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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 44 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.11.2007 19:24
Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Nicht wahr, dieser sich nun schon seit Anfang Juli dahinschleppende Arbeitskampf hat etwas Seltsames an sich, wirkt unprofessionell und hilflos? In dem Beitrag versuche ich eine Erklärung.

Pelle ( Gast )
Beiträge:

13.11.2007 20:07
#2 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Einerseits ist die GDL in einer Position, die extrem viel "Erpressungspotential" inne hat, da die Bahn auf die Lokführer angewiesen ist und auf die Schnelle diese Berufsgruppe, diese Mitarbeiter, nicht ersetzen kann.

Auf der anderen Seite hat die Bahn das ganz große Problem, gibt sie den Forderungen der GDL nach, dass dann die anderen Bediensteten, die nicht durch die GDL vertreten sind, evtl. Forderungen stellen, ihren erst kürzlich ausgehandelten Tarifvertrag zu kündigen, um ebenfalls mehr rausholen zu wollen. Das könnte eine Schraube ohne Ende werden.

Mal ganz davon abgesehen, dass eine unterschiedliche Bezahlung von Beschäftigten im gleichen Arbeitsgebiet zu extremen Unfrieden im Betrieb führt.

Überhaupt ist die GDL mit ihrem Erpressungspotential theoretisch auch in der Lage, 500% Lohnsteigerung zu fordern. Es gibt da eigentlich keine Grenze, die ich hier erkennen könnte.


Meine Vermutung ist, dass die Bahn der "Erpressung" der GDL nach längerem Streik nachgeben wird oder muss, die Fahrkartenpreise sich dadurch spürbar erhöhen (10%, 12%?) und die Unzufriedenheit bei allen Beteiligten und Kunden wächst.

Da die kleinen privaten Bahnen, die bisher meist oder alle im Regionalverkehr tätig sind, diese Tarifbindung nicht haben (die Lokführer der Privaten sind nach Medienberichten fast gar nicht gewerkschaftlich organisiert), wird der Kostenabstand, die Effektivität, der Dt. Bahn zu den Privaten zu groß werden, so dass am Ende die Dt. Bahn den Bereich Lokführer ausgliedern, jeweils kleine, eigenständige, nicht tarifgebundene Regionalgesellschaften gründen wird, welche dann neue Lokführer ausbildet und anstellt. Das zu den Tarifbedingungen, die jetzt aktuell sind, also ohne Erhöhung.
Die DB-eigenen, jetzt in der GDL organisierten Lokführer, wird man versuchen auf alle nur erdenklicher Art und Weise los zu werden.

Völlig das Verständnis fehlt mir gegenüber solchen Leuten, die sich dafür aussprechen, der GDL alle ihre Forderungen zu erfüllen. Denn das sind fast immer genau die Zeitgenossen, die sich dann aufregen, wenn die Bahn ihre Preise auch nur um 2% erhöht. Im Falle der Erfüllung aller Forderungen der GDL dürfte nämlich die Fahrpreiserhöhung mehr als deutlich ausfallen!

Auch existieren propagandistische Falschdarstellungen von Seiten der GDL-Gewerkschaft und ihrer Fürsprecher. So habe ich als Begründung für die hohen Lohnforderungen z.B. gelesen, ein Lokführer verdiene nur 900,- Euro netto im Monat. So allgemein dürfte diese Aussage mit Sicherheit nicht gültig sein, zumindest ziehe ich sie in Zweifel. Wahrscheinlich waren hier Lokführer-Auszubildende gemeint, oder Lokführer im Probejahr?

Der Kampf geht jedenfalls weiter...

Einen angenehmen Abend
-Pelle

neoliberaler ( gelöscht )
Beiträge:

13.11.2007 20:26
#3 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Also bitte!
Es ist doch ganz einfach wie man das Gehalt deer Lokführer, ja nicht nur der Lokführer, aller natürlich nur kleinen Angestellten, mindestens verdoppeln kann und dann noch die Kosten für die armen, ja nur die armen Pendler, drastisch senken kann.

1) Mehdorn und der Vorstand verdienen weniger
2) Die Bahn muss weniger Gewinn ( Gewinn = Ausbeutung) machen
3) Die Preise in der 1.Klasse müssen erhöht werden.

...

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.11.2007 22:33
#4 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Zitat von neoliberaler
Also bitte!

*lol*

Aber im Ernst,lieber Neoliberaler: Diese Streiks der GDL richten sich ja nur in zweiter Linie gegen ihren Arbeitgeber. In erster Linie richten sie sich gegen die Bahnkunden und jetzt die gesamte Volkswirtschaft.

Ich bin als Liberaler dafür, den Staat nur dann einzuschalten, wenn es nicht anders geht. Hier scheint mir aber so ein Fall vorzuliegen. Präsident Sarkozy hat das ja vorgemacht, wie der Staat gegen Leute vorgehen kann, die ihre Partikularinteressen in unverantwortlicher Weise über das Gemeinwohl stellen.

Herzlich, Zettel

Robin Offline



Beiträge: 317

13.11.2007 23:54
#5 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Darf die GDL ihr Erpressungspotential ausnutzen, das die besondere nationale Bedeutung ihrer Tätigkeit ihr eröffnet?
Ich bin geneigt mit "Nein" zu antworten.
Andererseits ist es nicht in fast allen Jobs so, dass sich Löhne und Gehälter nach der Verantwortung und Wichtigkeit einer Tätigkeit richten? Insbesondere nach der Verantwortung für andere Menschen. Der Manager, der Arzt, Flugzeugkapitän, der Lokführer, evtl. ist hier auch der Lehrer zu nennen; sie alle tragen Verantwortung für viele andere Menschen: dafür, dass ihr Unternehmen erfolgreich wirtschaftet und sie weiter bezahlt werden können, dass sie gesund werden und es bleiben, dass sie pünktlich und sicher an ihr Ziel kommen, dass sie unterrichtet werden und eine gute Ausbildung bekommen.
Und ihre Tätigkeit setzt eine besondere Qualifikation voraus, die nicht ohne weiteres erworben werden kann. Ihr Job kann nicht einfach von einem ungelernten oder umgelernten Arbeiter übernommen werden.
Möchte man die eingangs formulierte Frage tatsächlich beantworten, kommt man nicht umhin, sich zu fragen, was eigentlich ein Lohn ist oder sein sollte; was in dieser Hinsicht "gerecht" bedeuten kann. Die Frage ist - zugegeben - nicht ganz einfach (oder doch?), aber ich möchte sie mal so in die Runde werfen.

Viele Grüße
Robin

neoliberaler ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2007 08:30
#6 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Lieber Zettel,
wie Sie richtig schreiben, ist dies ein seltsamer Streik. Es wird viel geredet und angekündigt, aber wirklich viel ist bisher nicht passiert. Ich erinnere mich an Streiks im ÖPNV, die erheblich schlimmere Auswirkungen hatten. Die Straßen waren verstopft, ich brauchte mit dem Auto mehr als 1,5 Stunden zur Uni (sonst knapp 20 Minuten) um dann keinen, aber auch gar keinen, Parkplatz zu finden.

Jetzt bin ich Pendler und fahre jeden Tag knapp 1 Stunde ICE. Während der letzten Streikchen musste ich mal ein bisschen warten, mal war es etwas enger, aber alles nicht besonders schlimm. Aber ich weiss auch, dass der "Deutsche" kurz davor ist auszuflippen und es fast Tumulte gibt, wenn Bus oder Bahn Verspätung haben, damit man sich dann artig in den nächsten Stau stellt.

Ich bin gespannt was passiert, wenn die Lokführer wirklich länger streiken. In wieweit die Bahn ihren Betrieb aufrechterhalten kann und wie lange die Lokführer durchhalten können. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Popelgewerkschaft viele Mittel hat. Und natürlich wie die Auswirkungen innerhalb der Bahnbelegschaft und in der öffentlichen Meinung sind.


Und zum "gerechten" Lohn. Ich weiß nicht welcher Lohn gerecht ist. Das weiß niemand. Aber ich weiss, dass sich ein Lohn durch Marktmacht bildet, durch Angebot und Nachfrage. Deswegen verdient ein anerkannter Chirurg, ein Experte für multinationales Stuerrecht eben sehr viel und eine Frisörin leider wenig. Das eine können sehr wenige, das andere sehr viele. Die Marktmacht von Lokführern ist gering. Dieser Beruf ist nicht sehr schwer, viele können ihn ausüben. Und es besteht die Gefahr, dass dieser Beruf durch die Technik substituiert wird. Die Lokfüherer haben nur kurzfristig Marktmacht. Weil sie kurzfristig nicht ersetzbar sind.

Langfristig begehen sie gerade Selbstmord. Sie gehen gerade im Gänsemarsch zum Schafott und Schell weisst ihnen den Weg.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.11.2007 11:07
#7 Streikrecht überdenken Antworten

Das Streikrecht ist ja ohnehin ein merkwürdiger Anachronismus aus einer Zeit, als Politik noch ziemlich handfest ausgetragen wurde.

Und es ist ein spezielles Privileg (man darf folgenlos Verträge brechen), dem entsprechende Pflichten gegenüberstehen müssen, damit es erträglich bleibt.

Die wesentliche Regel dabei war eigentlich immer, daß eine Belegschaft komplett streikt, d.h. es wird die Firma lahm gelegt, und dann ein gemeinsamer Kompromiß verhandelt.

Die selektiven Streiks einzelner Gruppen (die Piloten haben m. W. begonnen) entsprechen dem nicht.

Und die abzusehenden Folgen sind gravierend: Wenn sich jetzt die Lokführer durchsetzen, wer kann den Stellwerkern, den Schaffnern, den Reparaturtrupps, den Leuten am Infoschalter verwehren, sich einen Spezialvertrag zu erstreiken, mit dem sie sich besser stellen als die Kollegen?

Und da ein Betrieb nur arbeitsteilig funkionieren kann, würde jeder dieser Streik alle lahmlegen, und der ständige Wettlauf aller Gruppen, mehr zu kriegen als die anderen, würde die Firma ruinieren.
Wobei im konkreten Fall Bahn dies ja noch ein Staatsbetrieb ist, d.h. man streikt im Endeffekt gegen die Staatskasse.

Konsequenz aus dem GDL-Vorgehen kann eigentlich nur sein, das Streikrecht deutlich zurückzubauen und solche Einzelgruppenstreiks zu verbieten.
Wer dann noch "streikt", d.h. seinen Arbeitsvertrag nicht erfüllt, muß dann auch die normalen Konsequenzen tragen, er kann also gekündigt werden und ist schadenersatzpflichtig.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.11.2007 11:11
#8 GDL-Selbstmord Antworten

> Langfristig begehen sie gerade Selbstmord.
> Sie gehen gerade im Gänsemarsch zum Schafott
> und Schell weisst ihnen den Weg.
Korrekt.

Es ist längst möglich, den größten Teil der Lokführer-Tätigkeit zu automatisieren (gerade beim Personenfernverkehr haben sie eigentlich nur noch Alibi-Funktion).
Einzelne Bahngesellschaften im Ausland haben das auch schon gemacht.

Und bei der Bahn liegen entsprechende Pläne längst in der Schublade - bisher war das halt politisch nicht opportun.

Genau dieses Hindernis streikt die GDL jetzt weg. Bis auf wenige Sozi-Betonköpfe wird jeder Verständnis haben, wenn die Bahn künftig automatisiert.

Das Vorgehen der GDL ist grottendumm.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2007 13:46
#9 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Lieber Robin,

Zitat von Robin
Andererseits ist es nicht in fast allen Jobs so, dass sich Löhne und Gehälter nach der Verantwortung und Wichtigkeit einer Tätigkeit richten?

Die Bahn argumentiert ja, daß zB ein Fahrdienstleiter oder ein Weichensteller oder ein Service-Techniker, der für die Zuverlässigkeit der Züge verantwortlich ist, nicht weniger Verantwortung hätte als ein Lokomotivführer. Oder nehmen wir den kleinen Beamten, der an einem Bahnübergang die Schranken auf- und zumachen muß (gibt es wohl immer weniger, aber es gibt sie noch). Wenn der das einmal vergißt, kann das zu einem schrecklichen Unfall führen. Hat der - sehr schlecht bezahlt - eine geringere Verantwortung als der Lokomotivführer?

Und ist dessen Arbeit anstrengender als die eines LKW-Fahrers? Ich bzweifle das.

Zitat von Robin
... kommt man nicht umhin, sich zu fragen, was eigentlich ein Lohn ist oder sein sollte; was in dieser Hinsicht "gerecht" bedeuten kann.

Einen "gerechten" Lohn gibt es nicht. Nehmen wir das Beispiel des Professors: Noch zur Zeit Kants waren die meisten Professoren so schlecht besoldet, daß sie Zimmer an reiche Studenten vermieteten, Nachhilfestunden gaben, oft eine kleine Landwirtschaft hatten, um über die Runden zu kommen. Heute gehören Professoren - ohne daß die Arbeit anstrengender geworden wäre, ganz im Gegenteil; Kant mußte mehr als 20 Stunden pro Woche lesen - zu den Besserverdienenden. Weil ihre Arbeit wichtiger für die Gesellschaft geworden ist.

Mit zum Dümmsten, was Müntefering auf dem SPD-Parteitag gesagt hat, gehören seine Bemerkungen zu den Einkommen. Sinngemäß hat er gesagt, er könne verstehen, daß jemand eine Arbeit macht, die zehn mal so viel wert ist als die eines anderen - aber nicht tausendmal.

Das war auf Manager-Gehälter gemünzt. Ja, ist denn die Arbeit des Fußballers Diego das wert, was er bezahlt bekommt? Ist es die Arbeit eines internationalen Models wert, die von Tom Cruise?

Der Arbeitgeber überlegt halt, wie groß die Differenz für den Gewinn seines Unternehmens ist, wenn er den Betreffenden einstellt oder wenn nicht. Und er bietet ihm als Gehalt irgend einen Betrag unterhalb dieses Differenzwertes an. Das ist gerechte Bezahlung. Jedenfalls nach meiner Auffassung.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2007 13:53
#10 RE: GDL-Selbstmord Antworten

Zitat von R.A.
Das Vorgehen der GDL ist grottendumm.

Das sehe ich auch so, lieber R.A.

Jede Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft - noch dazu um fast ein Drittel, wie das die GDL verlangt - ist ja nichts anderes als die Herstellung der Voraussetzungen für einen Rationalisierungs-Schub.

Wenn die GDL gewinnt, hat die Bahn gar keine andere Wahl, als auf mehr automatischen Betrieb umzustellen, Lokführer zu entlassen und die Arbeitslast der Verbleibenden zu erhöhen.

Genau das passiert übrigens, seit die Klinikärzte "erfolgreich" gestreikt haben. Seitdem ist ihre Belastung nicht kleiner, sondern größer geworden, weil zur Kompensation der kräftigen Gehaltserhöhungen Stellen abgebaut wurden, die Arbeit aber ja nicht weniger wurde. Und die Arbeit eines Arztes läßt sich nur sehr begrenzt durch Automaten ersetzen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2007 14:00
#11 RE: Streikrecht überdenken Antworten

Lieber R.A.,

über diesen Beitrag habe ich mich besonders gefreut, weil ich auch denke, daß das Streikrecht nicht mehr in unsere Zeit paßt.

Ich hätte auch fast schon dazu etwas in ZR geschrieben, habe es dann aber erst einmal bleiben lassen, weil ich mich dazu in die juristischen Aspekte hätte einarbeiten müssen. Dazu gehört, daß ja das Streikrecht im Grundgesetz verankert ist, daß das Arbeitsrecht eine ohnehin für den Laien sehr undurchsichtige Angelegenheit ist usw.

Jedenfalls hat meines Erachtens der Streik durch die Vernetzung der Volkswirtschaft und durch die Just-in-time-Lieferungen eine andere Qualität bekommen.

Wenn ein paar tausend Leute unsere ganze Volkswirtschaft - und sogar die Weltwirtschaft, wie es heute in den ARD-Mittagsnachrichen hieß - erheblich beeinträchtigen können, dann ist die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt.

So hat ja auch das Arbeitsgericht argumentiert, das den Streik im Güter- und Fernverkehr zunächst verboten hatte. Die zweite und offenbar letzte Instanz hat anders entschieden. Meines Erachtens nicht nur falsch, sondern unverantwortlich.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

14.11.2007 14:02
#12 RE: GDL-Selbstmord Antworten

In Antwort auf:
Jede Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft - noch dazu um fast ein Drittel, wie das die GDL verlangt - ist ja nichts anderes als die Herstellung der Voraussetzungen für einen Rationalisierungs-Schub.



Interessiert folge ich diesem Gedankengang. Anscheinend scheint das nur für Geringverdiener zuzutreffen, wohingegen Gehaltssteigerungen von 100 % an der Höchstverdienerfront (wie auch bei der Bahn) göttliches Schicksal ohne weitere auswirkungen zu sein scheint. Hier ist etwas gewaltig verrutscht.

In Antwort auf:
Sein Schaffen als Bahnchef ist gelinde gesagt umstritten - doch der Bund ist mit der Arbeit von Hartmut Mehdorn offenbar zufrieden. Sein Gehalt jedenfalls hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt: Insgesamt strich der Herr der Schienen 3,18 Millionen Euro ein.


http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,474460,00.html

Weiterstreiken, denn Mehdorn sagt

In Antwort auf:
Hartmut Mehdorn hat kein Problem mit der satten Lohnerhöhung, denn eines müsse man bedenken, erklärte er in der "Bild": "Nur ein Viertel meines Gehalts ist fix. Die restlichen drei Viertel sind vom Erfolg abhängig."






Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2007 14:49
#13 Gehaltshöhe Antworten

Dear C.,

Zitat von C.
In Antwort auf:
Jede Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft - noch dazu um fast ein Drittel, wie das die GDL verlangt - ist ja nichts anderes als die Herstellung der Voraussetzungen für einen Rationalisierungs-Schub.

Interessiert folge ich diesem Gedankengang. Anscheinend scheint das nur für Geringverdiener zuzutreffen, wohingegen Gehaltssteigerungen von 100 % an der Höchstverdienerfront (wie auch bei der Bahn) göttliches Schicksal ohne weitere auswirkungen zu sein scheint. Hier ist etwas gewaltig verrutscht.

Das sehe ich nicht, jedenfalls nicht generell.

Mag sein, daß es bei der Bahn anders ist, weil diese sich ja im Besitz des Bundes befindet, also die normalen Mechanismen nicht greifen.

Aber bei einer AG ist es doch einfach: Der Aufsichtsrat bewilligt für jeden Manager genau das Gehalt, das er dem Unternehmen wert ist.

Wenn einer so gut arbeitet wie, sagen wir, Josef Ackermann, dann bringt das dem Unternehmen hunderte von Millionen. Also will man ihn behalten und bezahlt ihn entsprechend. Genauso, wie Bayern München nur deshalb Luca Toni ein Spitzengehalt zahlt, weil der Vorstand erwartet, daß diese Investition sich amortisiert, daß also am Ende Toni Bayern mehr Geld einbringt, als er kostet.

Wegrationalisieren kann man Fußballer nicht gut; Tipp-Kick ist irgendwie keine Alternative.

So auch in der Wirtschaft: Durch einen Automaten kann man ihn ja nicht gut ersetzen, den Josef Ackermann.

Ginge das, dann würde er wegrationalisiert, wie jetzt vermutlich viele Lokomotivführer, falls die GDL gewinnt.

Herzlich, Zettel

Pelle ( Gast )
Beiträge:

14.11.2007 19:44
#14 RE: GDL-Selbstmord Antworten

Zitat von C.
Interessiert folge ich diesem Gedankengang. Anscheinend scheint das nur für Geringverdiener zuzutreffen, wohingegen Gehaltssteigerungen von 100 % an der Höchstverdienerfront (wie auch bei der Bahn) göttliches Schicksal ohne weitere auswirkungen zu sein scheint. Hier ist etwas gewaltig verrutscht.

Ob ein einzelnes Vorstandsmitglied pro Jahr 400.000,- verdient oder 4.000.000, spielt in Sachen Personalkosten für ein Unternehmen gar keine Rolle. Wenn aber ein Großteil der Belegschaft nur wenig mehr erhalten soll, schlägt sich das gleich in hunderten von Millionen Mehrausgabe nieder, die sehr wohl ein existenzieller Faktor für das betreffende Unternehmen sind.

D.h. es ist relativ egal, wieviele Millionen ein Firmenvorstand als Vergütung erhält, bei der Belegschaft ist es hingegen nicht egal, weil die Gesamtmasse der Belegschaftsbezüge ein Vielhundertfaches ausmacht.

Das, worauf Sie vermutlich anspielen, ist die moralische Bewertung der Höhe der Vergütungen des Vorstandes/der Geschäftsführung. Da kann man sicher berechtigte Bedenken haben, aber für den derzeitigen Streik und die Forderungen für die Lokführer ist die Höhe der Vergütung des Vorstandes unerheblich, ja im Grunde unter dem Thema Neiddebatte abzuhaken.

Komischerweise haben Menschen, die den Vorständen von Großfirmen ihre Millionenbezüge nicht gönnen, überhaupt keine Schwierigkeiten, Millionenverdienste bei prominenten Sportlern/Rennfahrern etc. zu verstehen

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2007 20:25
#15 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

In Antwort auf:
Darf die GDL ihr Erpressungspotential ausnutzen, das die besondere nationale Bedeutung ihrer Tätigkeit ihr eröffnet?


Natürlich darf sie das. Auch Lokführer, soweit nicht verbeamtet, haben Streikrecht, auch dann wenn nicht "nur" Pendler sondern die Volkswirtschaft, die ach so heilige, betroffen ist. Auch wenn mirs nicht gefällt.

In Antwort auf:
Andererseits ist es nicht in fast allen Jobs so, dass sich Löhne und Gehälter nach der Verantwortung und Wichtigkeit einer Tätigkeit richten?


Nein, ehrlich gesagt, gibt es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Verwantwortung und Gehaltshöhe. Siehe Bundeskanzler, Krankenschwester, Fußballspieler. Die Gehaltshöhe hängt von der Verhandlungsmacht auf dem Arbeitsmarkt ab.

Im übrigen bestehe ich darauf, bei der Bahn Fahrgast zu sein und nicht Kunde.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2007 20:33
#16 RE: Randbemerkung: GDL - eine seltsame Gewerkschaft, ein seltsamer Arbeitskampf Antworten

Lieber Zettel,

In Antwort auf:
Das war auf Manager-Gehälter gemünzt. Ja, ist denn die Arbeit des Fußballers Diego das wert, was er bezahlt bekommt? Ist es die Arbeit eines internationalen Models wert, die von Tom Cruise?



Inwiefern war der Müntefering-Satz denn dumm?

Aus Ihrem Argument geht das nicht hervor.

Klar hat er Manager gemeint, aber solange er FußballModelSchauspieler nicht explizit davon ausgenommen hat (was mir nicht bekannt ist), trifft Ihr Einwand nicht, nein Ihre Beispiele ergänzen ihn bloß.

Gruß,
str1977

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2007 20:34
#17 RE: GDL-Selbstmord Antworten
In Antwort auf:
Komischerweise haben Menschen, die den Vorständen von Großfirmen ihre Millionenbezüge nicht gönnen, überhaupt keine Schwierigkeiten, Millionenverdienste bei prominenten Sportlern/Rennfahrern etc. zu verstehen.


Also ich verstehe weder das eine noch das andere. Und auch Pauschalisierungen verstehe ich nicht.

Ich verstehe aber auch nicht, warum man bei den einen (Lokführern) die Gier verurteilt, bei Leuten wie Ackermann sie aber außer Diskussion stellt.

Es stimmt, daß eine große Lohnsteigerung in der Masse (egal wie gerechtfertigt sie im einzelnen im Hinblick auf Verantwortung und bisherigen Lohn auch sein mag) ein Unternehmen entsprechend trifft. Aber ich wage es doch sehr zu bezweifeln, daß es für ein Unternehmen egal wäre, wenn das Gehalt von Vorständen um den Faktor 10 steigt. Dabei unterscheide ich mal ganz frech und mit dem deutschen Gesellschaftsrecht konform das Unternehmen von den Teilhabern und auch den Gestalten, die so Aufsichtsräte bevölkern (davon war ja in den letzten Jahre genug zu hören). Wer deren Verhalten für unhinterfragbar hält, hat kein Recht mehr etwa den Kluncker-Streik zu kritisieren.

str1977 ( gelöscht )
Beiträge:

14.11.2007 20:46
#18 RE: Streikrecht überdenken Antworten
Hallo R.A., hallo Zettel,

Ich schrieb ja bereits, daß ich gar nichts von diesem Streik halte, aber dennoch:

In Antwort auf:
Das Streikrecht ist ja ohnehin ein merkwürdiger Anachronismus aus einer Zeit, als Politik noch ziemlich handfest ausgetragen wurde.


Also, Anachronismus ist nie ein Argument (schon gar nicht für das Außerkaftsetzen von Grundrechten. So sehr haben sich die Zeiten auch nicht geändert.

In Antwort auf:
Und es ist ein spezielles Privileg (man darf folgenlos Verträge brechen), dem entsprechende Pflichten gegenüberstehen müssen, damit es erträglich bleibt.


Das ist nicht so. Ein Streik ist erst nach Ablauf eines Tarifvertrags erlaubt. Gewerkschaftsmitglieder werden nach diesem Tarifvertrag bezahlt, er ist Teil ihres Arbeitsvertrags.

Ohne das Streikrecht werden wir schon bald wieder ins 19. Jahrhundert zurückfallen, mit den bekannten Zuständen.

In Antwort auf:
daß ja das Streikrecht im Grundgesetz verankert ist, daß das Arbeitsrecht eine ohnehin für den Laien sehr undurchsichtige Angelegenheit ist usw.

Zitat:Jedenfalls hat meines Erachtens der Streik durch die Vernetzung der Volkswirtschaft und durch die Just-in-time-Lieferungen eine andere Qualität bekommen. ...


Das ist wohl wahr. Aber das ist kein Grund nun das Streikrecht auszuhebeln nur weil die Wirtschaft sich fehlerhaft organisiert hat. Klar, bestenfalls ist just-in-time kostensparend und effizient. Aber wenn es mal nicht so rund läuft, was ja nicht an einem Streik liegen muß, dann steht gleich alles still. Das hätte man zwar vorher wissen können, aber so muß es nun der eine oder andere selbst erfahren. (Ähnliches gilt übrigens auch global für eine Wirtschaft die sich völlig auf internationale Arbeitsteilung verläßt.)

In Antwort auf:
So hat ja auch das Arbeitsgericht argumentiert, das den Streik im Güter- und Fernverkehr zunächst verboten hatte. Die zweite und offenbar letzte Instanz hat anders entschieden. Meines Erachtens nicht nur falsch, sondern unverantwortlich.


Im Gegenteil, die erste Instanz hat nicht nur falsch geurteilt, sondern sich überhaupt in der Aufgabe verirrt. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, die Welt zu regieren sondern Recht zu sprechen. Arbeitnehmer haben ein StreikRECHT und ein solches Recht kann nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, das dies einigen weh tut (das soll es ja grade). Vor allem das teilweise Streikverbot ist ganz besonders nicht zu rechtfertigen, denn warum wird denn hier "die Volks/Weltwirschaft" über den Einzelnen gestellt? Galt nicht mal gleiches Recht für alle. Ihre beiden Argument für eine Abschaffung des Streikrechts kann ich noch verstehen, aber solange es nicht dazu kommt, ist eine solche Vorgehensweise eines Gerichts nicht zu rechtfertigen. Richter, bleib bei deinem Leisten.
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.11.2007 22:51
#19 Wir hier unten, ihr da oben Antworten

Zitat von Pelle
... moralische Bewertung der Höhe der Vergütungen des Vorstandes/der Geschäftsführung. Da kann man sicher berechtigte Bedenken haben, aber für den derzeitigen Streik und die Forderungen für die Lokführer ist die Höhe der Vergütung des Vorstandes unerheblich, ja im Grunde unter dem Thema Neiddebatte abzuhaken.

Das, lieber Pelle, scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein.

Die GDL-Spitze argumentiert, soweit ich das verfolgt habe, mit a)der hohen Verantwortung und Belastung des Lokomotivführers, b) den viel höheren Gehältern von Piloten, c) den höheren Gehältern von Lokomotivführern in anderen Ländern.

Sie argumentiert nicht damit, daß Manager viel Geld verdienen. Das wäre ja auch abwegig in Tarifverhandlungen. Aber daß sie - was mich zunächst sehr gewundert hat - immer noch so viel Sympathie in der Bevölkerung finden, das dürfte schon etwas mit dem Neidmotiv zu tun haben.

Mit dem Neidmotiv, das sich so ungefähr in diesen Gedanken kleidet: Die Lokführer sind der kleine Mann, wie wir auch. Und wenn sich die Großen so hohe Einkommen zuschanzen, dann müssen wir die Kleinen unterstützen, wenn sie mehr Geld wollen.

Also im Grund eine Klassenkampf-Mentalität. Die ja überhaupt in dem nach links rückenden Deutschland zuzunehmen scheint. Wir hier unten, ihr da oben. Die Krupps und die Krauses.

Dieser ganze Muff, wie ihn zB Günter Walraff und Bernt Engelmann repräsentierten - ich dachte, der wäre im Lauf der achtziger Jahre, als die Fenster geöffnet wurden, weggeblasen worden.

Ende der achtziger Jahre hätte ich es für undenkbar gehalten, daß dieses dumme und kontraproduktive Klassenkampf-Denken in Deutschland noch einmal eine politische Rolle spielen würde. Aber so ist es gekommen.

Die Wiedervereinigung dürfte dabei eine wesentliche Rolle gespielt haben.

Herzlich, Zettel

Pelle ( Gast )
Beiträge:

14.11.2007 23:17
#20 RE: Wir hier unten, ihr da oben Antworten

Zitat von Zettel
Also im Grund eine Klassenkampf-Mentalität. Die ja überhaupt in dem nach links rückenden Deutschland zuzunehmen scheint. Wir hier unten, ihr da oben. Die Krupps und die Krauses.

Gerade hat der Tagesspiegel die Vergütungen der Manager der Berliner landeseigenen Unternehmen veröffentlicht.

Ehrlich gesagt bekomme ich bei vielen gelisteten Gehältern das Heulen bzw. einen Lachkrampf, weil es so wenig ist!!! (Da sind Manager bei, deren Jahresgehalt mit 75.000 angegeben ist !)

Nur bei 4 oder 5 Managern würde ich sagen, es ginge auch mit etwas weniger .

http://www.tagesspiegel.de/berlin/Manage...;art270,2420340

Soviel zum Thema Managergehälter!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.11.2007 00:37
#21 Warum Münteferings Aussage über Einkommensunterschiede dumm war Antworten

Lieber str1977,

Zitat von str1977
Inwiefern war der Müntefering-Satz denn dumm? Aus Ihrem Argument geht das nicht hervor.

hier zunächst einmal der Wortlaut:
Er könne sich das Zehnfache von anderen Gehältern als Top-Verdienst vorstellen. "Aber niemand ist hundert- oder tausendmal besser als ein anderer", sagte Müntefering. "Das ist eine inakzeptable Form von Spätkapitalismus."

Lassen wir mal das seltsame Wort "Spätkapitalismus" beiseite, das ja nur dann Sinn macht, wenn man wie die Kommunisten glaubt, der Kapitalismus sei in seinem Endstadium.

Müntefering setzt offenbar voraus, daß sich die Gehälter der Personen A und B proportional dazu verhalten sollten, "um wieviel besser" A in Relation zu B ist. Mit anderen Worten, jeder soll in Proportion zu seiner Leistung bezahlt werden.

Das ist aber offensichtlich Kappes. Noch nicht mal die Kommunisten haben das jemals so gehandhabt. Sie haben die Einkommen (und vor allem die Privilegien) daran orientiert, wie dringend sie die Arbeit von jemandem brauchten. Also ging es den Ärzten, den Ingenieuren, der Intelligentsia in der DDR vergleichsweise gut, währen es den Rentnern, die man nicht mehr brauchte, hundsmiserabel ging. Nicht nach ihrer Leistung, sondern nach ihrem Marktwert wurden die Menschen auch im real existierenden Sozialismus bezahlt.

Immerhin haben die Kommunisten ja Marx zugeschrieben, er habe für die "Stufe des Sozialismus" (über die er sich nie viele Gedanken gemacht hatte) sozusagen als Maxime ausgegeben: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung". Nur daran gehalten haben sie sich nicht, die Kommunisten.

Und diese olle Klamotte hat jetzt Müntefering anscheinend wieder hervorholen wollen!

Nein, im Kapitalismus wird jeder - genau wie im real existierenden Sozialismus - nach nach Maßgabe dessen bezahlt, was seine Arbeit dem Arbeitgeber wert ist.

Selbstverständlich kann dann A das Tausendfache dessen verdienen, was B bekommt. Weil das Unternehmen sich eben von der Arbeit von A einen sehr großen Gewinn erwartet und von der von B einen vergleichsweise geringen.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.11.2007 01:21
#22 Es gibt kein Grundrecht auf Streik Antworten

Lieber str1977,

das ist eine interessante Diskussion. Im Gegensatz zu - wie mir scheint - R.A. und Ihnen habe ich zum diesem Thema keine abgeschlossene Meinung; deshalb habe ich dazu ja auch noch nichts in ZR geschrieben. Vielleicht hilft mir die Diskussion ja, meinen Standpunkt zu klären.

Zitat von str1977
Also, Anachronismus ist nie ein Argument (schon gar nicht für das Außerkaftsetzen von Grundrechten. So sehr haben sich die Zeiten auch nicht geändert.

Das Streikrecht ist - entgegen einer weitverbreiteten Meinung - kein Grundrecht. Es wird aus dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit lediglich abgeleitet, über das GG Artikel 9,3 dies sagt:
Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs.2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Im Artikel 12a geht es um die Wehrpflicht, in Artikel 35 um Katastrophenhilfe, in Artikel 87a um den Einsatz der Streitkräfte und in Artikel 91 um den Inneren Notstand. Der letzte Satz von Artikel 9,3 soll also nur sicherstellen, daß Arbeitskämpfe nicht dadurch behindert werden, daß Soldaten gegen Streikende eingesetzt oder daß diese zu den Streitkräften eingezogen werden.

Ein Grundrecht auf Streik gibt es nicht.
Zitat von str1977
Ohne das Streikrecht werden wir schon bald wieder ins 19. Jahrhundert zurückfallen, mit den bekannten Zuständen.

Warum? - Vor allem aber: Jedenfalls in meinen Überlegungen spielt eine völlige Abschaffung des Streikrechts keine Rolle. Aber ich frage mich, ob es einer kleinen Gruppe das Recht einräumen darf, eine ganze Volkswirtschaft ernsthaft zu schädigen und damit nicht nur die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder zu gefähren, sondern auch die Unbeteiligter. Mir scheint, daß da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gröblich verletzt wird.
Zitat von str1977
In Antwort auf:
Jedenfalls hat meines Erachtens der Streik durch die Vernetzung der Volkswirtschaft und durch die Just-in-time-Lieferungen eine andere Qualität bekommen. ...

Das ist wohl wahr. Aber das ist kein Grund nun das Streikrecht auszuhebeln nur weil die Wirtschaft sich fehlerhaft organisiert hat.

Es ist ja nicht fehlerhaft; es funktioniert bestens und trägt wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft bei, damit sichert und schafft diese Organisation Arbeitsplätze.
Zitat von str1977
Klar, bestenfalls ist just-in-time kostensparend und effizient. Aber wenn es mal nicht so rund läuft, was ja nicht an einem Streik liegen muß, dann steht gleich alles still. Das hätte man zwar vorher wissen können, aber so muß es nun der eine oder andere selbst erfahren.

Das, lieber str1977, ist eine petitio principii. Sie setzen das, wofür Sie plädieren, schon voraus - ein uneingeschränktes Streikrecht.
Zitat von str1977
In Antwort auf:
So hat ja auch das Arbeitsgericht argumentiert, das den Streik im Güter- und Fernverkehr zunächst verboten hatte. Die zweite und offenbar letzte Instanz hat anders entschieden. Meines Erachtens nicht nur falsch, sondern unverantwortlich.

Im Gegenteil, die erste Instanz hat nicht nur falsch geurteilt, sondern sich überhaupt in der Aufgabe verirrt. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, die Welt zu regieren sondern Recht zu sprechen.

Sehr wahr. Nur ist eben die Frage, was Weltveränderung ist und was Auslegung des Rechts.

Solange die Wirtschaft nicht so vernetzt war wie heute und solange das Just-in-time nicht so perfektioniert war wie heute, traf ein Streik hauptsächlich den Arbeitgeber. Heute ist das nicht mehr der Fall, jedenfalls nicht generell.

Die Streikenden - der Streik der Klinikärzte war ein eklatantes Beispiel - nehmen Unbeteiligte (Patienten, Bahnfahrer, jetzt große Teile der Wirtschaft und damit der Bevölkerung) als Geisel, um ihren Arbeitgeber zu erpressen.

Damit diese Strategie funktioniert, müssen die Streikenden voraussetzen, daß die Arbeitgeber sich verantwortlicher und humaner verhalten als sie, die Streikenden, selbst.

Denn die Klinikleitungen hätten sich ja, nach dem Vorbild der streikenden Ärzte, uninteressiert am Wohl der Patienten zeigen können. Dann hätten die Ärzte bis zum Sankt Nimmerleinstag streiken können; die nicht rechtzeitig Operierten wären halt gestorben.

Ebenso könnte die Deutsche Bahn als Bundesunternehmen einen Streik monatelang finanziell aushalten. Es gäbe dann eben für die Jahre 2008 und 2009 wieder ein großes Defizit, so wie es die Bundesbahn früher immer hatte; der Steuerzahler hat's bezahlt.

Aber Herr Schell und seine Mitglieder vertrauen darauf, daß sich die Deutsche Bahn, anders als sie selbst, verantwortlich fühlt für unsere Wirtschaft, für die Arbeitsplätze in Deutschland.

Die Geiselnehmer erwarten, daß ihr Kontrahent die Geisel nicht hängen läßt, sondern das Lösegeld zahlt.

Wenn ein Gericht diese Taktik untersagt, dann hebelt es aus meiner Sicht keineswegs das Streikrecht aus. Es verändert nicht die Welt, sondern es interpretiert das Streikrecht so, wie es bisher immer verstanden wurde: Als das Recht der Streikenden, ihrem Arbeitgeber durch Niederlegung der Arbeit einen Schaden zuzufügen.

Aber doch nicht Ihnen, nicht mir. Nicht den Menschen, die ihren Ferienflieger nicht erreichen. Nicht der Frau, die jetzt nicht zu ihrem kranken Mann fahren kann. Nicht den Millionen, die von diesen selbstsüchtigen und unverantwortlichen Funktionären als Geiseln genommen werden.



Sie sehen, lieber str1977, da gehen unsere Meinungen a bisserl auseinander. Umso mehr freue ich mich auf eine Diskussion, suaviter in modo, fortiter in re.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

15.11.2007 01:30
#23 RE: Warum Münteferings Aussage über Einkommensunterschiede dumm war Antworten

In Antwort auf:
Selbstverständlich kann dann A das Tausendfache dessen verdienen, was B bekommt. Weil das Unternehmen sich eben von der Arbeit von A einen sehr großen Gewinn erwartet und von der von B einen vergleichsweise geringen.


Da bin ich mal gespannt, wie hoch der Gewinn de Bahn ausfällt, wenn die GDL einen mehrwöchigen Streik durchzieht.

Was Müntefering erzählt, ist natürlich Kappes, weil das gar nichts mit Kapitalismus zu tun hat. Ein Kapitalist hat ein ein persönliches Risisko und haftet mit Haus und Hof, was man von Mehdorn und Ackermann nicht sagen kann, auch nicht nicht von Kleinschmidt, Reuter oder Schrempp. Das sind einfach hochbezahlte Angestellte in einer inzesthaften Struktur. Wenn sie Mist bauen, geht das vielleicht ans Ego, aber das wird dann auch noch kräftig vergoldet. Ich habe nichts gegen eine Millionenvergütung, wenn sie ein Stück persönliche Haftung beinhaltet, im Gegenteil.

In Antwort auf:
Weil das Unternehmen sich eben von der Arbeit von A einen sehr großen Gewinn erwartet und von der von B einen vergleichsweise geringen.


Es ist nicht das Unternehmen, dass diese Erwartung hat





R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.11.2007 10:53
#24 RE: GDL-Selbstmord Antworten

Lieber Zettel,

der Haupttreiber bei der Automatisierung werden weniger die Lohnkosten sein.
Viel wichtiger wird sein, daß sich die Bahn nie wieder diesem Erpressungspotential und den Milliardenschäden eines Streiks aussetzen will.

Und vor allem hat die GDL jetzt auch die Begründung für die Automatisierung geliefert.
Nur mit Lohnkostenersparnis alleine hätte die Bahn den Verzicht auf die Lokführer nie begründen können - dazu wird sie auch in Zukunft viel zu sehr im Rampenlicht stehen und politisch korrekt bleiben müssen.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

15.11.2007 11:04
#25 RE: Streikrecht überdenken Antworten

Hallo str1977,

> Anachronismus ist nie ein Argument ...
Es ist kein automatisches Argument pro oder contra - aber sehr wohl ein Argument, die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme neu zu überprüfen. Und dabei ein "das ist Besitzstand" nicht gelten zu lassen.

> schon gar nicht für das Außerkaftsetzen von Grundrechten.
Wie Zettel schon sagte: Das Streikrecht ist kein Grundrecht und kann jederzeit abgeschafft werden.
Wobei ich ja nicht für die Abschaffung bin, sondern für die Änderung - und zwar witzigerweise für eine Änderung zurück zum Ursprungsgedanken.

> Gewerkschaftsmitglieder werden nach diesem Tarifvertrag
> bezahlt, er ist Teil ihres Arbeitsvertrags.
Der Arbeitsvertrag sieht Geld gegen Arbeit vor. Der Tarifvertrag regelt nur Details der Entgelthöhe.
Die Arbeit zu verweigern ist Vertragsbruch und würde normalerweise zur Kündigung etc. führen.
Das Streikrecht ist ein Privileg zum legalen Vertragsbruch.

> Ohne das Streikrecht werden wir schon bald wieder ins 19.
> Jahrhundert zurückfallen, mit den bekannten Zuständen.
Das glaube ich überhaupt nicht.
Der Hauptunterschied zwischen den damaligen und den heutigen Zuständen ist die vervielfachte Produktivität und der daraus resultierende Wohlstand.
Das Streikrecht hat dazu nichts beigetragen - und in den meisten Branchen funktioniert es auch ohne Streiks hervorragend.

> Aber das ist kein Grund nun das Streikrecht auszuhebeln
> nur weil die Wirtschaft sich fehlerhaft organisiert hat.
Es ist nicht fehlerhaft, wenn eine Bahn oder eine Wirtschaft sich arbeitsteilig organisieren.

Meine Kritik richtet sich ja nur dagegen, daß eine kleine Teilgruppe von Bahnmitarbeitern die komplette Firma lahmlegt.
Und zwar, weil sie spezielle Vorteile GEGENÜBER IHREN KOLLEGEN haben möchten.
Im Prinzip richtet sich der Streik nicht gegen den Bahnvorstand, sondern gegen die übrige Belegschaft!

Wenn wirklich die komplette Bahnbelegschaft streiken würde, um einen für ALLE geltenden Abschluß zu erreichen, wäre das ganz anders zu beurteilen. Dann wären aber auch keine 30% erreichbar, sondern nur eben die normale Tariferhöhung, die schon längst durchverhandelt ist und eben auch für die Lokführer gilt.

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