In einer Zeit, in der selbst aufgrund von vom Aussterben bedrohter Schädlinge Großbauprojekte gestoppt werden, erscheint es mir verwunderlich, dass das Aussterben einer Spezies, nämlich die des Linkspopulisten, überhaupt keine Beachtung findet.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Des Rätsels Lösung liegt, Überraschung, im Nexus des schnöden Mammons. Linkspopulisten geben anderer Leute Geld mit vollen Händen aus & sorgen so für nachhaltigen *Boooom*, während Rechtspopel straks Richtung Wand steuern.
Zitat von Die WeltDie Erfolge rechter Parteien in Europa verschrecken Investoren. Eine halbe Billion Euro haben sie schon aus der Währungsunion abgezogen. Denn populistische Politik, wie sie die FPÖ repräsentiert, wirkt sich negativ auf die ökonomische Entwicklung aus. Ja, sie belastet sogar den Wechselkurs, und in einer Währungsgemeinschaft wie der Euro-Zone zieht das die Kaufkraft aller Bürger nach unten.
Mirabile dictu ist der Rechte Sumpf auch für die Griechenlandkrise verantwortlich.
Zitat Schon jetzt ist dieser Effekt in Europa zu spüren – und ökonomisch messbar. Nicht nur in Österreich, fast überall ist der Populismus auf dem Vormarsch: von Finnland bis Griechenland. Schon in sechs Regierungen sind rechte Parteien vertreten.
Q.E.D.
Les hommes seront toujours fous; et ceux qui croient les guérir sont les plus fous de la bande. - Voltaire
Alles gut beobachtet, lieber n_s_n, vor allem die Rolle der "Rechten" bzw. "Rechtspopulisten" zur Schaffung und Verteidigung der eigenen, "guten" Identität, aber außer einem kleinen Hinweis auf mein Lob des Populismus würde ich gerne mal die Frage in den Raum werfen: Gibt es denn "rechte" Positionen, die in den Augen des "links-liberalen" (in meiner Definition sind "Links-Liberale" Linke, die ihre Kollektivismus-Ziele gewaltlos erreichen wollen) Mainstreams nicht "populistisch" wären?
Wir brauchen ja noch nicht mal den Begriff "links-populistisch" zu bemühen. Sind doch praktisch alle wichtigen Wahlversprechen der etablierten Parteien ausnahmslos - populistisch. Atomausstieg, Mindestlohn, Rente mit 63 - geht es noch populistischer? Oder "einfache Antworten": Was schlägt "Es gibt keine Grenzen mehr, damit müssen wir jetzt leben" an Einfachheit? Was ist einfacher als Alternativlosigkeit?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Werwohlf im Beitrag #3Gibt es denn "rechte" Positionen, die in den Augen des "links-liberalen" (in meiner Definition sind "Links-Liberale" Linke, die ihre Kollektivismus-Ziele gewaltlos erreichen wollen) Mainstreams nicht "populistisch" wären?
Aber so was von. (Was sich übrigens schon daran zeigt, daß sie den Siegelbewahrern clandestine böhmische Dörfer sind, weil sie sich nicht einmal als indirekte Rezipienten hergeben möchten.) Erkennungszeichen ist die Vokabel "elitär". Das oszilliert zwischen Martin Mosebach & Botho Strauß, Leo Strauss & allem, was namentlich russisch klingt.
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Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4Erkennungszeichen ist die Vokabel "elitär". Das oszilliert zwischen Martin Mosebach & Botho Strauß, Leo Strauss & allem, was namentlich russisch klingt.
Ich kenne mich da nicht besonders gut aus, aber ist das Kennzeichen der Besagten nicht, dass sie "Populistisches" nur eben eloquenter verpacken?
-- Bevor ich mit den Wölfen heule, werd‘ ich lieber harzig, warzig grau, verwandele ich mich in eine Eule oder vielleicht in eine graue Sau. (Reinhard Mey)
Zitat von Werwohlf im Beitrag #5aber ist das Kennzeichen der Besagten nicht, dass sie "Populistisches" nur eben eloquenter verpacken?
Eher gilt ihnen das Horazische odi profanum vulgo et arceo, auf daß die Plebs jeglicher Couleur außen vor bleibe. Sie gelten eben nicht als das Sprachrohr der Massen, sondern als Vormund & Dirigent. So zumindest die kritische Optik. Bei näherer Kenntnisnahme liegt dann zumeist nach 1945 (und davor seit 1933 ausnahmslos die Protagonisten der "Inneren Emigration" stellend) doch zumeist eher ein Fall von Solitär vor, mitunter, bei altkatholischem Einschlag, mit Rückbindung an übergeordnete Positionen/Werte, die jenseits der Menschengeschäfte stehen. Das Mißverständnis könnte auf die Zwischenkriegszeit zurückgehen, als die Protagonisten der "Konservativen Revolution" zumindest mit dem Anspruch auf Massenwirkung hausieren gingen, der Ernst Jünger des "Arbeiters" beispielsweise; der "Anarch" & "Waldgänger" der Nachkriegszeit ist dann Phänotyp II (Benn natürlich auch; oder Rudolf Borchardt - schade, daß unser bekanntester politischer Gärtner das nicht so mit der Beschränkung aufs il faut cultiver notre jardin hat). Selbst ein George paßt ins Schema, nur liegt da der Umschlag einen Krieg vorher. PS: Come to think of it: es gibt noch einen anderen Typ (die oft, durchaus selbstironisch, auf der Bezeichung "reaktionär" für sich bestehen): von der Position her entschlossen-finster, Lichtjahre hinter Mitternacht, aber im Grund in einem Vakuum (durchaus selbstgeschaffen & intendiert) sprechend. Literarische Einsiedlerkrebse. Saint-Pol-Roux, Fernando Pessoa, Gomez Davila. Nicolai Roerich. Robinson Jeffers. Lovecraft paßt eigentlich ausgezeichnet da hinein, aber warum soll ich mir die These, daß zu Lebzeiten pro Kontinent nur für einen Platz ist, von dummen Fakten kaputt machen lassen?
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Zitat von Werwohlf im Beitrag #3Gibt es denn "rechte" Positionen, die in den Augen des "links-liberalen" ... Mainstreams nicht "populistisch" wären?
In dem Sinne wie ich versuchte den Rechtspopulismus durch das Fehlen von Linkspopulismus zu erklären, ist das nicht möglich. Auch deinen verlinkten Text würde ich ja so lesen. "Rechts" respektive "populistisch" und vor allem auch die Verknüpfung der beiden Wörter ist ja kein Versuch einer inhaltlichen Zuschreibung, sondern ein politischer Kampfbegriff zur Abgrenzung des eigenen Kollektivs gegen den politischen Gegner. Sinn ist es, jede Position des politischen Gegners abzuwerten. Man tut dies, indem man sie mit einem historisch stark negativ beladenen Begriff ("rechts") und einem Pejorativ attribuiert ("populistisch").
Es gibt natürlich "nativ rechte Positionen" (wie ich auch in meinem Beitrag erwähnte), die der "links-liberale Mainstream" übernommen hat und die er daher nicht als populistisch attribuiert (empfindet): Zum Beispiel den nationalistischen Sendungswahn in Fragen der Ökologie.
Die Verwunderung darüber dass es keinen Linkspopulismus im Sprachgebrauch gibt, kann nur dann entstehen, wenn man glaubt die Attribuierung "rechtspopulistisch" wäre der Versuch einer inhaltlichen Zuschreibung. Das ist es aber nicht. Es ist in meinen Augen reine sprachlich, politische Gewaltanwendung zur Vernichtung des politischen Gegners. In diesem Sinne würde ich auch diese deine Definition relativieren wollen:
Zitat von Werwohlf im Beitrag #3in meiner Definition sind "Links-Liberale" Linke, die ihre Kollektivismus-Ziele gewaltlos erreichen wollen
Was physische Gewalt angeht, gehe ich mit dir d'accord. Die Bereitschaft zur psychischen Gewaltanwendug erachte ich bei dieser Gruppe aber als latent hoch. Nichts anderes ist die beschriebene Art der Ausgrenzung in meinen Augen. Wenn ein Cem Özdemir, sicher ein Flagschiff "links-liberalen Mainstreams", eine Brandmauer gegen politisch Andersdenkende fordert, deutet das meines Erachtens an, wie dünn dieses Eis der psychischen Gewaltanwendug ist. *Auch die Tatsache, wie zweifelhaft bis gar nicht sich der "links-liberale Mainstream" von physischer linker, politischer Gewaltanwednung oftmals distanziert, deutet wohl die Fragilität dieses Eises an. Das hat meines Erachtens auch viel mit der völligen Spaßbefreitheit vieler "links-Liberaler" zu tun. Dem politischen Feind wird kein Pardon gewährt. Die gute Sache ist zu ernst, als dass man sie dem Humor überlassen könnte. Hatte man ja alles schon mehrfach in verschiedenen Abstufungen in der Geschichte. Nur die Auffassung darüber was "gut" ist, wechselt eben beständig.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
*Edit
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #7Die Verwunderung darüber dass es keinen Linkspopulismus im Sprachgebrauch gibt, kann nur dann entstehen, wenn man glaubt die Attribuierung "rechtspopulistisch" wäre der Versuch einer inhaltlichen Zuschreibung.
Ich glaube, lieber nsn, da gibt es noch einen weiteren Aspekt. Aus linker Sicht ist das (Täter!)-Volk a priori rechts und weiterhin von Rechten verführbar, insbesondere in Deutschland, während man sich selbst eher als intellektuell-elitär konstruiert. Die elitäre Arroganz trieft ja aus nahezu jeder dezidiert linken Äußerung; insbesondere seit den 68ern. Wie könnte so etwas denn jemals populistisch sein!?; das Volk ist dumm, faul und (nur) von Rechten verführbar; "wir" aber haben den wahren Durchblick, was gut fürs Volk wäre, und nicht zuletzt deshalb sind Volksentscheide rundweg abzulehnen. So hat man im übrigen auch gleich ein (ziemlich narzißtisches) Erklärsystem, wenn die Mehrheit sich immer wieder weigert, die "gute" und "richtige" Politik zu wählen: die sind einfach zu blöd für uns.
Herzliche Grüße, Andreas
"Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit." (Christian Zulliger)
Zitat von Doeding im Beitrag #8Aus linker Sicht ist das (Täter!)-Volk a priori rechts und weiterhin von Rechten verführbar, insbesondere in Deutschland, während man sich selbst eher als intellektuell-elitär konstruiert. Die elitäre Arroganz trieft ja aus nahezu jeder dezidiert linken Äußerung; insbesondere seit den 68ern. Wie könnte so etwas denn jemals populistisch sein!?
Das halte auch ich für den entscheidenden Punkt.
Der Terminus "(Rechts-)Populismus" ist eine Chiffre für den Stammtisch, eines der letzten réduits des alten, weißen, weniger gebildeten Mannes (was ein Klischee ist: Ich z.B. bin Bruder eines majoritär weiblichen, eher jungen Akademikerstammtischs).
Rein inhaltlich gibt es natürlich auch Linkspopulismus. Frank hat an anderer Stelle hinsichtlich Merkels Politik zu Recht darauf hingewiesen. Die Reaktion auf Fukushima war Populismus in Reinform. Ein Angstthema wurde besetzt, Befürchtungen in der Bevölkerung wurden irrational verstärkt, und es wurde eine unterkomplexe Lösung propagiert (und umgesetzt).
Zitat von Doeding im Beitrag #8während man sich selbst eher als intellektuell-elitär konstruiert.
Das ist sicherlich ein wesentlicher Aspekt der Abgrenzung. Daher ist man natürlich nur alleine in der Lage die Komplexität eines Problems zu erfassen und die Sinnlosigkeit von unterkomplexen Lösungen zu erkennen. Die einfachen Lösungen, den Populismus können nur die anderen. Deswegen kann man auch einen "Satz zur Situation der Nation", von Leuten wie zum Beispiel unserem Aussenminister, auch nach zehnmaligem Lesen einfach nicht verstehen. Der wirkliche "running gag" dabei ist ja aber, das in der Realität eben nur die einfachen Lösungen funktionieren, während die komplexen meist völlig unbrauchbar sind. Man vergleiche den Merkelschen Türkeideal, mit der Schließung der Balkanroute.
Zitat von Noricus im Beitrag #9Rein inhaltlich gibt es natürlich auch Linkspopulismus. ... Die Reaktion auf Fukushima war Populismus in Reinform.
Das ist völlig richtig, aber in dem konstruierten Weltbild des linken Mainstreams ist das eben alles kein Populismus, im Sinne einer einfachen Anwort, sondern das Ergebnis einer elitären Vernuft. Das liegt meines Erachtens im Kern daran, dass es der linke Mainstream geschafft hat, seine "weltanschaulichen Prämissen" gesellschaftlich zu etablieren, so dass alle seine Entscheidungen unter diesen aktzeptierten Prämissen eben vernüftig erscheinen. Die gesellschaftliche Etablierung solcher Prämissen erscheint mir dabei in diesem Sinne die Basis des von mir beschriebenen Ausgrenzungsmechnismus zu sein. Sie ist der Kern einer gemeinsamen Identität.
Ich habe vor kurzem in einem anderen Zusammenhang ein bisschen darüber nachgedacht und mir erscheint, dass man ein grundsätzliches Problem bei jeder Gesellschaft beobachten kann: Es gibt in jeder Gesellschaft die Tendenz bestimmte Prämissen allgemeinhin zu akzeptieren, ohne sie je hinterfragt zu haben. Sind die Prämissen aber falsch, führt auch auf ihnen beruhendes, vernüftiges Handeln zu Unsinn. Die Frage ist, warum es diese Tendenz gibt, diesen Wunsch nach Prämissen, auf die sich alle einigen und die dann ein "gesellschaftliches Tabu" darstellen. Womöglich besitzt das einfach nur identitätsstiftenden Charakter für Gesellschaft oder Kultur. So könnte man sich vielleicht auch, möglicher Weise, einem Verständnis von Religion nähern.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10 Sind die Prämissen aber falsch, führt auch auf ihnen beruhendes, vernüftiges Handeln zu Unsinn.
Und woher weiß ich jetzt, ob "der da ist links und die da ist rechts" richtig oder falsch ist?
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10 Die Frage ist, warum es diese Tendenz gibt, diesen Wunsch nach Prämissen.........
Das müßten Sie doch selber am besten beantworten können, lieber n_s_n, denn Sie operieren doch hier und im Blog mit den PRÄMISSEN links/rechts - was ja völlig okay ist und interessant und lesenswert obendrein. IMHO ist das weniger ein Wunsch sondern ein schlichtes Erfordernis: Voraussetzungslosigkeit jitt ett einfach nich.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10 Womöglich besitzt das einfach nur identitätsstiftenden Charakter für Gesellschaft oder Kultur. So könnte man sich vielleicht auch, möglicher Weise, einem Verständnis von Religion nähern.
Kann gut sein, scheint mir sehr plausibel. Man kann das aber auch auf die individuelle Ebene runterkochen: MEINE Position in der Gesellschaft ist die primäre Identitätsstiftung. Und da im Nirgendwo keiner stehen will und kann, ist das wohl ebenso unumgänglich, respektive: Eine Prämisse
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #10 ......diesen Wunsch nach Prämissen, auf die sich alle einigen und die dann ein "gesellschaftliches Tabu" darstellen
Nu ja, dass sich alle einigen, is ja nu offensichtlich nitt der Fall. Das sieht man ja schon hier im Zimmer . Pluralismus scheint also auch unvermeidbar zu sein. Hängt vermutlich am Unterschied zwischen Tatsachen und Wertungen. Die Wahl eines Wertes ist halt nicht Ergebnis und Ausdruck einer theoretischen Überlegung, die sich auf das Erfassen einer Tatsache bezieht, sondern Ausdruck einer persönlichen Einstellung. Aber gut, den merkwürdigen Wunsch nach einig, einig, einig - man kann auch sagen nach Homogenität - gibt es natürlich; hat vielleicht damit zu tun, dass niemand allein und isoliert in der Landschaft rumstehen will.
Und im Übrigen wusste schon Ernst Jandl:
manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern werch ein illtum!
Vermutlich kommt's daher: Wenn ich meinem Gegenüber den Weg erkläre geht's ja so: Von mir aus gesehen links, von Ihnen aus rechts. Die Position des Betrachters is also nitt grad unerheblich, daran sollte man auch und insobesondere "politisch" denken.
Jetzt muss nur noch geklärt werden, ob das diesbezügliche - also das politische - Universum begrenzt ist, so dass man ggf. tatsächlich an der Wand stehen kann mit nur noch einer Richtung, die über bleibt. Ferner, ob man eine neutrale Position exakt in der Mitten einzunehmen in der Lage ist; das wären dann die Polit-Kastraten - oder sowas. Intervallschachtelung; konvergiert gegen Null. klarer Fall. Aber wer is schon gerne 'ne Null? - abgesehen davon, dass es die nur gedacht gibt. Anscheinend wird das also nix, es sei denn, man sagt dazu: Von mir aus gesehen. Gut, man muss es nicht immer sagen, das Gegenüber kann sich das ja auch gleich denken.
Man könnte natürlich auch rein statistisch vorgehen, so à la Gauss nebst Glocke. Politisch ist dann allerdings eher der typische Fall der Leerfomel, was ja auch nicht so richtig befriedigt.
Ich glaube, Jandl is irgendwie nicht die schlechteste Lösung, denn irgendwie hat man 's in der Politik doch immer mit Geschwurbel zu tun, oder? Vornehmer ausgedrückt: Mit Wertungen und nicht mit Tatsachen.
Und was Populismus angeht, so kommt's natürlich wesentlich auf die negative Konnotation dieses Begriffes an. Somit können das nur immer die anderen sein. Ich bin populistisch eingestellt und find' das richtig gut - das hört man vermutlich eher selten, denn alles, was ich so richtig toll finde, kann ja alles mögliche sein - nur populistisch nitt grad unbedingt, weil das zu sehr nach denen da unten, leicht beschränkten, jedenfalls ohne Abitur, klingt. Also eigentlich der typische Fall von Kampfbegriff, dieser ominöse Populismus, wozu zuweilen auch links und rechts leicht mutieren können.
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11Und woher weiß ich jetzt, ob "der da ist links und die da ist rechts" richtig oder falsch ist?
Wissen Sie nicht, lieber Dennis. Deswegen sind meine Ausführungen nichts anderes an als ein Angebot, für jeden der das mag, darüber nachzudenken und darüber zu diskutieren, um vielleicht einen Erkenntnisgewinn verbuchen zu können oder das eben nicht zu tun. Ich hoffe zwar, dass ich das nicht extra erwähnen muß, aber ich sehe mich nicht als Wahrheitsverkünder.
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11Voraussetzungslosigkeit jitt ett einfach nich.
Absolut. Genauso wie man ganz allgemein Sachverhalte ohne Voraussetzungen, sprich Prämissen, nicht beschreiben kann. Ist alles kein großes Ding, solange man nicht vergißt, dass man eben mit Prämissen, nicht mit Wahrheiten im ontologischen Sinne hantiert.
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11Pluralismus scheint also auch unvermeidbar zu sein.
Das wollte ich nicht bestreiten, aber das war auch nicht mein Punkt.
Zitat von Dennis the Menace im Beitrag #11Hängt vermutlich am Unterschied zwischen Tatsachen und Wertungen.
Schon viel eher dies.
Tatsachen kann es eben nur im Sinne von Beobachtung geben aber nicht im Sinne von otologischen Wahrheiten. Dieser Unterschied wird aber epochenabhängig in bestimmten Dingen immer wieder nicht getroffen. So viel Pluralismus es heutzutage auch gibt bin ich mir recht sicher, dass Sie bei einer überwältigenten Mehrheit in den westlichen Gesellschaften die Wahrnehmung finden werden, der Mensch sei eher zerstörender Antipod der Natur als Teil von ihr. Das hat sicher verschiedene Ausprägung und der Pluralismus sorgt auch ganz sicher für verschiedene Auswirkungen im Handeln des Individuums, aber diese Sicht, der Mensch sei Gegner der Natur, samt negativer Wertung des Sachverhaltes, ist wohl in fast allen Köpfen vorhanden. Dies ist ein Beispiel für so eine Prämisse, von der ich sprach. Sie ist wie ein allgemeingültiges, unhinterfragtes Tabu, welches gleichzeit stark indetitätsstiftend für die westliche Gesellschaft ist und politisches, ökonomisches und individuelles Handeln hervorbringt, dass man in einer Zeit, die keinen Zugang zu dieser Prämisse hat, nicht wird verstehen können.
Es gab wohl, geschichtlich gesehen, immer solche "Prämissen", in kleinerem und größerem Umfang, die dafür sorgten, dass wir das Handeln dieser Zeit heute nicht mehr nachvollziehen können. Solche Prämissen können ein naives Gottsbild, Stereotype oder sonstige Weltanschauungen sein. Man wird heute niemals mehr verstehen, wie man Hexen hat verbrennen können, weil man die Realität der Bedrohung nicht begreift, die die Menschen der entprechenden Epochen durch Hexen empfanden. Und genauso wird man in der Zukunft höchstwahrscheinlich nicht begreifen, wie man Billionen zu Rettung des Klimas ausgeben konnte, anstatt sie zum Beispiel lieber für das Lindern der aktuellen humanitären Katastrophen und/oder zum Lösen/Abmildern der vielen miltiärischen Konflikte einzusetzen. Das kann man nur heute verstehen, mit unserer heutigen Prämisse (im ontologischen Wahrheitsstatus), des statischen, Menschen contra Natur Weltbildes.
Ich glaube das ist der Kern des Umstandens, warum man über Vergangene Zeiten, von der Antike bis zum dritten Reich, samt vieler zugehörigen Handlungen, so oft den Kopf schüttelt: Weil man keinen Zugang zu den Prämissen dieser Zeit hat, die sich als (im ontologische Sinne) Wahrheiten in die Köpfe der Menschen geschlichen hatten. Dort wo man Entsetzt über die Geschichte ist, wäre in meinen Augen die richtige Lehre, von der Suche nach absoluter Wahrheit Abstand zu nehmen. Stattdessen aber tauscht man die Wahheit aus und glaubt man wäre sicher. -- Sicher mit seiner mordernen Wahrheit, die man selbst gefunden hat.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #12 Sie ist wie ein allgemeingültiges, unhinterfragtes Tabu, welches gleichzeit stark indetitätsstiftend für die westliche Gesellschaft ist und politisches, ökonomisches und individuelles Handeln hervorbringt, dass man in einer Zeit, die keinen Zugang zu dieser Prämisse hat, nicht wird verstehen können.
Ein Tabu bezieht sich auf Aktivität, auf das aktive Tun oder Nichttun und ist zudem eher stillschweigend vereinbart. Ihr Beispiel ist eher ein Meme - eine aktiv kommunizierte geistige Haltung, eine Ideologie oder Religion. Natürlich gehen Tabu und Meme Hand in Hand. Aber das Mem ist die geistige Haltung, der Mensch sei ein Parasit auf dieser Erde. Und das dazu gehörende Tabu zum Beispiel in Deutschland "kein Wasser zu verschwenden".
___________________ Kommunismus mordet. Ich bin bereit, über die Existenz von Einhörnern zu diskutieren. Aber dann verlange ich außergewöhnlich stichhaltige Beweise.
Zitat von Frank2000 im Beitrag #13Ihr Beispiel ist eher ein Meme
Lieber Frank,
Sie haben womöglich Recht, dass man hier, wenn es rein um die begriffliche Zuschreibung geht, besser von einem Bewußtseinszustand, denn von einer Prämisse oder einem Axiom spricht.
Worum es mir allerdings ging, was mir wichtig war als Idee zu transportieren, war der Umstand, dass dieser (tabuisierte) Bewußtseinszustand als feststehende Prämisse für das eigene Handeln dient. Deswegen habe ich ihn direkt als Prämisse bezeichnet. Es ging mir um das deutlich machen der mir wesentlich erscheinenden Attribuierung: Die (unbewußte) Gleichsetzung des eigenen Bewußtseinszustandes mit einem Axiom.
Der eigene Bewußtseinszustand wird ja gleichsam zum Axiom erhoben, aus dem heraus man die komplette Welt „erklärt“. Wie in der Axiomatik der Mathematik ergeben sich aus solchen Bewußtseinszuständen dann neue Einsichten in die Wirklichkeit anhand logischer Schlüsse. Die Logik auf dem Weg zu den Schlüssen mag richtig sein. Die Schlüsse sind allerdings nur so gut wie die Axiome taugen und wenn man seine eigenen Bewußseinszustände als Axiome definiert, taugen diese Axiome wohl nichts.
Andreas Doeding hat mich auf einen ausgezeichneten, alten Beitrag in Zettels Raum hingewiesen, den ich noch nicht kannte und den ich jedem nur ans Herz legen kann: Hier nachzulesen. Er beschäftigt sich ebenfalls mit diesem Thema und beleuchtet dabei sehr instruktiv was ich weiter oben meinte, als ich davon sprach, dass man sich so vielleicht auch einem Verständnis von Religion nähern könnte.
Worum es mir im Kern geht: Ich meine zu erkennen, dass Menschen gemeinhin glauben die Fehler der Vergangenheit dadurch vermeiden zu können, indem sie die Axiome (Prämissen) ändern, anhand derer sie Urteilen und Schlüsse ziehen. Das ist in meinen Augen falsch. Der richtige Schluss, um viele Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, wäre zu erkennen, dass Werturteile immer dem eigenen Bewußtseinszustand entspringen und keinem Axiom, keiner Wahrheit im ontologischen Sinne.
Religionsgemeinschaften, gleich welches Gottesbild sie haben, erscheinen mir für diese beschriebene Art des Fehlschlusses besonders anfällig, weil sie eben per definitionem mit nicht "beweisaren Wahrheiten" hantieren. Wenn jemand den eigenen Bewußtseinzustand als absolute Wahrheit im ontologischen Sinne begreift, die auch durchgesetzt werden muß, kann in totaler Konsequenz (der Umsetzung) nur Unheil entstehen. Man verbrennt dann zum Beispiel irgendwann Hexen oder fordert eben die Todesstrafe für Klimaleugner.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
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Ich lese Texte wie den von Andreas kommentierten zum Klimawandel in der FAZ und dann ein solches Eloborat. Leute wie Augstein oder Müller-Jung gelten als erfahrene, gute Journalisten. Sie schreiben in den prominentesten deutschen Medien. Und dann kommen solche inhaltschwachen Texte heraus!? Die so falsch sind, dass du bei fast jedem Satz einen ganzen Aufsatz bräuchtest, die implizierten Fehler zu beschreiben. Und viele Menschen kaufen das, finden das vernünftig. Wollen das lesen. Finden das gut. Ich glaube mein alter Deutsch Lehrer hätte mir solche Texte, wie die beiden erwähnten, mehrfach um die Ohren gehauen.
Manchmal komme ich mir wirklich schwachsinnig vor, wenn ich versuche hier, im Rahmen meiner Möglichkeiten, inhaltlich zu agumentieren. Die Welt scheint so nämlich nicht zu funktionieren. Da kotzt einfach jeder seine Meinung aus und die Leute setzen sich hin, wo ihnen der Duft am besten gefällt.
Es gibt Momente, da fühle ich mich wirklich furchtbar müde.
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Zitat von Noricus im Beitrag #9Rein inhaltlich gibt es natürlich auch Linkspopulismus. ... Die Reaktion auf Fukushima war Populismus in Reinform.
Das ist völlig richtig, aber in dem konstruierten Weltbild des linken Mainstreams ist das eben alles kein Populismus, im Sinne einer einfachen Anwort, sondern das Ergebnis einer elitären Vernuft. Das liegt meines Erachtens im Kern daran, dass es der linke Mainstream geschafft hat, seine "weltanschaulichen Prämissen" gesellschaftlich zu etablieren, so dass alle seine Entscheidungen unter diesen aktzeptierten Prämissen eben vernüftig erscheinen.
Dies mag damit zu tun haben, dass seit 1945 die überwiegende Mehrheit der Intellektuellen links ist. Die Geisteswissenschaften wurden (zum Teil) gekapert und dazu degradiert, wissenschaftliche Munition für das linke Weltbild zu liefern. Intellektuelle wie Peter Sloterdijk, Botho Strauß, Jörg Baberowski oder Thilo Sarrazin, die aus diesem Konsens (bisweilen) ausscheren, sind immer noch eine ungewohnte Erscheinung. Meinem Empfinden nach werden sie aber zahlreicher.
Zitat Die gesellschaftliche Etablierung solcher Prämissen erscheint mir dabei in diesem Sinne die Basis des von mir beschriebenen Ausgrenzungsmechnismus zu sein. Sie ist der Kern einer gemeinsamen Identität.
Das Vorhandensein allgemein akzeptierter Prämissen ist für das Funktionieren einer Gesellschaft zweifellos unabdingbar. Diese Prämissen sind freilich einem Wandel unterworfen. Das Deutschland des Jahres 2016 ist ein anderes als jenes des Jahres 1956.
Diese Prämissen kann man nicht von oben herab verordnen. Kontrollieren kann man ohnehin nicht, ob jemand diese oder jene Werte (das sind diese Prämissen ja) teilt. Mit Lippenbekenntnissen vermag sich jeder zu schützen.
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