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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 29 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Llarian Offline



Beiträge: 7.115

09.05.2016 22:58
Experten, die die Welt erklären Antworten

Eine kleine Marginalie zum US Wahlkampf.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

10.05.2016 01:25
#2 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Fairerweise: die Person Trump wurde auch in den USA lange Zeit falsch eingeschätzt.

Hier zum Beispiel ein Artikel von Nate Silver vom August 2015, in dem er sage und schreibe sechs Punkte nennt, an denen Trump in den nächsten Monaten scheitern würde. Silver schätzte damals die Chance auf eine GOP-Nominerung Trumps auf 2%.
Und Silver ist DER Guru der amerikanischen Meinungsforscher. Bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen hat er das Ergebnis für JEDEN EINZELNEN Staat richtig vorhergesagt. Also schon ein Guter, mit i.d.R. übrigens auch parteipolitisch sehr neutraler Brille.
Wenn Silver sich so verrechnet, dann muss man das eigentlich auch den deutschen Journalisten verzeihen, die über Trump geschrieben haben.

Trump ist eben wirklich eine unglaublich unwahrscheinliche Kandidatur.
Hierzu eine aktuelle Statistik von fivethirtyeight:
http://fivethirtyeight.com/features/amer...ecord-breaking/

Demnach ist Trump der mit riesigem Abstand unbeliebteste Kandidat seit diese Frage überhaupt erhoben wird.
(Zweitunbeliebtester Kandidat ist übrigens H. Clinton. Schon interessant, oder? Beide Kandidaten sind EXTREM unbeliebt. Anders herum gesagt: Hätten die Republikaner irgendeinen langweiligen Durchschnitts-Kandidaten wie z.B. Kasich aufgestellt, dann hätte der gegen die sehr unpopuläre Clinton super Chancen gehabt. Aber die GOP hat es geschafft, die rekordschlechte Bewertung der Dem-Kandidatin sogar noch zu toppen.)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

10.05.2016 08:50
#3 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #2
Fairerweise: die Person Trump wurde auch in den USA lange Zeit falsch eingeschätzt.

Hier zum Beispiel ein Artikel von Nate Silver vom August 2015, in dem er sage und schreibe sechs Punkte nennt, an denen Trump in den nächsten Monaten scheitern würde. Silver schätzte damals die Chance auf eine GOP-Nominerung Trumps auf 2%.
Und Silver ist DER Guru der amerikanischen Meinungsforscher. Bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen hat er das Ergebnis für JEDEN EINZELNEN Staat richtig vorhergesagt. Also schon ein Guter, mit i.d.R. übrigens auch parteipolitisch sehr neutraler Brille.
Wenn Silver sich so verrechnet, dann muss man das eigentlich auch den deutschen Journalisten verzeihen, die über Trump geschrieben haben.


Mir scheint das auch nicht nur die systematisch-linkegedrehte Verzerrung vieler deutscher Journalisten zu sein. Clemens Wergin, seit einigen Jahren USA-Korrespondent in Washington und m. E. ziemlich exzellenter Kenner amerikanischer Politik und auch ideologisch ziemlich unverblendet, lag im letzten Jahr unzählige Male daneben.

Meine (küchenpolitologische; Moin Petz ) Vermutung ist, daß man die Folgen der Finanzkrise 2007 für die Mittelschicht in den USA bis heute zuweilen unterschätzt. Die Mittelschicht scheint in einer Weise zu erodieren, die längst zu (berechtigten?) Ängsten, etwa vor illegaler Zuwanderung, und damit für deren Verwertbarkeoit im Wahlkampf geführt haben, was Trump reichlich bedient. Ich glaube schon länger, daß Trump eine Mischung aus AfD und Pegida ist und das latent vorhandene politische Klima zu nutzen weiß. Einerseits gegen "die da oben", andererseits gegen "die da unten". Ich glaube man schreibt den Amerikanern zuweilen eine zu große Fähigkeit zu, wachsende soziale Spannungen als systemimmanent hinzunehmen. Außerdem, vermute ich, spielt Kränkung, ähnlich wie damals nach dem Vietnam-Krieg eine Rolle. Viele haben wohl den Eindruck, unter Obama hätten die USA den Schwanz eingezogen, was u. a. den IS hochgespült hat; eine Karte, die Trump ebenfalls zu bedienen weiß. Daher verfängt auch der Slogan "Make America great again!" vermutlich besser als andere.

herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Florian Offline



Beiträge: 3.171

10.05.2016 11:13
#4 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #3
Außerdem, vermute ich, spielt Kränkung, ähnlich wie damals nach dem Vietnam-Krieg eine Rolle. Viele haben wohl den Eindruck, unter Obama hätten die USA den Schwanz eingezogen, was u. a. den IS hochgespült hat; eine Karte, die Trump ebenfalls zu bedienen weiß.


Ich verstehe Trumps außenpolitische Position eigentlich als ein noch deutlicheres und expliziteres "Schwanzeinziehen" als unter Obama.
Seine Außenpolitik ist im Kern isolationistisch. Sinngemäß: "sollen sich die Europäer doch selbst um ihre Sicherheitsprobleme (gegenüber Russland, Nahen Osten und Nordafrika) kümmern. Die USA werden dafür auf jeden Fall kein Geld und keine Truppen mehr stellen."

Clinton wäre hingegen eher eine Repräsentantin der klassischen (auch militär-gestützten und bei Bedarf interventionistischen) US-Außenpolitik.

Eine Analyse findet sich z.B. hier:
http://www.bbc.com/news/election-us-2016-36232271

Zitat (das auch Clintons Dilemma beschreibt, wenn sie gegen Trump außenpolitisch argumentieren soll):

This will be a dilemma for Mrs Clinton on the campaign trail: how to differentiate herself from Mr Trump's isolationist worldview without criticizing a president who holds a somewhat similar view but remains very popular.
(...) As Secretary of State, Hillary Clinton often quietly expressed frustration about President Obama's reluctant approach to American power.

HStafo Offline



Beiträge: 43

10.05.2016 11:42
#5 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Danke für den Beitrag. Endlich bringt es mal jemand auf den Punkt. Die Kampagne der Staatsmedien hier ist schon seit Monaten ein großes Ärgernis. Mich wundert es, daß nicht EIN Journalist mal ausgewogen berichtet - mir ist zumindest keiner untergekommen. Es ist das typische Vorgehen der Medien in diesen Tagen: Immer wenn der Name Trump fällt, gibt es Attribute zum Namen, Milliardär (=Schuft, da reich), Immobilienmilliardär (=Doppelschuft, da reich und windiges Gewerbe), populistisch (natürlich) und mehr. Mit einer sachlichen Berichterstattung hat das nichts zu tun. All das erinnert auch an Obama, den Erbärmlichen: Vor seiner ersten Wahl wurde er von den Medien so hochgejubelt, daß es peinlich war. Die meisten Deutschen fanden das toll - wie bei uns jetzt die "Willkommenskultur". Trump fällt in die entgegengesetzte Richtung und muß konsequenterweise entsprechend gnadenlos herunterschrieben und -kommentiert werden.

Ich gehe davon aus, daß die Amerikaner schon wissen, wen sie wählen. Und natürlich geht es bei amerikanischen Wahlen völlig anders zu als bei uns. (Auch hier die unselige deutsche Angewohnheit, alles aus der deutschen Weltsicht zu betrachten, wobei immer das "deutsche Wesen, an dem die Welt..." mitschwingt.) Mag sein, daß Trump das republikanische "Establishment" nicht hinter sich hat. Aber was soll's - er hat Erfolg, und er ist auf dem besten Wege, Kandidat zu werden. Mir imponiert all das mächtig, da muß man schon ganz schön stabil und hartgesotten sein.

Und er hat gute Chancen, wie ich annehme, haben doch die Demokraten das Land ganz schön heruntergewirtschaftet. Politische Korrektheit, Islam, Bankenkrise, Gesundsvorsorge, Fracking und seit neuestem auch die Klimareligion: Dafür danken bestimmt viele Amerikaner den Demokraten und haben auch die Nase voll von deren Schön- und Falschsprech.

Und kommen uns diese Themen nicht merkwürdig bekannt vor? Ja klar, es sind dieselben wie in Deutschland, nur haben wir dank unserer autokratisch herrschenden Kanzlerin noch einige mehr, nämlich die Wende der Energie mit allem, was dazugehört, die Flüchtlings-"Frage", die de facto Aufgabe dieses Landes. Und die Medien? Nun, wir wissen, wie sie hier im Lande agieren - warum sollten sie es dann gegenüber den USA anders machen?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

10.05.2016 12:57
#6 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #4
Zitat von Doeding im Beitrag #3
Außerdem, vermute ich, spielt Kränkung, ähnlich wie damals nach dem Vietnam-Krieg eine Rolle. Viele haben wohl den Eindruck, unter Obama hätten die USA den Schwanz eingezogen, was u. a. den IS hochgespült hat; eine Karte, die Trump ebenfalls zu bedienen weiß.


Ich verstehe Trumps außenpolitische Position eigentlich als ein noch deutlicheres und expliziteres "Schwanzeinziehen" als unter Obama.
Seine Außenpolitik ist im Kern isolationistisch. Sinngemäß: "sollen sich die Europäer doch selbst um ihre Sicherheitsprobleme (gegenüber Russland, Nahen Osten und Nordafrika) kümmern. Die USA werden dafür auf jeden Fall kein Geld und keine Truppen mehr stellen."


Ich verstehe ihn eher so, daß er die USA nicht mehr als Zahlmeister für die Sicherheit der anderen sehen will; dabei geht es wohl auch darum, daß praktisch kein NATO-Land die vereinbarten 2% des BIP fürs Militär zur Verfügung stellt. Für sich genommen ein Argument, dem ich folgen kann.

Und wie in der verlinkten Analyse ja auch steht, beklagt er zugleich die geringere Verläßlichkeit der USA gegenüber den Verbündeten, was im Text zurecht als widersprüchlich benannt wird. Im Grunde präsentiert sich Trump geschickt als Projektionsfläche; das Publikum kann im Grunde aus seinen Äußerungen alles heraus (oder hinein)hören, was es will. Ob Trump wirklich isolationistisch agierte, kann man aus seinen Äußerungen, scheint mir, noch gar nicht wirklich ableiten.

Das bemerkenswerteste, was Trump momentan abzieht, ist wohl eine neue Form des Wahlkampfs. Für welche Politik er letztlich steht, kann man wohl noch gar nicht sagen. Am Ende ist er noch ne männliche Merkel mit dem Talent zum Säbelrasseln .

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

10.05.2016 13:54
#7 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #2
Fairerweise: die Person Trump wurde auch in den USA lange Zeit falsch eingeschätzt.

Hier zum Beispiel ein Artikel von Nate Silver vom August 2015, in dem er sage und schreibe sechs Punkte nennt, an denen Trump in den nächsten Monaten scheitern würde. Silver schätzte damals die Chance auf eine GOP-Nominerung Trumps auf 2%.

Nate Silver nutzt ja sehr extrem Informationsressourcen und baut daraus statistische Modelle zur Prädiktion. Das funktioniert gut, wenn die Gesetzmäßigkeiten der Lerndaten ähnlich den künftigen Verhältnissen sind. So eklatante Fehlprognosen sind also ein Zeichen dafür, daß sich die Verhältnisse sehr grundlegend geändert haben.

Zitat von Florian im Beitrag #2
Trump ist eben wirklich eine unglaublich unwahrscheinliche Kandidatur.
Hierzu eine aktuelle Statistik von fivethirtyeight:
http://fivethirtyeight.com/features/amer...ecord-breaking/

Demnach ist Trump der mit riesigem Abstand unbeliebteste Kandidat seit diese Frage überhaupt erhoben wird.
(Zweitunbeliebtester Kandidat ist übrigens H. Clinton. Schon interessant, oder? Beide Kandidaten sind EXTREM unbeliebt.

Es ist sehr interessant! Vielen Dank für den Link. Vielleicht kann ich da eine Spekulation anschließen, auch wenn man die politischen Entwicklungen in anderen Ländern vergleicht.

Trump und Clinton sind also "unfavorable", trotzdem aussichtsreiche Kandidaten. Beiden fehlt etwas, was der "gewöhnliche" (inzwischen chancenlose) Politiker hat: Bürgernähe, das Ansehen, auch ein guter Gartenzaunnachbar zu sein, Volkstümlichkeit, eine gewisse Angepaßtheit. So wie der gewöhnliche deutsche Lokalpolitiker sich mit Feuerwehr, Sportverein und Kirchengemeinden gut stellen muß und zu kontroverse Aussagen vermeidet und Kompromisse sucht. Der "gewöhnliche Politiker" lebt gewissermaßen das Modell eines eindimensionalen politischen Entscheidungsraumes (nennen wir es rechts-links-Schema), in dem das Stimmenoptimum bei der Präferenz des Medianwählers liegt, so daß sich alle gewöhnlichen rationalen Politiker selbst unterschiedlicher Parteien dort treffen.

Andererseits haben wir die "unbeliebten" Personen, die aber tatsächlich gewählt werden. Der gute Nachbar hat eben andere Eigenschaften als der gewünschte Regierungschef. Ich frage mich, ob der Normaltürke den Herrn Erdoğan gerne als Wohnungsnachbar hätte. Oder der Normalrusse Wladimir Putin? Ich kann mir gut vorstellen, daß man die Kaltschnäuzigkeit, die Dünnhäutigkeit, den Narzissmus, die Vertragsbrüchigkeit, die Brutalität dieser Herrschaften nirgends gerne in der eigenen Nachbarschaft hätte. Wenn es so ist, haben wir eine ziemlich weltweite Änderung in den Wählerpräferenzen hin zu weniger Kompromiß- und Kooperationsbereitschaft, bis hin (wieder) zu einer offenen Verherrlichung der Epoche vor dem 1. Weltkrieg. Wenn das so ist, haben wir eine düstere Zeit vor uns.

Eine Sache noch: Selbst wenn Trump von den Republikaner-Anhängern als Kandidat gewünscht wird, heißt es nicht, daß er als POTUS von den Amerikanern gewünscht wird. Die Frage, wen ich selber gerne als Präsident hätte, ist eine andere, als die Frage, wen ich selber als Kandidat vorziehen würde, damit andere, schlechtere Kandidaten nicht gewinnen. Letzteres ist die Frage, die sich bei den Vorwahlen eigentlich stellt.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

10.05.2016 15:00
#8 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #3
Mir scheint das auch nicht nur die systematisch-linkegedrehte Verzerrung vieler deutscher Journalisten zu sein.

Das ist auch mein Eindruck. Die Qualitätsmängel deutscher Medien zeigen sich darin, wie sie Trump beschreiben. Der ist zwar schon ungewöhnlich und in einigen Punkten auch krass - aber er ist natürlich nicht die komplette Knallcharge, als der er hierzulande verkauft wird.
Aber beim Punkt "Fehlprognosen" liegen die deutschen Journalisten nicht schlechter als ihre US-Kollegen. Die Vorwahlkampagne ist wohl auch sehr ungewöhnlich gelaufen, und die strukturellen Nachteile dieses Systems haben überaus stark zugeschlagen.

Zitat
Die Mittelschicht scheint in einer Weise zu erodieren ...


Das scheint ein Mythos zu sein (den ZEIT und Co. ja auch gerne über Deutschland verbreiten).
Wirtschaftlich geht es der US-Mittelschicht grundsätzlich nicht schlechter als früher. Mir scheint eher, daß Trump und die anderen Anti-Establishment-Protagonisten darauf aufbauen, daß die Werte und der Lebensstil der Mittelschicht von der etablierten (linken) Politik so krass unter Druck gesetzt warden.
Mit anderen Worten: Es geht den Leuten weniger ums Geld, sondern sie stören sich immer starker an Sachen wie "Gender", "Nachhaltigkeit" oder "PC", die auch in Europa für Protest sorgen.

Zitat
Ich glaube schon länger, daß Trump eine Mischung aus AfD und Pegida ist und das latent vorhandene politische Klima zu nutzen weiß.


Exakt. Und es sind eben nur peripher wirtschaftliche Gründe, die die AfD-Wähler motivieren.

Zitat
Viele haben wohl den Eindruck, unter Obama hätten die USA den Schwanz eingezogen, was u. a. den IS hochgespült hat; eine Karte, die Trump ebenfalls zu bedienen weiß.


Dieser Eindruck über Obamas außenpolitisches Versagen ist natürlich berechtigt.
Und Trump nutzt das aus, obwohl er eigentlich auch keinen Interventionismus will - das ist einer seiner zahlreichen inhaltlichen Widersprüche.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

10.05.2016 17:02
#9 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #2
Und Silver ist DER Guru der amerikanischen Meinungsforscher. Bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen hat er das Ergebnis für JEDEN EINZELNEN Staat richtig vorhergesagt. Also schon ein Guter, mit i.d.R. übrigens auch parteipolitisch sehr neutraler Brille. Wenn Silver sich so verrechnet, dann muss man das eigentlich auch den deutschen Journalisten verzeihen, die über Trump geschrieben haben.

Die Frage ist, lieber Florian, wie man es am Ende begründet. Ich kenne Silver nicht gut genug, aber ich würde vermuten er wird sich schon seine Gedanken gemacht haben, warum er falsch gelegen hat. Die deutsche Presse ist da gänzlich anders: Sie ignoriert es einfach, egal wie oft sie daneben liegt. Für die deutsche Presse ist Trump ein Neandertaler, der auf alles und jeden einprügelt, weil er im Kopf keine drei korrekt funktionierenden Gehirnzellen hat. Und wer so jemanden wählt, hat eben nicht einmal zwei funktionierende Hirnzellen. Beides ist natürlich grundfalsch. Und das ist hoffentlich der Unterschied zu Silver. Die deutsche Presse hat auch nie verstanden wie die Amerikaner George W. Bush zum Präsidenten machen konnten. Noch dazu ihn wiederwählen.

Zitat
Demnach ist Trump der mit riesigem Abstand unbeliebteste Kandidat seit diese Frage überhaupt erhoben wird.


Und was sagt das am Ende aus ? Doch nur, dass er offensichtlich eine Menge Leute emotional anspricht. Aber ansonsten nicht viel. Zum einen glaube ich nicht, dass Beliebtheit das zentrale Argument ist wählen zu gehen (sonst würde Angela Merkels CDU derzeit auch nicht ihre erdrutschartigen Verluste erleben). Zum anderen ist selbst mit 40% "Unebliebtheit" noch nicht so viel über die Mehrheitsfähigkeit gesagt. Würde man eine Umfrage in Deutschland zur Beliebtheit von Frauke Petry durchführen, käme man auf über 50% Unbeliebtheit. Unter Grünen Wählern vermutlich über 95%. Aber Grünen Wähler entscheiden nicht über die Mehrheit. Wenn jene 40% eben Demokraten sind, wo ist das Problem für Trump ? Sie würden ihn auch so nicht wählen. Also ist es vollkommen egal, ob sie ihn sympathisch finden oder nicht. Entscheidend ist gerade in Amiland vor allem was mit den 20% in der Mitte ist und wem die zulaufen.
Mir scheint, dass in Amerika sich die selbe Entwicklung zeigt wie in Europa, nur eben einige Jahre später: Die Gesellschaft polarisiert sich stärker zwischen Sozialdemokratie und Kapitalisten. Und das führt auch zu mehr Emotionen. Es ist nicht die Mittelschicht die erodiert, es ist der Meinungskanon, der sich stärker auftrennt. Es sind die selben Leute, mit ganz ähnlichem wirtschaftlichem Hintergrund, aber eben mit anderer Meinung als früher. Und diese Meinungen werden extremer. Darum haben Kandidaten wie Trump oder Sanders (der ja, wenn die Demokraten wirklich "demokratisch" wären, eher der Kandidat der Linken wäre) derzeit starken Rückenwind. Und das ist etwas, was wir weltweit (!) in nahezu allen westlichen Demokratien erleben. Warum das so ist, kann man sicher endlos diskutieren, aber es scheint mir deutlich zu sehen zu sein.

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

10.05.2016 17:05
#10 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #3
Viele haben wohl den Eindruck, unter Obama hätten die USA den Schwanz eingezogen

Eindruck ?

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

10.05.2016 17:07
#11 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Llarian im Blog
....Das hat damals auch schon keiner verstanden (zumindest niemand, der sich aus deutschen Printmedien informierte). Noch weniger wie man diesen Cowboy der Lichtgestalt Gore vorziehen konnte,......



Das is jetzt zwar auch nur 'ne Marginalie - sozusagen im Wortsinn - Aber das Letztere haben die Amis nicht getan. Des Wahlsystems wegen kann natürlich ein Präsident gewählt werden, der im popular vote in der Minderheit ist, wie in diesem Fall.

Und außerdem: Die Pundits drüben sind auch nich besser als unsere. Und außerdem: Trump fährt im Vergleich mit Clinton mal mindestens eine Spur weiter links, wäre also bei einer Analogisierung Bush/Gore eher mit Gore zu vergleichen.

Zitat von Donald Trump lt. Washington Post
Now, I’m no fan of Bernie Sanders, but he is 100 percent right,” Trump told a crowd here this weekend. “He is 100 percent right: Hillary Clinton is totally controlled by the people that put up her money. She’s totally controlled by Wall Street."



Natürlich kommt da so mancher in der Irgendwas-mit-den-Medien-Szene, namentlich im ÖR, in ideologische Herz-Rhythmus-Störungen, weil das bilderbuchmäßig alles nicht so richtig zusammen passt. Trump hat den Nerv der Mittelstandskrise offenbar gut getroffen, so wie Sanders auf seine Weise auch.

lich
Dennis

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

10.05.2016 17:26
#12 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11
Das is jetzt zwar auch nur 'ne Marginalie - sozusagen im Wortsinn - Aber das Letztere haben die Amis nicht getan. Des Wahlsystems wegen kann natürlich ein Präsident gewählt werden, der im popular vote in der Minderheit ist, wie in diesem Fall.

Natürlich haben sie das getan. Ich weiss nicht warum der Quark immer wieder hochkommt. Die Mehrheit der Stimmen ist in einem Wahlmännersystem nicht die entscheidende Größe. In Deutschland nebenbei auch nicht. Die amerikanische (wie auch die deutsche) Demokratie richtet sich nach Gesetzen. Von der Mehrheit der Stimmen steht da nichts.

Zitat
Und außerdem: Trump fährt im Vergleich mit Clinton mal mindestens eine Spur weiter links, wäre also bei einer Analogisierung Bush/Gore eher mit Gore zu vergleichen.


Ich kenne Donald Trump zu wenig, aber so daneben wie Gore muss man erst einmal sein, und das ist nicht nur auf seine "inconvenient lie" beschränkt.

Zitat
Trump hat den Nerv der Mittelstandskrise offenbar gut getroffen, so wie Sanders auf seine Weise auch.


Das ist eben das "Wir" gegen die da oben. Ist ja auch in Deutschland bei AfD und Pegida nicht anders. Ich würde das allerdings weniger an irgendwelchen Mittelständen festmachen, es ist einfach die Aktivierung von Leuten, die sich vorher nicht vertreten fühlten. Wie tatsächlich eben auch bei Sanders.

Florian Offline



Beiträge: 3.171

10.05.2016 17:38
#13 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #8

Zitat
Die Mittelschicht scheint in einer Weise zu erodieren ...

Das scheint ein Mythos zu sein (den ZEIT und Co. ja auch gerne über Deutschland verbreiten).



Ganz recht: ein Mythos, der allerdings von einer breiten Mehrheit der Medien und der Öffentlichkeit für wahr gehalten wird.
So dass man anderslautende Fakten einfach ausblendet.

Topaktuelles Beispiel: die Titelgeschichte der (nominell liberalen) Wirtschaftswoche.
Die dramatisch illustrierte Titelgeschichte diese Woche: "Das Schwinden der Mittelschicht".
Begründet wird das mit einem Schrumpfen der Mittelschicht (definiert als Haushalte mit einem Brutto-Einkommen zwischen 66% und 200% des deutschen Medianeinkommens) zwischen 1983 und 2013 von 62% auf 54%.

Man kann hier natürlich die Methodik kritisieren. Zum Beispiel führt die Orientierung am Haushaltseinkommen dazu, dass die Tendenz zu Singlehaushalten einen verzerrenden Effekt hat. Durch jede Scheidung wird demnach die Mittelschicht kleiner, auch wenn sich kein einziges Einkommen ändert. Oder die Orientierung am Brutto-Einkommen, statt am (eigentlich plausibleren) Netto-Einkommen. Oder auch die Zuwanderung: durch jeden (schlecht verdiendenden) Flüchtling wird der Anteil der Mittelschicht kleiner - was dann von den gleichen Parteien bejammert wird, die zuvor diese Zuwanderung als Bereicherung begrüßt haben.

Aber in diesem Fall ist es ja noch krasser:
Die Wirtschaftswoche stützt sich mit ihrer Aussage "Das Schwinden der Mittelschicht" auf eine Entwicklung zwischen 1983 und 2013. Irgendwo im Text kann man dann im Kleingedruckten folgendes lesen: Der Rückgang von 62% auf 54% fand ausschließlich im Zeitraum 1983 bis 2005 statt. Seither ist die Entwicklung komplett flach.
Nun gab es bekanntlich 1990 die Wiedervereinigung, die allein schon wahrscheinlich einen großen Teil der Veränderung erklären kann.
Und noch einmal: Seit 11 Jahren ist die Mittelschicht nicht mehr geschrumpft. Sagen just die Zahlen, auf die sich die Wirtschaftswoche stützt.
Was aber die Wirtschaftswoche nicht daran hindert, im Jahr 2016 mit einer alarmistischen Titelgeschichte aufzumachen.

Und das ist jetzt die (nominell) liberale Wirtschaftswoche. Wenn die sich schon so faktenresistent zeigt, dann der Rest der Presse natürlich erst recht.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

12.05.2016 20:09
#14 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zur Mittelklasse in den USA ein aktueller Bericht: http://www.cbsnews.com/news/the-hollowin...s-middle-class/

Mittelklasse ist 2/3 bis zum zweifachen des Medianeinkommens. Tenor: Es wird nach unten und oben abgedriftet, die Mittelklasse ausgehöhlt. Dabei ist aber zu bedenken, dass auch die Realeinkommen insgesamt am Sinken sind.

Gruß, Martin

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

13.05.2016 10:36
#15 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #14
Zur Mittelklasse in den USA ein aktueller Bericht

Ich habe jetzt nur den Presseartikel gelesen und nicht die eigentliche "Studie" - aber das scheint nur wieder der übliche methodische Fehler zu sein: Man beobachtet Haushalts-Einkommen und ignoriert dabei, daß sich die Haushalts-Größen beständig reduzieren. Wie üblich wird auch der Effekt der Einwanderung ignoriert.
Und dann wird die Untersuchung noch merkwürdigerweise auf bestimmte Gebiete beschränkt. Damit ist auf jeden Fall ein massiver methodischer Fehler eingebaut - es gibt beständige Trends, ob Leute in diese Gebiete zuziehen oder eher hinaus. Und diese Trends sind NICHT gleichverteilt über die Einkommensschichten.

Kann man also in die Tonne treten.

Zitat
Dabei ist aber zu bedenken, dass auch die Realeinkommen insgesamt am Sinken sind.


Auch das ist ein Mythos, den linke Forscher und Journalisten gerne pflegen. Und der ist (über längere Zeit gemittelt) deutlich falsch, im wesentlichen aus den oben genannten Gründen.

Es ist schon erstaunlich, daß sich dieser Mythos so verbreiten läßt, obwohl er den augenscheinlichen Fakten widerspricht. Fast alle Leute können sich heute einen deutlich höheren Lebensstandard leisten als ihre Eltern vor 30-40 Jahren. Irgendwie scheinen die meisten Menschen in goldiger Verklärung der eigenen Jugendzeit gar keine korrekten Erinnerungen an die damaligen Lebensumstände zu haben.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.05.2016 12:19
#16 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #15
Zitat von Martin im Beitrag #14


Zitat:Dabei ist aber zu bedenken, dass auch die Realeinkommen insgesamt am Sinken sind.

Auch das ist ein Mythos, den linke Forscher und Journalisten gerne pflegen.


...und mit krassen Rechenfehlern belegen . Daß der Fratzscher momentan so gehyped wird, ist wohl auch nur so zu verstehen, daß er sich als linker Anti-Sinn, sozusagen als Sinn-los positioniert und damit bei unseren Journalisten offene Türen einrennt. Noch zwei Exklusivinterviews bei SpOn und er wird zum Top-Ökonomen geadelt, wetten?

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Florian Offline



Beiträge: 3.171

13.05.2016 13:00
#17 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #16


...und mit krassen Rechenfehlern belegen .


Das ist wirklich krass!
Zitat aus dem Artikel:

Zitat
Im Jahr 2014 lag das Medianeinkommen nach den korrigierten DIW-Angaben bei 53.500 Euro. Hier hatte das Institut fälschlich nur 29.500 Euro angegeben. Er bedaure die Rechenfehler, die „trotz unseres umfangreichen Qualitätsmanagements aufgetreten“ seien, teilte Forscher Grabka dieser Zeitung mit.



Das deutsche Medianeinkommen mit 29.500 statt 53.500 Euro anzugeben ist schon ein super-massiver Fehler.
Erstens einmal ist das ja eine Kern-Kennziffer, auf der die ganze nachfolgende Argumentation beruht, die damit dann natürlich komplett hinfällig ist.
Und zweitens ist das auch eine Größenordnung, bei der man als ein Experte auf diesem Gebiet sofort stutzig werden müsste und die Zahl als unplausibel erkennen müsste. Ein paar Prozent Abweichung würden vielleicht nicht auffallen. Aber eine so massive Abweichung ist schon krass.

Hier übrigens noch die entsprechende Passage im ursprünglichen FAZ-Artikel.
Im Vergleich kann man hier sehr schön die Dramatik der falschen Zahlen erkennen, die jedem Fachmann eigentlich sofort ins Auge hätten springen müssen:

Zitat
Das Medianeinkommen in Deutschland stieg nach DIW-Angaben von 1991 bis 2000 um 4 Prozent auf 31.000 Euro, danach sank es real um 5 Prozent auf 29.500 Euro, so die DIW-Zahlen.




Hier übrigens noch einmal die ursprünglichen Zahlen des DIW zum Anteil der Mittelschicht im Zeitverlauf:

1983: 62%
1991: 60%
2001: 58%
2013: 54% (jetzt korrigiert: 61%)


Wie weiter oben geschrieben:
auch die Wirtschaftswoche hatte diese Woche einen superdramatischen Titel zum dahinschmelzen der Mittelschicht.
Bin mal gespannt, ob die Korrektur dieser Botschaft es auch auf die Titelseite schafft...

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

13.05.2016 15:13
#18 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #16
Noch zwei Exklusivinterviews bei SpOn und er wird zum Top-Ökonomen geadelt, wetten?

Hierzu kommentierte Hans-Martin Esser vor einigen Tagen auf der Achse. Mich beschleicht eine Ahnung, dass der ein oder andere den Sachverstand Sinns in zukünfitgen Debatten vermissen könnte.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Eierkopp Offline



Beiträge: 226

13.05.2016 17:54
#19 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18
Zitat von Doeding im Beitrag #16
Noch zwei Exklusivinterviews bei SpOn und er wird zum Top-Ökonomen geadelt, wetten?

Hierzu kommentierte Hans-Martin Esser vor einigen Tagen auf der Achse.

Fratscher spielt meiner Meinung nach den wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundesregierung, weil er so öffentliche Aufträge zurückgewinnen will, die durch den Fälschungsskandal seines Vorgängers verloren gegangen sind.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.05.2016 18:08
#20 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Eierkopp im Beitrag #19
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18
Zitat von Doeding im Beitrag #16
Noch zwei Exklusivinterviews bei SpOn und er wird zum Top-Ökonomen geadelt, wetten?

Hierzu kommentierte Hans-Martin Esser vor einigen Tagen auf der Achse.

Fratscher spielt meiner Meinung nach den wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundesregierung, weil er so öffentliche Aufträge zurückgewinnen will, die durch den Fälschungsskandal seines Vorgängers verloren gegangen sind.



Danke für den Hinweis; das hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm. Ab welcher Skandaldichte darf man so ein Institut eigentlich mal abschreiben?

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

13.05.2016 18:11
#21 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18
Zitat von Doeding im Beitrag #16
Noch zwei Exklusivinterviews bei SpOn und er wird zum Top-Ökonomen geadelt, wetten?

Hierzu kommentierte Hans-Martin Esser vor einigen Tagen auf der Achse. Mich beschleicht eine Ahnung, dass der ein oder andere den Sachverstand Sinns in zukünfitgen Debatten vermissen könnte.



Witziger Text; man sieht die drei Diven direkt vor dem inneren Auge . Mir scheint, daß es Herr Sinn durch seine ungebrochene Medienpräsenz seinem Nachfolger nicht gerade einfach macht, medial aus seinem Schatten zu treten (und dieses Rennen ggf. für sich zu entscheiden). Vermutlich ist die zuweilen zu hörende Kritik, daß Sinn eben auch ein eitler Selbstdarsteller sei, nicht ganz von der Hand zu weisen.

Herzliche Grüße,
Andreas

"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

14.05.2016 19:05
#22 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

[/quote]

Zitat von Llarian im Beitrag #12
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11
Das is jetzt zwar auch nur 'ne Marginalie - sozusagen im Wortsinn - Aber das Letztere haben die Amis nicht getan. Des Wahlsystems wegen kann natürlich ein Präsident gewählt werden, der im popular vote in der Minderheit ist, wie in diesem Fall.

Natürlich haben sie das getan. Ich weiss nicht warum der Quark immer wieder hochkommt. Die Mehrheit der Stimmen ist in einem Wahlmännersystem nicht die entscheidende Größe. In Deutschland nebenbei auch nicht. Die amerikanische (wie auch die deutsche) Demokratie richtet sich nach Gesetzen. Von der Mehrheit der Stimmen steht da nichts.



Das ist vollkommen korrekt, lieber Llarian, die Wahl von Bush war demokratisch nicht zu beanstanden. Der Supreme Court hat das Ding erledigt. Roma locuta. Das ist rechtsstaatlich absolut sauber.

Wahr ist aber auch dies :

Eien relative Mehrheit der Wähler wollte Gore, ein kleinerer Anteil Bush. Das mag ideologisch nicht so gut passen, aber die Zahlen sagen das halt .

Ob dieses Sachverhaltes - und natürlich auch wegen der speziellen Florida-Sache - wurde vielfach über eine vermeintliche "stolen election" räsoniert. Davon kann man ja halten, was man will, indessen fand diese Debatte wesentlich DRÜBEN statt, also kann sich's wohl nur um eingefleischte Anti-Amerikaner handeln, die auf solche Ideen kommen .



lich
Dennis

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

17.05.2016 10:52
#23 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #22
Eien relative Mehrheit der Wähler wollte Gore, ein kleinerer Anteil Bush.

Auch das kann man nicht sagen.
Das Verhalten der Wähler wird ja ganz massiv vom Wahlsystem beeinflußt. In Deutschland bedeutet das z. B., daß Parteien manchmal zusätzliche Wähler gewinnen, weil diese ihnen über die 5%-Hürde helfen wollen - oder umgekehrt verlieren sie Wähler, weil diese fürchten ihre Stimme würde wertlos.
Dieses Phänomen ist in den USA noch stärker. In den "sicheren" US-Staaten lohnt es sich für Anhänger des dort schwächeren Kandidaten überhaupt nicht, überhaupt wählen zu gehen. Ihre Stimme ist ohnehin wertlos. Die volle Wahlbeteiligung (also nicht alle Wahlberechtigten, aber alle an der Wahl interessierten) hat man nur in strittigen Staaten, in denen beide Lager voll mobilisieren können. Es ist völlig offen, wie die Wähler in den "sicheren" Staaten abgestimmt hätten, die wegen des Wahlsystems zu Hause geblieben sind. Ihre Anzahl dürfte aber deutlich größer sein als die Handvoll Stimmen, die die irrelevante Berechnung "popular vote" entschieden haben.

Dennis the Menace Offline




Beiträge: 459

17.05.2016 13:28
#24 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Klar, eine plausible Überlegung, lieber R.A.

Zitat von R.A. im Beitrag #23

....Dieses Phänomen ist in den USA noch stärker. In den "sicheren" US-Staaten lohnt es sich für Anhänger des dort schwächeren Kandidaten überhaupt nicht, überhaupt wählen zu gehen. Ihre Stimme ist ohnehin wertlos.



Das gilt für diejenigen, die z.B. in Kalifornien eine pro-Gore Position ennahmen, allerdigs nicht weniger. Angesichts des Ist-ja-eigentlich-eh-unnötig-Arguments wäre dann die Frage, ob Defaitismus psychologisch jetzt schwerer wiegt als Siegesgewißheit. Im Übrigen gilt diese Story ja für ALLE sicheren Staaten (das sind die meisten), auch für die der "anderen Seite" - jeweils.


Zitat von R.A. im Beitrag #23

Es ist völlig offen, wie die Wähler in den "sicheren" Staaten abgestimmt hätten, die wegen des Wahlsystems zu Hause geblieben sind. Ihre Anzahl dürfte aber deutlich größer sein als die Handvoll Stimmen, die die irrelevante Berechnung "popular vote" entschieden haben.


Nu ja, letztlich wird halt nur GEZÄHLT (und 'ne Handvoll reicht allemal, wie z.B. bei Kennedy 1960) und zwar gezählt im Rahmen der Wahlgesetze, da hat Llarian ja ganz recht. Privat kann man natürlich auch anders ZÄHLEN . Okay, ist irrelevant, d'accord - der Gesetzeslage wegen .

Psychologisch BEWERTEN ist indessen ein anderes Ding. Zwar womöglich interessanter - aber großartig relevant eigentlich auch nicht .

Im Übrigen könnte man z.B. auch sagen, dass die Kandidaten ihre Wahlkämpfe, also die Gewichte und Präsenzen, natürlich auf das - ich nach mal - etwas ungewöhnliche Wahlrecht abstellen. Da die meisten sich von der Wahlwerbung beeinflussen lassen - obwohl das keiner zugibt - spielt das natürlich auch eine wesentliche Rolle.

Man kommt also aus dem hätte, hätte und wäre, wäre gar nicht raus , leider.

lich
Dennis

Florian Offline



Beiträge: 3.171

17.05.2016 15:37
#25 RE: Experten, die die Welt erklären Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #17
auch die Wirtschaftswoche hatte diese Woche einen superdramatischen Titel zum dahinschmelzen der Mittelschicht.
Bin mal gespannt, ob die Korrektur dieser Botschaft es auch auf die Titelseite schafft...




Für's Protokoll:
Die Wirtschaftswoche hat über den Rechenfehler berichtet.
Einspaltig auf S.34.
Ohne irgendeinen Hinweis auf der Titelseite. Was natürlich ok ist. Aber es ist natürlich auch klar, welche Botschaft in den Köpfen bleiben wird und welche nicht.

Übrigens hat die Wirtschaftwoche in der aktuellen Ausgabe einen mehrseitigen Beitrag zum Thema "wie lügt man mit Statistik".
Na immerhin.

Wobei natürlich die Selbstkritik nicht so weit geht, in dem Beitrag ihr eigenes Versagen aus der Vorwoche zu erwähnen.
Und damit meine ich nicht, dass sie den falschen Zahlen des DIW aufgesessen sind. Da war die Wirtschaftswoche unschuldiges Opfer der DIW-Schlamperei.
Sondern dass sie für ihre dramatisch illustrierte Titelgeschichte einen negativen Trend postuliert haben basierend auf einer Zeitreihe, die 1985 bis 2005 tatsächlich negativ war, seither aber komplett flach.

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