Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #24 Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, (...) muss [er] zugleich die Fragen stellen und sich die Antworten Gottes ausdenken.
Wenn das die Lösung ist, dann will ich mein Problem zurück. Dann gehe ich in die nächste Xenophanes-Kapelle, zünde am Ludwig Feuerbach-Altar ein Kerzerl an und ziehe zerzaust meiner ziellosen Wege. Denn unruhig ist mein Herz, solang es nicht Ruhe findet in meinen Gedanken an ihn.
Da liegt ein kleines Missverständnis vor. Ich schrieb: „Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, braucht er nicht – wie bei der Suche nach Intelligenz auf fremden Planeten – auf Signale warten, sondern er muss zugleich die Fragen stellen und sich die Antworten Gottes ausdenken.“ Die Antwort, die man finden muss, im Gewissen, das durch drei Jahrtausende Vorschule in der jüdischen und christlichen Geschichte ja gebildet ist, kann nicht der wirkliche Gott magisch geben, sondern der wahrhaft transzendente Gott muss durch meine Gottesgedanken sprechen, vermittelt also. Visionen sind nur eine besonders intensive Form, auch sie sind aber Vermittlungen. Es handelt sich um ein Grundproblem der Kausalität zwischen Himmel und Erde, das nicht anders zu lösen ist. Daher haben wir in der Bibel Propheten und ein Prophet sagt: So spricht Gott: ... Das Christentum ist nur die Zuspitzung. Wie der Jude Jesus spricht, so spricht Gott. Das muss man glauben und kann es nicht beweisen.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #27Da liegt ein kleines Missverständnis vor. Ich schrieb: „Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, braucht er nicht – wie bei der Suche nach Intelligenz auf fremden Planeten – auf Signale warten, sondern er muss zugleich die Fragen stellen und sich die Antworten Gottes ausdenken.“ Die Antwort, die man finden muss, im Gewissen, das durch drei Jahrtausende Vorschule in der jüdischen und christlichen Geschichte ja gebildet ist, kann nicht der wirkliche Gott magisch geben, sondern der wahrhaft transzendente Gott muss durch meine Gottesgedanken sprechen, vermittelt also. Visionen sind nur eine besonders intensive Form, auch sie sind aber Vermittlungen. Es handelt sich um ein Grundproblem der Kausalität zwischen Himmel und Erde, das nicht anders zu lösen ist. Daher haben wir in der Bibel Propheten und ein Prophet sagt: So spricht Gott: ... Das Christentum ist nur die Zuspitzung. Wie der Jude Jesus spricht, so spricht Gott. Das muss man glauben und kann es nicht beweisen.
Ist das klarer formuliert? Ludwig w.
Ob das klarer formuliert ist? Das kommt drauf an, was Sie sagen wollen. Ich kann es jedenfalls besser annehmen, als die einen oder anderen Formulierungen, die ich in Ihren schönen Beiträgen lese. Wissen Sie, manchmal vermag ich beim Lesen nicht zu unterscheiden, ob Sie wie ein Atheist oder als ein Atheist argumentieren. In Ihrer Habilitation (und auch einmal in ZR?) verwenden Sie das Bild dieser zweipoligen Elipse, wo beide Pole zu beachten sind. Oft kann ich aber hier im Raum in Ihren Beiträgen den zweiten Pol nicht entdecken. (Wer weiß, vielleicht bräuchte ich ja auch bloß besser hinzuschauen oder bloß wohlwollender zu interpretieren. Die Wahrheit liegt ja schließlich auch im Auge des Betrachters.)
Wenn ich zum Beispiel den Schlusssatz Ihres aktuellen Beitrags anführe:
Zitat Diese aufgeklärte Vernunft ist – in diesem Fall - ein anderes Wort für den unterscheidend christlichen Glauben.
Hier frage ich mich: Setzen Sie hier die aufgeklärte Vernunft mit dem christlichen Glauben gleich? Oder verstehe ich einfach nicht, worauf Sie hinaus wollen? Wenn Vernunft und Glaube in eins fallen, was spräche dann dagegen, Mister Spock aus der hinlänglich bekannten Fernsehserie mit seiner faszinierenden, unbestechlichen Logik heilig zu sprechen? Oder etwas anders formuliert: Wenn Vernunft und Glaube zwei unterschiedliche Wörter für die selbe Sache sind, warum dann nicht den Glauben gleich ganz streichen und bei der Vernunft verbleiben? Diese ist wenigstens salonfähig, während jener immer unzeitgemäßer zu erscheinen scheint. Ginge dann nicht irgendetwas Entscheidendes verloren?
- Wie dem auch sei: Ihre obige Antwort hat mich sehr angesprochen. Danke!
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #27Da liegt ein kleines Missverständnis vor. Ich schrieb: „Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, braucht er nicht – wie bei der Suche nach Intelligenz auf fremden Planeten – auf Signale warten, sondern er muss zugleich die Fragen stellen und sich die Antworten Gottes ausdenken.“ Die Antwort, die man finden muss, im Gewissen, das durch drei Jahrtausende Vorschule in der jüdischen und christlichen Geschichte ja gebildet ist, kann nicht der wirkliche Gott magisch geben, sondern der wahrhaft transzendente Gott muss durch meine Gottesgedanken sprechen, vermittelt also. Visionen sind nur eine besonders intensive Form, auch sie sind aber Vermittlungen. Es handelt sich um ein Grundproblem der Kausalität zwischen Himmel und Erde, das nicht anders zu lösen ist. Daher haben wir in der Bibel Propheten und ein Prophet sagt: So spricht Gott: ... Das Christentum ist nur die Zuspitzung. Wie der Jude Jesus spricht, so spricht Gott. Das muss man glauben und kann es nicht beweisen.
Ist das klarer formuliert? Ludwig w.
Wahrhaftig, der Satz: Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, ("über den wahrhaft transzendenten Gott")... - kurz oder lang formuliert - lässt den Himmel der nur Frommen lichterloh brennen.
Fragen: Xenophanes und Feuerbach, gehören sie mit zu den Bildnern des Gewissens "durch drei Jahrtausende Vorschule in der jüdischen und christlichen Geschichte? Hat diese Geschichte auch die Tausende von christlich Frommen in Altötting, Lourdes und Fatima ... erreicht? Wenn nein: Lässt man sie deshalb im guten Glauben gewähren? Wenn Ja: Kann ich mit der Kerze in der Hand am wundersamen Ort mir dennoch die rechten Gedanken über Gott machen und die rechten Antworten finden; auf das Wunder vertrauen ...? Muss das wundersame Wunder sogar geschehen, um den "Heiligen" zu identifizieren? ...
Ich möchte nicht wie ein Atheist reden, sondern so, wie ein heutiger Theologe, wenn er Kants Kritik der menschlichen Erkenntniskraft berücksichtigt, das Zeugnis der Alten auslegen kann. - Natürlich formuliere ich hier im Bog-Raum lockerer als im Beruf, aber ich tue es nicht unter einem Pseudonym.
Vernunft und Glaube haben eine etwas andere Relation: Sie reinigen sich gegenseitig und bekommen beide eine geläuterte Gestalt. Daher kann ich nicht Vernunft und Glaube ineins setzen. Ich sagte daher auch „diese aufgeklärte Vernunft“, nämlich durch den Glauben des Gottesvolkes aufgeklärte V., nicht die Vernunft der Europ. Aufklärung ohne Reinigung. Mein Vermittlungsmodell (zwei gegenläufige Pfeile) bedeutet ein simultanes je-ganz, keine Seite darf verkürzt sein, im Bild der römischen Rennbahn: man muss um beide Pole (Göttliches und Menschliches, Gnade und Freiheit) herum: Alles, was in der Heilsgeschichte geschieht, tut ganz Gott und doch auch ganz der Mensch. Ich will noch inhaltlicher werden:
Dass die von Jesus gelehrte und gelebte Wahrheit mundtot gemacht werden sollte – von einer kleinen Gruppe von Funktionären -, sei es aus vermeintlicher politischer Klugheit oder zur Selbstverteidigung, ist kein Anlass, an der Menschheit zu verzweifeln. Der Tod des Sokrates ist häufig verglichen worden. Athen wollte ihn durch das Urteil zur Ausreise zwingen, aber diesen Gefallen tat ihm der Philosoph nicht, er wollte die Athener schuldig werden lassen und trank den Becher. Hätten wir ohne diesen Tod einen solchen Plato und einen solchen Aristoteles, wie wir sie bekamen? Hätten wir ohne das Erschrecken eines Saulus über das fremde und eigene Fehlurteil einen solchen Paulus bekommen?
Die aufklärende Antwort auf beide Todesurteile und Verbindung des jüdischen Glaubens und der Ethik Jesu mit der griechischen Philosophie machte das Christentum (zusammen mit weiteren Gründen: Relativierung der Klassen, Sorge für die Armen) weltfähig. Es hat uns vorsichtig und selbstkritisch gemacht, dass sogar Eliten in Athen und Jerusalem scheiterten. Wir lernten, dass Wollen und Erkennen aneinanderhängen und dass man bei Urteilen über religiöse und metaphysische Dinge ein gebildetes Gewissen und Todesmut braucht. Wir lernen auch Folgendes: Die Antworten auf die Gottesfrage wurden nicht durch bloßes Nachdenken am Schreibpult gefunden, sondern im Feuer solcher Ereignisse geprüft. Es sind auch ‚Signale‘, Zeichen, die den Anlass boten, freilich keine aus dem Himmel. Dadurch unterscheidet sich der biblische Glaube von der typischen Religion. Hier geht es um eine Geschichte, um einmalig anzutreffende Ereignisse, die verstanden werden mussten und so zu einem Weiterkommen in der Rede über das Gott-Welt-Verhältnis halfen.
Im Fall Jesus von Nazareth muss man die Sprache zuspitzen, um gegen die frommen Übermalungen freizulegen, was gemeint ist (der Blogger Simon hat im hier vorangehenden Beitrag die süßlichen Übermalungen moniert). Was die damaligen Zeugen erkannten und behaupteten, ist: Der Jude Jesus definiert, was der Wille Gottes (alte Sprache: der unsichtbare Gott in seinem Geheimnis) in Wahrheit ist. Dieser bestimmte jüdische Rabbi und Prophet ist auch für meinen Glauben das zu Ende formulierte Wort Gottes selbst in Person.
Zitat von Simon im Beitrag #29Wahrhaftig, der Satz: Wenn der Mensch sich Gedanken über Gott macht, ("über den wahrhaft transzendenten Gott")... - kurz oder lang formuliert - lässt den Himmel der nur Frommen lichterloh brennen.
So lange der Himmel aus dem Vaterunser nicht herausexegetisiert wird, sehe ich keine Veranlassung, ihn aus meinem Denken zu verbannen. Und im Sinne von Dr. Martinus' "Ob ihr leise oder laut betet, euer Herz soll brennen" wäre ich geradezu froh, wenn die Flammen bis zum Himmel schlügen und die Welt, und damit zu allerserst ich selbst, durch den Schein eines kosmischen Osterfeuers in den Wahrnehmungs-Modus einer aufgeklärten Klarsicht käme.
Dank also für Ihre kraftvolle Metapher, die mich zum Weiterdenken brachte. Ich bin mir nicht sicher, inwiefern die Aufteilung in "Nur Fromme" und "Aufgeklärt-authentische Christen" wirklich sachgermäß und zielführend ist. Ich fürchte, dass auch unter den Aufgeklärten das Moment des Religiösen latent schlummert, genauso wie ich etliche kenne, die Sie wohl in die Kategorie "nur fromm" einordnen würden, deren Lebensform in aller Bescheidenheit und unaufgeregt-selbstverständlichem Vollzug mich trotzdem überzeugt.
Quod non assumptum non est sanatum, was nicht aufgenommen ist, ist nicht erlöst, und wenn wir das Religiöse ganz aus der Welt des Glaubens verbannen, dann kommt es durch die Hintertür der Esoterik zurück. Sie mögen über Medjugorje und die anderen Wallfahrtsorte denken, wie Sie wollen, es wird immerhin diskutiert, von offizieller Seite, in wiefern was sich dort ereignet, heilsam, authentisch ist oder nicht. Eine Verbesserung, eine Läuterung, eine Entwicklung nach oben wäre natürlich auch dort denkbar und vielleicht wünschenswert. - Kennen Sie denn keine Orte, die Ihnen persönlich wichtiger sind als andere, weil sie Stationen auf Ihrem Weg zu einem aufgeklärten Glauben darstellen, oder Sie selbigen vielleicht dort und nur dort zu praktizieren pflegen? Und wenn diese Orte nicht nur Ihnen, sondern auch anderen mit Ihnen genauso wichtig sind, ist dann nicht schon der Keim gelegt für neue Wallfahrtsorte?
- Mein Versuch, auf Ihre Fragen summarisch einzugehen.
Es gibt ganz verschiedene Theorien darüber, was Wahrheit sei, welche Bedeutung das Wort hat usw. Einige dieser Begriffe bezieht Dinge wie "wahrer Freund" genauso ein wie "wahre Aussage", bei anderen geht es mehr darum, dass einem etwas selbst evident wird ("Aletheia").
Die Philosophen, zumindest die modernen, zumeist an Logik, Sprachkritik und Begriffsanalyse geschulte Philosophie versteht "Wahrheit" mehr ausschließlich im Sinne von "wahre", das bedeutet (auch wenn das Wort nicht wirklich etwas erhellt) "zutreffende" Ausage. Während manche Philosophen sogar den Vorschlag unterbreitet haben, auf den Begriff der Wahrheit zu verzichten, da er zu sehr metaphysisch aufgeladen sei. Doch selbst in diesem Rahmen gibt es noch jede Menge verschiedene Deutungen dessen, was die Wahrheit im Sinne "wahrer Aussagen" eigentlich sein soll. Einige sehen sie als den Konsens von informierten und vernünftigen Diskussionsteilnehmer, andere als ein Übereinstimmen zwischen Realität und Gedanke usw.
Nun bin ich kein Experte für dieses wahrscheinlich sehr komplexe und umfassende Themengebiet, doch wenn ich das Jesuwort Johannes 14:6 "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" richtig interpretiere, dann setzt zumindest das Johannesevangelium einen anderen Begriff von Wahrheit voraus. Dazu würde dann auch passen, dass dort die Rede davon ist, die Wahrheit könne "frei machen". In der Briefliteratur finden sich auch Aussagen zur Wahrheit, die man vielleicht für eine Eigenschaft (oder Pseudoeigenschaft) von Sätzen, Urteilen oder Gedanken nicht verwenden würde. Die Spannung zwischen den Wahrheitsbegriff der Philosophen und dem der Bibel schein also da zu sein.
Heines Zitat sehe ich in diesem Zusammenhang eher als eine Anspielung auf den zu seiner Zeit sich ausbreitenden Hegelianismus (noch der britische Philosoph Russell hatte doch eine hegelianische Phase). Den Eindruck bekam ich jedenfalls, als ich mir die Quelle mal zur Hand nahm. Den Weg von Jacob Böhme über Spinoza deutet Heine ja an, auch wenn er zugibt, Böhme nie gelesen zu haben.
Zur Zeit wird darüber diskutiert, ob die Vulgarität der Zoten kein Verstoß, sondern eine künstlerisch erlaubte Überzeichnung sei, vielleicht sogar geboten, weil Kunst eine wahrheitsgetreue Abbildung der Wirklichkeit sein müsse.
Ist das richtig oder wird hier „wahrheitsgetreu“ zum Mittel, eine permissive Gesellschaft zu rechtfertigen? Jedenfalls scheint hier Wahrheit mit Wirklichkeit gleichgesetzt zu werden. Und das ist der Unterscheid zwischen der alten Zeit der Philosophen und der Bibel, wo Wahrheit ein ethischer Begriff war, um Gesellschaft und Wirklichkeit zu messen.
„Wahrheit“ ist inzwischen auf dem Feld von Moral und Religion zu einem utopischen Begriff geworden, unerreichbar für unsere kleinen einzelnen subjektiven Bemühungen, und daher beschränkt man sich auf den Plural von geglaubten Wahrheiten, die nur eine pluralistische Geltung in einer heterodoxen Gesellschaft haben dürften. Keiner darf daher auch werben und missionieren mit ‚Ich habe die beste‘. Es gibt keine gemeinsame Wahrheit mehr zu suchen, weil ‚wir‘ inzwischen erkannten, dass wir nicht die Fähigkeit besitzen, sie zu finden. Diese Grenze des Menschen wird zur neuen Tugend Bescheidenheit und zum Weg für eine friedliche Welt erklärt. Das hat auch dies zur Folge: Die Gemeinsamkeit der Suche von Philosophie und Glaube an einen Schöpfergott ist aufgelöst. Die Philosophie beschränkt sich auf die Erde und weist der Religion die Region Himmel zu. Damit ist der Erdball in zwei Wirklichkeiten geteilt. Als man an eine gemeinsame Wahrheit glaubte, war die Erde eine Kugel, die man von zwei Seiten anschaute. Wir sollten zumindest einander, das heißt die zwei Blickpunkte, wahrnehmen (w a h r – nehmen!), die andere Perspektive gelten lassen. Hier in der Diskussion waren wir inzwischen typischerweise auch schon bei den Themen Weltall und Schöpfer gelandet.
Scheint es nicht möglich, die alte Zusammenarbeit von kritischer Philosophie und religionskritischem (aus der Bibel stammendem) Glauben auf dem heute erreichten Boden unseres Wissens zu erneuern, wo die Philosophie, aber auch der Glaube – als empirischer, gelebter - auf der Erde bleibt? Theologie wäre dann die Reflexion einer erfahrenen Geschichte von Menschen mit Gott und der Geschichte des Anliegens, die Welt nicht nur als Schlachthaus, sondern als mögliches Paradies zu rechtfertigen. Geschichte ist ebenso an die Erde gebunden wie Gedanken.
"Zur Zeit wird darüber diskutiert, ob die Vulgarität der Zoten kein Verstoß, sondern eine künstlerisch erlaubte Überzeichnung sei, vielleicht sogar geboten, weil Kunst eine wahrheitsgetreue Abbildung der Wirklichkeit sein müsse.
Ist das richtig oder wird hier „wahrheitsgetreu“ zum Mittel, eine permissive Gesellschaft zu rechtfertigen?
Jedenfalls scheint hier Wahrheit mit Wirklichkeit gleichgesetzt zu werden. Und das ist der Unterscheid zwischen der alten Zeit der Philosophen und* der Bibel, wo Wahrheit ein ethischer Begriff war, um Gesellschaft und Wirklichkeit zu messen." *(ebenso) Anm. So ist es doch gemeint, oder?
Ich meine, dass für die aktuelle Anfrage immer noch die mittelalterliche - vernünftige - Antwort (der klassischen Philosophie und der Weisheit der Bibel) gilt, wie sie unten näher ausgeführt ist.
Weimer in ZR:
"Die existierende Wahrheit wurde im Mittelalter zugleich auch als das Gute und ungespalten Geeinte gesehen. Man nannte das die vier Transzendentalien (von lateinisch transcendere „übersteigen“). Zum Seienden selbst (ens) gehören Einheit (unum), Wahrheit (verum) und Gutheit (bonum). Es sind die Grundbegriffe, die allem Seienden, also dem Wirklichen, zukommen. Das Böse galt als Beraubung des Seienden. Später nahmen manche auch den Begriff Schönheit (pulchrum) als Name für den Glanz des Wahren hinzu.
Können wir heute damit etwas anfangen? [b]Jedenfalls lernen wir, dass Erkennen, Gestalten und Handeln an die Wahrheit gebunden sind.
Erkenntnis kann nicht auf den relativierenden Standpunkt gebracht werden: Jeder nach seiner Façon. Handeln und Unterlassen müssen sich, wenn es um Sinn und wahres Glück geht, an einem ethischen Maßstab orientieren, sollen gerecht, rechtschaffen und seelisch gesund sein."
Zitat von Johanes im Beitrag #33 Die Spannung zwischen den Wahrheitsbegriff der Philosophen und dem der Bibel schein also da zu sein.
Es ist meines Erachtens noch viel verfahrener. Denn mir scheint, die Bibelwissenschaft selber verzichtet darauf, den einen, wahren Sinn aus einer Bibelstelle herauslesen zu wollen. Der Sinn eines Bibeltextes variiert, je nachdem, ob man ihn vom Autor her, vom historischen oder literarischen Kontext her, oder vom Leser her auszulegen versucht. Die unterschiedlichen Sinnpotentiale bestehen im günstigsten Fall gleichwertig nebeneinander, mehrstimmig und differenziert wie eine Bachsche Fuge. Der Sinn eines Textabschnitts wird bestenfalls umkreist, das Ziel der Exegese wird z.B. als „Multiperspektivische Circumambulatio der Schriftauslegung“ bezeichnet (R. Zimmermann/ S. Luther, 2014). "Die eine Wahrheit" hinter einem Text gibt es nicht, beziehungsweise sie ist mit exegetischen Mitteln nicht zu erheben. D.h., das einstige Flaggschiff der Theologie fragt gar nicht mehr danach. Insofern ist auch die biblische Wissenschaft ganz das Kind ihrer Zeit, sodass das folgende Zitat ebenfalls auf die wissenschaftliche Exegese zutrifft:
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #34 „Wahrheit“ ist inzwischen auf dem Feld von Moral und Religion zu einem utopischen Begriff geworden, unerreichbar für unsere kleinen einzelnen subjektiven Bemühungen, und daher beschränkt man sich auf den Plural von geglaubten Wahrheiten, die nur eine pluralistische Geltung in einer heterodoxen Gesellschaft haben dürften.
vielen Dank für Ihre interessanten Betrachtungen. Was ist Wahrheit? Sie haben mich zum Nachdenken gebracht.
Mein Gefühl sagt mir, dass Wahrheit etwas ist, das man selbst erleben und erfahren muss, allem anderen schenke ich Glauben (oder auch nicht). Ich glaube nicht, dass sie sich in Büchern finden lässt oder den Gedanken anderer Menschen, wohl aber Hinweise sie zu finden. Ganz allgemein gesprochen würde ich aber sagen, dass Wahrheit schlicht die Perspektive ist, die sich am Ende durchsetzt.
schön klar ausgedrückt, dass man die Wahrheit selbst erlebt haben muss, ja, sie kann nur einem Subjekt als ein objektiv Wahres erscheinen. Die Definition als "Perspektive ..., die sich am Ende durchsetzt", muss aber befragt werden. Sie ist zu optimistisch so wie der Spruch "Lügen haben kurze Beine". - Sie verstehen Ihren Satz wohl im Sinn des evolutionären Erfolgs, als Gewinn an Seiendem und Gutem.
Ich schlage mal Folgendes vor (das ich aus dem Umgang mit der Interpetation biblischer Wunder gelernt habe): Ein dunkles Faktum kann von zwei Seiten angeleuchtet und gesehen werden; 1) kritisch: es müsste, wenn es wahr ist, sich im Experiment wiederholen lassen, 2) gläubig: es kann einmalig sein, wenn es ein geschichtliches Faktum ist, dann muss ich mich entscheiden, ob ich den Zeugen, die es berichten, glauben kann oder nicht. Die Entscheidung zur 2. Perspektibe fällt leichter, wenn ich mehr über das Leben der Augenzeugen und ihre Glaubwürdigkeit weiß.
Als Theologe, der die Fragen denkerisch nachvollziehen will, muss ich aber beides, 1) und 2), betrachten wie zwei Interpretationen des einen dunklen Faktums, sozusagen wie eine Kugel, die ich von vorn und von hinten anschaue. Ich muss die zwei Perspektiven vereinen, in eins setzen. Das geht nicht? Doch, man muss. Ich gebe Ihnen einen gemeinverständlichen Beispielsatz: "Auch der Unglaube ist nur ein Glaube" (Arnold Stadler, Salvatore, Frankfurt/Main 2008, 46). Wenn nur eine Perspektive siegen würde ("sich am Ende durchsetzt"), sähe der Unglaube in Bezug auf das dunkle Faktum als einziger richtig. Bei vergangenen und nicht selbsterlebten Fakten, die zu Texten geworden sind, bleibt die 'Wahrheit' immer: Alles ist Interpretation. Nicht alles, was sich durchsetzt (z. B. Adolf Hitler), entspricht der Wahrheit, aber der Wirklichkeit, denn sonst stünde es mit den guten Nachrichten über Zeit und Menschheit besser.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #38 Beispielsatz: "Auch der Unglaube ist nur ein Glaube" (Arnold Stadler, Salvatore, Frankfurt/Main 2008, 46). Wenn nur eine Perspektive siegen würde ("sich am Ende durchsetzt"), sähe der Unglaube in Bezug auf das dunkle Faktum als einziger richtig. Bei vergangenen und nicht selbsterlebten Fakten, die zu Texten geworden sind, bleibt die 'Wahrheit' immer: Alles ist Interpretation. Nicht alles, was sich durchsetzt (z. B. Adolf Hitler), entspricht der Wahrheit, aber der Wirklichkeit, denn sonst stünde es mit den guten Nachrichten über Zeit und Menschheit besser.
Lieber Herr Weimer, der letzte Satz erscheint einleuchtend. Und doch besteht die (allgemeine) Grundfrage: Woran messe ich das, was objektiv wahr sein soll gegenüber einer ebenfalls objektiv "wahren" Wirklichkeit (sc. Hitler)? Anders gefragt: Wie "erscheint" mir Wahrheit? Wer ist Träger/Entscheider von Wahrheit? Hat das überhaupt etwas mit dem/einem Glauben zu tun? Sind das nicht vielmehr Fragen, wie ich mich als Mensch jedweder Wirklichkeit in der Welt nähere, sie sinnlich wahrnehme, "interpretiere", befördere/aussondere ...?
„Woran messe ich das, was objektiv wahr sein soll?“
Es geht bei dieser Frage offensichtlich um das Verhalten, also die Handlungen von Menschen, nicht um das von Kartoffelkäfern oder Vulkanen, sondern z. B. das von Hitler. Woran ist Moral zu messen? Kant hat den kategorischen Imperativ vorgeschlagen: Handle so, dass dein Maßstab die Maxime von jedem Menschen auf der Erde sein könnte. – Natürlich ist das, wie man heute sagt, „westlich“, also post-jüdisch-christlich gedacht. Das bedeutet die Frage: Ist Europas tradierte Ethik nur kulturell-regional oder aus einem weltweiten Natur- und Wahrheitsbegriff abgeleitet? Konkurriert sie mit indischer, chinesischer, japanischer Weisheit? Die meisten Denker haben im Letzten eine Einheit gesehen, obgleich historisch die westliche menschenrechtliche Moral nur zwei zusammengeführten Quellen entstammt, der Bibel beider Testamente und der griechischen Philosophie.
„Hat das überhaupt … mit dem/einem Glauben zu tun?“
Insofern von den alten Schriftstellern („Kirchenväter“) die hellenistische Götterkritik mit der religionskritischen jüdisch-christlichen Theologie zusammengeführt und der Mensch als freie Person entdeckt wurde, ja. Die Freiheit des Glaubens zum Ja oder Nein, also auch die zur Autonomie des Menschen ohne Gottesglaube, ist aber eine – für Katholiken erst seit dem Vatikanum II selbstverständliche - Mitentdeckung des biblischen Glaubens (im Koran ist sie hingegen zurückgenommen). In der Bibel heißt der Gottlose einfach „der Tor“, die Frommen haben Mitleid mit ihm, aber er wird in Freiheit in Ruhe gelassen. Erst recht die Christen wurden „kleine Herde“ in der antiken Gesellschaft. Bekanntlich war ihr religionskritischer Glaube so auffällig, dass man sie „Atheisten“ nannte, weil sie die göttliche Verehrung der politischen Macht ablehnten und sogar dafür starben.
in den ersten beiden Sätzen beschreibe ich, wie ich Wahrheit für mich definieren und abgrenzen würde. Dabei wollte ich es aber nicht belassen, weshalb ich ergänzte:
Ganz allgemein gesprochen würde ich aber sagen, dass Wahrheit schlicht die Perspektive ist, die sich am Ende durchsetzt.
Ich wollte damit ausdrücken, dass ich den Wahrheitsbegriff im Allgemeinen als "akzeptierte Wirklichkeit" auffasse, der geprägt wird durch das, was beispielsweise an Schulen, Universitäten und von seriösen Nachrichten vermittelt wird. Grob gesagt, die öffentliche Wahrheit, oder im Kleinen der Konsens einer Gruppe. Hier meine ich also nicht mehr die Wahrheit, wie ich sie zwingend empfinde, sondern eine Art von Wahrheit, die, zumindest in Teilen, regional und temporär gilt. Diese letztgenannte "Wahrheit" habe ich nicht unerwähnt lassen wollen, denn mir scheint sie im täglichen Leben und Erleben die wichtigste von allen.
Zitat von Ludwig Weimer im Beitrag #38 Die Definition als "Perspektive ..., die sich am Ende durchsetzt", muss aber befragt werden. Sie ist zu optimistisch so wie der Spruch "Lügen haben kurze Beine". - Sie verstehen Ihren Satz wohl im Sinn des evolutionären Erfolgs, als Gewinn an Seiendem und Gutem.
Ein Missverständnis. Vielleicht hätte ich schreiben sollen: Im Allgemeinen würde ich aber sagen, dass die Sichtweise als Wahrheit gilt, die sich zum Zeitpunkt der Betrachtung durchsetzt (im Sinne von etabliert und akzeptiert).
Übrigens würde ich nie "Lügen haben kurze Beine" behaupten, eher Sachen wie: "Jemand kann die Wahrheit sagen und doch muss es nicht Wahrheit sein."
Ein Fünkchen Wahrheit einzufangen, es festzuhalten, in Worte zu zwingen und an andere zu vermitteln ist ein hoffnungsvolles Unterfangen. Ich versuche mich beruflich in Form von Berichten daran, in denen ich mich mit Korruption befasse, deren Bekämpfung und Prävention sowie interne Ermittlungen in Fällen doloser Handlungen. Das kann sich anfühlen wie das Einsammeln von Wahrheiten. Menschen stricken ihre eigene Wirklichkeit und passen ihr Unrechtsbewusstsein an, ich glaube, wir sind so.
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