manchmal Religionslehrer über Menschenrechte und (weltliche!) Gerichtsbarkeit.

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